The Colonel's Bequest - a Laura Bow Mystery25.02.2015, Michael Krosta
The Colonel's Bequest - a Laura Bow Mystery

Special: Ein blutiges Erbe

Roberta Williams ist hauptsächlich für ihre Arbeiten an King's Quest bekannt. Dabei war die Designerin und Mitbegründerin von Sierra On-Line mehr als nur eine Märchentante: Noch bevor sie mit Phantasmagoria einen blutrünstigen interaktiven Film für Erwachsene produzierte, ließ sie bereits in The Colonel's Bequest ihrer düsteren Seite freien Lauf und präsentierte einen spannenden Krimi voller Intrigen. Wir reisen mit Laura Bow zurück ins Jahr 1925.

Vorhang auf!

Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Anstatt mit einem typischen Intro zu beginnen, wurde er wie ein klassisches Theaterstück inszeniert, bei dem die Protagonisten nacheinander auf der verpixelten Bühne vorgestellt wurden. Und auch im anschließenden Spiel hatte man immer wieder das Gefühl, Zeuge einer Vorstellung zu sein, wenn die Akteure mit sehr textlastigen Dialogen vor typischen Bühnenbildern wie dem Esszimmer oder anderen Räumen des abgelegenen Anwesens im südlichen Louisiana ihre Szenen aufführten.

Dass sich die versammelte Verwandtschaft am liebsten schon kurz nach der Verlesung des Testaments an die Gurgel gehen würde, war angesichts der streitlustigen Gesellschaft und des attraktiven Erbes keine große Überraschung. Doch mit der ersten Leiche wurde schnell klar: Einer oder eine aus der illustren Runde ging in seiner Gier noch einen Schritt weiter. Und jeder war ein Verdächtiger – zumindest so lange, bis der nächste leblose Körper gefunden wurde. Wer meuchelte sich durch die potenziellen Erben? Und wer könnte das nächste Opfer sein?

Ein toller Krimi

Die Aufmachung des Spiels ist bewusst an Aufbau und Inszenierung eines klassischen Theaterstücks angelehnt.
Es war die Aufgabe der jungen Studentin Laura Bow, genau das herauszufinden. Dafür ließ Roberta Williams sie ganz nach Vorbild von Agatha Christie die Spuren sichern und verfolgen, während man in Gesprächen mit anderen Figuren mehr über ihre Hintergründe, Konstellationen und Motive erfahren konnte. Dabei war das Timing ein wichtiger Faktor, denn nur wenn man sich zu einer gewissen Uhrzeit bestimmte Orte im Spiel aufsuchte, bekam man manche Szenen (und Hinweise) überhaupt zu sehen.

Und so rückten nicht nur klassische Rätsel, sondern auch das für Sierra-Adventures typische Punktesystem in den Hintergrund. Stattdessen konzentrierten sich Handlung und Spieldesign in erster Linie auf die Charaktere und das Sammeln von Informationen – tatsächlich ein bisschen vergleichbar mit Heavy Rain als einem Vertreter eines modernen Krimi-Abenteuers. Und genau für diesen Umstand erntete Colonel's Bequest bei seinem Erscheinen im Jahr 1989 reichlich Kritik, da es nicht den gewohnten Anspruch und knackige Rätselkost bot, die Spieler mit Titeln aus dem Hause Sierra verbanden. Tatsächlich konnte man das Spiel beenden, ohne ein einziges Rätsel zu lösen.

