Rundentaktik im Kampf
Natürlich kann man auch einen komplett kriegerischen Charakter spielen. Neben einem Assassinen, der es eher schleichend und tödlich stechend mag, gibt es auch die Möglichkeit sich als Söldner mit Schwert und Schild zu verdingen. Hier fahren die Iron Tower Studios das komplette Waffenarsenal der Spätantike samt einiger Freiheiten auf, so dasss man sich wie ein schwer gepanzerter Gladiator ausrüsten kann - inklusive Bola und Wurfnetz, Pilum und Gladius. Hinzu kommen Bögen und Armbrüste, Wurfdolche und Krummsäbel, Gleven, Speere & Co.
Auch wenn man Kämpfe meiden sollte: Wer es darauf anlegt, kann aus dem Vollen schöpfen, was Arsenal und Ausrüstung betrifft.
Das rundenbasierte Kampfsystem folgt zwar auf den ersten Blick klassischen Regeln inklusive Aktionspunkten, Trefferabfragen und Lebenspunkten. Aber es ist trotz des ärgerlichen Fehlens physikalischer Deckungsabfragen angenehm komplex: Je nach Bewaffnung stehen einem zig Manöver zur Verfügung – nicht nur schnelle, normale oder schwere Hiebe, sondern auch Wirbelangriffe, Finten mit Positionstausch, lokale Attacken auf Arme, Beine oder Kopf sowie gezielte Stiche in Arterien, um für eine Blutung zu sorgen. Man kann Feinde zurückwerfen, entwaffnen, blocken, vergiften. Nach einem Rechtsklick auf eine der meist historisch belegten Waffen wie dem römischen Gladius oder dem ägyptische Sichelschwert Chepesch, erkennt man alle Manöver samt ihrer Kosten in Aktionspunkten.
Das rundenbasierte Kampfsystem setzt auf Aktionspunkte: Jede Bewegung und jedes Manöver muss bezahlt werden.
Und alles hat Konsequenzen für den weiteren Verlauf, so dass man Manöver kombinieren sollte: Ich konnte die drei Feinde als leicht bekleideter Assassine nur besiegen, weil ich zweimal ein Netz geworfen habe und so den darin Gefangenen mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit kritisch treffen konnte. Außerdem hatte ich Glück, dass ich nach vier erfolgreichen Ausweichbewegungen automatisch und ohne Aktionspunkte zustechen durfte – und das nur, weil ich diese Werte entsprechend erhöht hatte. Jede der acht Waffenklassen besitzt einzigartige passive Fähigkeiten: Ein Anfänger kann mit dem Speer z.B. einen Gegner auf Abstand halten, ein Experte gleich mehrere. Und weil ein schwerer Schuppenpanzer die Mobilität beeinflusst, macht es Laune, mit Rüstungen und Bewaffnungen zu experimentieren. Schade ist, dass schwer verwundete Feinde nicht zu fliehen versuchen, in einen Schock verfallen oder um Gnade bitten - man kämpft bis zum letzten Lebenspunkt. So wirkt das auf den ersten Blick auf Realismus setzende Kampfsystem letztlich nicht konsequent genug.
Schwache Kulisse und sehr viel Statik
Im Jahr 2004 startete das Vier-Mann-Team rund um Vince D. Weller das ambitionierte Projekt - der Kulisse sieht man das Alter an. Trotzdem gibt es einige architektonische Hingucker.
The Age of Decadence ist in vielen technischen Bereichen schrecklich veraltet. Wer z.B. die Arena betritt und dort vor Zuschauern kämpft, wird sich angesichts der groben Jubelklötze vermutlich wie in Minecraft vorkommen. Auch die Animationen im Kampf erreichen nicht einmal solides Niveau. Und obwohl die Iron Tower Studios im Vergleich zu den ersten Versionen einiges an Politur z.B. hinsichtlich der Oberflächen der Böden und Wände betrieben haben, kann die von der Torque Engine angetriebene isometrische Kulisse nicht begeistern - man darf nicht vergessen, dass die ersten Bilder aus dem Jahr 2004 stammen. Aktuelle Spiele wie Pillars of Eternity oder Wasteland 2 sehen im Vergleich aus wie Next Generation. Trotzdem lebt die Kulisse von ihren dezenten Farben und ihrem historischen Flair, denn die mal römische, mal orientalisch anmutende Architektur setzt in der sonst so exzentrischen Fantasywelt zumindest angenehm authentische Zeichen. Hier erinnern Statuen, Säulen oder Tempel eher an Griechen oder Sumerer als an Elfen oder Orks.
Die Geschichte ist gut geschrieben und lockt mit schönen Perspektivwechseln zum erneuten Spielen mit einem anderen Charakter.
Aber da ist auch diese Statik: Obwohl es mehr Bewohner und Bewegung gibt als noch in der Januarversion, fehlt einfach das Leben in den Gassen. Die Erkundungsreize sind also kaum vorhanden und wenn man eines der wenigen offenen Gebäude betritt, kann man im Inneren kaum etwas tun, weil man nur ganz selten etwas per blauem Augensymbol näher untersuchen oder per gelbem benutzen kann. Und das, obwohl vielleicht überall Kisten oder Regale stehen. Man kann nichts aktiv stehlen oder Türen aufbrechen. So fühlen sich auch Tavernen & Co, die laut Fließtext voll sein sollen, eher wie Staffage an. Und das dämpft die Stimmung merklich. Man kann auch lediglich die Siedlungen, aber nicht die eigentliche Spielwelt frei begehen bzw. bereisen – sobald man ein Tor verlässt, kann man auf der Weltkarte einen Ort anklicken (falls entdeckt) und reist automatisch dorthin. Dabei gibt es keine Zwischenfälle noch muss man sich um die Versorgung kümmern.