Contra 416.01.2008, Paul Kautz
Contra 4

Im Test:

Wenn sich ein gestresster Bankdirektor nach Feierabend ein bisschen quälen möchte, dann besucht er die Domina seiner Wahl. Wenn der fröhlichste Mensch der Welt mal wissen möchte, wie sich Suizidgedanken so anfühlen, dann hört er ein Album von Tokio Hotel. Und wenn Videospieler mal die ganze Härte eines Leveldesigns am eigenen Leib erfahren wollen, dann greifen sie zu Contra - schon immer, und jetzt mehr denn je!

Oben, Oben, Unten, Unten, Links, Rechts, Links, Rechts, B, A, Start - Pah!

Jubiläen sind etwas Schönes: Bands veröffentlichen »Best-Of«-CDs, Filmproduzenten einen Director's Cut, Spielefirmen Remakes oder Retro-Sammlungen. Gelegentlich passiert es sogar, dass ein Unternehmen beschließt, etwas »von Fans für Fans« zu machen. Im schlimmsten Fall kommt dabei eine Sammlung von B-Seiten raus, im besten Fall etwas wie Contra 4 (ab 53,07€ bei kaufen).

Ist das hier das Super Nintendo? Nicht doch - Contra 4 folgt nur den Fußstapfen des großartigen dritten Teils.
Ach, Contra: Das Spiel, das aus Jungs Männer machte. Höllisch schwer, wirklich höllisch schwer. Aber auch so befriedigend, da es zwar schwer, aber dennoch fair designt war - wenn man ein Leben verlor, konnte man nie das Programm dafür verantwortlich machen, sondern nur das eigene Versagen. Resultat: Man kämpfte sich Pixel für Pixel, Gegner für Gegner vor, bis man jeden Level auswendig kannte, die schmissige Musik auf Anfrage rückwärts pfiff und dem Endgegner beim nächsten Mal schon aus der Entfernung ein dreckiges Hohnlachen entgegen warf. So etwas gibt es heute nicht mehr, oder kaum noch. Außer in Spielen wie diesem. Die Entwickler von WayForward Technologies sind nachweislich Contra-Fans. Wer Contra nicht nur kennt, sondern auch liebt, der wird hier von der ersten Sekunde an das vertraute, warme Gefühl spüren, willkommen zu sein. Die Musik bietet zwar nicht die Originalmelodien, aber die Töne aus den beiden DS-Lautsprechern servieren euch davon inspirierte, gleichzeitig modern und treibend klingende Rhythmen. Die Grafik zeigt köstliche Spritekost mit einer Extraportion Pixelliebe, farbenfroh in mehreren Ebenen scrollend; die Protagonisten sind weich animiert, schlagen bei jedem Sprung die berühmten Saltos. Kurz gesagt: Contra 4 vermischt allein auf technischer Ebene perfekt alte Tugenden mit modernen Möglichkeiten, ohne sich in Technikselbstzweck zu verlieren. Wer also aufgeplusterte 3D-Grafik erwartet, erwartet zu viel.

Bissspuren am Digipad

Wichtiger als Kulisse und Sound ist natürlich die Spielbarkeit: Contra zeichnete sich schon immer durch seine präzise Steuerung und perfekte Kollisionsabfrage aus. Und auch hier leistet sich WayForward keine Schnitzer, auch wenn es schade ist, dass man die Tasten nicht selbst belegen kann. Die Waffen sind durch die Bank bekannt - von Streufeuer-MG über den durchschlagskräftigen Laser bis hin zum leuchtenden Schutzschild sind alle Argumentationshilfen vorhanden. Im Gegensatz zu Shattered Soldier und Neo Contra habt ihr hier wieder jederzeit die Qual der Wahl, vorbeischwirrenden Extrawaffen-Behältern sei Dank. Ihr dürft zwei Wummen gleichzeitig tragen, zwischen denen jederzeit gewechselt werden darf. Aber wie immer gilt: Ein Treffer = ein Leben weniger = aktuelle Waffe futsch! Und Leben verlieren werdet ihr hier im Dutzend-, ach was im Hunderterpack!

