Speedball 2: Tournament07.07.2007, Jan Wöbbeking
Speedball 2: Tournament

Special:

Mike Montgomery will es noch einmal wissen. Das Gründungsmitglied der Bitmap Brothers arbeitet zusammen mit dem französischen Entwickler Kylotonn an einer Neuauflage des Amiga-Klassikers Speedball 2. Ich habe mich vor dem Probespielen mit ihm in Paris getroffen und ihm ein Loch in den Bauch gefragt. Warum gleich zwei Remakes? Wie ist Montgomery in die Arbeit involviert? Und was macht ein Bitmap Brother in seiner Freizeit?

Schaut ab und zu in Paris vorbei: Mike Montgomery.
"Hallo Jan?" knarzt es aus meinen Handy. "Hier ist Mike, wo bist du jetzt?" Eine gute Frage. Auf dem Flughafen Charles de Gaulle in Paris - so viel ist sicher. Am Ende eines Geflechts aus kilometerlangen Rolltreppen, die in einer kreisrunden, mit vielen durchsichtigen Tunnels durchsetzten Glaskonstruktion münden. Ich fühle mich wie in einem Science Fiction-Film. Trotzdem sieht man am trüben Glas und am braun angelaufenen Beton, dass der Komplex schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. »Das wäre eine passende Kulisse für die Präsentation eines futuristischen Sportspiels aus vergangenen Tagen wie Speedball 2«, denke ich mir, während mein Blick über den verwirrenden Schilderwald wandert.

Das Team Kylotonn arbeitet an einer Neuauflage des Amiga-Klassikers und der Publisher Frogster Interactive hat mich zu einem Presse-Event in den Studios der Entwickler eingeladen. Das Treffen startet um 14 Uhr, doch die Rollen meines Flugzeugs haben bereits um acht auf der Pariser Landebahn aufgesetzt. Genug Zeit also für einen kleinen Ausflug ins Zentrum der französischen Metropole mit Mike Montgomery. Das Gründungsmitglied der Bitmap Brothers ist einer der Speedball-Väter und beaufsichtigt die Arbeit am Remake von England aus.

"Eigentlich ist es immer noch ein Hobby, aber ich werde dafür bezahlt!"

Endlich sehe ich Montgomery im hektischen Gewusel. Er sieht beinah so verschlafen aus wie ich. Trotzdem breitet sich sofort ein sympathisches Lächeln auf seinem Gesicht aus, als er mir die Hand entgegen streckt. Er wirkt irgendwie jünger und lockerer als auf diversen Bildern im Internet. Dabei ist er bereits 51 Jahre alt und seit den frühen Achtzigern in der Branche tätig. "Früher habe ich ein Warenhaus geleitet.", erzählt er mir, während wir mit der Metro in Richtung Innenstadt rauschen, "In dieser Zeit hat sich das Programmieren zur liebsten Freizeitbeschäftigung entwickelt, und dann ist es zu meinem Beruf geworden. Eigentlich ist es immer noch ein Hobby, aber ich werde dafür bezahlt!", fügt er hinzu und lacht.

Ich frage ihn, ob ihm die Arbeit an Computerspielen nach all den Jahren noch Spaß macht. "Ich liebe es einfach", antwortet er spontan, "ich würde nichts anderes tun wollen. Es ist mein Fleisch und Blut. Wenn ich an früher zurück denke, bin ich heute sogar noch begeisterter bei der Sache als zu meinen Anfangszeiten". Die Liste mit Titeln, an denen er mitgewirkt hat, ist lang. "Das sind zunächst einmal die ganzen Bitmap Brothers-Spiele auf Amiga und Atari ST", erzählt Montgomery. Dazu gehören z.B. die Plattformspiele Gods und Magic Pockets, die Science-Fiction-Shooter Xenon 2: Megablast und The Chaos Engine und natürlich die beiden klassischen Speedball-Episoden. In den vergangenen Jahren habe er an vielen Umsetzungen für unterschiedliche Publisher gearbeitet, berichtet Montgomery. Das seien Titel gewesen wie die PC-Fassung von Dead to Rights, Taito Legends 1, 2 und 3, Double Dragon für die Xbox 360, ein paar Handy-Versionen von alten Klassikern wie Sensible Soccer und die Umsetzung von Ford Racing für einen Sega-Automat. Auch das Original-Speedball 2 für Xbox Live Arcade kommt von Momtgomery.

