Tales of Tamar12.07.2006, Jörg Luibl
Tales of Tamar

Special:

Tales of Tamar ist ein mittelalterliches Strategie- und Rollenspiel, das auf alte Tugenden der Amigazeit setzt: Echte Charakterentwicklung, Spieltiefe, viel Atmosphäre. Obwohl es technisch Nachholbedarf hat, konnte es sich über fünf Jahre hinweg eine feste Fangemeinde sichern - Burgfeste, LARP-Events und Freundschaften inklusive. Wir haben mit Entwickler Martin Wolf gesprochen.

4Players: Bestes Amiga-Spiel 2002, Platz 1 in der Hitliste der beliebtesten Amiga-Spiele überhaupt. Was verbirgt sich hinter Tales of Tamar ?

Martin Wolf: Tales of Tamar ist eines der so genannten Massiv-Multiplayer-, Strategie- & Rollenspiele. Hierbei treten mehrere hundert oder tausend Mitspieler in einem gemeinsamen Spiel gegeneinander an und versuchen bestimmte Ziele zu erreichen. Bei Tales of Tamar ist es eines der Ziele König oder Kaiser zu werden. Aber auch andere Ziele sind möglich. Ein erfolgreicher Pirat, genauso wie ein erfolgreicher Händler und vieles mehr.

Spiel-Designer Martin Wolf bei einer Präsentation.
4Players: Mit welchen bekannteren Spielen kann man es vergleichen?

Martin Wolf: Das Spiel selber ist, strategisch gesehen, vergleichbar mit Spielen wie Civilization oder dem altehrwürdigen Kaiser , nur eben nicht mit 1-8 Spielern sondern sehr vielen Spielern mehr. So weit also nichts Neues und erwähnenswert wäre nur noch, dass wir bereits seit 1997 an dem Projekt arbeiten (ich persönlich sogar schon seit 1986) und seit 2001 am Start sind.

4Players: Du erwähntest oben auch Rollenspiele. Welche Bezüge gibt es dazu?

Martin Wolf: In rollenspieltechnischer Hinsicht legen wir bei Tales of Tamar Wert auf die Ausspielung des eigenen Charakters. Der Spieler bekommt sein Reich zugewiesen, in dem er sich, wie in jedem anderem Spiel auch, durch bestimmte Forschungen oder Eroberungen ständig erweitern kann. Der Herrscher, den man hierbei spielt, muß jedoch dann gegenüber den anderen Mitspielern auch in Botschaften intime vertreten. Der Charakter, den man sich selber zugelegt hat, muss also ausgespielt werden. Aus diesem menschlichen Miteinander entsteht etwas ganz Besonderes. Nämlich echtes Rollenspiel-Ambiente, wie ich es jetzt mal nennen möchte. Und Rollenspiel-Ambiente ist eines der Dinge, über die man sich bei vielen anderen Spielen streiten kann. Die meisten Spiele haben es gar nicht, manche nur sehr wenig.

4Players: Wie würdet ihr den Spielertypen beschreiben, der sich in eurer Welt wohl fühlt? Was muss er sonst noch zocken, welche Vorlieben muss er haben?

Martin Wolf: Also das Spiel, welches mir in letzter Zeit vom grafischen Ambiente am besten gefallen hat, war natürlich World of Warcraft. Leider habe ich das Spiel wieder verlassen, weil es mir nach zwei Monaten einfach zu öde wurde immer zehn Teile davon und zehn von etwas anderem zu holen. Und wenn das Rollenspiel nur daraus besteht, mit jemandem mal ein wenig Small Talk zu halten, und ansonsten nur Werte gepushed und Monster gekloppt werden, dann frage ich mich doch, wo die guten alten Zeiten von Spielen wie Ambermoon (kennen warscheinlich nur Leute Ü30) geblieben sind.

4Players: Hey, Ambermoon habe ich auch noch gespielt! Okay, ich bin Ü30. Ich kann deinen wehmütigen Blick auf die Fantasy nachvollziehen - es gab bei uns sogar schon einen anonymen Hilferuf. Gibt es von dieser Art Spiele noch mehr, wo seht ihr die Konkurrenz?

