Clash of Realities21.03.2006, Jörg Luibl
Clash of Realities

Special:

Am 22. März beginnt an der Fachhochschule Köln eine dreitägige Computerspielkonferenz, die von Electronic Arts mitorganisiert wird. Unter dem Motto "Clash of Realities" geht es vor allem um das Verhältnis von Spielen und sozialer Wirklichkeit. Wir konnten im Vorfeld mit Martin Lorber von EA sprechen: Wie kam es zum akademischen Engagement des Publishers? Wie sieht es aus mit dem Spielestandort Deutschland?

4Players: Sie haben die internationale Konferenz Clash of Realities. Computerspiele und soziale Wirklichkeit  mitorganisiert. Welche Rolle spielt das Spiel in Ihrem Leben? Was bedeutet es Ihnen?

Martin Lorber: Spielen ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Spielen meine Kreativität weckt und die Sinne und den Verstand fordert. Ich finde, durch Spielen kann man sehr gut lernen. mit Sieg, Niederlage und Frustration fertig zu werden. Spielen trägt ganz wesentlich dazu bei, mich beständig weiterzuentwickeln.

Martin Lorber, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Electronic Arts Deutschland.
4Players: Ziel ist es laut Programm, die Aufmerksamkeit auf die positiven Potenziale der Spiele zu richten und einer einseitigen Betrachtung entgegen zu wirken. Warum ist das notwendig?

Martin Lorber: Bisher gab es kein Forum, in dem Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammenkommen und über das Phänomen Computer- und Videospiele diskutieren können. Es gibt weltweit und auch in Deutschland sehr viele Wissenschaftler, die sich mit interaktiver Unterhaltung befassen, aber die Vernetzung ist noch nicht sehr ausgeprägt, zumal es sich um Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Disziplinen handelt. Hier wollen wir Anstöße geben. Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass die öffentliche Diskussion über Computer- und Videospiele sich weiterentwickelt. Das große Interesse, auf das wir mit dem Kongress gestoßen sind - es haben sich 450 Teilnehmer angemeldet, dazu noch über 60 Medienvertreter - zeigt, dass es tatsächlich ein großes Informationsbedürfnis gibt.

4Players: Die dreitägige Tagung ist auf Initiative der Fachhochschule und Electronic Arts entstanden. Wie ist es zu der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Spielewelt gekommen?

Martin Lorber: Ich habe gleich zu Beginn meiner Tätigkeit für Electronic Arts im Frühjahr 2004 Kontakt zur Fachhochschule Köln aufgenommen, weil hier mit den Prof. Dr. Jürgen Fritz und Prof. Dr. Winfred Kaminski zwei der bedeutendsten Wissenschaftler auf dem Feld der interaktiven Unterhaltung arbeiten. Wir haben bereits vor dem Kongress bei einigen kleineren Projekten zusammengearbeitet und festgestellt, dass diese Kooperation für beide Seiten bereichernd ist. So konnte ich die Fachhochschule schnell von der Idee eines solchen Kongresses begeistern.

4Players: Welchen Einfluss hatte Electronic Arts auf die Wahl der Referenten und die Themen der Vorträge?

Martin Lorber: Die Auswahl der wissenschaftlichen Referenten oblag dem wissenschaftlichen Leiter der Tagung, Prof. Dr. Winfred Kaminski. Ich habe darauf keinen Einfluss genommen. Das zugrunde liegende Konzept mit den verschiedenen Schwerpunkten haben wir gemeinsam diskutiert.

4Players: Gab es bei der Organisation der Konferenz auch Reibepunkte? Immerhin hat Electronic Arts im Gegensatz zur Fachhochschule auch ein wirtschaftliches Eigeninteresse daran, dass das Spiel positiv wahrgenommen wird.

Martin Lorber: Wir wollen mit dem Kongress in erster Linie den wissenschaftlichen, aber auch den öffentlichen Diskurs über Computer- und Videospiele vorantreiben. Sowohl Electronic Arts als auch die Fachhochschule wünschen sich, dass interaktive Unterhaltung in ihrer Breite und Tiefe angemessen betrachtet wird. Dass eine akademische Betrachtung immer eine im wissenschaftlichen Sinne "kritische" ist, versteht sich ja von selbst. Es gab hier keinerlei Reibungspunkte. Diese Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft ist aus meiner Sicht vorbildlich.

