Special: Drakan: Order of the Flame (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Drakan: Order of the Flame (Action-Adventure) von Psygnosis / GT Interactive
Rynn und Arokh auf großem Flug
Entwickler:
Release:
01.10.1999
01.10.1999
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ab 69,98€
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Wir haben für die Besprechung von Klassikern eine Zeitgrenze gesetzt: Wir blicken auf alles zurück, was vor der Gründung von 4Players im Jahr 2000 heraus kam - also alle Spiele, die noch nicht mit einem Test im Archiv schlummern. Meist wühlen wir dabei tief in den 80ern, aber es gibt auch bemerkenswerte Abenteuer, die kurz vor dem Start unseres Magazins  erschienen, aber trotzdem nostalgische Erinnerungen wecken. Dazu gehört Drakan – Order of the Flame.

Die Faszination der Drachen

Wenn mir 1983 jemand gesagt hätte, dass ich mal in einem Spiel auf einem „echten“ Drachen reiten, überall abspringen und kämpfen könnte, hätte ich wahrscheinlich nur „Äh…wo…wann denn? Wie lange muss ich warten? Hab ich dann ein Schwert? Und Feuer spucken geht auch?“ gestammelt. Als Zehnjähriger schüttelt man in Erwartung eines unfassbar coolen Abenteuers nicht den Kopf, sondern strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Hey, selbst LEGO und Playmobil hatte damals keine Drachen im Programm und Conan der Barbar musste zu Fuß kämpfen!

Drakan: Order of the Flame wurde 1999 von Surreal Software für PC entwickelt und erschien u.a. über Psygnosis.
Drakan: Order of the Flame wurde 1999 von Surreal Software für PC entwickelt und erschien u.a. über Psygnosis.
Irgendwann in den 90ern hatte die Faszination an Drachen einige Dämpfer bekommen. Das lag nicht an Grisu, meinem Wehrdienst bei der Flugsicherung oder Mario Adorfs Stimme in Dragonheart (1993) – obwohl sich da heute noch Fantasykrallen vor Pein aufrollen. Trotzdem blieb dieser schlummernde Gedanke daran, dass man den mächtigen Echsen irgendwann mal gerecht werden würde. Also bemalte ich im stillen Kämmerlein weiter die „echten“ Drachen von Ral Partha. Aber dann erschien 1999 plötzlich Drakan auf dem PC. Es hatte die Psygnosis-Eule auf der Box. Und es brannte sich richtig schnell in mein Spielerherz.

Rynn und Arokh in offener Welt

Das Abenteuer mit der Kriegerin Rynn und dem Drachen Arokh würde zwar nicht in meiner Top 20 landen, aber ist mir in bester Erinnerung. Es gehört zu den Spielen, die man selbst nach so langer Zeit mit klaren Szenen und Spaß verknüpfen kann. Aus heutiger Sicht muss ich zwar über die 3D-Kulisse schmunzeln, weil sich die Technik so gnadenlos weiterentwickelt hat und alles Vergangene schnell verblassen lässt. Aber Drakan war damals nicht nur magisch wie Voodoo, es lief auch darauf. Leider röhrte 1999 nur die erste Generation der Grafikkarte in meinem Pentium 500 und ich musste mit einigen technischen Abstrichen leben. Die Entwickler empfahlen immerhin eine Voodoo 2, später lag das Spiel einer GeForce 256 bei.

Von arktisch bis tropisch: Auf dem Rücken von Arokh konnte man eine freie Fantasywelt erkunden.
Von arktisch bis tropisch: Auf dem Rücken von Arokh konnte man eine freie Fantasywelt erkunden, aus der Luft sowie am Boden kämpfen.
Aber trotz Geruckel hier und Texturdefiziten da: Es war nicht in erster Linie die Technik der fortschrittlichen Riot-Engine, sondern das Erlebnis in dieser Fantasywelt, das mich faszinierte wie einen kleinen Jungen. Da war ich gerne bereit, eine kleine Diashow oder einen bösen Absturz in Kauf zu nehmen. Zwar war die Steuerung etwas zickig, aber man konnte frei  auf dem Rücken einer wirklich gut designten Echse durch Canyons  fliegen, Feuer satt spucken, irgendwo an einem Hang absteigen, eine Höhle erkunden, gegen Trolle und Riesen kämpfen, Schätze bergen, zurück und weiter fliegen - hurra! Brannte Feuer auf Holz? 'türlich!

