Im Test:
Utopia ist abgebrannt
Baron Wittard war nicht nur ein höchst exzentrischer britischer Adeliger,
er betätigte sich auch als Architekt. Seines Zeichens war er verantwortlich für den Bau eines größenwahnsinnigen Gebäudes namens Utopia. Dabei handelte es um zahllose Wohnungen, etliche Büros sowie ein Einkaufszentrum samt Freizeitangebot. Allerdings wurde das zukunftsweisende Projekt nie eröffnet, stattdessen ereigneten sich recht seltsame Dinge. Leute verschwanden, es traten Interferenzen auf und schließlich wurde der gesamte Komplex aufgrund der mangelnden Statik gesperrt. Heute ist es eine menschenleere Geisterstadt, die nur noch ganz hart gesottene Abenteuer anlockt. Eigentlich soll man ja auch nach möglichen Überlebenden suchen, was aber zur Nebensache verkommt. Nur ab und an findet sich was.
In dieser Situation tritt der Spieler in Aktion, denn er wird als Fotograf zur Erkundung in das Gebäude geschickt. Er soll dort für eine Zeitung die Lage erkunden, Bilder schießen und nach Verschwundenen Ausschau halten. Zunächst muss er allerdings einen Weg hinein finden, denn der Haupteingang ist versperrt. Das ist auch gleich das erste Rätsel, das noch recht einfach zu lösen ist. Eine Rolle dabei spielen die komischen Pfeiler, die vor dem Komplex herumstehen. Hier unterstützt ihn eine recht gesprächige Redakteurin, die sich immer wieder übers Handy meldet. Schließlich klappt es und man findet einen Zugang zum Untergrund, über den die Suche weitergeht.
Schwatzhafter Adeliger
Als man weiter vordringt wird klar,
dass sich die ganzen mysteriösen Vorkommnissen, Stromaussetzer und Geisterscheinung nicht ohne Grund ereignen. Baron Wittard hat sich nämlich mit einer bösen Macht angelegt, die er nicht kontrollieren konnte. Er bezahlte seinen Hochmut mit dem Leben und irrt fortan als Geist durch die Trümmer seines Lebenstraumes, was er einem schon recht früh im Spiel verrät. Eine Zeit lang begleitet der Unglückliche einen, aber leider ist er äußerst geschwätzig, was den weiteren Weg angeht. So sagt er einem immer genau, wo's hingeht, was nicht alle Abenteurer erfreuen dürfte. Das steht übrigens ganz im Gegensatz zum restlichen Adventure, das mit Hinweisen oft geizt. Zum Glück verschwindet er ebenso schnell wie er gekommen ist. Ne Runde Billard gefällig? Spielen darf man aber nicht, da es keine Minigames gibt. Dafür muss man alles absuchen, um ja nix zu verpassen.
Auf eines weist der Baron auch hin, denn man findet immer wieder Runensteine. Diese sollte man sammeln, bis es zehn sind. Dann spielen die auffälligen Steine mit dem nordischen Design eine Rolle bei der Bekämpfung des Bösen, das Wittard herauf beschworen hat. Leider sind nicht alle Funde derart eindeutig, denn man findet immer wieder Sachen wie Papierreste, die scheinbar nix zu bedeuten haben. Mehr denn je gilt im Halbdunkel Utopias das eherne Gesetz der klassischen Adventure, dass alles angeschaut, umgedreht und notfalls notiert wird. Auch die ganzen Kritzeleien an den Wänden sind wichtig, da sie plötzlich in einem Rätsel vorkommen können. Die Genauigkeit beim Suchen ist wichtig, weil es keine Hot-Spot-Anzeige gibt.
