Seine Garstigkeit Malcolm höchstpersönlich: Hofnarr, Königsmörder, Endgegner und Meisterjongleur.
Aber das war ja alles nur Spaß - richtig garstig waren drei Dinge. Erstens die Tatsache, dass man oft und schnell sterben konnte: Ein Griff zum Rubin, der am Baum hängt, ein unerwarteter Schlangenbiss - und schon läuft Brandon grün an. Hat er den Heilzauber noch nicht, ist er einen Bildschirm später tot. Wagt man sich in der Lavahöhle einen Pixel zu weit nach vorn, geht der Königssohn in Flammen auf (auch wenn er direkt davor noch damit prahlt, dass ihm Hitze nichts ausmacht). Möchte man einen Frosch im Sumpf vor Zanthias Haus streicheln, wird man eine Sekunde darauf Opfer seiner langen und ausgesprochen klebrigen Zunge. Und dann ist da natürlich noch das Feuer-Labyrinth, das die gute alte »Karte auf Karopapier malen«-Tradition wiederbelebte: Die aller paar Räume verteilten Feuerbeeren mussten strategisch richtig platziert werden, dann nach drei Bildschirmen verloschen sie - und die Dunkelheit brachte Brandon den schnellen und schmerzhaften Tod. Sehr Sierra-kompatibel.
Das Gemeinste war allerdings, dass man tatsächlich an einen Punkt gelangen konnte, an dem es einfach nicht weiterging: Kurz vor dem Spielende bekommt Brandon die Möglichkeit, sich in ein fliegendes Pferd zu verwandeln, um zum Finalkampf mit Malcolm auf dessen Insel überzusetzen. Alle dafür notwendigen Items befinden sich zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall in seiner Tasche - bis auf eines: Eine Blume, die direkt neben dem Verwandel-Podest wächst. Mit der hat man vorher schon einmal zu tun, es gibt also eigentlich keinen Grund, noch eine davon zu pflücken. Vergisst man das und landet auf dem neuen Eiland, ist das Spiel vorbei - denn
Die Westwood Studios haben hier den Fantasy-Grafikstil, den sie mit den Eye of the Beholder-Spielen prägten, konsequent weiterentwickelt - und teilweise hinreißend schöne Aussichten auf die Bildschirme gezaubert.
die Blume wird kurz darauf benötigt, um den finalen Zauber zu erhalten. Und eine Möglichkeit, einfach zurück zu fliegen und das blöde Ding aus der Erde zu reißen, gibt es nicht. Nur die Hoffnung, mehr als einen Spielstand angelegt zu haben.
Es ist... magisch!
Okay, halten wir fest: Teilweise fieses Design, übersimple Bedienung, Showstopper, schnelle Tode - was zum Henker macht dieses grässlich klingende Machwerk hier als Oldie des Monats? Ganz einfach: The Legend of Kyrandia ist ein Spiel zum Verlieben! Das geht mit der Grafik los, die zum Teil einfach zauberhaft ist: Der Spaziergang durch herrlich lauschige Wälder, deren saftiges Grün bis heute irgendwie unerreicht ist. Die Aussicht auf wundervolle Landschaften und Sternenhimmel. Der beeindruckende Anblick eines riesigen Baumes, aus dessen knorrigen Wurzeln sich auf einmal ein Gesicht formt. Die Freude über die Rettung einer Weide. Die prächtige Verwandlung in das Flugross - hach! All das begleitet von einem meisterlichen Soundtrack aus der Feder des damals gerade mal 18-jährigen Frank Klepacki, mit dessen wundervollen Melodien ich seit vielen, vielen Monaten mehrmals pro Woche meine Kollegen beglücke, ohne dass sie wie üblich mit Tackern nach mir werfen.
Das Ende ist nahe: Nicht nur lauert nach der Verwandlung in das Flugpferd das große Finale, sondern auch u.U. der Frust. Denn wenn man vergaß, eine der kleinen roten Blumen links unten zu pflücken, ging es kurz darauf einfach nicht mehr weiter!
Und dann sind da natürlich noch die wunderbar kauzigen Figuren: Brandon, der am Anfang noch kaum glauben kann, dass er gerade Magie gewirkt hat, aber schon nach kurzer Zeit mit seinen Fähigkeiten kokettiert. Magier Darm und seine kratzbürstige Hausdrächin Brandywine, die für einige der besten Dialoge des Spiels zuständig sind
(»Do I smell cats?« »Is it my fault that I don't eat knights? All sweat and muscle, and so hard to peel!
«). Die wunderbar nassforsche Jungzauberin Zynthia (die im zweiten Teil die Heldin mimt). Und natürlich Malcolm höchstselbst, der trotz aller Weltvernichtungspläne noch die Zeit findet, lässig (und toll animiert) mit Messern zu jonglieren - ganz abgesehen davon, dass er ein Hort der bissigen Kommentare ist und keine Gelegenheit auslässt, das Grünschnabelhafte an Brandon zu betonen. Der Klingelkopp wurde am Spielende übrigens aufgrund seiner eigenen Magie versteinert, was allerdings nicht seinen letzten Auftritt bedeutete: Zwei Jahre später wurde er durch einen Blitz wieder unter die Lebenden gebracht, und in »The Legend of Kyrandia 3: Malcolm's Revenge« zum Helden des Spiels gemacht. Das einen sehr gewöhnungsbedürftigen Render-Grafikstil sowie Lachkonserven im Hintergrund pflegte.Aber kommen wir zurück zum ersten Teil: Er hatte seine Schwächen, ohne Frage. Mit den ganz großen Jungs konnten die Entwickler von Westwood zumindest im Adventure-Bereich nicht mitspielen - gerade LucasArts war einfach zu übermächtig, zu gut. Nichtsdestotrotz gebührt The Legend of Kyrandia ein Ehrenplatz in der Point-n-Klick-Hall of Fame, für ein zauberhaftes Abenteuer, das der ach so ernsthaften King's Quest-Reihe von Sierra problemlos den Schneid abkaufte. Eine Frage bleibt allerdings bis heute ungeklärt: Was ist das eigentlich für eine Fee auf dem
Spielecover? Im Spiel jedenfalls kommt keine vor.
Paul Kautz
Ihr wollt mehr Bilder aus dem Spiel sehen? Aber immer, aber gern.