Final Fantasy 12: Revenant Wings29.02.2008, Jörg Luibl
Final Fantasy 12: Revenant Wings

Im Test:

Echtzeit-Strategie auf dem DS? Das ging schon einmal in die Hose: Heroes of Mana scheiterte im Herbst 2007 an der Schlachtfeldinszenierung: Wegfindung, Steuerung, Befehle - es haperte überall. Und schon damals zeichnete Square Enix für das Spieldesign verantwortlich. Jetzt wagen die Japaner einen zweiten Versuch und servieren Feldherren ein Sequel zum Rollenspiel Final Fantasy XII.

Märchenhaftes Epos

Wenn Square Enix etwas kann, dann sind es Filme: Freut euch auf faszinierende Zwischensequenzen.
Was für ein herrliches Intro: Gestochen scharfe Flugszenen zwischen den Wolken, bizarre Luftschiffe, bunte Charaktere und sanfte Kameraschwenks in eine farbenfrohe Welt. Und was für idyllische Szenen da noch kommen! Square Enix zeigt die schönsten Filme, die ich bisher auf dem DS gesehen habe. Hinzu kommen diese wunderbaren Melodien, diese vertrauten Kompositionen aus dem grandiosen Orchester eines Final Fantasy XII. All das macht nicht nur neugierig, sondern von Beginn an richtig Lust auf mehr.

Man lässt sich von den Klängen einwickeln, lehnt sich entspannt zurück und genießt die hervorragende Präsentation, die nahtlos in stilvolle Menüs wechselt. Alles passt, alles sitzt. Ist man in der himmelhohen Spielwelt Ivalice angekommen, kann man auch noch ein edles Luftschiff direkt steuern: Einfach mit dem Stylus die Richtung vorgeben und es gleitet elegant von einer grünen Insel zur nächsten - intuitiv, ansehnlich, sehr gut! An markierten Stellen kann man landen, um sich mit seiner Gruppe nach einem kurzen Landweg dem Abenteuer zu stellen. Hier sieht die Welt dann allerdings um einiges gröber und pixeliger aus.

Das Abenteuer geht weiter

Oben die edle Landkarte von Ivalice, unten die Spielwelt zwischen den Wolken, die ihr mit eurem Luftschiff erforscht. An bestimmten Stellen könnt ihr andocken und in die Echtzeit-Schlacht gehen,
Worum geht es? Die Story spielt ein Jahr nach den Ereignissen aus Final Fantasy XII und beantwortet über zehn Kapitel hinweg einige ungelöste Fragen in vielen kleinen Dialogboxen; alles wird getextet, nichts gesprochen. Hauptheld Vaan ist jetzt bereits ein anerkannter Luftpirat und stolzer Kapitän seines eigenen, überaus edlen Fliegers. Die Motivation für das Abenteuer liefert mal wieder der Größenwahn eines Bösewichts, der Gott spielen will - dafür braucht er drei mächtige Kristalle. Und ihr? Haltet ihn auf!

Die Erzählung kommt allerdings nur schleppend in Gang, kann auch nicht so feine Fäden der Intrige spinnen wie das große Original und auch das Gefühl der Gefahr ist angesichts der putzigen Spielwelt selten spürbar. Manchmal wirkt hier alles wie ein Kindergeburtstag mit Monstern. Dass es auch anders geht, zeigen Spiele wie Fire Emblem.

Statt Dramatik herrscht allerdings epische Nostalgie - und auch die ist angenehm: Kenner des PS2-Rollenspiels dürfen sich auf den Besuch bekannter Schauplätze wie Rabanastre sowie beliebte Charaktere wie Penelo, Balthier oder Fran freuen; zehn Helden sind insgesamt spiel- und aufrüstbar, hinzu kommen fünf Gäste. Sogar auf einem Boot kann man die Karte erkunden, wenn ein See den Weg versperrt. Der Zeichenstil ist innerhalb der Echtzeitkämpfe deutlich kindlicher als auf der großen Konsole und erinnert mit seinen Kulleraugen z.B. an Heroes of Mana.

