Phoenix Wright: Ace Attorney - Justice For All16.04.2007, Jörg Luibl
Phoenix Wright: Ace Attorney - Justice For All

Im Test:

Schon letztes Jahr begeisterte Strafverteidiger Phoenix Wright auf dem DS: Der schlagfertige Jurist sammelte Beweise an Tatorten, entlarvte dreiste Lügner im Kreuzverhör und rettete so verzweifelte Mandanten. Die kreative Mischung aus Detektivspiel, Point&Click-Adventure und Story mit markanten Charakteren wurde mit einem Gold-Award belohnt. Was hat der Nachfolger zu bieten?

Der Jurist und die Amnesie

Anwalt:

Phoenix ist zurück: Der junge Strafverteidiger muss sich vier scheinbar aussichtslosen Fällen widmen.
"Wer bin ich?"

Mandantin: "Wie bitte? Sie sind Strafverteidiger und

müssen mich retten!"

Anwalt: "Was? Wann?"

Mandantin: "Jetzt sofort, der Prozess beginnt gleich!"

Anwalt: "Was haben sie denn getan?"

Mandantin: "Angeblich einen Polizisten ermordet!"

Eine denkbar ungünstige Aufgabe, wenn man gerade mit einem dicken Schädel im Gerichtsflur erwacht und die Folgen einer Amnesie registriert. Aber eine denkbar kluge Möglichkeit, Anfänger ohne Kenntnis des Vorgängers wieder langsam in die Kniffe der Strafverteidigung einzuführen. Das Team von Capcom nutzt den Gedächtnisverlust des Helden, um euch Schritt für Schritt mit den Menüs und der Kunst des Kreuzverhörs vertraut zu machen - so können auch Einsteiger ohne Vorkenntnisse direkt losrätseln.

Vier Fälle, vier Morde

Veteranen, die den Vorgänger Phoenix Wright: Ace Attorney kennen, wird der erste von vier Fällen vielleicht ermüden, aber diese Art Tutorial ist kreativ mit der Story verknüpft, denn eine Zwischensequenz zeigt einen Bösewicht, der mit einem Feuerlöscher auf euch einschlägt. Wer war das? Und warum hat er das getan? Die Neugier ist geweckt und der Polizistenmord harrt der Aufklärung. Die Beweisfindung ist zunächst sehr einfach - ein wenig Gehirnschmalz hier und logisches Verständnis da, dann ist die Lücke in der Anklage gefunden.

Capcom lässt euch in wenigen Stunden durch die ersten Fälle rauschen, bevor man mit dem letzten alle Register der Verzögerung zieht: Immer wieder wird euch der juristische Durchbruch versagt, immer wieder müsst ihr von vorne beginnen - eine harte Nuss, die auch Phoenix eigene Moral auf die Probe stellt. Insgesamt ist der Nachfolger trotz einiger bekannter Lösungswege und erzählerischer Längen auch deshalb immer wieder interessant, weil die Präsentation unheimlich gut ist: Richter fordern mit lautem Klopfen Ruhe, Zuschauer raunen und der Staatsanwalt fährt euch mit einem gemeinen Grinsen in die Argumentation.

            

Altbekannte Spielmechanik

Neu sind die psychologischen Barrieren, dargestellt durch Eisenketten. Könnt ihr sie über kluge Indizienfindung und die Aufdeckung von Widersprüchen knacken?
Dabei kommen fast alle Mechanismen des ersten Teils zum Einsatz: Ihr müsst vor dem Richter bestehen und Mandanten retten, indem ihr Beweise vorlegt, Falschaussagen entlarvt und Zeugen die Wahrheit entlockt. Falls ihr Lust habt, könnt ihr in den Verhandlungen auch "Einspruch" ins Mikro brüllen - aber Vorsicht: Habt ihr ohne triftigen Grund oder Beweise dieses mächtige Mittel genutzt, sinkt eure Energieleiste. Die repräsentiert quasi euren Kredit beim ungeduldigen Richter. Leider nutzt Capcom nicht die forensischen Extravaganzen, die den letzten Fall des ersten Teils so interessant machten - sprich: Fingerabdruckpulver und komplexe forensische Tests gibt's diesmal nicht.