"Der Markt ist reif"

Ich frage, warum gleich zwei Remakes des futuristischen Sportspiels in so kurzer Zeit erscheinen. "Der Markt ist reif für ein unkompliziertes Action-Spiel wie Speedball. In letzter Zeit gab es ein regelrechtes Revival vieler klassischer Titel", erklärt Montgomery, "Allerdings muss man die beiden neuen Versionen von Speedball 2 klar trennen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Spiele. Das Speedball 2 für Xbox Live-Arcade von Empire ist eine 1:1-Umsetzung des Originals. Wir haben nicht eine Zeile am Code verändert. Der einzige Unterschied ist die überarbeitete Grafik, die der Spieler auf Wunsch auswählen kann."                                          

"Speedball 2 (...) ist vom grundsätzlichen Ablauf so einfach gehalten wie möglich, kann aber trotzdem so komplex werden, wie der Spieler es sich wünscht."
"Das neue Speedball 2 von Kylotonn und Frogster für den PC dagegen ist ein Nachfolger, eine Weiterentwicklung. Wir hätten es genauso gut Speedball 3 nennen können. Auch dieses Spiel ist vom grundsätzlichen Ablauf so einfach gehalten wie möglich, kann aber trotzdem so komplex werden, wie der Spieler es sich wünscht. Aus diesem Grund haben wir auch zwei Steuerungsvarianten integriert. Als Bonus gibt es eine klassische Ein-Knopf-Steuerung für diejenigen, die nur zum Spaß eine Runde zwischendurch spielen wollen. In der zweiten Variante dagegen kann der Spieler mit Hilfe mehrerer Knöpfe springen, den Gegner auf unterschiedliche Weisen attackieren, einen Special Move ausführen und vieles mehr. Die Einzelheiten erklärt dir Yann von Kylotonn nachher beim Probespielen." Wer neugierig auf die Details geworden ist, sollte einen Blick auf unsere Vorschau werfen.

"Speedball ist losgelöst von nationalen Vorlieben"

 "Das gute an Speedball ist außerdem, dass es nicht an eine spezielle Region gebunden ist", fügt Montgomery hinzu, "Fußball verkauft sich bei uns und in diversen anderen Ländern gut, American Football in den Vereinigten Staaten und so weiter. Speedball dagegen ist eine futuristische Sportart. Speedball ist losgelöst von nationalen Vorlieben und wird von allen möglichen Leuten gespielt."

Ein echter Brite lässt sich auch von schlechtem Wetter nicht die Laune verderben.
Ich frage ihn, ob auch Elemente aus dem ersten, weniger bekannten Teil der Speedball-Serie in das neue Remake eingeflossen sind. Der Amiga-Titel spielte sich langsamer und war spielerisch weniger auf Action ausgelegt als sein Nachfolger. Es gab unterschiedlich geformte Arenen, was gerade den Singleplayer-Modus sehr interessant machte. "Nein, unser Spiel fühlt sich an wie Speedball 2", beschreibt Montgomery, "Ich mochte das erste Speedball wirklich sehr. Ich habe es lange gespielt und musste mich beim zweiten Teil erst einmal umstellen. Nach ein wenig Gewöhnung hatte ich die Steuerung des zweiten Teils aber verinnerlicht. Speedball 2 hat eine Formel, die funktioniert, warum sollten wir sie ändern?"

Mittlerweile haben wir unser Ziel erreicht und sind aus der Straßenbahn ausgestiegen. Wir sitzen im Café an einer stark befahrenen, mit Kopfstein gepflasterten Straße. Montgomery bestellt ein deftiges Frühstück mit Omelette - ganz wie man es von einem Briten erwarten würde. Wir unterhalten uns über innereuropäische Unterschiede in punkto Frühstückszubereitung und Mentalität und kommen auf den deutschen Jugendschutz zu sprechen. "Warum ist das bei euch so kompliziert geregelt?", fragt Montgomery, nachdem ich versucht habe, ihm die Hintergründe des deutschen Systems in den Grundzügen zu erläutern.

"Für die deutsche Version haben wir die vier roten Blut-Pixel mit grünen ersetzt. Vier lausige Pixel!"

Dann fällt ihm eine interessante Anekdote ein: "Kennst du die gezeichnete Grafik beim Original-Speedball 2, wenn ein verletzter Spieler auf einer Trage vom Spielfeld transportiert wird? Bei der Portierung für Xbox Live haben wir eine Kleinigkeit verändert. Für die deutsche Version haben wir die vier roten Blut-Pixel mit grünen ersetzt. Vier lausige Pixel!" Andererseits verstehe er nicht, warum viele Spiele heutzutage so übermäßig brutal sein müssten, sagt Montgomery. Speedball 2 sei harmlos im Vergleich zu manch anderem Titel. "Okay die Spieler werden verletzt, aber in Speedball 2 stirbt doch niemand."                                                    

