GCDC 200720.08.2007, Jörg Luibl
GCDC 2007

Special:

Die Keynote von Julian Eggebrecht leitete die GCDC in Leipzig mit einem überraschend spielepolitischen Thema ein: Jugendschutz und Gewalt. Der Chef von Factor 5 forderte die Gleichberechtigung von Film und Spiel in der kulturellen Einschätzung und verteidigte Gewalt als virtuelles Stilmittel. Wir konnten dem Lair-Macher auf der Konferenz ein paar Fragen stellen...

4Players: "Push the violence! Push the sex!" Damit hast du den Entwicklern in deiner Keynote aus unserer Sicht überaus begrüßenswerte, aber aus spielepolitischer Sicht höchst inkorrekte Ratschläge mit auf den Weg gegeben. Mit Letzterem dürften die Amerikaner ein Problem haben und mit Ersterem triffst du auch einen Nerv in der Jugendschutzdiskussion hierzulande.

Julian Eggebrecht: Die Leute müssen akzeptieren, dass Spiele kein Kinderkram sind. Und die Gesellschaft muss akzeptieren, dass Spiele alles bieten - vom bunten Disneyinhalt bis hin zu düsterer Action für Erwachsene.

4Players: Also auch Gewalt als Stilmittel?

Julian Eggebrecht: Natürlich. Es gibt Spiele mit Disney-Inhalten, aber eben auch welche für Erwachsene - genau so wie im Film.

4Players: Du hast in deiner Keynote das Verbot von Manhunt 2 in Großbritannien kritisiert. Was hat das mit der Beschneidung von Lair zu tun?

Julian Eggebrecht: Der Grad der Gewalt ist natürlich  ein ganz anderer - da liegen Welten zwischen. Aber das grundsätzliche Problem ist dasselbe: Scheinbar

Eggebrecht musste Lair schneiden, damit auch Teenager den Titel kaufen dürfen. Wie steht er zu Gewalt und Alterseinstufungen?
haben Leute Probleme damit, bestimmte Inhalte in Spielen zu akzeptieren. Warum soll ich mich nicht in die Rolle eines Psychopathen hineinversetzen dürfen? Deshalb habe ich die Parallelen zu Filmen wie Clockwork Orange oder Natural Born Killers gezogen, in denen das möglich ist.

4Players: Du hast die Prozedur der Beschneidung von Lair beschrieben - dass keine Brocken durch die Luft fliegen durften, dass das Blut beim Biss des Drachen nicht in Fontänen spritzen durfte. Aber da ging es ja für euch darum, dass Sony ein Teen-Rating in den USA erreichen wollte, um Lair möglichst gut zu verkaufen.

Julian Eggebrecht: Ja, und trotz der ärgerlichen Einschnitte: Ich wollte auch ein Teen-Rating! Mit einem Mature-Rating hätten meine zehn- und zwölfjährigen Söhne das nicht spielen dürfen (lacht). Und das hätte Ärger gegeben...

4Players: Das kann ich mir denken. Was spielen die beiden denn ansonsten am liebsten?

Julian Eggebrecht: Wir haben ja alle Konsolen dieses Planeten zuhause. Am meisten spielen sie aber Wii und DS.

4Players: Hältst du dich als Vater strikt an die Altersvorgaben auf der Box?

Julian Eggebrecht: Nein. Es gibt so viele Spiele, wo das Rating einfach keinen Sinn ergibt. Da können die beiden dann trotzdem spielen.

4Players: In Deutschland gibt es ja direkte Verstümmelungen von Spielen. Man denke

Was im Film erlaubt ist, wird im Spiel verboten: "Warum soll ich mich nicht in die Rolle eines Psychopathen hineinversetzen dürfen?"
an The  Darkness, wo erwachsene (!) Spieler hierzulande in der Rolle eines dämonischen Mafiosi keine Herzen herausreißen dürfen, sondern Energie aufsaugen...

Julian Eggebrecht: Das ist für mich schon eine regelrechte Zensur.

4Players: Selbst Hakenkreuze im Bonusmaterial mussten entfernt werden, damit das Spiel überhaupt erscheinen durfte. Kann ein Symbol so gefährlich sein?

Julian Eggebrecht: Das ist die alte Hakenkreuz-Problematik, die ein rein deutsches Phänomen ist. Eigentlich ist das Symbol in der Kulturgeschichte immer wieder aufgetreten, von Indien bis Europa. Ich denke, dass der Zweite Weltkrieg lange genug her ist, dass man solche Symbole in Spielen wieder benutzen kann. Außerdem ist es gegenüber dem Medium Spiel einfach unfair, dass Hakenkreuze in Filmen auch in Deutschland gezeigt werden dürfen.

4Players: In den USA gibt es ganz andere Tabus - man denke an Sex...

Julian Eggebrecht: Ja, das Gezeter um Hot Coffee ist eine Farce. Wir durften ja selbst eine Anspielung darauf, also ein einfaches Easteregg, in Lair nicht einbauen, wenn wir ein Teen-Rating erreichen wollten! Aber auch Gewalt kann in Amerika verpönt sein: Man denke an das kleine Team, das aus der Kennedy-Ermordung ein Spiel machen wollte - da sind die Leute ausgerastet.     

