Special: Ein blutiges Erbe
Vorhang auf!
Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Anstatt mit einem typischen Intro zu beginnen, wurde er wie ein klassisches Theaterstück inszeniert, bei dem die Protagonisten nacheinander auf der verpixelten Bühne vorgestellt wurden. Und auch im anschließenden Spiel hatte man immer wieder das Gefühl, Zeuge einer Vorstellung zu sein, wenn die Akteure mit sehr textlastigen Dialogen vor typischen Bühnenbildern wie dem Esszimmer oder anderen Räumen des abgelegenen Anwesens im südlichen Louisiana ihre Szenen aufführten.
Dass sich die versammelte Verwandtschaft am liebsten schon kurz nach der Verlesung des Testaments an die Gurgel gehen würde, war angesichts der streitlustigen Gesellschaft und des attraktiven Erbes keine große Überraschung. Doch mit der ersten Leiche wurde schnell klar: Einer oder eine aus der illustren Runde ging in seiner Gier noch einen Schritt weiter. Und jeder war ein Verdächtiger – zumindest so lange, bis der nächste leblose Körper gefunden wurde. Wer meuchelte sich durch die potenziellen Erben? Und wer könnte das nächste Opfer sein?
Ein toller Krimi
Und so rückten nicht nur klassische Rätsel, sondern auch das für Sierra-Adventures typische Punktesystem in den Hintergrund. Stattdessen konzentrierten sich Handlung und Spieldesign in erster Linie auf die Charaktere und das Sammeln von Informationen – tatsächlich ein bisschen vergleichbar mit Heavy Rain als einem Vertreter eines modernen Krimi-Abenteuers. Und genau für diesen Umstand erntete Colonel's Bequest bei seinem Erscheinen im Jahr 1989 reichlich Kritik, da es nicht den gewohnten Anspruch und knackige Rätselkost bot, die Spieler mit Titeln aus dem Hause Sierra verbanden. Tatsächlich konnte man das Spiel beenden, ohne ein einziges Rätsel zu lösen.
Der Tod lauert überall
Trotzdem war die Entlarvung des Mörders alles andere als einfach, denn es gab mehr als genug Gelegenheiten, um auf der Suche nach Hinweisen zu sterben. Nein, nicht unbedingt durch die Hand des Killers, denn da Laura nur ihre Freundin Lillian auf das Anwesen begleitete und nicht zum Kreis der Erbanwärter gehörte, gab es eigentlich keinen Grund, weshalb der Killer hinter ihr her sein sollte. Trotzdem gab es im Spiel z.B. eine Szene, in der Laura unter der
Um den Wiederspielwert nicht nur durch solche Ereignissen zu erhöhen, bekam man zwischendurch immer wieder Hinweise, was man verpasst hat, wenn man z.B. nicht rechtzeitig einen bestimmten Ort aufgesucht hat. Schön auch, dass die Figuren in Dialogen entsprechend reagiert haben, falls Laura ihnen mit ihren Fragen zu sehr auf die Pelle rückte. Zwar wurde die Handlung dadurch leider nicht beeinflusst, doch war es schön zu sehen, die Folgen eines zu penetranten Auftretens zumindest in den Reaktionen bei Gesprächen zu spüren.
Parser statt Point'n'Click
Leider hatte sich Sierra Ende der Achtziger noch nicht von seinem Parser-System verabschiedet, bei dem man die Figuren zwar direkt steuerte, Anweisungen aber noch umständlich mit Befehlen über die Tastatur eingeben musste. Im Gegensatz zu Leisure Suit Larry, Police Quest, Space Quest oder King's Quest, die später allesamt eine Neuauflage mit komfortabler Maussteuerung und VGA-Grafik spendiert bekamen, war Laura Bow diese nachträgliche Behandlung für ihren Fall leider vergönnt – sie musste sich noch bis zur Fortsetzung The Dagger of Amon Ra gedulden, um mit einem Point'n'Click-Interface der aufregenden Detektivarbeit nachzugehen.
Wem gehört der Fingerabdruck?
Wie dem auch sei: Colonel's Bequest mag nach heutigen Maßstäben nicht sonderlich gut gealtert sein – EGA-Grafik und umständliche Parser-Steuerung (...die zudem nur Englisch versteht) sind nur noch schwer zuzumuten, doch lässt sich die Präsentation durch die Verwendung von ScummVM immerhin spürbar aufhübschen. Aber was Geschichte und Charaktere angeht, steckt dieser gelungene Krimi aus der Feder von Roberta Williams trotz der klischeebehafteten Rahmenhandlung auch manchen modernen Vertreter locker in die Tasche. Deshalb kann ich nach der anstehenden Wiederbelebung von King's Quest nur hoffen, dass man früher oder später auch über ein Comeback von Laura Bow nachdenken wird. Eine Neuauflage von Colonel's Bequest oder Dagger of Amon Ra mit der Technik und Mechanik eines Heavy Rain? Ich wäre sofort dabei und würde wieder liebend gerne mit der cleveren Hobby-Detektivin auf Spurensuche gehen...
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.