digital tainmnet pool30.11.2004, Bodo Naser
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Special:

Seit dem Erfolg von Runaway konnte sich dtp als feste Größe unter deutschen Publishern etablieren. Der gute Ruf der Hamburger beruht nicht zuletzt auf den gelungenen Lokalisierungen von Adventures wie Black Mirror, Moment of Silence und zuletzt Sherlock Holmes: Das Geheimnis des Silbernen Ohrrings. Wir haben PR-Manager Christopher Kellner zum Detektiv, zur Lage und zur Zukunft des Genres befragt!

4Players: Was war das Besondere bei der Lokalisierung von Sherlock Holmes?

dtp: Bei Sherlock Holmes mussten wir sehr genau darauf achten, den Sprachstil der englischen Originalfassung exakt ins Deutsche zu übertragen - also das hochgestochene "British English" von Sherlock. Mit einem großen Aufgebot an professionellen Sprechern ist uns das auch gelungen.

Christopher Kellner, PR-Manager der Hamburger dtp entertainment ag.
Außerdem haben wir in der deutschen Fassung fast jeden der 25 Charaktere mit einem eigenen Sprecher besetzt - in der englischen Fassung sind es nur neun.

4Players: Sherlock Holmes: Das Geheimnis des silbernen Ohrrings ist ein völlig unaufgeregtes Spiel, das einem herrlich altmodischen Spielprinzip frönt. Ist es nicht ein großes Risiko, in Zeiten, in denen alle Welt auf Half-Life 2 schielt, ein derartiges Krimi-Abenteuer aus dem 19. Jahrhundert zu veröffentlichen?

dtp: Die Zielgruppe ist definitiv da und unserer Meinung nach würde der Markt gnadenlos verarmen, wenn es nur noch einen Shooter und ein RTS nach dem anderen gäbe. Wir bauen unsere Zielgruppe stetig aus und glauben, dass da noch sehr viel Potenzial drin ist. Speziell Frauen und Menschen ab 25 Jahren stehen auf Adventures - was würden die spielen, wenn es das Genre nicht mehr gäbe? Bei einem Adventure zählen Story und Atmosphäre, nicht Schnelligkeit und Hektik. Es ist wie mit Büchern: Dicke Wälzer wie Herr der Ringe mögen abschreckend wirken, aber wer erst mal anfängt zu lesen, kann nicht mehr aufhören.

4Players: Wird es irgendwann einen neuen Fall für den britischsten aller Detektive und seinen treuen Mitstreiter geben? Wenn ja, worum wird es gehen und wann wird es kommen?

dtp: Das steht noch in den Sternen. Wir müssen jetzt erst mal sehen, wie sich Sherlock verkauft und dann zusammen mit den Entwicklern überlegen, ob und wann ein Nachfolger kommt. Es spricht aber nichts dagegen, eine Reihe zu eröffnen und Sherlock in regelmäßigen Abständen auf Verbrecherhatz zu schicken - zumal die Verkäufe trotz der schwierigen Marktlage recht gut anlaufen.

4Players: Ein richtig schlechtes Adventure habt ihr bislang noch nicht auf den Markt gebracht. Wer sich im Genre auskennt, weiß, dass das leider keine Selbstverständlichkeit ist. Wie findet ihr die hochwertigen Spiele, die ihr dann in Deutschland veröffentlicht? Können sich auch junge Studios mit ihren Projekten an euch wenden?

dtp: Da wir selbst alle langjährige Adventure-Spieler sind, wissen wir auch genau, worauf wir bei der Auswahl und beim Scouting achten müssen. Mittlerweile gelten wir als Europas wichtigster Publisher für Adventures (sagt "The Inventory"), was unter anderem bewirkt, dass wir automatisch als erste angesprochen werden, wenn es um die Vermarktung eines neuen Titels geht und uns deshalb auch die besten aussuchen können. Wir sind immer offen für neue Projekte und selbstverständlich können sich auch junge Studios an uns wenden. Für die ist ein klassisches Adventure oftmals der ideale Einstieg, um sich erste Lorbeeren zu sichern, und wir garantieren ihnen optimale Vermarktung. Denn für Adventures muss man trommeln wie ein ganzer Stamm von Buschleuten auf dem Kriegspfad - leider wird das bei anderen Adventures nicht getan, weshalb diese auch floppen. Ich kann deshalb nur jedem, der ein Adventure auf der Pfanne hat raten, zu uns zu kommen.