4Players: Du argumentierst bei deiner Forderung, dass Spiele Kunst sind. Spielen Moral und Ethik bei der Erstellung eines Spiels eine Rolle?

Julian Eggebrecht: Aber ja! Allerdings nicht als gesellschaftliche Bedenken, sondern einfach dermaßen, dass sich ein Künstler überlegen muss, was er ausdrücken will. Es muss erlaubt sein, dass man auch die Moral oder sexuellen Neigungen in Spielen thematisiert, die eben nicht der akzeptierten Norm entsprechen. Es ist doch faszinierend, sich von außen damit zu beschäftigen, selbst wenn man persönlich ganz anders empfindet.

4Players: Also darf ein Spiel auch Spielplatz sein, für düstere, gesellschaftlich verpönte Fantasien?

Julian Eggebrecht: Ja, natürlich! Das ist ja Kunst. David Lynch wurde vor kurzem in einem Interview gefragt, warum seine Filme immer so dunkel sind. Und er sagte, weil er nur so seine tiefsten, innersten Gedanken am besten ausdrücken kann. Man kann Positives in der Kunst darstellen, man 

"Das Gezeter um Hot Coffee ist eine Farce."
muss aber auch das negative akzeptieren.

4Players: Zurück zu Lair, das bald auch hierzulande erscheint: In den USA kommt das Spiel am 4. September heraus und ihr habt von der EGM eine Wertung von 5 von zehn Punkten bekommen. Was sagst du dazu?

Julian Eggebrecht: (lacht) Die Play hat uns ja eine 90 gegeben! Da gibt es derzeit ein breites Spektrum an Meinungen. Ehrlich gesagt haben die Jungs von EGM uns nur aus Nettigkeit noch eine 5 gegeben - am liebsten hätten sie uns eine 1 gegeben.

4Players: Der Hauptkritikpunkt war die Steuerung...

Julian Eggebrecht: ...richtig, weil die EGM die Motion-Steuerung einfach hasst. Diese Kritik habe ich genau so erwartet. Entweder sind die Leute bereit, sich auf Sixaxis einzulassen oder nicht. Und ehrlich gesagt ist Lair genau der Titel, der gerade auf der PS3 spalten wird. Auf dem Wii wurde allerdings bewiesen, dass auch eine neue Steuerung funktionieren kann. Aber wenn dort einer nicht damit klarkommt, wird halt gesagt, dass die Remote eben zum Wii dazu gehört - bei der PlayStation 3 hingegen scheint das einfach ein nicht akzeptables Tabu zu sein.

4Players: Aber ist das angesichts der bisherigen Einbindung von Sixaxis nicht verständlich? Es gibt kein Spiel, das ich wirklich gerne damit erlebe, weil es überall wie eine Alibi-Funktion wirkt.

Julian Eggebrecht: Ja, stimmt. Aber Lair wurde ja als erstes Spiel genau um diese Steuerung herum konzipiert.

4Players: Und dann muss die Bewertung ja diesen Punkt besonders berücksichtigen. Sprich: Die Steuerung muss gut funktionieren.

Julian Eggebrecht: Richtig, aber die EGM geht ja so weit, dass sie sagt, dass die Motion-Steuerung an sich ja gut ist, aber sie wollten einfach keine. Sie verlangen mit

Funktioniert die Sixaxis-Steuerung und kommen einige Kritiker aus Prinzip nicht damit klar? Eggebrecht ist von Lair überzeugt!
ihrer Kritik quasi, dass wir diese Technik erst gar nicht hätten einsetzen sollen. Es gibt eine starke Gegenbewegung gegen die Sixaxis-Steuerung.

4Players: Wenn wir mit Leuten über Lair sprechen, die es noch nie gespielt, aber Trailer gesehen haben, kommen immer zwei Kritikpunkte: Erstens sagen viele, dass es einfach wie Rogue Squadron mit Drachen aussieht. Zweitens befürchtet man im Bodenkampf ähnliche Schwächen wie bei euren früheren Star Wars-Spielen.

Julian Eggebrecht: Also zum ersten Punkt kann ich sagen, dass selbst die EGM sagt, sie hätten viel lieber ein Rogue Squadron mit Drachen gehabt - so viel Ähnlichkeit kann da also nicht bestehen, zumal der taktische Anspruch in Lair ein ganz anderer ist. Was wie ein einfacher Shooter mit Feuerbällen beginnt, gewinnt später durch den Nahkampf an Reiz. Zum zweiten Punkt: Ja, wir haben damals Fehler mit der Kamera gemacht - die Kritik war berechtigt. Aber in Lair macht der Kampf am Boden mehr Spaß, denn die haben nichts mit Rebel Strike gemein. Man muss selber auswählen, welche Aufgaben man erfüllt und hat damit ein deutlich offeneres Gameplay.

4Players: Würdest du sagen, dass Lair der wichtigste Titel für die PS3 in diesem Jahr ist?

Julian Eggebrecht: Nein. Vielleicht ist es die audiovisuelle Effektorgie des Jahres. Aber zusammen mit Heavenly Sword, Uncharted und Ratchet & Clank 3 gibt es vier richtig gute Spiele.

4Players: Wir sind gespannt auf die Testfassung - vielen Dank für das Interview.   

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.