4Players: Das Tagungsprogramm ist international besetzt und deckt viele Bereiche ab: Online-Games, Jugendkultur, Erzählstrukturen, Geschlechterfragen, Gewaltspiele, Bildungsprozesse. Auf welchen Beitrag freuen Sie sich ganz besonders? Und gab es Referenten, die es mit ihren Themen nicht mehr ins Programm geschafft haben?

Martin Lorber: Wenn man so intensiv an einem Projekt arbeitet, fällt es schwer, einzelne Referenten besonders hervorzuheben. Selbstverständlich konnten nicht alle Ideen verwirklicht werden, weil wir uns auf drei Tage beschränken mussten.

4Players: Deutschland ist im internationalen Vergleich immer noch ein Entwicklungsland in Sachen wissenschaftlicher Spiele-Betrachtung. Egal ob Skandinavien, England oder USA - dort hat das Spiel schon lange die Hörsäle erreicht. Woran liegt das?

Martin Lorber: Es gibt ja auch in Deutschland eine ganze Reihe von Wissenschaftlern an Hochschulen, die darüber forschen und lehren. Angefangen von der Forschungsstelle "Wirkung virtueller Welten" von Prof. Dr. Jürgen Fritz und Prof. Dr. Kaminski, ein Institut von internationalem Rang. In Mainz ist Prof. Dr. Stefan Aufenanger auf diesem Feld aktiv, in Magdeburg Prof. Dr. Maik Masuch und an der Uni Jena habilitiert sich Dr. Müller-Lietkow auf diesem Gebiet. Schließlich wird an der TU Ilmenau gerade eine Medienprofessur für Computer- und Videospiele eingerichtet und ich bin mir sicher, dass es an hoch qualifizierten Bewerbern aus Deutschland nicht mangeln wird. Ganz sicher ist diese Aufzählung nicht vollständig. Es mag also wohl noch Entwicklungspotenziale geben, wir sollten das, was bei uns wissenschaftlich passiert, aber auch nicht klein reden.

4Players: Ist diese erste Kölner Konferenz der Startschuss für weitere Tagungen?

Martin Lorber: Ich hoffe es.

        

4Players: Wie viel kostet Electronic Arts dieses Engagement im wissenschaftlichen Bereich?

Martin Lorber: Ich widme derzeit einen Großteil meiner Arbeitszeit diesem Projekt. Über das finanzielle Engagement machen wir keine Angaben.

4Players: Wenn Sie jemand fragen würde, warum Sie als Publisher "Killerspiele" wie Battlefield 2 im Angebot haben, würden Sie was antworten?

Martin Lorber: Ich würde ihm sagen, dass der Begriff "Killerspiel" für ein solch avanciertes Spiel wie Battlefield 2 mir reichlich verkürzend erscheint. Auch ist mir nicht klar geworden, was genau mit "Killerspielen" gemein ist. Darüber hinaus würde ich grundsätzlich antworten: Wie jedes andere Medium reflektieren auch Computer- und Videospiele unsere Geschichte, die Gegenwart oder blicken in die Zukunft. Es ist ein für Medien gleich welcher Gattung ein ganz normaler Vorgang, dass auch Aggression und Gewalt als Aspekte des Lebens Eingang finden, so wie andere Aspekte auch. Allerdings kann man die Darstellung von Gewalt unter ästhetischen, moralischen oder pädagogischen Gesichtspunkten kritisch betrachten und ich finde, das sollte man auch. Auf eine solche Diskussion ließe ich mich dann auch gerne ein.

4Players: Ihre Branchenkollegen von Zuxxez Entertainment haben erst kürzlich einen offenen Brief an die Innenministerkonferenz verfasst, in dem sie drei Lösungen zur Bekämpfung des "Jugendschutzproblems" vorschlagen:

1. Eine stärkere Förderung der USK durch angemessene Budgets

2. Die Durchführung einer durchdachten Aufklärungskampagne zum Hintergrund, zur

Entstehung und zur Alterskennzeichnung von Entertainment-Software. Hierbei sollten

insbesondere die Erwachsenen, also die Erziehungsberechtigten, im Fokus stehen.

