Heute mal dick aufgetragen
Ein Dschungel, ein Gegner, kein Gedächtnis, keine Ahnung, was zu tun ist - gut, dass Conrad B. Hart eine geladene Waffe dabei hat. Flashback geht sehr mysteriös los.
Wie jedes gute Spiel beginnt auch Flashback mit einer Flucht. Einer wilden Flucht. Conrad B. Hart hetzt durch düstere Korridore, hämmert hektisch eine Tür auf, kann gerade noch so auf dem Flugbike davon brausen, bevor ihn seine Häscher in die Finger bekommen. Und trotzdem nützt es nix, denn das Schiff der Verfolger ist nicht nur schneller, es hat auch die dicken Knarren. Eine Explosion später geht’s abwärts, nach kurzer Bewusstlosigkeit findet sich Conrad in einem Dschungel wieder, an seiner Seite eine nervend piepende Box. Oh, und kein Gedächtnis weit und breit. Klar.
Was danach folgt, ist nicht nur ein einzigartiges Action-Erlebnis, sondern auch eine Zitatesammlung aus populären Spielen und Filmen: Die Handlung ist eine Mischung aus Blade Runner, Running Man und Sie leben, die Technik erinnert an Prince of Persia, das Spielprinzip an
Another World. Generell könnte man sehr leicht den Fehler machen, Flashback zu einem Another-World-Nachfolger zu erklären: Kein Wunder, hat es doch mit Delphine Software grundsätzlich dasselbe Entwicklungsstudio, es nutzt rotoskopierte Animationen und lebt von einer Mischung aus Action und Puzzles. Es ist aber kein Sequel:
Die geschmeidigen Bewegungen des Helden waren ein echter Hingucker - handwerklich saubere Rotoskopie sorgte für beeindruckende Animationen.
Zum einen ist der Designer ein anderer (anstelle von Eric Chahi hatte Paul Cuisset die Zügel in der Hand), zum anderen ist Flashback deutlich actionlastiger. Ob das Spiel deswegen gleich die Bezeichnung
"unquestionably the most eagerly awaited game for years" verdiente, wie der Packungstext reichlich unbescheiden verkündete? Das vielleicht nicht. Nichtsdestotrotz eine höchst ungewöhnliche und wichtige Erfahrung.
Und warum?
Zum einen war da die außergewöhnliche Präsentation. Auf den ersten Blick nichts besonderes: Simple 2D-Grafik, kleine Figuren. Wer zufällig gerade einen Kennerblick zur Hand hatte, nahm vielleicht wahr, dass das Bild quadratischer aussah als von normalen VGA-Titeln gewohnt. Das lag daran, dass Flashback eines der wenigen Spiele war, das nicht den 320x200-Standard von VGA, sondern einen Sondermodus mit 256x224 Pixeln nutzte. Es wurde noch nicht mal gescrollt, sondern steif von Bild zu Bild umgeschaltet. Was soll daran schon Besonderes sein?
Flashback entführt den Spieler u.a. auf die Heimatwelt der bösen außerirdischen Invasoren.
Was auf Screenshots nicht erkennbar ist, wird leuchtend klar, wenn man das Spiel in Bewegung sieht: superflüssige Animationen! Das Stichwort dafür lautet
Rotoskopie und war bereits Ende 1992, als Flashback zuerst auf dem Amiga erschien, ein alter Hut - nutzte doch schon das zwei Jahre ältere Prince of Persia dieses System, um den Helden anmutig durch Jaffars Kerker zu hetzen. Die grundsätzliche Technik war also nichts Besonderes, wohl aber die Art und Weise, wie sie genutzt wurde: Der Film mit den Bewegungen des Schauspielers wurde Frame für Frame auf dem Fernseher abgespielt, wobei über jedes Bild ein transparentes Blatt Papier auf den Bildschirm geklebt und die darunter liegende Silhouette abgezeichnet wurde. Diese Vorlage wanderte dann auf die Computermonitore der Grafiker, die sie via DeluxePaint abpinselten. Irre viel Arbeit, aber das Ergebnis war’s wert: Bewegungen, weicher als Seidenwasser, in entspannten 24fps. Insgesamt gab es gut 1.500 Animationsstufen im Spiel, etwa 800 davon gingen allein für den geschmeidig durch die Botanik rennenden, springenden und rollenden Helden drauf.