Jazz Jackrabbit03.04.2012, Paul Kautz
Jazz Jackrabbit

Special:

Jazz Jackrabbit. Jazz Hase. Hm. Nicht gerade irre kreativ. Auf der anderen Seite: Schall, der Igel. Auch nicht viel besser. In beiden Fällen führte der Weg am albernen Namen vorbei zu guten bis sehr guten Jump-n-Runs. Im Falle von Jazz sogar zu einem kleinen Wunder.

Was kommt da angerast?

Der Raserhase persönlich: Jazz Jackrabbit. Bei Schildkröten nicht so beliebt, wie das Poster beweist.
Der Raserhase persönlich: Jazz Jackrabbit. Bei Schildkröten nicht so beliebt, wie das Poster beweist.
Jump-n-Runs gehörten nie zu den Genres, die auf früheren PC zu allzu schöner Blüte reiften. Was gleich mehrere Gründe hatte: Zum einen war die Eingabemethode (Tastatur) weder bequem noch spaßig, zum anderen waren 14“-Monitore nunmal im Normalfall deutlich kleiner als heimische Fernseher. Außerdem boten CGA bzw. EGA gerade mal vier resp. 16 Farben. Klar reichte das für simplen Hüpfspaß wie Commander Keen oder Jill of the Jungle . Aber von richtigem Konsolenwahnsinn wie Super Mario World, Earthworm Jim oder Sonic The Hedgehog - mit flüssigem Scrolling in alle Himmelsrichtungen, kunterbunten Levels und ausgefeilter Animation - wagte man nicht mal zu träumen. Bis 1994.

In diesem Jahr waren schnelle 486er bereits allgegenwärtig, VGA-Karten ebenfalls. Das Gravis Gamepad, ein hemmungsloser, aber auch konsequent durchdachter Klon des SNES-Pads, sorgte für Begeisterung unter den PC-Spielern. Und kreative Köpfe, gerade aus der Demoszene , bekamen es immer öfter und besser hin, technisch anspruchsvolle Spiele aus den muffigen Rechenknechten zu prügeln. Einer davon war Arjan Brussee, seinerzeit Programmierkopf der holländischen Szenegruppe »Ultra Force« - die

Die sechs Kapitel waren so abwechslungsreich, wie man es sich nur wünschen konnte. Später gab es noch zusätzliche Welten.
Die sechs Kapitel waren so abwechslungsreich, wie man es sich nur wünschen konnte. Später gab es noch zusätzliche Welten.
1991 mit der VectorDemo damals für unmöglich gehaltene 3D-Grafik auf PC-Bildschirme zauberte. Dieser Meistercoder tat sich mit einem jungen Designer zusammen, der nach zwei selbst entwickelten Adventures Lust auf lässige Konsolenaction hatte. Der Name dieses 19-jährigen Greenhorns: Cliff Bleszinski.

Ans Werk, Mümmlerfreunde!

Bleszinski wollte irgendwas schnelles, buntes, mit Witz, Charme, putzigen Figuren und viel Humor erschaffen. So wie Sonic, nur ohne Sonic. Dafür mit Jazz Jackrabbit. Einem Hasen. Nun sind diese drolligen Tierchen genauso selten Helden wie Gegner in Spielen. Sie sind doch so fluffig und knuddelig und süüüüüß! Außerdem haben sie keine Daumen, mit denen sie einen Abzug bedienen könnten. Und trotzdem steht einer dieser Hoppler hier im Mittelpunkt: Grünfellig, mit rotem Rambo-Schweißband, entschlossenem Mümmeln und einem dicken, fetten Blaster in den samtweichen Pfoten!

In den 3D-Bonusarenen musste Jazz Kristalle jagen, um Extraleben zu verdienen.
In den 3D-Bonusarenen musste Jazz Kristalle jagen, um Extraleben zu verdienen.
Das Resultat war eine Mischung aus vielen Inspirationen - Turrican, Zool, Super Mario Bros., aber allen voran Segas blauer Igel: Das Verhalten der Bosse war zum Teil vertraut (einer davon war sogar eine grafische Mischung aus Zool und Sonic, mit dem unauffälligen Namen »Zoonik«), die Transport-Röhren in der Tubelectric-Welt weckten Erinnerungen - und vor allem war Jazz Jackrabbit rasend schnell. So schnell sogar, dass es extra für langsamere Spieler eine jederzeit aktivierbare Zeitlupe gab. Über die konnte man aber auch so dankbar sein, denn das Design der teilweise sehr großen, meist über mehrere Wege zum Ziel verfügenden Levels war immer wieder mal fies: Da raste man in vollem Lauf gerne ungebremst in eine Gegnerherde oder garstige Spitzen hinein; die mickrige Lebensenergieanzeige war schneller weg als eine Möhre in einem Hasenbau. Immerhin durfte man sich das Leben etwas leichter machen, indem man jederzeit den Spielstand sichern konnte. Das System speicherte zwar nur den Level, nicht die tatsächliche Position, aber für ein Jump-n-Run war das ungewöhnlich genug.