3. Eine stärkere Kontrolle der Spieleabgabe gemäß der Altersklassifizierung

Haben wir tatsächlich ein Jugendschutzproblem? Und was halten Sie von diesen Vorschlägen?

Martin Lorber: Wir haben in Deutschland kein Jugendschutzproblem. Die USK leistet eine hervorragende Arbeit. Die Prüfungsentscheidungen der USK sind durch die Beteiligung des ständigen Vertreters der Obersten Landesjugendbehörden als staatlicher Akt zu qualifizieren, an dessen Rechtmäßigkeit nicht zu zweifeln ist. Das für die USK zuständige Landesministerium in Nordrhein-Westfalen hat die ordnungsgemäße Arbeit der USK jüngst genauso bestätigt, wie auch die obersten Jugendbehörden auf Bundes- und Landesebene. Diese Jugendbehörden sind über ihre Vertreter genauso im Beirat der USK über deren Arbeit informiert, wie auch die Vertreter der Kirchen, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und der kommunalen Jugendämter. Ich denke, Publisher und Entwickler sollten möglichst geschlossen auftreten. Das bedeutet nach meiner Vorstellung, die entsprechenden Verbände sollten das Gespräch mit der Politik suchen, aufklären und informieren und - wenn möglich - begeistern. Nach meiner Wahrnehmung machen die Verbände in dieser Richtung einen hervorragenden Job, der naturgemäß beim Lobbying nicht immer öffentlichkeitswirksam ist.

Bedauerlich ist im Zusammenhang mit dem Jugendschutz allerdings, dass sich immer noch viel zu wenig Eltern und Pädagogen dafür interessieren, was ihre Kinder spielen. Auch wenn wir hier weiter sind, als andere europäische Länder, gibt es auch bei uns viel Nachholbedarf. Das war eines der Ergebnisse einer umfangreichen Studie, die wir im vergangenen Sommer veröffentlicht haben (www.studien.electronic-arts.de).

4Players: Unworte wie "Killerspiele" polarisieren und schaffen mediale Aufmerksamkeit, in der dann schnell Schlagworte wie Verdummung oder Verblödung grassieren. Braucht das Spiel einfach eine bessere PR und Lobbyarbeit, um im Fernsehen auch abseits Pfeiffer`scher Verwahrlosungsszenarien wahrgenommen zu werden?

Martin Lorber: Wenn man sich die mühevolle Arbeit einer umfassenden Medienresonanzanalyse macht, stellt man fest, dass interaktive Unterhaltung in den Medien im Durchschnitt ein ausgezeichnetes Image hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass vereinzelte Eiferer immer wieder mal die Gelegenheit bekommt, sich unhinterfragt in den Medien zu verbreiten. Das sind Einzelerscheinungen. Ich denke, dass in der Branche eine ganze Reihe von erstklassigen PR-Profis arbeiten, die auch entsprechende Resultate erzielen. Auch die Lobbyarbeit ist beim BIU in den allerbesten Händen.

4Players: Wissen Sie, ob über die Kölner Konferenz auch in den Nachrichten oder TV-Magazinen berichtet wird? Betreibt EA in dieser Hinsicht PR?

Martin Lorber: Selbstverständlich begleiten wir den Kongress mit entsprechender Pressearbeit. Es haben sich über 60 Journalisten angemeldet, darunter Vertreter der auflagenstarken Publikumspresse, der wichtigsten nationalen Tageszeitungen und des Fernsehsehens. Erste Vorberichte sind bereits erschienen.

4Players: Immerhin schwappt das Spiel als gesellschaftlich relevantes Thema mittlerweile in unsere Parlamente: Die Grünen werben z.B. damit, gegen das populistische Killerspiel-Verbot der großen Koalition zu sein. Die Hamburger SPD fordert als Opposition mehr Unterstützung für junge Spiele-Entwickler. Ist das eine positive Entwicklung in der Wahrnehmung oder bloß Parteitaktik?