   

Die Entwickler kennen keine Gnade, die Gegner stürmen erbarmungslos auf euch zu, von allen Seiten regnen Schüsse auf euch ein - und am Ende jedes Levels wartet ein Bossgegner, der sich nicht gewaschen hat, sondern diese Zeit lieber dafür verwendet, sich mit noch mehr Kanonen auszustatten! Und dabei reden wir gerade mal vom einfachen der drei Schwierigkeitsgrade,

Contra 4 bietet liebevoll designte, knallharte, geradlinige Jump-n-Run-Action alter Schule - perfekt für Freaks, abstoßend für Gelegenheitsspieler.
der für Ottonormalzocker schon herausfordernd genug ist. Der Contra-Profi spielt sich hier mit geringem Lebensverlust erstmal warm - es warten mehr Leben, alle Wummen gibt es sofort in der maximalen Ausbaustufe. Aber auf diesem Niveau bekommt ihr gerade mal sieben der neun Welten, und damit nicht das Ende zu Gesicht. Die volle Dröhnung nebst aller Musikstücke gibt es nur für Männer am Pad! Aber die Bissspuren am Handheld lohnen sich, denn neben dem aufbauenden Gefühl, etwas geschafft zu haben, das selbst Herakles zu anstrengend gewesen wäre, gibt es auch noch allerlei freizuspielen: Bonusfiguren wie die Probotector-Roboter, Herausforderungsmodi, eine Jukebox, Informationen zur Seriengeschichte sowie die NES-Originale Contra und Super C - leider ohne die damals wegweisenden Mehrspielermodi! Falls ihr trotzdem lieber zu zweit unterwegs seid, könnt ihr das im Hauptprogramm selbstverständlich tun, leider benötigt jeder Recke ein eigenes Modul.

Kletter-n-Run

Obwohl Contra 4 den Traditionen der Serie treu bleibt, ist es ein eigenständiges Spielerlebnis und kein Remake: So zieht sich die Action über beide Bildschirme, was das Spielfeld und damit auch die Gefahr verdoppelt - Schüsse kommen jetzt aus mehr Richtungen, ihr müsst auf beide Bildschirme achten, was die Sache natürlich etwas erschwert, zumal die Lücke zwischen den beiden Screens für eine kurze Pause sorgt. Nicht so auffällig wie z.B. bei Yoshi's Island DS , aber doch spürbar. Aber das ist für den Contra-Fan der ersten Stunde kein Beinbruch, schließlich war das Bild beim Arcade-Automaten auch eher hoch als breit. Viel interessanter ist daher der neue Greifhaken: Ähnlich wie in Bionic Commando dürft ihr euch mit diesem nach oben ziehen, um an Geländern, Schienen oder Helikopter-Kufen herumzuklettern - schnelle Standortwechsel sind gerade bei den Bossfights, die sich logischerweise auch über beide Bildschirme und gelegentlich auch mehrere Instanzen ziehen, lebensrettende Manöver!

Die meisten der neun Welten erkundet ihr wie gehabt zu Fuß von links nach rechts. Ein paar Mal springt ihr auch ans Steuer eines Wasserflitzers, mit dem es in die gleiche Richtung, aber schneller geht. Dazu kommen noch Abschnitte, in denen ihr euch vertikal vorkämpfen müsst sowie klassische Pseudo-3D-Levels wie beim ersten Contra: Hier findet ihr Action auf dem oberen Bildschirm statt, der untere zeigt lediglich die Levelkarte an. 

Fazit

Contra 4: Von Fans für Fans, von Contra-Freaks für Contra-Freaks - der klassische Super Mario Galaxy-Spieler, der weit von einer dreistelligen Sternezahl entfernt ist, dürfte hier bereits am ersten Level verzweifeln und sich ernsthaft fragen, wer so einen unfairen Mist spielen soll. Der Fan hingegen, der harte Hund, der Chuck Norris am DS, der bekommt hier ein herrlich konservativ designtes Action-Jump-n-Run alter Schule mit Lasern und Krawumm und zielsuchenden Raketen und Bildschirm füllenden Bossen und zweieinhalb Tonnen Bonusmaterial! Schwer? Oh ja, teuflisch schwer! Fair? Zu jeder Spielsekunde, aber es braucht seine Zeit, bis man das erkennt und zu schätzen lernt. Contra 4 ist die Quintessenz aus 20 Jahren Serientradition und für mich auf einer Stufe mit dem chronologisch direkten SNES-Vorgänger. Aber gleichzeitig ist es eine deutliche Demonstration dafür, welche Fortschritte das Design von Actiongames in all den Jahren gemacht hat. Wer diese Art Geschicklichkeits- und Reflextest nicht im Blut hat, dürfte es hassen - ich liebe es! Und hoffe, dass es bald auch in unseren Gefilden einschlägt.

Pro

wundervolle Grafik
so oldschool wie nur möglich
exzellentes Leveldesign
anspruchsvolle Action
Koop-Modus für zwei Spieler
größtenteils tolle Musik
fette Bossfights

Kontra

höllisch schwer!
recht kurz
kein Mehrspielermodus in den freispielbaren Contra-Games

Wertung

NDS

Ein gnadenlos krachendes Action-Feuerwerk alter Schule - mörderisch schwer, herrlich unterhaltsam!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.