Euer Luftschiff ist Transportmittel und Basis zugleich, bietet Brücke und Saloon. Hier wird gequatscht, gemanagt, gekauft, gespeichert. Ihr könnt in kurzen Dialogen mehr über eure Freunde erfahren, ihr könnt euch offene Missionen anschauen und natürlich die Party von A bis Z verwalten: Waffen, Rüstungen, Accessoires und Spezialattacken wechseln. Damit ist das Luftschiff quasi das übrig gebliebene Rollenspielelement des Spiels - zusammen mit den zig Möglichkeiten, seine Truppe in Sachen Schlagkraft zu verbessern.

     

Rollenspiel & Ring der Macht

Im Laufe des Abenteuers sammelt ihr Punkte, die ihr in weitere Monster investieren könnt. Das Rad wird auf Wunsch gedreht und offenbart Kreaturen ganz unterschiedlicher Elemente.
Das faszinierendste Element der Aufrüstung ist der Ring der Beschwörung, den ihr Kapitel für Kapitel um weitere Kreaturen erweitern könnt: Chocobos, Sylphen, Djinn, Wyvern etc. Diese Esper sind nicht nur den drei Truppentypen Nah, Fern und Flug zugeordnet, sondern auch Elementen wie Wasser, Feuer, Blitz & Co - auch Heiler sind dabei. Außerdem können sie drei Ränge haben, die ihre Kraft symbolisieren. Die Auswahl erinnert angenhem an klassische Trading Card-Games.

Dadurch kommt schon frühzeitig über den Truppenbau eine angenehme taktische Komponente ins Spiel: Man muss magische Widerstände und Schwächen bei der Wahl der Wesen berücksichtigen und kann drei Sets aus fünf Espern vordefinieren, die dann im Ernstfall beschworen werden. So kann man sich z.B. ein Deck aus effektiven Fernkämpfern schnitzen, das Feuer und Blitze spuckt. Oder ein effizientes Nahkampfdeck mit schlagfertigen Kreaturen. Square-Enix hat nach eigenen Angaben so viele Esper wie noch nie in dieses Spiel gepackt. Einige werden Kennern vertraut sein: Belias aus FF XII, Leviathan aus FF VII oder Diablos aus FF VIII.

Heißer Start, kalte Dusche?

Die Unterstützung der Kreaturen haben eure Helden bitter nötig: Klickt man auf eine Auftragsfahne, öffnet sich meist ein verwinkeltes Dungeon oder eine regionale Arena für die Schlacht - in Ersterem kann man sogar Schalter bedienen, um Tore zu öffnen. Aber hier im Krieg, wenn es endlich zur Sache und um die Echtzeit-Strategie mit Stylus & Co geht, verwandelt sich die anfängliche Begeisterung doch in Ernüchterung. Was ausgezeichnet beginnt, sinkt Mission für Mission in gerade noch gute Bereiche ab. Das ist gegenüber dem Desaster von Heroes of Mana immer noch ein großer Fortschritt.

Wer ist wo? Leider kann im Echtzeit-Kampf die Übersicht verloren gehen. Trotz in der Anlage guter Steuerung vermisst man Kameradrehungen und die Schnellauswahl von Truppentypen. 
Die Steuerung ist insgesamt gelungen, bietet euch die Wahl zwischen Stylus und Knöpfen. Ihr könnt jeden Kämpfer einzeln antippen oder einen Kasten um eine beliebige Gruppe ziehen - die Lassomethode vom PC lässt grüßen. Außerdem könnt ihr auf einen Druck bequem zwischen den Heldengruppen wechseln. Allerdings kann man später nicht auf diese Weise z.B. auf einen Klick alle Fernkämpfer, alle Nahkämpfer oder Heiler auswählen; gerade diese Sortierung wäre aber in der Hektik, wenn sich dutzende Wesen wie ein bunter Brei bewegen, wünschenswert. Hier ist es so, dass bestimmte Monster an Helden gebunden sind - das kann man natürlich auch im Vorfeld taktisch berücksichtigen, erweist sich im Kampf aber als Hemmschuh.

Steuerung in der Schlacht

Theoretisch kann man zwar alles mit dem Stylus steuern, aber auf lange Sicht ist das zu ungenau: Die Lassomethode zur Markierung aller Einheiten funktioniert nämlich nicht immer so einwandfrei wie die todsichere Methode über den X-Button; und das Anvisieren einzelner Gegner kann selbst mit der Stylusspitze zur Glückssache werden. Ich habe nach drei Kapiteln auf die klassische Variante mit Steuerkreuz und Buttons zurückgegriffen und den Stylus eher als Ergänzung genutzt.