Lauf, Hase! Lauf!

Wuuäääh, garstiger Bossgegner voraus!
Wuuäääh, garstiger Bossgegner voraus!
Warum greift ein friedlicher Mümmler zur Waffe? Der Grund ist natürlich eine mistige Schildkröte: Devan Shell! Diese Brillenschlange hat die gar reizende Hasendame Eva Earlong entführt, was ihr Rammelkumpel Jazz natürlich nicht zulassen kann! Also greift er zum unbegrenzt munitionierten Blaster, zum durchschlagenden »Toaster«-Schuss oder zur doppelt feuernden »RF-Missile«, um sich sechs Kapitel lang (die mächtige Namen wie »Turtle Terror« oder »Ballistic Bunny« trugen) die Gegner vom Hals zu halten: Schildkröten in mannigfaltiger Form, Bienen, schnappfreudige Pflanzen, Flugschwerter, fliegende Bratzaugen, Drachenwesen und mehr. Abgefahrener Kram.

Die Kapitel lieferten alle Abwechslung, die man sich wünschen konnte: Fröhlich-himmelblaue Inseln wechselten sich mit düsteren Techno-Welten, sandigen Wüstenlevels und glitzernden Kristall-Abschnitten ab - später durfte man sogar ein wenig im

Nach gemeistertem Kapitel gab es süße Comicfilme zu sehen. Ooooch, junge Hasiliebe...
Nach gemeistertem Kapitel gab es süße Comicfilme zu sehen. Ooooch, junge Hasiliebe...
Weltall um ein Riesenraumschiff herum schweben. Wem das noch nicht reichte, der durfte sich direkt beim Entwickler (wobei hierzulande CDV den Vertrieb übernahm) noch eine Erweiterungsdisk mit drei weiteren Kapiteln bestellen. Außerdem gab es zum Abschluss der Jahre 1994 und 1995 jeweils eine Schnee-, Tannen- und Lichterketten-lastige Erweiterung kostenlos. Zwischen den normalen 2D-Levels gab es immer wieder mal auch 3D-Bonusrunden, die vom Grafikeffekt her stark an den vom SNES bekannten Mode 7 erinnerten: Da trabte der Hase durch immer komplexere Labyrinthe, immer auf der Jagd nach Kristallen - hatte er eine Mindestzahl eingesammelt, gab’s ein Extraleben. Am Ende jedes Kapitels wartete ein Bossgegner (meist Devan Shell selbst, aber auch mal eine bissige Rieseneule oder ein Giganto-Jazz) - las man diesem die Leviten, gab es kurze, aber handwerklich sehr edle Comic-Filmchen zur Belohnung.

Was wurde aus den Entwicklern?

Arjan Brussee entwickelte nicht nur weitere Jazz-Jackrabbit-Spiele, sondern gründete seine eigene Entwicklungsfirma (Orange Games), aus der später Guerrilla Games erwuchs. U.a. war er für das technische Grundgerüst der Killzone-Spiele verantwortlich. Seit Anfang 2012 arbeitet er als Executive Producer bei den Dead-Space-Machern Visceral Games.

Und zu Cliff Bleszinski muss vermutlich nicht viel geschrieben werden. Er blieb Epic MegaGames treu, war dort u.a. an diversen Unreal-Spielen beteiligt - und erschuf mit Gears of War eine der wichtigsten Action-Marken der Welt. Und nicht nur diese ließen PC-Spieler vom Glauben abfallen - die gesamte Präsentation war einfach jenseits von allem, was man den trägen Kisten zugetraut hatte. Klar, zu der Zeit gab es schon Strike Commander, Comanche und Co., aber rasend schnelles, flüssiges Parallax-Scrolling in alle Richtungen, farbenprächtige, herrlich verspielte Levels, wunderbar animierte Figuren und coole Demoszenen-Grafikeffekte - damit rechnete man auf Konsolen oder dem Amiga, aber doch nicht auf PCs! Und doch war es Realität.

Vielleicht nicht die makellose Realität, denn perfekt spielbar war Jazz Jackrabbit nicht. Aber es war ein enorm wichtiger Schritt in die Spielezukunft für PCs, es verwandelte die grauen Maschinen in heiße, mächtige Konsolen, in Arcade-Geschosse gar! Es zeigte überdeutlich, was möglich war, wenn man nur mit viel Enthusiasmus und noch mehr Liebe für ein Genre zu Werke ging. Und es zeigte, wie wichtig ein Soundtrack für ein Spiel ist - meine Güte, war der Score von Robert A. Allen toll. Und das Schöne an dem Spiel: Es sieht auch heute noch super aus. Gute 2D-Grafik altert eben einfach nicht!

Paul Kautz

Da rast der Ballerhase: Jede Menge Jazz-Jackrabbit-Screenshots

 
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