Luft-Luft, Boden-Boden, Luft-Boden, Boden-Luft

Es gab Gefechte auf allen Ebenen, denn von Arokh aus ließen sich andere Drachen in der Luft bekämpfen, man musste geschickt ausweichen, konnte auf ihm Ballisten am Boden zerstören oder musste selbst zu Fuß gegen fliegende Bestien bestehen. Es waren vor allem diese eleganten Übergänge aus der Luft auf den Boden, aus der
Auch am Boden musste man sich zur Wehr setzen...
Auch am Boden musste man sich zur Wehr setzen...
Landschaft in den Dungeon, die für ein sehr flüssiges Spielgefühl sorgten. Heute kann jeder „Open World“, aber damals war es etwas komplett Neues, dass man nicht durch begrenzte Abschnitte, sondern durch eine zusammenhängende Welt rauschen und wandern konnte – da lockten vier geografische Regionen von arktisch bis tropisch, es gab verschneite Gipfel und verträumte Inseln.

Nicht nur diese Freiheit war cool, sondern vor allem die gute Regie. Drakan war kein No-Brainer, kein einfaches Hack’n Slay, sondern ein episch inszeniertes Action-Adventure inklusive einiger Rollenspielelemente: Es gab Haupt- und Nebenquests, hübsche Zwischensequenzen, einige Nichtspielercharaktere, Bücher und Karten, Fallen und magische Waffen, dazu auch etwas Rätselflair, wenn man mal wieder vor einer verschlossenen Truhe stand und den passenden Schlüssel nicht hatte. Mehr Zelda als Morrowind? Richtig.

Starke Frau, panische Trolle

Schon damals war es zudem erfrischend, mal eine starke Frau zu spielen, die
Cool: Die Feinde zeigten markantes Verhalten, flohen auch mal...
Cool: Die Feinde zeigten markantes Verhalten, flohen auch mal...
ihren vermissten Bruder retten wollte.  Heldin Rynn wurde als rothaarige Kriegerin attraktiv, aber alles andere als primitiv inszeniert. Die Story war letztlich einfach, aber angenehm abwechslungsreich gestrickt, zumal die Beziehung zwischen Mensch und Echse spürbar wurde – spätestens als einem der Drache entführt wurde, machte sich das bemerkbar.

Rynn war überaus agil und akrobatisch in den Nahkämpfen, konnte mit ihrem Schwert Kombos und Spezialangriffe einleiten oder mit dem Bogen schießen. Das war auch nötig, denn Arokh konnte ihr nicht überall hin folgen: Der Drache wurde vor einigen engeren Höhlen geparkt und verteidigte sich dann im Notfall selbst. Sehr interessant war das unterschiedliche Verhalten der vielen Feinde, von denen es weit über ein Dutzend Arten plus vier Bosse gab. Trolle flohen z.B. in Panik wenn man ihnen auf Arokh einheizte, während andere aus der Distanz die Ballisten abfeuerten. Cool waren auch die plumpen Riesen, die nicht nur Felsen, sondern auch Leichen als Wurfgeschosse einsetzen – in der deutschen Version natürlich alles politisch korrekt und kulturell defekt beschnitten.