Sobald das Spiel in ruhige Phasen kommt, funktioniert das Antippen des Touchscreens wieder wunderbar - zumal man dann auch genug Muße hat, sich die Statistiken der Helden oder Verbündeten anzuschauen. Ob diese oben oder unten dargestellt werden, bleibt übrigens euch überlassen: Ihr könnt die beiden Bildschirme nach Belieben wechseln. Schade ist jedoch, dass man die Kamera nicht mit dem Stylus drehen kann; ab und zu verschwinden Figuren hinter Mauern.

    

Das Kampfsystem

Der strategische Anspruch besteht oftmals darin, bestimmte Punkte zu sichern oder Beschwörungsplattformen zu erobern. Nur dort kann man neue Truppen ausheben.
Im Kampf kommen Schere, Stein und Papier zum Einsatz - hier heißen die Angriffstypen nur Nahkämpfer, Flieger und Fernkämpfer. Das System, das auch Heiler als Unterstützer umfasst, ist einfach und effektiv: Gegen Feinde aus der Luft sollte man Magie aus der Distanz einsetzen, gegen Letztere wiederum Nahkämpfer, die man wiederum nicht gegen fliegende Truppen in den Kampf schicken sollte. All das sorgt für eine angenehme Grundtaktik.

Sehr schön ist auch, dass Fernkämpfer in der Regel hinten bleiben und dass die Heiler ebenfalls von selbst aus der Distanz helfen: Man kann also gezielt einen Kämpfer an die Front schicken und ihn gleichzeitig heilen lassen. Allerdings ist das erstens im Getümmel nicht immer so einfach , zweitens bewegen sich bei großem Truppenaufkommen alle nicht nur quälend langsam, sondern sind auch noch kaum zu unterscheiden und bleiben mancvhmal an Mauern oder Ecken hängen - die Wegfindung hat ihre Tücken.

Auch Spezialfähigkeiten können die Schlacht entscheiden. Das Gambit-System aus Final Fantasy XII ist in einer angepassten Variante dabei: Ihr könnt vor einem Kampf festlegen, ob einer der Helden eine seiner Fähigkeiten automatisch ausführen soll - zum Beispiel einen mächtigen Doppelhieb, einen Feuerzauber oder eine Heilung. Das ist überaus nützlich, denn ihr könnt während der Echtzeitgefechte nicht pausieren, um diese individuellen Attacken in Ruhe auszuwählen.

Die Masse siegt!

Viele kleine Dialoge treiben die Story voran. Das Abenteuer ist sehr einsteigerfreundlich und lässt sich viel Zeit, um endlich etwas Fahrt aufzunehmen und strategischen Anspruch zu entwickeln.
In der Theorie ist also genug Raum für Strategien. In der Praxis lässt sich allerdings fast alles über den Einsatz der Masse nutzen. Sprich: Es ist in den meisten Missionen vollkommen egal, ob ihr euren Feinden die effektivsten Truppen entgegen schickt, denn ihr könnt einfach alle eigenen Einheiten per Lassomethode markieren und dann jede kleine Ansammlung von Gegnern platt machen. Die KI kann dieser 08/15-Taktik nur selten etwas entgegen setzen, weil sie selber 08/15 reagiert - einzelne Kreaturen lassen sich weglocken, Flankiereungen gibt es kaum. Und die Gambit-Automatismen sind zwar komfortabel, aber sie sorgen auch für einen Spannungsraub, da man kaum noch etwas tun muss.

Allerdings gibt es bestimmte Missionen, in denen etwas Taktik gefragt ist - und diese retten das Spiel für Strategen in den befriedigenden Bereich: Wie in klassischen Echtzeit-Schlachten auf dem PC gilt es manchmal, bestimmte Orte zu schützen und gleichzeitig andere zu erobern. In diesen kann die KI immerhin mit einigen geschickten Manövern für etwas Spannung sorgen: Wenn man hier alle Truppen einfach Richtung Zielpunkt schickt, kann man zwar auch gewinnen, aber manchmal ist die KI schneller an ihrem Zielpunkt. Der strategische Anspruch besteht oftmals auch darin, schneller als der Gegner die Beschwörungsplattformen zu erobern, denn nur dort kann man neue Esper ausheben. All das rettet die Spielmechanik auch für Strategen in den befriedigenden bis guten Bereich.