Der Tod lauert überall

Trotzdem war die Entlarvung des Mörders alles andere als einfach, denn es gab mehr als genug Gelegenheiten, um auf der Suche nach Hinweisen zu sterben. Nein, nicht unbedingt durch die Hand des Killers, denn da Laura nur ihre Freundin Lillian auf das Anwesen begleitete und nicht zum Kreis der Erbanwärter gehörte, gab es eigentlich keinen Grund, weshalb der Killer hinter ihr her sein sollte. Trotzdem gab es im Spiel z.B. eine Szene, in der Laura unter der

Was für ein schrecklicher Fund in der Dunkelheit!
Dusche erstochen wird – eine klare Anspielung auf den Hitchcock-Klassiker Psycho. Auch in der Dunkelheit konnte der mysteriöse Mörder lauern und die sympathische Protagonistin strangulieren. Aber abseits dieser tödlichen Begegnungen bestand auf dem Anwesen und den umliegenden Sümpfen ein hohes Risiko, das Zeitliche zu segnen – sei es z.B. durch einen unglücklichen Fall vom Balkon, herab fallende Gegenstände oder Ertrinken.       

Um den Wiederspielwert nicht nur durch solche Ereignissen zu erhöhen, bekam man zwischendurch immer wieder Hinweise, was man verpasst hat, wenn man z.B. nicht rechtzeitig einen bestimmten Ort aufgesucht hat. Schön auch, dass die Figuren in Dialogen entsprechend reagiert haben, falls Laura ihnen mit ihren Fragen zu sehr auf die Pelle rückte. Zwar wurde die Handlung dadurch leider nicht beeinflusst, doch war es schön zu sehen, die Folgen eines zu penetranten Auftretens zumindest in den Reaktionen bei Gesprächen zu spüren.

Parser statt Point'n'Click

Leider hatte sich Sierra Ende der Achtziger noch nicht von seinem Parser-System verabschiedet, bei dem man die Figuren zwar direkt steuerte, Anweisungen aber noch umständlich mit Befehlen über die Tastatur eingeben musste. Im Gegensatz zu Leisure Suit Larry, Police Quest, Space Quest oder King's Quest, die später allesamt eine Neuauflage mit komfortabler Maussteuerung und VGA-Grafik spendiert bekamen, war Laura Bow diese nachträgliche Behandlung für ihren Fall leider vergönnt – sie musste sich noch bis zur Fortsetzung The Dagger of Amon Ra gedulden, um mit einem Point'n'Click-Interface der aufregenden Detektivarbeit nachzugehen.

Wem gehört der Fingerabdruck?

Karte, "Theaterprogramm", Notizblock, Stift und Kopierschutz-Lupe: Damals bekam man abseits des Spiels noch etwas von den Herstellern geboten - auch ohne limitierte Deluxe-Super-Sammler-Edition.
Schön: In der Verpackung befand sich neben dem Handbuch auch ein kleiner Notizblock samt Bleistift. Besonders cool war zudem die Falt-Karte des Anwesens, die gleichzeitig als Kopierschutz fungierte. Drehte man sie nämlich herum, musste man auf der Rückseite den vom Spiel geforderten Fingerabdruck finden und identifizieren, den man nur mit der beigelegten roten Lupe erkennen konnte. Hach ja, das waren noch Zeiten... Und heute? Da bekommt man vielleicht noch einen lieblosen Beipack-Zettel mit Werbung oder ein Hinweis-Blättchen mit dem Link zum digitalen Handbuch.

Wie dem auch sei: Colonel's Bequest mag nach heutigen Maßstäben nicht sonderlich gut gealtert sein – EGA-Grafik und umständliche Parser-Steuerung (...die zudem nur Englisch versteht) sind nur noch schwer zuzumuten, doch lässt sich die Präsentation durch die Verwendung von ScummVM immerhin spürbar aufhübschen. Aber was Geschichte und Charaktere angeht, steckt dieser gelungene Krimi aus der Feder von Roberta Williams trotz der klischeebehafteten Rahmenhandlung auch manchen modernen Vertreter locker in die Tasche. Deshalb kann ich nach der anstehenden Wiederbelebung von King's Quest nur hoffen, dass man früher oder später auch über ein Comeback von Laura Bow nachdenken wird. Eine Neuauflage von Colonel's Bequest oder Dagger of Amon Ra mit der Technik und Mechanik eines Heavy Rain? Ich wäre sofort dabei und würde wieder liebend gerne mit der cleveren Hobby-Detektivin auf Spurensuche gehen...

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.