Special: Spiele mit virtuellen Welten
Mit und ohne Kabel
Vier Projekte waren auf dem Fanfest spielbar: Project Nemesis, The Workshop, Disc Arena und Ship Spinner. Die letzten drei entstanden in Atlanta, Nemesis wurde in Shanghai entwickelt.
Das Projekt aus dem Dust-514-Studio ist das bisher vielleicht vollständigste Spiel, weil es nicht nur spielerisch, sondern auch grafisch recht ausgereift wirkt. Das ist allerdings nicht verwunderlich, denn Nemesis ist nicht mehr als ein Rail-Shooter, in dem man auf Gegner zielt, indem man sie ansieht, und schießt, indem man auf die VR-Brille tippt. Richtig: auf die Brille. Denn während alle anderen bisher enthüllten CCP-Titel für Oculus Rift entwickelt wurden, nutzt Nemesis das Samsung Gear VR, ein Headset für das Galaxy Note 4. Kein Gamepad, keine Kabel: Das Gear VR ist mobile Virtual Reality.
Tippen, Drücken, Schieben
Das einige Minuten lange Project Nemesis versetzte mich in den Geschützturm einer Bergbauplattform. Dort musste ich in Wellen angreifende Gegner abwehren. Das einfache Tippen auf das Touchfeld löst dabei einen einzelnen Schuss aus, dauerhaftes Drücken einen Laser und nach dem Streichen vom Kopf weg fliegen Raketen auf die Feinde zu. Nach der Abwehr einiger Wellen sprang schließlich ein Großraumschiff vor die Plattform – ich musste dessen Lasertürme zerstören und konnte durch Drücken der Touchfläche mit einem Traktorstrahl Trümmerteile als Schild vor das Geschütz ziehen.
Und das hat richtig Spaß gemacht. Weniger aufgrund der unterhaltsamen, inhaltlich aber überschaubaren Action, sondern durch das kabellose, in sich erstaunlich komplette VR-Erlebnis. Die Reaktionszeit des Gear VR reichte zum Umsehen mehr als aus, das gut erreichbare Touchfeld an der rechten Seite reagiert zuverlässig, der Raumklang
John Carmack, Chief Technology Officer bei Oculus, sagte während der Game Developers Conference, das Gear VR sei nicht perfekt, würde aber einen überraschend guten Eindruck hinterlassen . Nemesis bestätigt genau das.
Geister, die ich rief
Die Projekte aus Atlanta sind hingegen auf das Oculus Rift zurechtgeschnitten – und auf eine Kinect-Kamera, welche ein Geisterbild des eigenen Körpers und anderer Personen in ihrem Blickfeld abbildetet. Die Entwickler haben mich deshalb angewiesen, nach dem Aufsetzen eines Headsets zunächst an mir herunter zu schauen. So sehe ich mich selbst im Spiel, einschließlich meiner Hände. Ein High-Five mit den andersfarbigen "Geistern" der Entwickler verdeutlicht schließlich, dass man auf diese Weise noch tiefer in die virtuelle Welt einsteigt. Dabei fällt auf, dass das Abbild des Körpers und der Kleidung noch mit einer leichten Verzögerung dargestellt wird.
Disc-Jockey
Das fällt in Disc Arena mit am stärksten auf, wo sich zwei Spieler, jeweils vor ihrer eigenen Kamera, gegenüber stehen und mit der rechten Hand ähnlich wie in Tron an Frisbee erinnernde Scheiben zuwerfen. Man kann sie direkt auf den Kontrahenten schießen oder wie im Air-Hockey von den Wänden abprallen lassen. Man kann Geschosse außerdem abwehren, indem man die linke Hand davor hält: In dieser befindet sich ein Schild, der die Scheiben nach einer entsprechenden Bewegung sogar zurück wirft.