Wie in alten Zeiten: Hexfeld-Abenteuer mit nostalgischem Amiga-Flair.
Martin Wolf: Browsertechnisch, heute unsere härteste Konkurrenz, kann ich nur auf unsere Spiele von 4Players verweisen. Knights Divine , Scherbenwelten und Patrizier Online sind grafisch sehr schöne Spiele und inhaltsmäßig haben sie definitiv ihren Reiz. Grundsätzlich dürfte sich jeder Spieler bei uns wohl fühlen, der hohe Ansprüche an strategische Fertigkeiten erwartet und der sich mit Pen & Paper-Rollenspielen auskennt. Dabei ist es von Vorteil, wenn grafische Ansprüche eher zweitrangig sind und man sich wohl fühlt in Independent-Projekten.

4Players: Was unterscheidet Tales of Tamar technisch von Browsergames?

Martin Wolf: Im Vergleich zu Browsergames bieten wir dabei den Vorteil der geringen Bandbreitenlast (Transfer pro Tag < 1MB!), der schnelleren Grafikdarstellung, des schnelleren Scrollings bei größerem Scrollfeld (1024*768), echtes Double-Buffering, größere 3D-Animationen, bessere Bewegungsanimationen, besseres Caching und schließlich und endlich die Tatsache, dass man keine Inkompatibilitäten hat beim Spiel, weil man eben keinen Browser benötigt. Das alles resultiert u.a. in der Tatsache, dass bei uns auch Rechner mitspielen können, welche zu langsam wären für Flash-Animationen oder 24/32 bit Darstellung.

4Players: Und die Nachteile eurer Variante?

Martin Wolf: Nachteile hat es natürlich auch. Neue Versionen müssen heruntergeladen werden und es kann sich hier und da ein Bug einschleichen, welcher zum Absturz führt. Alles hat eben seine Vor- und Nachteile.

4Players: Das Spiel läuft jetzt schon seit einigen Jahren. Wie ist bisher das Feedback?

Martin Wolf: Eigentlich sehr positiv. Wenn man bedenkt, dass wir bereits seit fünf Jahren auf dem Markt sind und wir unsere ersten Kunden bis heute nicht verloren haben (5 Jahre ein Spiel zu spielen heißt schon was!), dann zeigt dies, dass Strategiefans und Rollenspieler bei uns voll auf ihre Kosten kommen. Da wir jedoch leider bis vor kurzem nur eine mäßige Auflösung bieten konnten und sich gleichzeitig die TFT-Monitore am Markt durchgesetzt haben, sah das Spiel nicht besonders schön aus. Dieser Entwicklung haben wir nun Rechnung getragen.

       

4Players: Inwiefern? Was hat sich genau an der Grafik-Engine geändert?

Martin Wolf: Zum einen, wie oben bereits gesagt, ist der VGA- Modus mit 640*480/8bit nicht mehr zeitgemäß gewesen und führte bei TFT-Monitoren zur Interpolation. Das Resultat war bei vielen Klötzchengrafik, inbesondere bei großen Röhrenmonitoren oder schlechten TFT-Bildschirmen. Zum Zweiten war diese HiRES 2D- Engine die Voraussetzung für unsere 3D-Engine, welche sich immer noch in Entwicklung befindet und den logischen Schritt in unserer Evolution darstellt. Die neue Grafikengine stellt also bereits die komplette GUI der 3D-Grafikengine dar und ist gleichzeitig die am besten geeignete Darstellung für Rechner, die in der Mhz-Zahl zwischen 400 und 1500 liegen. Also nicht gut genug für die 3D-Karte, aber zu gut für die VGA-Darstellung (bis 400 Mhz). So haben wir die Möglichkeit, weiterhin alle Rechner vom Pentium 200 an bis zu den modernsten Systemen zu unterstützen. Die neue Grafikengine konvertiert dabei automatisch alle 8 bit Grafiken in den selbst gewünschten Bildschirmmodus von 15/16/24 oder 32 bit.

4Players: Die Technik ist wichtig, aber wie sieht es mit den inneren Werten aus? Was bietet ihr konkret in Sachen Rollenspiel und Strategie?

