Offene Story mit Konsequenzen
Es gibt viel zu tun, nicht streng linear, sondern angenehm offen. Schade ist nur, dass man die Konflikte nicht direkt in der statischen Spielwelt, also in den Straßen beobachten kann. Nur ganz selten werden kleine Aufstände oder "Menschenmengen" auch tatsächlich inszeniert. Aber die Unterschiede zwischen den Häusern werden erzählerisch deutlich, die u.a. wie Machtkämpfe zwischen Caesar und Pompeius anmuten. Man wird auch auf die dezenten Fantasy-Aspekte neugierig gemacht: Was hat es mit den drei „Lords of the Higher Planes“ auf sich, die angeblich dem Imperium zur Hilfe eilten? Gibt es tatsächlich Dämonen und Luftschiffe, Magier und alte Ruinen mit mächtigen Kriegsmaschinen?
Das sieht nicht gut aus: Ihr wolltet der Wache helfen, den Lynchmob aufzuhalten? Pech gehabt...
Schon die erste Questreihe bis zum Treffen mit dem Lord ist sehr gut geschrieben. Danach zeigen sich nicht nur mehr Orte auf der Weltkarte, sondern es ergeben sich auch außenpolitische und religiöse Verstrickungen. Ähnlich wie in Telltales Adventures wirken sich dann die Entscheidungen auf spätere Kapitel bzw. Orte aus – bei einem Wechsel wird einem angezeigt, welche Allianzen man geschmiedet oder für welche Fraktionen man etwas getan hat. Hat man z.B. dem Prediger in Teron zugehört oder ihn mit Steinen beworfen? Je nachdem wird man in einer anderen Stadt auch anders empfangen. Wer sich für Religionsgeschichte interessiert, wird einige interessante Parallelen zum Aufstieg des Christentums finden.
Wie in einem Abenteuer-Spielbuch
Wie in einem Abenteuer-Spielbuch: Ihr habt die Wahl zwischen mehreren Antworten. Die Dialoge sind sehr gut geschrieben und entwickeln sich je nach euren rhetorischen Talenten anders.
Im Gegensatz zu
Wasteland 2 oder
Pillars of Eternity, wo ich jeden Winkel der Landschaft, jedes Dungeon und jeden Raum aktiv durchstreife, wechselt die Regie hier des Öfteren in den Abenteuer-Spielbuch-Modus. Das heißt, dass man z.B. als Dieb in einen Raum einbricht, aber der Einbruch über Textfenster und kleine Zeichnungen simuliert wird. In diesen statischen Überleitungen muss ich mich dann für eine von mehreren Aktionen entscheiden. Diese Multiple-Choice-Situationen fächern nicht nur je nach Wahl angenehm auf, so dass spannende Passagen entstehen, hier spielt The Age of Decadence auch seine ganze erzählerische Klasse sowie Rollenspielstärke aus. Denn wer zum einen genau liest und zum anderen auf seine Werte achtet, der kann hier mit Verstand und Köpfchen weit kommen. Deshalb macht es richtig Spaß, auch die nicht kriegerischen Fähigkeiten zu entwickeln und damit zu experimentieren.
Auch Kleinigkeiten der Ausrüstung können hier wichtig sein: Hat man ein Seil dabei? Hat man die richtige Robe an? Es gibt ja die erwähnte Fähigkeit des Verkleidens, die man ausbauen und wunderbar einsetzen kann, um Wachen zu täuschen. Aber kommt man an der ersten Hürde aufgrund seines hohen Wertes sowie des passenden Outfits vorbei,
Es gibt auch viel zu kaufen: Von Waffen über Rüstungen bis hin zu Giften und Elixieren, Seilen & Co.
muss man in der zweiten Situation vielleicht einen alten Text entziffern oder eine seltsame Maschine bedienen. Hat man auch das alte Wissen entwickelt? Falls nicht, fliegt die Verkleidung hier vielleicht auf oder man hantiert ratlos an dem Apparat. Was wäre eigentlich, wenn man dieselbe Situation meistern und die Maschine bedienen könnte?
Der Wiederspielwert ist nicht nur aufgrund der dreizehn Enden enorm, denn auf dem Weg zum Ziel erahnt man mit seiner Klasse immer auch die Dinge, die man nicht bewältigen kann. Wenn man dann neu beginnt, darf man sich sofort auf andere Startpunkte freuen und erlebt dieselbe Story aus anderer Perspektive - vielleicht startet man diesmal nicht als Eindringling, sondern potenzielles Opfer oder Zeuge. Dass das nicht zäh wird, liegt auch an den komfortablen Schnellreisefunktionen: Hat man erstmal die Informationen über eine Stadt oder neue Orte in der Region bekommen, kann man diese anklicken und kommt sofort von A nach B.