Wir gehen weiter in Richtung Eiffelturm und Seine. "Willst du gar keine Fotos schießen?" fragt Montgomery und zieht seinerseits eine Digitalkamera mit großem Objektiv aus der Tasche. "Schade, jetzt habe ich einen tollen Moment verpasst. Eben brach ein Lichtstrahl durch die düstere Wolkendecke hinter dem Eiffelturm. Das sah traumhaft aus." Ich fühle, wie Tröpfchen auf meinen Kopf prasseln. Schnell zücke ich meine Kamera, um noch ein paar Fotos von meinem Interviewpartner zu machen. Wir laufen über die Straße zur klassischen Touristen-Kulisse vor der Seine. Als es anfängt zu gießen, habe ich bereits ein paar Bilder im Kasten.

"Das grenzt schon an Fanatismus. In den letzten drei Monaten habe ich jeden Tag 20 Stunden lang gearbeitet."

Nach der spontanen Foto-Session erzählt mir Montgomery davon, wie sich in den letzten Monaten vor der Fertigstellung die Arbeit staut. "Ich vertiefe mich total in das Projekt und habe keine Zeit mehr für ein Privatleben. Das grenzt schon an Fanatismus. In den letzten drei Monaten habe ich jeden Tag 20 Stunden lang gearbeitet." Ich frage ihn, ob seine bessere Hälfte nicht sauer wird. "Eigentlich ist das kein Problem, denn ich arbeite von zu Hause aus. Ein wenig einsam ist sie schon. Aber es gibt ja auch andere Zeiten, in denen ich den ganzen Tag über frei habe und mich entspannen kann."

"Das Wasser ist mein Element." Bitmap Brother Montgomery liebt das Segeln.
Dann kommt Montgomery auch dazu, den Rechner zum "privaten" Spielen zu benutzen. "Ich liebe Speedball. Außerdem liebe ich strategische Spiele wie Ghost Recon und Commandos." Doch anstatt auch in der Freizeit ständig auf einen Monitor zu starren, lässt Montgomery seinen Blick lieber über den von der Erdkrümmung begrenzten Horizont schweifen. "Das Wasser ist mein Element. Irgendwie habe ich eine magische Verbindung dazu." sagt der passionierte Segler und erzählt mir von seinen geplanten Segel-Touren in der Normandie und den Niederlanden. "Nach Deutschland habe ich es noch nicht geschafft, aber eines Tages werde ich auch dort segeln."

"In dem ehemaligen Musikstudio herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, weil richtig kreative Künstler dort gearbeitet haben."

Die freie Sicht und die frische Brise sind offenbar ein gutes Kontrastprogramm zu Montgomerys Spielentwickler-Alltag. "Meine Rechner stehen in einem alten Musikstudio in Northampton, in dem früher die Rockgruppe The Searchers ihre Platten aufgenommen hat. Leider dringt kein Tageslicht in den Raum. Zuerst einmal habe ich die dunklen, Schall absorbierenden Schaumstoffkegel von der Wand entfernt. Die hätten mich depressiv gemacht. Andererseits eignen sich die Räumlichkeiten prima dafür, meine ganzen Gerätschaften dort aufzubauen. Genug Stromanschlüsse sind auch vorhanden. In dem ehemaligen Musikstudio herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, weil richtig kreative Künstler dort gearbeitet haben."

Erst während er mir über diverse Rockbands aus vergangenen Zeiten erzählt, wird mir wieder bewusst, dass beinah eine Generation zwischen Montgomery und mir liegt. Sein Musikgeschmack deckt sich in etwa mit dem meines Vaters. Ich frage ihn, ob er Fan alter britischer Rock- und Beat-Bands ist. "Im Grunde höre ich alles was so läuft", wiegelt er ab. "Eigentlich hätte ich für heute Abend ein Ticket für ein Konzert von The Who gehabt. Doch da ich das Datum verwechselt habe, kann ich nicht dort sein. Nun habe ich die Karte meinem Freund gegeben, der schon vor zwanzig Jahren oder so mit mir auf einem Konzert der Band war." Nachdem wir noch ein kleine Runde mit einem Boot über die Seine getuckert sind, ist es Zeit, sich ein Taxi zu rufen und zum Kylotonn-Studio zu fahren. Die Gegner in Midtown Madness 3 sind übrigens ein Fliegenschiss im Vergleich zum echten Pariser Verkehrschaos. Vielleicht färbt diese Hektik auf die Entwickler von Kylotonn ab, denn für Speedball 2 braucht man genau so schnelle Reflexe wie ein Taxifahrer in der französischen Hauptstadt. Näheres über das Spiel erfahrt ihr in unserer ausführlichen Vorschau.                                   

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.