          

 4Players: 2004 war bei dtp von großen Adventures wie Black Mirror , The Moment of Silence und Sherlock Holmes geprägt. Für nächstes Jahr stehen sicher neue Projekte an. Auf welche Abenteuer dürfen wir uns freuen?

dtp: Ich möchte hier auch noch auf The Westerner verweisen, den wir dieses Jahr auch gemacht haben und der nicht in Vergessenheit geraten sollte, da es sich um einen recht guten Titel handelt. Im kommenden Jahr geht's los mit Nibiru , dem neuen Spiel der Black Mirror-Macher. Black Mirror ist übrigens das meistverkaufte Vollpreis-Adventure dieses Jahr und in vielen Medien die Referenz oder zumindest in der Referenzliste. Nach Nibiru kommen Tony Tough 2 und das lang ersehnte Runaway 2. Dungeon Lords ist zwar ein Rollenspiel, wird aber sicher - so wie mich - auch den einen oder anderen Adventure-Fan ansprechen. Daneben verhandeln wir derzeit noch über einige Titel, wovon ich aber nicht mehr verraten darf.

4Players: Ein Adventure fürs nächste Jahr heißt Nibiru: Der Bote der Götter, das von den Machern von Black Mirror stammt. Es soll in die Richtung Indiana Jones gehen und bereits im ersten Quartal 2005 kommen. Was hat es damit auf sich?

dtp: Nibiru basiert auf der Black Mirror-Engine, die aber in wesentlichen Punkten verbessert wurde. Dazu gehören die Auflösung, sie wird nun bei 1024x768 liegen, und die Charaktere, die nun komplett in 3D sein werden. Es handelt sich aber nicht um einen Nachfolger von Black Mirror, sondern um eine ganz eigene Story. Grob gesagt geht es um den mysteriösen zehnten Planeten, den die alten Sumerer Nibiru nannten, und der angeblich die Quelle des menschlichen Lebens auf der Erde sein soll. Die Nazis waren diesem Geheimnis auf der Spur, und in der Rolle des jungen Archäologen Martin Holan muss der Spieler eben dieses lüften.

4Players: Die Fans von Brian und Gina warten natürlich sehnsüchtig auf Runaway 2, den Nachfolger des witzigen Erfolgs aus den Pendulo Studios. Wann wird es endlich erscheinen und was werden die Neuerungen im Vergleich zum ersten Teil sein?

dtp: Runaway 2 wird wahrscheinlich im Mai erscheinen. Es wird sich im Look and Feel nicht radikal von Runaway unterscheiden, aber im Detail natürlich über viele Verbesserungen verfügen. Die Grafik wird aufgebohrt, vor allem die Videos werden eine viel höhere Auflösung haben. Daneben wird sich die Spieldauer auf rund 30 Stunden erhöhen und die Locations werden wesentlich abwechslungsreicher ausfallen. Die Beziehung zwischen Brian und Gina hat sich weiterentwickelt, und wenn man sich den neuen Brian mal anschaut, dann sieht man, dass er sich auch selbst sehr verändert hat und von dem naiven Physikstudenten nicht mehr viel übrig ist.

