Counter-Strike14.12.2007, *Tanja
Counter-Strike

Special: Interview mit dem Spielentwickler Hendrik Lesser

Spieleentwicklung in Deutschland. Wo liegt die Zukunft, wo die Gefahren und wo liegen die Möglichkeiten...

 

 

Nach einem Vortrag auf der Games Convention Developers Conference im August 2008, haben wir das Gespräch mit Hendrik Lesser gesucht und ihm ein paar Fragen zu der Zukunft der Spieleentwicklung in Deutschland und die Möglichkeiten für junge Talente in Deutschland befragt.  

 Hendrik Lesser

(Managing Director & Head of the Board ML Enterprises)

Hendrik Lesser ist gerade 30 Jahre alt und bereits sehr erfolgreich mit dem was er tut. Er hat eine eigene Firma, ML Enterprises, er hat Politik und Philosophie an der LMU in München, wenn auch nicht beendet, an Spielen wie Sacred und Legend - Hand of God als Producer mitentwickelt, er ist ein gefragter Podiumssprecher und in aller Munde. Er hat darüber hinaus mitentschieden, wer am vergangenen Mittwoch den begehrten deutschen Entwicklerpreis in den Händen halten soll. Ein Grund mehr für uns, das mit ihm geführte Interview zu veröffentlichen.

 

Counterstrike .de: Hallo Hendrik. Während deines Vortrages kam die Frage der Finanzierung eines Studiums an einer Spieleakademie auf. Gibt es Stipendien neben den normalen Zuschüssen/Krediten? Oder gibt es Studenten, die bereits bei den Entwicklern arbeiten und berufsbegleitend Kurse belegen? 

 Hendrik Lesser: Hi. Es gab Stipendien z.B. von cdv. Im Moment sind mir keine aktuellen Stipendienprogramme bekannt. Kann mir aber gut vorstellen, dass durch geschickte Eigeninitiative durchaus was auf die Beine zu stellen ist.

 

Counterstrike .de: Du hast das Thema Killerspiele ein paar mal erwähnt. Das Thema liegt mir als Gamerin und Mutter besonders am Herzen, was einer der Gründe ist, warum ich gemeinsam mit dem Jugendamt meiner Stadt eine Family-LAN organisiere. Das gehört zwar nicht hierher, ist aber dennoch Teil meiner Motivation dieser Frage. 

Was kann man deiner Meinung nach gegen diese Propaganda tun? Was können Unternehmen, Familien und Politiker tun? Was können Gamer tun? Wo sollte man deiner Meinung nach ansetzen?

 Hendrik Lesser: Es gibt vielerlei Möglichkeiten sich zu engagieren. Wir haben z.B. in München einen Videospielkulturverein (videospielkultur.org ) gegründet, der alle 2 Wochen in gut ausgestattete Räume zum Spielen einlädt. Dort haben wir vielen Sketpikern eine breite Palette an Spielen demonstriert. Von Guitar Hero, über wii Sport hin zu Trackmania. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gemeinsames Spielen am meisten bringt. Ausserdem haben wir lokal Kontakt zur Politik aufgenommen und planen mittelfristig Lehrer- und Elterninformationsabende zu veranstalten.

Nicht zuletzt müssen wir uns als Gamer zu unsererm Hobby bekennen und dies öffentlich leben und uns damit auseinandersetzen. So können wir in Familien Medienkompetenz aufbauen, in Schulen, Unternehmen und damit dann letztlich in der Gesellschaft.

Dabei ist es entscheidend nicht in eine Abwehrhaltung zu gehen sondern sich

proaktiv mitzuteilen. Die Zeiten in denen wir uns im Keller versteckt haben

sind defintiv vorbei.

 

Counterstrike .de: Was für eine Chance haben Mädchen, bzw. welche Rolle spielen Mädchen in diesem Teil der Branche? Gibt es auch Studentinnen? Machen wir uns nichts vor, auch wenn der Anteil der Mädchen wächst und sie immer öfter einen Platz in der Szene finden, ist es doch nach wie vor noch eine Männerdomäne.

Glaubst du, dass sich dies ändern wird? Glaubst du, dass Mädchen vielleicht davon eingeschüchtert sind, dass es fast nur Jungs in den Berufen gibt und somit lieber eine andere Richtung einschlagen, wie PR oder ähnliches? Oder liege ich da absolut falsch?

