Top Spin 325.07.2008, Benjamin Schmädig
Top Spin 3

Im Test: Wer hätte das gedacht? Die DS-Version macht Spaß!

Das kann doch nichts werden! Auf den großen Konsolen wollte 2K Sports eine Simulation, begnügte sich aber mit kompliziertem Arcade-Tennis. Wii-Profis freuten sich hingegen über die gelungene Steuerung, durften ihre Filz-Leidenschaft aber nicht in einer Karriere ausleben. Und am DS war schon das letzte Top Spin eine Katastrophe...

Der kleine Virtua Tennis-Bruder

Wie es scheint, setzt Entwickler PAM Development immerhin eine mit dem letzten DS-Tennis begonnene Tradition denn auch konsequent fort: Anstatt eine Umsetzung des aktuellen Konsolen-Tennis' auf Nintendos Minikoffer anzubieten, trällert beim Start die Titelmusik des Vorgängers aus den Lautsprechern. Auch die Spielererstellung erinnert an alte Zeiten, weil die Figuren unscharf, die Frauen zu muskulös und sämtliche Röcke,

Endlich frustfrei aufschlagen: Top Spin 3 (ab 10,71€ bei kaufen) ist kein Vergleich zu dem schwachen DS-Vorgänger.
Hosen sowie Hemden unspektakulär aussehen. Selbst die später hinzu kommenden Kleider wollte ich meinem Profi nicht antun.

Allerdings war mir das zu diesem Zeitpunkt schon wieder fast egal, weil ich mich längst in die spannenden Matches vertieft hatte! Denn PAM hat sich den schwachen DS-Einstieg offenbar gehörig zur Brust genommen und großes Mini-Tennis draus gemacht! Das Stottern in den damals ungewollt zähen Ballwechseln gehört z.B. der Vergangenheit an - endlich fliegt die Filzkugel auch auf dem Handheld so flott übers Netz, dass fordernde Ballwechsel entstehen können. Eine waschechte Simulation erhaltet ihr auf dem schwächsten aller Top Spin-Systeme natürlich ebenso wenig wie mit den anderen Versionen. Die war aber sicher ohnehin nicht das erklärte Ziel. Stattdessen erinnert die Geschwindigkeit der Ballwechsel an das rasante Virtua Tennis - ein über das Berühren des Touchscreens ausgelöster Sprint, der sich nach wenigen Sekunden wieder auflädt, verstärkt den Arcade-Eindruck. Leider ist das Umgreifen allerdings unhandlich und bringt zudem kaum nennenswerte Vorteile.

Dynamik auf dem Platz

Abgesehen davon verlässt sich die Handheld-Fassung auf bewährte Serien-Tugenden: Slice, Top Spin, Lob, Stop sowie flache Schüsse sind ebenso möglich wie Risikoschläge über die Schultertasten. Dabei müsst ihr im Vergleich zu PS3 oder 360 nicht früh loslassen, damit euer Profi die Schlagbewegung ausführt - das einfache Gedrückthalten der entsprechenden Schusstaste reicht aus. Außerdem dürft ihr die Schlagtaste erst dann drücken, wenn der Gegner am Ball war. Eine Besonderheit der diesjährigen Ausgabe müssen allerdings auch DS-Sportler beherrschen: das geschickte Stellungsspiel. Zwar rutschen die Profis die letzten Dezimeter auch selbstständig in Richtung Ball - wobei sie mitunter einen seltsam fehlerhaften Überschlag (!) hinlegen - und ihr werdet für schlechtes Stellungsspiel nicht allzu hart bestraft. Doch harte, gut platzierte Schüsse gelingen nur, wenn ihr den Ball im richtigen Winkel trefft. Falls nicht, muss euer Alter Ego den Schläger hochkant halten oder durch die Beine schlagen - mehr als ein Schüsschen ist so nicht drin, schlimmstenfalls landet der Ball sogar im Aus.    

Auch wenn ihr vor dem Schlag zu lange in die angepeilte Richtung drückt, trefft ihr nur jenseits der Seitenlinie. Das Gleiche passiert, wenn euer Timing für einen Risikoschlag nicht stimmt. Im Allgemeinen ist Top Spin 3 allerdings sehr nachsichtig, denn lasst ihr die  Schultertaste (die linke für einen Schuss ins weite Eck, die rechte für einen Schmetterball) zu früh los, gelingt euch immer noch ein schwacher, aber immerhin gültiger Schuss. Wenn ihr die jeweilige Taste jedoch zu lange gedrückt haltet, rast der Ball neben das Feld. Schade nur, dass gute Risikoschüsse viel zu einfach gelingen. Es nimmt dem Spiel nämlich einen Teil seiner Finesse, dass ihr für den Punktgewinn gegen spätere Gegner fast zwingend einen Risikoschlag braucht. Wohl als Ausgleich dafür sind normale Schüsse meist zu schwach, die Kontrahenten außerdem zu clever, als dass ihr ohne Risiko zum Zug kommen würdet. Nach endlos langen Ballwechseln unterlaufen den KI-Profis zwar Fehler, doch erstens können solche nicht euer Ziel sein und zweitens sind die Grundlinienduelle enorm eintönig. Eure Gegner bewegen sich nämlich