Rätsel ausm Heft
Im Verlauf der Suche nach einer Erklärung
für die unerklärlichen Ereignisse trifft man immer in fast schöner Regelmäßigkeit auf Rätsel, die man aber nicht alle hintereinander lösen muss. Man kann auch innerhalb der Abschnitte frei umherlaufen. In der Mehrzahl handelt es sich bei den Knobelaufgaben um Schieberätsel bzw. Abwandlungen davon, die gar nicht mal so leicht sind. So muss man einmal eine Art von Puzzle im Tetrisstil lösen, was eine reine Rumprobiererei ist. Ein anderes Mal muss man Ziffern im Quadrat verschieben, um auf eine bestimmte Quersumme zu kommen. Hier kommt der Hinweis übrigens reichlich spät, da man ihn erst im nächsten Abschnitt findet. Tetris light. In der Art sind viele Puzzle, die man bisweilen ohne Hinweis lösen muss. Als Belohnung winkt oft eine offene Tür.
Wer gerne Rätselhefte löst, könnte bei Baron Wittard auf seine Kosten kommen, auch weil es nur klassische Aufgaben gibt - Action oder Minispiele sind nicht zu befürchten. Auch andere Rätselvarianten sind selten, weil das Inventar leider nur spärlich eingesetzt wird - es dient eigentlich nur als Ablage für die Runensteine. Und das, obwohl überall jede Menge Zeugs rumliegt, das aber nur Staffage ist. Auch dass der Held Fotograf ist und sogar eine Kamera dabei hat, spielt im Grunde keine große Rolle - hier hätte man mehr draus machen können. Zwar soll der Reporter Spuren über die verschwundenen Leute sammeln, aber auch das ist nur eine grobe Vorgabe, die nicht in Rätsel mündet. Auch Dialogrätsel entfallen, da die wenigen Gespräche automatisch ablaufen und zudem auch gar keiner da ist, mit dem man reden könnte, da alles menschenleer ist.
Kaum spooky
Obwohl es sich um ein Geister-Adventure handelt, ist es nicht sonderlich gruselig. Es ist ohne Zweifel düster, aber jedes Werk von Jonathan Boakes (Dark Fall: Lost Souls, The Lost Crown) bietet mehr Atmosphäre. Durch die Egosicht wird zwar versucht, so etwas wie Mittendrin-Gefühl zu erzeugen, aber das gelingt nur ansatzweise. Schon eher verstörend wirken da Stromaussetzer, seltsame Geräusche oder Lichtausfälle, allerdings hat man da auch schon besseres gesehen. So hatte zuletzt Amnesia einen sehr eindrücklichen Einsatz von Licht und Schatten, der sogar an die Nieren ging. Die deutsche Sprachausgabe geht zwar abgesehen von der Schwatzhaftigkeit der Akteure in Ordnung, aber es wird ja auch kaum gesprochen.
Fazit
Baron Wittard versucht vergeblich, einen auf Jonathan Boakes zu machen - aber dessen ganz speziellen, düsteren Stil erreicht dieses Abenteuer nicht. Die geisterhafte Story beginnt zwar mysteriös, leidet aber darunter, dass man oft mit Knobelei aufgehalten wird. Immerhin sind die Rätsel nicht immer leicht zu lösen, zumal Hinweise schwer zu finden sind. Diese fehlen bisweilen ganz oder kommen gar zu spät, so dass man sich schon bis zu einer Lösung vorgekämpft hat, wenn man das hilfreiche Gekritzel etwa im Mülleimer trotz fehlender Hot Spot-Anzeige schließlich findet. Freunde erzählerisch integrierter Dialog- oder cleverer Inventarrätsel dürften hier allerdings nicht auf ihre Kosten kommen - es bleibt bei Knobelheftflair ohne echte knisternde Atmosphäre. Denn trotz düsterer, vermüllter und verwinkelter Kulisse will auch kaum Grusel aufkommen, da alles zu glatt und oberflächlich bleibt.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Allenfalls Rätselheftfetischisten, die nur auf eine Sorte Knobeleien stehen, können hier richtig glücklich werden.
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