 Hendrik Lesser: Die meisten Frauen in der Industrie arbeiten beim Publisher in Marketing, PR und Personalwesen. Natürlich gibt es auch Entwicklerinnen, davon aber nur wenige, aber mit steigender Tendenz. Ich sehe auch immer mehr Studentinnen in den Akademien und freue mich darüber :) Es ist wichtig, dass auch in dieser Domäne die Frauen ihren Platz erobern und mithelfen bessere Spiele zu machen.

Wir sehen in den USA inzwischen eine recht große Community an weiblichen

Entwicklern. Natürlich werden keine Wunder über Nacht geschehen und 50/50

ist weit weg. Aber die Industrie entwickelt sich stetig und damit auch das

Zahlenverhältnis Frau/Mann in der Industrie.

Du hast aber Recht. Die ersten Frauen in Firmen müssen schon eine hohe

Toleranz haben. Wenn aber eine in die Bresche gesprungen ist, folgen ihr

klassisch weitere.

 

Counterstrike .de: Gibt es deiner Meinung nach einen Grund dafür, dass die meisten der Schulen/Unis/Kurse in den neuen Bundesländern angesiedelt sind. Oder zumindest ein großer Teil. Wenn ja, welcher Grund ist das?

 Hendrik Lesser: Die neuen Bundesländer sind offener gegenüber solchen Themen, da sie zum einen nicht so festgefahrene Systeme haben und zum anderen sich dadurch natürlich profilieren können. Neue Medien sind wunderbare Zugpferde für junge Menschen und können so wohl den einen oder anderen den Wegzug ersparen.

 

Counterstrike .de: Wird es in Zukunft einen anerkannten Beruf geben, der Gamedesigner oder so ähnlich heißen könnte. Einer, der genauso anerkannt wird und vor allem einen ähnlichen Bildungs- und Förderungsweg hat wie z.B. der eines Bäckers?

 Hendrik Lesser: Abschlüsse sind teilweise jetzt schon besser gestellt als die des Ausbildungsberufs. Bachelor of Arts ist ein akademischer Abschluss und überall anerkannt. Es wird sicher eine Mischung aus Ausbildungs- und

Universiätsabschlüssen geben. Ich gehe davon aus, dass es nicht beim Game

Designer bleibt. Game programming, art, producing, script etc. werden folgen.

 

Counterstrike .de: Es ist bereits einige Monate her, dass ich dich zum Thema Engagement und Killerspiele befragt habe. Siehst du in den letzten Monaten eine Entwicklung, egal in  welche Richtung? Es gibt immer mehr Amokläufe und potentielle Gefahren durch Kids, die Auffallen wollen. Und immer mehr Politiker, die gewalthaltige Spiele verbieten wollen. Siehst du da Gefahr? Hast du Ängste, auch in Bezug auf deine Firma?

 Hendrik Lesser: Kurz und knapp:

Ich habe keine Angst. Das sind natürlich Prozesse in der Evolution eines Mediums. Es wird mehr Spiele geben in Zukunft, mit einer größeren Bandbreite. Mehr Gewalt, mehr Sex, mehr Politik, mehr für unterschiedliche Zielgruppen wie Kinder, Mädchen, Frauen, Senioren, Berufstätige etc.

Die negtiven Peaks von Jugend und Rebellionskultur sind traurig und oft dramatisch, stehen aber nicht im alleinkausalen Zusammenhang mit Games. Games sind natürlich ein Teil davon, wie Erziehung, Betreuung, Internetangebote, TV, DVD etc. auch. Wichtig ist wie immer die verantwortungsvolle Ausseinandersetzung aller Beteiligten mit der Sache.

Wobei es von den Kreativen immer wieder Grenzerfahrungen geben wird. Was

auch grundsätzlich gut ist, da es menschliches Ausdrucksverlangen ist, welches das fördert etc. und immer wieder künstlerisches Bedürfnis.  Jungendschutz ist und bleibt dabei ein ganz erstzunehmendes und wichtiges

Thema.

Zensur darf es aber nicht sein.

 

Counterstrike .de: Noch eine letzte Frage. Woran arbeitest du gerade?

 Hendrik Lesser: Ich arbeite gerade an Windchaser (PC), einem noch nicht angekündigten Wii-Spiel, Pirate Hunter (PC, 360), einer Plattformentwicklung, einem noch nicht angekündigten XBLA-Spiel, einem noch nicht angekündigten FPS (PC, 360) und diversen Beratungen.

 

Wir bedanken uns bei dir für dieses ausführliche und ehrliche Interview und wünschen dir weiterhin viel Erfolg auf all deinen Baustellen und Projekten. Komm gut ins neue Jahr und hab ein paar schöne Feiertage.     

 
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