Ab und zu treffen sich die Tales of Tamar-Spieler im passenden Ambiente: Hier die im 12. Jahrhundert erbaute Burg Altena in Westfalen.
Martin Wolf: Jeder der insbesondere echtes Rollenspiel sehr mag, wird sich bei uns sehr wohl fühlen. Werte hochpushen, rumrennen und XP sammeln kann jeder. Echtes Rollenspiel mit echter Geschichte (über 500 Jahre Chronik!) bieten derzeit nur wir. Dazu eine riesige Karte, deren Datenmengen alleine 1,7 GB umfassen kann und dessen Spielfeld umgerechnet 614400 mal 358400 Pixel groß ist und von Zeit zu Zeit spezielle Events und Quests geben dem Spiel eine Rollenspieldichte, von der die meisten Games nur träumen können. Und genau dafür bekommen wir den meisten Lob. Hat man einmal in dieser fantastischen Welt Fuß gefasst, möchte man sie nicht mehr missen.

4Players: Wie viele aktive Spieler habt ihr derzeit?

Martin Wolf: Derzeit ca. 400. Etwas wenig. Dafür sind das aber sehr aktive Spieler. Ehrlich gesagt sind mir zwei aktive

Mitspieler auch lieber als 20 inaktive & stumme Spieler.

4Players: Gibt es abseits der virtuellen Welt interessante Events?

Martin Wolf: Aber sicher. Jedes Jahr findet mitdestens ein Spielertreffen in ambientegerechter Umgebung statt. Dieses Jahr sind wir zum Ritteressen auf die Bug Altena zusammengekommen und es war einfach herrlich! Ein Rittersaal voller Freund und Feind, viel gekühlter Met, ein Barde der uns den Abend fantastisch unterhalten hat und der Blick von der Burg und den Fenstern des Rittersaals herunter auf das malerische Tal, während am Horizont die Sonne verschwindet, machte dieses Treffen zu einem einzigartigem Erlebnis. Besser gehts nicht! Und der Apfel-Met floss in Strömen! Für die LARP-Spieler unter uns gab es bisher drei verschiedene LARP-Veranstaltungen. Für diese Veranstaltungen hat sich ein spezielles Organisationsteam gefunden welches es auf der Welt Tamar dann möglich macht Abenteuer direkt zu erleben. Auf der letzten Burg wurde unter anderem ein riesiges Verlies hergerichtet, mit Labor, jede Menge schrecklichen Wesen, Nachtwanderungen mit Aufgaben, Folterkellern, Hexen, Magiern, jede Menge Grusel usw. usf. Wer diese Treffen einmal mitgemacht hat, wird die Welt mit anderen Augen sehen.

4Players: Das sind ja regelrecht Bewusstsein verändernde Perspektiven!;) Wird es mit dem Relaunch noch weitere Neuerungen geben?

Martin Wolf: Aber natürlich. So wie wir es bereits seit 5 Jahren machen, werden wir das Spiel immer weiter verbessern. Unsere Spieler sind jetzt schon von der Spieltiefe und langfristig anhaltenden Motivation des Spieles beeindruckt. Wir hoffen dies auch in Zukunft so halten zu können und werden weiterhin unser Bestes geben.

4Players: Was brauche ich, um Tales of Tamar zu spielen? Und was kostet es mich?

Martin Wolf: Natürlich einen PC, einen Mac oder einen Amiga, der letzten Generation. Mittels Shareware-Account kann man erstmal kostenlos anfangen zu spielen. Postfach usw wird einem dabei vorerst gestellt, damit die Anmeldung einfacher vonstatten geht. Ansonsten wäre hat eine zweite E-Mail-Adresse und ein dazugehöriges Postfach vorteilhaft. 4Players ist dein Freund. Sobald man bestimmte Ziele im Spiel erreicht wird das Spiel dann kostenpflichtig und kostet zwischen 3-10 Euro im Monat. Abgezogen davon werden bestimmte Boni, die man sich im Spiel erwirtschaften oder erkämpfen kann. Ein Kaiser z.B. würde für Tales of Tamar nichts bezahlen und sogar noch derzeit 500 Euro gewinnen. Allerdings ist dieses Ziel erst sehr wenigen Spielern gelungen. In unserer 500 jährigen Geschichten waren es bisher 3 oder 4.

