Frische Piraten-Abenteuer
Ein junger Pirat, eine Schatzkarte, ein rauschebärtiger Bösewicht, ein Adventure - höre ich da die ersten Leser »Monkey Island 5??« skandieren? So nahe der Gedanke liegt, so falsch ist er auch, denn obwohl Treasure Island (TI) vom Berliner Entwickler Radon Labs natürlich offensichtlich den Bogen zum Lucas Arts-Klassiker spannt, hat es damit nichts zu tun. Denn während die Abenteuer des Guybrush Threepwood durch und durch albern sind, verfolgt TI einen eher seriösen Ansatz. Natürlich gibt es auch hier den einen oder anderen Gag, generell hat das Spiel aber einen eher ernsten Unterton - eben wie das Buch, dem das Spiel streng folgen will. Natürlich halten sich die Entwickler nicht sklavisch an alle Vorgaben, gelegentlich werden die Pfade des Romans verlassen, um z.B. einer im Buch eher unwichtigen Figur mehr Spielraum zu geben. Doch insgesamt ist TI eine Umsetzung im besten Sinne des Wortes, Figuren und Schauplätze sollen möglichst präzise dem Original entsprechen.
Fette Technik-Beute
Ihr habt immer noch nicht die Hoffnung auf ein modernes Monkey Island verloren? Dann tröstet euch vielleicht der Gedanke, dass Radon Labs klassische Adventure-Tugenden ehrt: Die Steuerung setzt z.B. auf das bewährte Point-n-Click-System in einer 3D-Umgebung. Ein Klick in die Landschaft, und schon dackelt Held Jim Hawkins zuverlässig dort hin - haltet ihr die Maustaste gedrückt, könnt ihr ihn auch direkt zum Ziel lotsen. Das Inventar tummelt sich am unteren Bildschirmrand, Kombination von Objekten erfolgt per einfachem Drag&Drop. Es gibt massig Multiple-Choice-Dialoge, die komplett von bekannten Stimmen vertont werden sollen, die wir aber noch nicht zu hören bekamen - dafür ist bekannt, dass bereits genutzte Dialogzeilen farblich markiert werden sollen, um Wiederholungen zu vermeiden. In Sachen Technik nutzt Radon Labs seine Erfahrung aus dem 3D-Bereich, auch wenn das Geschehen meist aus klassischer Seitenansicht gezeigt wird: Fein modellierte Figuren, stimmungsvoll besiedelte Schauplätze, liebevolle Details - Sonnenstrahlen glänzen durch Risse in den Deckenplanken, Motten schwirren im Licht umher, Wasser plätschert träge in Pfützen.
Ausblick
Totgesagte leben länger: Das Adventure, ein Strahlemann der PC-Knobelfreunde, dümpelte lange Jahre scheintot in den Hirnen von Spielen und Entwicklern umher - und ist seit einiger Zeit wieder lebendiger als LeChuck! Treasure Island hebt sich auf interessante Weise von den Ankhs und Sam&Maxes dieser Welt ab, verfolgt es doch einen weniger auf Klamauk fokussierten Ansatz, der gerade erwachseneren Spielern entgegen kommen dürfte. Dass Radon Labs darüber hinaus noch klassische Adventure-Tugenden in moderner Umgebung nutzen und nicht versuchen will, das Rad neu zu erfinden, dürfte ihnen ebenfalls Sympathien sichern. Abenteuer- und Piratenfans aufgemerkt!