Zufälle waren gestern?

Es gibt im Großen und Ganzen auch keine Zufallskämpfe: Ihr bekämpft also die Feinde, die ihr seht. Das ist überschaubar, aber Sichtlinien scheinen keine Rolle zu spielen - man kann bis auf wenige Meter an seine Feinde heran, ohne dass sie reagieren würden. Aber ab und zu tauchen Feinde plötzlich aus dem Nichts auf, wenn man eine Kiste geplündert oder einen besonderen Ort erforscht hat - hier wird man dann doch noch überrascht. Im Gegensatz zu Heroes of Mana verzichtet man zwar auf Basenbau & Co, aber auch hier spielen Rohstoffe eine Rolle.

Schade ist, dass die Missionen bei Erreichen des Ziels sofort abgebrochen werden: So kann man übrig gebliebene Schätze nicht mehr erbeuten. Ab und zu findet ihr nämlich Vorkommen, die ihr abbauen und später nutzen könnt: Entweder verkauft ihr sie im Materialshop oder ihr schmiedet euch neue, überaus mächtige Waffen. Dazu braucht ihr allerdings zunächst ein Buch mit Rezepten und dann drei Zutaten. Außerdem müsst ihr hier ein paar Fragen beantworten und danach bekommt eure Waffe angepasste Werte - eine interessante Idee.

   

Fazit

Das sind die schönsten Filme, die schönsten Melodien und die edelsten Menüs, die ihr auf dem DS finden könnt. Das sieht bis auf die pixeligen Kämpfe alles klasse aus, das hört sich alles klasse an. Und Square Enix holt nicht nur technisch alles aus Nintendos Kleinem heraus, man knüpft auch noch in Sachen Story an Final Fantasy XII an, obwohl man sich erzählerisch auf dem Niveau eines Kindergeburtstags mit Monstern bewegt. Kenner des PS2-Rollenspiels freuen sich dennoch auf alte Bekannte und neue Schauplätze, auf viele nostalgische Momente und interessante Gespräche. Aber dieses Abenteuer ist kein Rollenspiel, sondern ein Echtzeit-Strategiespiel. Und da kann Square Enix immer noch nicht begeistern: Trotz der guten Steuerung, trotz der guten Touchscreen-Nutzung lassen Wegfindung, KI und Anspruch noch zu wünschen übrig. Es gibt zwar viele taktische Optionen, aber meist reicht die Alles-Drauf-Methode aus, um siegreich aus der Schlacht zu gehen: Alles markieren, alles vorwärts, Übersicht adé! Es besteht also eine große Kluft zwischen ausgesprochen hervorragender Präsentation und einer lediglich befriedigenden Spielmechanik. Dass der Anspruch nicht ganz im Keller versinkt, liegt an einigen frischen Missionszielen, die ab und zu mal Gruppenteilung und Köpfchen verlangen sowie dem Zwang zu schneller Eroberung von Beschwörungspunkten. Und schließlich können auch das Truppenmanagement sowie die Kartenerkundung längerfristig motivieren. Unterm Strich ein gutes Spiel, das Echtzeit-Strategie deutlich besser, epischer und unterhaltsamer inszeniert als Heroes of Mana.

Pro

epische Story
edles Art & Design
wunderschöne Weltkarte
Steuerung mit Lassomethode
klasse Beschwörungssystem + übersichtliches Kampfsystem
hervorragende Filme
wunderbare Musik aus FF XII
direkte Kontrolle der Luftschiffe

Kontra

pixelige Echtzeitkämpfe
wenig dramatischer Beginn
wenig Anspruch = Masse siegt
keine Formationen
keine Truppentypwechsel
keine Kameradrehungen
sehr zähes Marschtempo
Wegfindungsprobleme

Wertung

NDS

Episch & edel: Square Enix serviert das erste gute Echtzeit-Strategiespiel für DS.

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