4Players: Viele Adventures kranken generell daran, dass ihre Story nicht richtig fesselt, weil sie viel zu linear sind. Die meisten davon sind auch nur bedingt wiederspielbar, weil sie nur ein Ende besitzen. Die Spieler wünschen sich mehr spielerische Freiheit, wie sie etwa die GTA-Reihe bietet. Wie könnte eine neuer Typ von Adventures das besser machen?

dtp: Klassische Point & Click-Adventures sind meistens relativ linear - wenn man einen bestimmten Gegenstand nicht hat, steckt man halt fest und kann wegen des Gameplay-Prinzips auch nicht weiterspielen. Bei Adventures fehlen die Nebenquests, die zum Beispiel ein Rollenspiel erst nicht-linear werden lassen. Die machen aber nur Sinn, wenn es dafür auch eine Motivation - also Erfahrungspunkte oder Geld - gibt. Wozu aber sollte man Erfahrungspunkte oder Geld in einem Adventure brauchen, in dem alles nur vom Hirnschmalz des Spielers, aber nichts von den Fähigkeiten der Spielfigur abhängt? Meine Idee für die Adventures der Zukunft wäre es, sich an Rollenspielen wie der Fallout-Serie zu orientieren, die auch sehr starke Adventure-Anteile hatten. Hier hatte der Spieler mannigfaltige Möglichkeiten, eine Situation zu lösen, meist auch ohne Gewalt. Kam er an einer Stelle nicht weiter, konnte er woanders weiterspielen. So stelle ich mir das auch für die Adventures der Zukunft vor; Erfahrungspunkte und Geld- oder andere Sachbelohnungen muss man ja nicht an Kämpfe knüpfen.

4Players: Zur Zeit wird in der Branche viel darüber diskutiert, ob man nicht die breite Öffentlichkeit besser über das Phänomen Computerspiele informieren sollte, um so eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Wie ist eure Meinung dazu? Wie könnte man das vielleicht erreichen?

dtp: Darüber könnte ich einen Roman schreiben, ich versuche aber, mich kurz zu fassen. Das Problem ist, dass die PR-Abteilungen der einzelnen Publisher ihre Produkte bewerben müssen und deshalb gegeneinander konkurrieren - es wird also nicht an einem Strang gezogen. Das wäre aber unbedingt notwendig, um die Games-Branche als Ganzes in Deutschland bekannter und akzeptierter zu machen und Lobby-Arbeit zu betreiben. Notwendig wäre also eine Institution - ein Verband, der für die gesamte Branche PR macht. Der aufgelöste VUD leistete so etwas ja leider nicht. Vielleicht kommt aber bald ein neuer Verband.

4Players: Anders als in Europa, wo das Adventure durch Runaway oder Syberia eine wahre Renaissance erlebte, sieht es in Nordamerika eher düster aus. LucasArts, einst eine Ikone der Abenteuerszene, hat Full Throttle 2 und Sam & Max 2 eingestellt und sich endgültig aus dem Genre verabschiedet. Was macht euch sicher, dass es in fünf Jahren noch Adventures geben wird?

dtp: Adventures wird es auch in fünf Jahren noch geben, warum sollte irgendeine Branche von den USA abhängig sein? Genau wie in anderen Bereichen kommen die besten Titel mittlerweile aus vielen verschiedenen Ländern, siehe Far Cry , S.T.A.L.K.E.R. und Konsorten. Hinter der Einstellung von S&M stehen sicherlich wirtschaftliche Erwägungen - ein Adventure rechnet sich für einen großen weltweiten Publisher wie LA einfach nicht mehr. Was in den USA übrigens funktioniert, sind Render-Standbild-Adventures, die bei uns außer Myst gnadenlos floppen. Adventures werden sich - wie ich oben bereits in Sachen Linearität beschrieben habe - vom Gameplay her öffnen müssen. Bisher haben alle Crossbreed-Versuche nicht funktioniert, aber ich bin gespannt auf das erste wirklich gute 3D-Adventure, in dem alles stimmt: Steuerung, Rätsel, Story, Action und Kämpfe.

4Players: Vielen Dank für die Antworten und viel Erfolg mit Sherlock Holmes. Der Detektiv befindet sich gerade bei uns im Testlabor und wird auf Rätselherz und Spielspaßnieren geprüft.

     

 
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