Auch ansonsten werden Stylus und Doppeldbildschirm konventionell genutzt. Capcom hat hier nicht zugelegt und lässt den Touchscreen bis auf einen Zoom hier und einen Bildwechsel da relativ ungenutzt. Und leider laufen Dialoge und Prozesse immer noch streng linear ab, dafür wurden die Texte erneut sehr gut ins Deutsche übersetzt. Wortwitz und skurriler Humor trösten über die Geradlinigkeit hinweg.

Was ist neu? Die psychischen Blockaden. Dahinter verbergen sich die Geheimnisse der Zeugen. Um sie zu lüften, müsst ihr teilweise mehrere seelische Sicherheitsbereiche durchbrechen, die von Eisenketten symbolisiert werden. Die könnt ihr sogar sehen, da Phoenix gewisse übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Um die Schlösser zu brechen, müsst ihr ein heikles Thema ansprechen und danach die Geheimnisse über das geschickte Kombinieren von Indizien lüften. Erst wenn alle Riegel fallen, ist die Blockade gelöst und als Lohn winken neue Informationen, die den Fall zu euren Gunsten entscheiden können.

Altbekannte Kulisse

Wer den Vorgänger Phoenix Wright gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen. Die Präsentation, der Comicstil, das expressive Schwitzen, die Kulleraugen, die Nervenzusammenbrüche - alles entspricht dem Vorgänger. Selbst der Richter ist derselbe und auch Inspektor Gumshoe ist wieder dabei, so dass man fast das Gefühl hat, alte Freunde zu treffen. Wer mit dem japanischen Hang zu Übertreibungen oder expressionistischen Animes nichts anfangen kann, wird hier also wie schon 2006 auf eine stilistische Geduldsprobe gestellt.

Schade ist auch, dass Capcom grafisch sehr viel recycelt hat. Nicht nur bekannte Figuren und Animationen tauchen wieder auf, auch einige Orte entsprechen teilweise 1:1 ihren Vorbildern - egal ob Gerichtssaal oder das Büro. Vielleicht hätte man etwas frischen Wind durch einen Umzug in eine andere Stadt oder Ähnliches reinbringen können.

      

Fazit

Ich habe mich nach der gelungenen Premiere auf diesen Nachfolger gefreut - und wurde nicht enttäuscht. Wer den ersten Teil der kreativen Strafverteidigung mochte, wird auch hier sehr schnell durch ein Labyrinth aus Indizien, Anschuldigungen und Lügen irren. Wo steckt die Lüge? Wer ist der Täter? Am Spielprinzip hat sich nichts geändert, so dass das Suchen nach dem wahren Mörder altbekannte Reize entfaltet - zumal Dialoge und Charaktere wieder sehr lebendig wirken und der Prozessablauf aufgrund der neuen psychologischen Taktiken noch einen Tick interessanter ist. Allerdings hätte ich mir etwas frischeren Wind in Sachen Präsentation, Spielablauf und Verbrechen gewünscht. Viele Figuren, Orte und Bewegungen wurden grafisch recycelt, es bleibt immer noch streng linear, manchmal erzählerisch etwas zäh und es gibt wieder "nur" Mordfälle. Trotz des technischen Stillstandes sorgt auch dieses Abenteuer unterm Strich für viele durchrätselte Stunden. Unterhaltsam, spannend, gut!

Pro

vier neue Fälle
neue Psychotaktik
gute Tutorialidee für Einsteiger
jederzeit speicherbar
skurrile Charaktere
sehr witzige Dialoge
spannende Kreuzverhöre
sehr gute deutsche Übersetzung

Kontra

kein Wiederspielwert
sehr lineare Struktur
sehr viel Grafik-Recycling
keine erweiterte Touchscreen/Mikro-Nutzung

Wertung

NDS

Neue Psychotaktiken, alte Präsentation - unterm Strich ein gutes Abenteuer!

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