Minispiele als Trainingssitzung: Hier müsst ihr zwei Kugeln versenken, indem ihr auf die richtigen Knöpfe tretet.
so gut wie nie ans Netz und selbst ihre Risikoschüsse von der Grundlinie sind harmlos. Allein die Tatsache, dass sie ähnlich wie ihr viele Bälle erlaufen, macht sie zu fordernden Kontrahenten.

Everybody's Darling

Wollt ihr euren Karriere-Einsteiger zu einem echten Experten machen, könnt ihr aber nicht nur an Turnieren oder einzelnen Events teilnehmen, sondern müsst zusätzlich eure Fähigkeiten in Trainingssitzungen steigern. Dafür absolviert ihr einige der bekannten Minispiele (z.b. Tonnen oder Autos (!) treffen sowie Aufschläge auf angezeigte Positionen schießen) und sackt nach Bestehen Sterne ein, die ihr auf sieben Fähigkeiten (Vorhand, Rückhand, Volley, Aufschlag usw.) verteilt. Weil ihr die höheren Stufen der Trainingssitzungen erst spielen dürft, nachdem ihr durch Turniersiege in der Weltrangliste aufgestiegen seid, erlebt ihr somit eine abwechselnde Karriere. Schöner wäre nur gewesen, wenn sie nicht nur den ständigen Wechsel von Training und Turnier simulieren, sondern wie im 360-Vorgänger auch den Aufstieg vom Nobody zum Everybody's Darling überzeugend darstellen würde. Immerhin wird die dreijährige Laufbahn von witzigen Zufallsereignissen aufgelockert - wenn ihr z.B. von eurer Hochzeitsreise, eurem gebrochenen Bein oder eurer exotischen Urlaubsreise erfahrt.

Selbstverständlich seid ihr aber nicht nur auf die Karriere angewiesen, sondern könnt auch einen der 22 lizenzierten Profis im Einzelspiel herausfordern oder euch an den separat wählbaren Minispielen versuchen. Schade, dass die Anzahl der Spieler deutlich kleiner ist als auf 360 oder PS3 und dass ihr nur auf 14 Courts antretet. Zudem dürft ihr nur Einzel-Matches spielen; bei einem Doppel würde der DS vermutlich in die Knie gehen. Ob die Mehrspieler-Partien reibungslos verlaufen, konnten wir übrigens nicht feststellen, da jeder Teilnehmer sein eigenes Modul benötigt und wir nur ein Testmuster zur Verfügung hatten.

Fazit

Welch eine angenehme Überraschung: Nach den verstolperten ersten Gehversuchen auf DS, gelingt dem Handheld im zweiten Anlauf gleich der Matchgewinn! Denn das Spielgefühl ist überraschend flott und fordernd - von technischen Problemen keine Spur mehr. Die Gegner verharren zwar nur an der Grundlinie und sind mit einem harten Risikoschlag leicht zu bezwingen - damit ein solcher gelingt, kann man das Spiel der Kontrahenten aber mit unterschiedlichen Schüssen effektiv stören, während dem eigenen Stellungsspiel eine wichtige Rolle zukommt. Die Karriere könnte hingegen den Aufstieg vom Anfänger zum Experten besser einfangen, ist dank Turnieren, witzigen Zufallsereignissen und Trainingssitzungen aber angenehm abwechslungsreich. Identifizieren möchte ich mich mit meinem Alter Ego aber trotzdem nicht: Dazu wirken die Figuren zu klobig, das Sammeln von wenigen unspektakulären Klamotten motiviert kaum und die Lizenz hat im Vergleich stark abgemagert. Wegen der dynamischen Ballwechsel geht die DS-Fassung aber als Sieger aller aktuellen Top Spin-Varianten vom Platz.

Pro

schnelle, taktische Ballwechsel
wichtiges Stellungsspiel, sinnvolle Risikoschläge...
fordernde Gegner...
Karriere mit Turnieren, Training und besonderen Ereignissen
witzige, wenn natürlich auch belanglose Minispiele

Kontra

Spielererstellung und Figuren wenig ausgefeilt
... die fast übermächtig im Vergleich zu normalen Schlägen sind
... die zu harmlos nur von der Grundlinie aus agieren
keine Doppel möglich

Wertung

NDS

Weg vom zähen DS-Einstieg - hin zu abwechslungsreichem, spannendem Tennis!

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