Der Schild bewegt sich jedoch nicht gleichmäßig mit der Hand oder dem Arm, sondern mitunter so stockend in eine neue Position, als würde er sich auf einem groben Raster bewegen. Vor allem aber deutet das Programm die Bewegungen der Arme nicht korrekt. Die Flugrichtung der Scheiben konnte ich deshalb nie präzise bestimmen und auch das Reflektieren der "Frisbees" wirkte ungenau. Diese Ungenauigkeit beim Erkennen des Moments, in dem eine schwungvolle Bewegung vom Ausholen in den Wurf oder das Anschieben übergeht, war allen Kinect-Projekten gleich.
Als witzig empfand ich allerdings den Blick nach unten. Ich stehe in der Disc-Arena nämlich auf einem über dem Boden schwebenden Hexagon. Doch obwohl die einfache Grafik den Prototyp-Charakter des Spiels unterstreicht und obwohl ich genau wusste, dass ich mich in Wirklichkeit auf dem ebenen Boden des Fanfest befand, musste ich mich überwinden, auch nur die Fußspitze in den "leeren" Raum neben meiner Plattform zu setzen. Die Macht der Illusion einer virtuellen Realität ist selbst in so grob skizzierten Experimenten überwältigend.
Steck den Kopf in die Flasche!
Eine ähnliche Erfahrung machte ich im Ship Spinner, wo ich das Modell eines großen Eve-Online-Schiffs von allen Seiten betrachten, es um seine eigene Achse drehen und ins Innere blicken konnte. Verwirrend sind auch da die Momente, in denen die vermeintliche Wirklichkeit nicht der Realität entspricht, wenn der Bug oder das Heck des Schiffs beim Drehen z.B. nicht am eigenen Körper anstoßen, sondern einfach hindurch gehen.
Besonders seltsam ist das buchstäbliche Hineinstecken des Kopfs in das Modell, um sich dort in allen Räumen umzusehen: Es kostet zunächst Überwindung, das intuitive Fernbleiben von einem festen Gegenstand zu ignorieren.
Der Herr der Elemente
Die Interaktion erfolgte in Ship Spinner und auch in The Workshop über Prismen. Zeigt man auf eins, öffnen sich Menüpunkte daneben, darüber oder darunter – die gewünschte Funktion wählt man durch eine kleine Handbewegung in die entsprechende Richtung. Im Workshop habe ich so zunächst eine kleine aus Würfeln bestehende Pyramide aktiviert. Die Würfel konnte ich einzeln schieben oder kicken und ich habe gleich mehrere mit einem Wisch umgeworfen. Am interessantesten war aber ein anderer Modus, in dem jeweils links und rechts von mir ein Podest erschien. Auf dem linken befand sich eine Art Flamme, auf dem rechten ein Energiebündel.
Führt man eine Hand an die Elemente, nimmt man sie auf und kann Feuerbälle oder Energiekugeln werfen – am besten auf eine der Säulen, die nach einem Treffer zerbrechen oder kippen. Auch hier tat sich das Programm mit dem Erkennen der Wurfrichtung schwer. Trotzdem macht es Spaß, auf diese Weise mit den Elementen zu experimentieren.
Kein neues Valkyrie
Die vier vorgestellten Projekte unterstreichen einmal mehr, dass selbst profane Ideen in der virtuellen Realität eine Faszination ausstrahlen, die mit Worten schwer zu beschreiben ist. Je einfacher die Idee, desto unterhaltsamer kann die Umsetzung dabei sein. Das Ansehen "greifbarer" Modelle und der gewöhnliche Rail-Shooter funktionierten auf dem Fanfest jedenfalls am besten, auch weil das präzise Interpretieren der Bewegungen des gesamten Körpers des Spielers dort nahezu keine Rolle spielt.
Die Begeisterung für ein neues Eve: Valkyrie wird CCP mit den vier frischen Experimenten wohl nicht entfachen. Ich bin allerdings gespannt, zu welchen Entwicklungen die gezeigten Projekte führen.
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