Lead-Designer Alan Patmore und dem Team von Surreal Software gelang mit
Auf der PlayStation 2 sah der Nachfolger 2002 schon etwas besser aus.
Auf der PlayStation 2 sah der Nachfolger 2002 schon etwas besser aus.
diesem Drakan ein international gefeierter Hit, den ich bis heute schätze. Was ist aus dem Studio geworden? Drakan wurde 2002 noch mit dem Untertitel „The Ancients‘ Gates“ auf der PlayStation 2 fortgesetzt – dazu gibt es einen Test im Archiv. Das Studio wurde 2004 erst an Midway Games und 2009 an Warner Bros. verkauft, wo es mehr oder weniger unterging.  Es gab ein Herr-der-Ringe-Spiel, aber ein weiteres wurde ebenso eingestellt wie das ambitionierte Projekt „This is Vegas“, das eine offene Gangsterwelt inszenieren sollte. Der Survival-Horror „The Suffering“ samt seinem  Nachfolger "Ties that Bind" aus dem Jahr 2004 und 2005 waren die letzten richtig guten und offiziellen Spiele von Surreal. Drachenvater Alan Patmore stieg zunächst bei Double Fine Productions ein und landetet schließlich bei Zynga.

Auch wenn heute manches innerhalb von Drakan etwas plump wirken mag: Schade, dass bisher kein Spiel in die faszinierende Drachenhaut dieses Abenteuers schlüpfen konnte. Als Factor 5 zum Start der PlayStation 3 wieder Echsen in Lair durch die Lüfte fliegen ließ, konnte trotz wesentlich besserer Technik und einiger interessanter Aspekte nicht mehr diese Begeisterung entstehen.
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Kommentare

monkeybrain schrieb am
Für einen neuen Teil würde ich mir mein Bein abhacken. Die Spiele waren großartig.
Scalebound hat etwas Hoffnung geschürt, aber das ist ja schon wieder eingestampft worden.
Ist es so unnachvollziehbar, dass Spieler auf einem eigenen Drachen durch eine Fantasywelt fliegen wollen? :evil:
Edt: sry for necro-pushing^^
keiner einer schrieb am
Oha dürfte so eins der ersten Spiele gewesen sein, die auf meinem ewiglichen Turm der ungespielten Spiele gelandet ist.
Müsste es sogar noch hier irgendwo rum fliegen haben (gab es glaub ich mal bei irgend einer Zeitschrift dabei). Bin aber nie dazu gekommen, obwohl das Setting und co extrem cool waren.
Zum Themas Model kann ich nur sagen, dass es nichts gibt, was einen mehr entstellen kann als eine schlecht Perücke. ;)
Shard of Truth schrieb am
Ach ja Drakan, das habe ich damals mindestens ein dutzend Mal durchgespielt. Das Erkunden der riesigen Gebiete mit den unzähligen Verstecken und Nebenschauplätzen ist praktisch immer noch einzigartig, jedenfalls auf dem Rücken eines Drachen. :D
Dazu kamen die vielen Fankarten, die mich auch nach dem Spiel lange beschäftigt haben.
Auf Drakan 2 habe ich mich deshalb übelst gefreut, leider wurde es dann ein exklusiver Playstation-Titel, der zwar immer noch gut, aber in vielen Aspekten zu beschränkt war, um dauerhaft Spaß zu machen.
Interessant fand ich auch die Geschichte, die für damalige Verhältnisse ein geradezu erschreckend unglückliches Ende nahm. Drakan 2 setzt zwar an anderer Stelle an, war aber auch nicht gerade zimperlich.
Über einen dritten Teil oder auch ein Remake würde ich mich jedenfalls riesig freuen. Den Soundtrack habe ich heute noch im Ohr, besonders "Wartok Canyons".
schockbock schrieb am
Jepp, irgendwo hab ich noch die PC Action dazu rumfliegen. Müsste anno '98 gewesen sein und war an Cheesiness nur durch die drallen Lara Croft Cosplay-Models zu übertreffen, die damals wie Pilze ausm Boden gesprossen waren.
Nein Moment - da gabs ja noch Judi Irgendwas als Heavy Metal FAKK Amazone. :-)
schrieb am