4Players: Was plant ihr in Zukunft?

Es wird auch fleißig geforscht: Hier kann man sich für die Theologie entscheiden.
Martin Wolf: Als nächstes steht der Einbau der 3D Engine an. Dann wird irgendwann noch die Battle-Arena gemacht und im Spiel selber haben wir auch noch sehr viele Ideen zu realisieren. Dinge wie Konvoi von Schiffen, andere Landschaftsregionen (die Wüste von Elerion) & Handel mit NPC-Rassen sind alle bereits vorbereitet und werden sicher auch in den nächsten Monaten eingebaut.

4Players: Stimmt es, dass sogar ein Buch in Planung ist? Was hat es damit auf sich?

Martin Wolf: Ja. Tales of Tamar hat mittlerweile durch unsere Chronik und unsere Spieler eine dermaßen dichte Geschichte bekommen, daß sie einfach erzählt werden muß. Zum ersten Mal ist mir diese Idee ca. 1999 gekommen. Leider ist damals im Endeffekt nichts daraus geworden. Im März dieses Jahres wurde ich jedoch durch dieses Wolfgang Hohlbein-Interview auf 4Players wieder daran erinnert,  dass da noch etwas fehlt, was längst erledigt sein sollte. Wir haben dann sehr schnell in einem bekannten Forum, in dem sich viele deutsche Autoren treffen, ein wenig gesucht und nun eine bekannte Autorin damit beauftragt die Geschichte und den Hintergrund von Arbanor, dem ersten Kaiser von Tamar, und seinem Tod zu erzählen. Arbarnor selber stellt das Ende einer eigenen Zivilisation dar und erst nach einiger Zeit ist die Welt dann so entstanden wie sie heute existiert. Unsere Spieler wollen wissen, was damals geschehen ist und wieso die Zeit der Ersten vorbei ist. Das Buch macht mittlerweile hervorragende Fortschritte und einige Verlage haben ebenfalls bereits Interesse bekundet.  Ich hoffe, dass es noch vor Ende des Jahres fertig wird.

4Players: Wenn ihr euch als Entwickler den Markt der großen Rollenspiele und Strategiespiele anschaut: Was gefällt euch, was missfällt euch?

Martin Wolf: Bei den meisten Spielen gefällt mir die Grafik sehr gut. Ich wünschte mir nur einmal halbwegs das Budget dieser Projekte zu besitzen. Es ist garnicht bekannt was hier in Deutschland alles erreicht werden könnte wenn kleine Gruppen einen Anteil dieser Budgets zur Verfügung hätten.  Richtig baff war ich tatsächlich von der Grafik von World of Warcraft. Teilweise habe ich das Spiel nur deshalb betreten, weil ich ein wenig durch die Wälder streifen wollte. In bestimmten Regionen war das Spiel für mich wie Urlaub. Hätte man es geschafft dem ganzen ein echtes Rollenspiel zu verpassen, wäre es das Spiel der Spiele gewesen. So ist es leider nur etwas für Punktesammler geworden.  In diesem Sinne missfällt mir, daß die heutigen Spiele kaum noch Spieltiefe besitzen. Eye of the Beholder, Phantasie I-III, die Ultima-Serie, Ambermoon, Erben der Erde waren Spiele, die mit Liebe zum Detail entwickelt wurden und bei denen Grundregeln zu 'wandernden Monster' nicht 80% des Spielzieles ausgemacht haben.

4Players: Habt ihr noch privat Zeit zu spielen? Und wenn ja, was habt ihr zuletzt gezockt?

Martin Wolf: Ab und an habe ich noch Zeit. Man kann ja nicht immer nur programmieren. Was die anderen zocken, weiß ich nicht. Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2 , glaube ich. Ich selber spiele derzeit ab und an Fifa 06 . Macht auch Spaß. Aber Sensible Soccer war einfach besser :-) Obwohl ich zugeben muß, daß Fifa eine hohe Langzeitmotivation bietet, da man auch nach drei Monaten noch neue Tricks und Spielzüge lernen kann. Ansonsten hat mir Return to Castle Wolfenstein sehr gut gefallen, da die Athmosphäre wohl kaum zu toppen ist.

4Players: Vielen Dank für das Interview.

   

 
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