Martin Lorber: In meinen Augen ist das Ausdruck der Tendenz, dass immer mehr Entscheidungsträger in der Politik sich der Relevanz des Themas bewusst werden.

4Players: Die Grünen wollen in diesem Zusammenhang z.B. ein Qualitätssiegel einführen, das ähnlich funktioniert wie in der Filmförderung - Entwickler werden dabei grundsätzlich als "Kulturproduzenten" angesehen. Unterstützt Electronic Arts solche Ideen?

Martin Lorber: Wir sind auch der Meinung, dass es sich bei Computer- und Videospielen um ein Kulturgut handelt. Welche Form der Förderung angemessen und Ziel führend ist, muss im Einzelfall geprüft werden.

4Players: Frankreich ist da schon weiter: Der Kultur- und Kommunikationsminister hat Shigeru Miyamoto (Mario & Co), Michel Ancel (Rayman, King Kong) und Frédérick Raynal (Alone in the Dark) vor einer Woche den Ritterorden für besondere Leistungen auf dem neuen "Kunstgebiet" der Videospiele überreicht. Sind Spiele tatsächlich Kunst? Herr Kojima hat das in einem Interview verneint.

Martin Lorber: Genauso wenig wie alle Bücher, Filme, alle Musik oder das Fernsehen grundsätzlich Kunst sind, genauso wenig kann man das bei Computer- und Videospielen sagen. In allen Bereichen gibt es künstlerische Werke und solche, die es nicht sind und auch gar nicht den Anspruch erheben. Computer- und Videospiele sind, wenn sie gut gemacht sind, faszinierend, fesseln, machen Spaß und fordern, aber sie sind - nach meinem Kunstverständnis - in der Regel keine Kunstwerke, sondern Teil der modernen Unterhaltungskultur. Das sehen die Macher in der Regel auch so. Es gibt zwar auch eine kleine Szene, die dieses Medium künstlerisch nutzt, einen Künstler von Rang wie beispielsweise Nam June Paik, der sich mit dem Medium Video auseinandergesetzt hat, sehe ich bei Computer- und Videospielen noch nicht.

4Players: FIFA und NHL, Battlefield und Need for Speed. Es wird entwickelt, was sich gut verkauft. Aber fördert Electronic Arts darüber hinaus auch die Entwicklung kulturell anspruchsvollerer oder emotional intelligenterer Spiele, die nicht von der Zielgruppe, sondern einer kreativen Idee bestimmt werden?

Martin Lorber: Ich denke, dass sich die Spiele von Electronic Arts in der Regel deshalb so gut verkaufen, weil sie kulturell anspruchsvoll und intelligent gemacht sind. Anspruchslose und emotional unintelligente Spiele würden sicherlich nicht so viele begeisterte Spieler finden. Die Palette an EA-Spielen ist sehr breit und es sind nicht nur Titel darunter, die in so hohen Stückzahlen verkauft werden, wie die in der Frage genannten. Natürlich experimentieren auch wir und sind beständig auf der Suche nach neuen Ideen, denn man ist in diesem Bereich der Unterhaltungskultur nur erfolgreich, wenn man Anfang der Entwicklung eine bestechende kreative Idee steht.

4Players: Welches Spiel außerhalb des EA-Angebots hat Sie in den letzten Monaten am meisten fasziniert? Und warum?

Martin Lorber: Civilization 4 , weil das Spiel unglaublich tief und vielfältig ist.

4Players: Welche Art Spiel genießen Sie privat am liebsten?

Martin Lorber: Zurzeit spiele ich am liebsten mit meinem dreijährigen Sohn Feuerwehr.

4Players: Gibt es eine Entwicklung in der Branche, die Ihnen als Spieler nicht gefällt?

Martin Lorber: Ich bin nicht mit allem glücklich, was ich um mich herum erlebe, aber ich finde, dass die Entwicklung im Großen und Ganzen in die richtige Richtung geht.

4Players: Vielen Dank für das Interview.

    

 
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