Frozen Synapse05.08.2011, Benjamin Schmädig
Frozen Synapse

Special: Die altmodische Leere

nervous_testpilot - eine beängstigende Idee. Irgendwie passt der Name aber auch: Denn mit einigen Stücken des Teilzeit-DJs könnte man ein Flugzeug vor sich her treiben. Harte Beats sind ein Markenzeichen des Komponisten. Zumindest sind sie es dann, wenn er für den Dancefloor schreibt. Als Entwickler des Independent-Hits Frozen Synapse (ab 13,25€ bei kaufen) hat er hingegen einen sehr gefühlvollen Soundtrack komponiert.

Kühle Taktik

Paul Taylor ist der echte Name hinter dem "gefährlichen" Alias. Und was viel wichtiger ist: Taylor ist einer der Gründer von Mode 7 Games. Dort veröffentlichte man vor wenigen Wochen Frozen Synapse - ausgeklügelte Onlinetaktik in den Kulissen eines kühlen

Dystopia. Und als nerdigem (er bezeichnet sich selbst so) Spielefan blieb dem Elektronik-Künstler natürlich nichts anderes übrig, als die Musik selbst zu schreiben.

"Kühl" und "Taktik"? Nicht gerade die Eigenschaften, die man mit den Marschrhythmen von hartem Trance verbindet. Taylor schaltet deshalb einen Gang zurück, lässt es gemächlich angehen, unterlegt das Hauptmenü sogar nur mit einem melancholischen Wabern, das mehr als zehn Minuten lang an Blade Runner oder einige musikalische Momente in Mirror's Edge erinnert. Zu Recht steht "Menu" am Ende des Albums. Und obwohl das erste ausführliche Stück, "The Plan" mit Solostimme und lauten Streichern den Kampfgeist anheizt: Sämtliche Titel folgen dem Credo des sanften Klangteppichs.

Auffällig ist der Minimalismus, mit dem Taylor seine Flächen komponiert. Fast durchgehend geben softe Beats den Rhythmus vor, begleitet werden sie von Klavier, Streichern und häufig einer Solostimme. Mitunter unterstreicht ein mechanische Kratzen oder ein tiefes Brummen die kühle Zukunftsmusik. Alles elektronisch, wohl gemerkt - nervous_testpilot bekennt sich wie Vorbild Jesper Kyd (Assassin's Creed) zur Generation der Computerkünstler. So lässt der typische Hall eines Synthesizers das innere Auge fast durchgehend in eine verträumte Ferne blicken.

Für die Ewigkeit?

Hört man genauer hin, wundert man sich sogar über die Wirkung dieses Soundtracks: Die überschaubaren Stilmittel und die beinahe fahrlässige altmodische Leere in der Komposition sprechen selten für die Qualität von Musik.

Verfügbarkeit

Auf der offiziellen Webseite kostet der Soundtrack glatte 10 Dollar, was einschließlich Umrechnung und Steuern auf 9,99 Euro hinausläuft.

Auf Steam ist die Musik ebenfals erhältlich - für 4,99 Euro. Allerdings muss man dafür das Spiel besitzen. An fast jedem Stück könnte man sämtliche Eigenschaften der Kompositionen aufzeigen - Stücke wie die schwungvollen "Switch", "Triumph" und "Schism" oder die ruhigen "Nightpath" und "Concentrate" gleichen sich sogar allzu sehr. Ein wenig fehlt Frozen Synapse zudem ein markantes Thema, das man auch ihn zehn Jahren noch summen kann. Die markante Klasse von Kyds Assassin's Creed: Brotherhood erreicht Taylor nie.

Irgendwie verzeiht man ihm die Gleichförmigkeit aber. Zu stimmungsvoll und eingängig sind die Melodien mit ihrer sphärischen Wirkung. Und bevor das lange "Menu" das Album beendet, spielt mit "Deeper" immerhin noch einer der Höhepunkte des Soundtracks: Ein ebenso schwungvoller wie melancholischer Abschied, der in Rhythmus und Melodie sogar an das musikalisch starke Nier erinnert.

Die Fakten sprechen gegen Frozen Synapse: Die Kompositionen sind weder vielfältig noch filigran. Es fehlen markante Themen und bei der Instrumentalisierung begnügt sich Paul Taylor auf wenige elektronische Instrumente. Mit diesen erzeugt er aber ungemein stimmungsvolle Melodien, die weder beim Spielen noch beim Hören des Albums langweilig werden. Im besten Sinne erinnert der Soundtrack an die Tracker-Szene vor etwa 15 Jahren - als Musiker gleichzeitig Techniker waren und den Computerspielen mit wenigen Mitteln ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Klang verliehen.

Einschätzung: gut

 
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