Crusaders: Thy Kingdom Come01.09.2008, Bodo Naser
Crusaders: Thy Kingdom Come

Im Test:

Der Heilige Krieg ist nicht nur ein Phänomen des Islams. Auch bei den Christen gab es ihn z.B. zur Zeit der Kreuzzüge. Einen solchen Zug nach Jerusalem könnt ihr jetzt in Crusaders nachspielen, das bei CDV auf Deutsch erscheint. Wird das Echtzeit-Strategiespiel von Neocore dem vielschichtigen Thema gerecht oder ist es nur eine bloße Aneinanderreihung von immergleichen Schlachten?

Gott will es!

Der Erste Kreuzzug verfolgte wie alle folgenden neben religiösen auch handfeste politische Ziele wie etwa die Rückeroberung Kleinasiens. Papst Urban II rief 1095 n.Chr. zwar zur Befreiung Jerusalems auf, aber das bedrängte

Bis zu den Heiligen Stätten ist es noch weit. Ihr tummelt euch zu Beginn in Kleinasien, wo ein Kleinkrieg mit den immer stärker werdenden Türken tobt. 
 Konstantinopel lag praktisch auf der Strecke. Die frisch gebackenen Kreuzfahrer wollten den Byzantinern daher gegen die türkischen Seldschuken helfen, die sie 1071 bei Manzikert besiegt hatten. Fern des Heiligen Landes fungierte die Armee des Kreuzzugs als "mobile Eingreiftruppe" für Kaiser Alexios I, der den Papst um Hilfe gebeten hatte, obwohl er den westlichen Rittern auf seinem alten Land misstraute. Aber was hatte er schon für eine Wahl, denn Byzanz war viel zu schwach, um sich selbst zu helfen.

Genau vor diesem Hintergrund spielt Crusaders, dessen einzige Kampagne am Bosporus startet. Mit einem winzigen Heer aus mittelalterlichen Fußkämpfern überquert ihr die Meerenge nach Kleinasien, um zwölf Missionen lang die Türken zu schlagen. Nach einigen Geplänkeln und Hinterhalten im waldigen Hinterland sollte euer erstes Ziel eigentlich Nicea sein. Das Vorgehen ist jedoch wenig historisch, da ihr lieber päpstliche Gesandte beschützt, feindliche Anführer entführt oder um jeden Preis Türme haltet, statt wichtige Städte einzunehmen. Scheinbar fand man diese Pseudohistorie spannender als den tatsächlichen Verlauf. Auch die sechs Szenarien, bei denen ihr auch mal die Seldschuken spielen könnt, bringen keine große Abwechslung im Strategenalltag. Es gibt auch noch einen Multiplayer über LAN, der wenig bietet und nur der Vollständigkeit halber erwähnt wird.

Kriegshandwerk

Vor jeder Schlacht könnt ihr euer Heer verwalten, das ihr von Mission zu Mission mitnehmt und das immer ein wenig größer und erfahrener wird. Von den laut Publisher 1200 Einheiten ist zunächst nichts zu sehen, da sich meist nur wenige Soldaten auf dem nicht zu großen 3D-Schlachtfeld tummeln. Ihr könnt neue Einheiten ausheben, als da sind leichte bis schwere Fußkämpfer, Reiter oder Bogenschützen. Fünf Parteien könnt ihr wählen, Engländer, Franzosen, Lothringer, Kastilien und Neapel, die alle ihre Eigenschaften haben. So haben die Engländer gute Bogenschützen, Frankreich fähige Ritter und Lothringen zahlt weniger für Truppen. Ihr könnt euren Einheiten spezielle Fähigkeiten kaufen, was auch für den General gilt, der auch mitkämpft.

Die Kampagne ist wenig mehr als eine lose Aneinanderreihung von Schlachten, da weder die Historie noch eine erfundene Geschichte erzählt wird. Ihr bekommt ein paar Haupt- und Nebenziele serviert, die auf mittlerer Schwierigkeit meist ohne

Euer bewaffneter Haufen plättet die Seldschuken in Serie, ohne dabei eigene Verluste zu riskieren. Taktik ist daher nur ausnahmsweise gefragt.  
große Verrenkungen zu erreichen sind; selbst auf "schwer" wird es nicht anspruchsvoller. Einen Welteroberungsmodus wie bei Medieval 2 gibt es hier leider nicht, worunter der Spielspaß auf Dauer leidet. Bis auf die Aufstellung und Weiterbildung des Heeres könnt ihr wenig entscheiden, da der Weg stets vorgezeichnet ist. Entlang der Straßen kommt ihr schneller voran als im Buschwerk. Immerhin könnt ihr noch entscheiden, wen ihr wann und wo angreift, um ans Ziel zu kommen. Geht das schief, müsst ihr von vorne anfangen, da ihr während einer Mission nicht speichern könnt.

Kaum Taktik

Zwar erzeugen die Bogenschützen von den Hügeln herab deutlich mehr Feuerkraft und bestimmte Einheiten sind in manchem Gelände nicht zu Hause, die Gefechte sind aber weder besonders taktisch noch realistisch. Ihr stürmt halt mit allem los, was ihr habt, um die Sarazenen zu plätten. Obwohl es verschiedene Formationen gibt, reicht Keilformation oft aus, da ihr ja quasi nur angreift. Der Wechsel der Formation ist damit sinnlos, auch weil sich die Mannen ohnehin nicht an die Haltebefehle halten. Sie greifen trotzdem an, wenn der Feind kommt. Selbst wenn ihr nur hirnlos mit den schweren Rittern angreift, haben die Sarazenen keine große Sonne, da sie nur leichte Einheiten haben, die auch noch häppchenweise ankommen. Dass ihr mal einen Ritter verliert, ist also die Ausnahme.

           

Kaum Rollenspiel

Keine großen Möglichkeiten gibt es auch im Bereich der Anführer, die laut Machern wie Helden im Rollenspiel agieren sollen. Auf dem Schlachtfeld sind Ritter wie Godfrey, Robert oder Lothar wenig mehr als die Generäle wie bei der Total War, die als

Zwischen den Schlachten hebt ihr neue Truppen aus und stattet die alten mit Fähigkeiten aus. Hier kommen auch die Ritterhelden zum Zug.  
 exzellente Kämpfer zu Pferde und zu Fuß aushelfen, wo's klemmt. Zu tun gibt es zwischen den Schlachten: Hier helfen sie beim Ausheben, indem sie Boni beim Kauf neuer Truppen bieten oder bessere Einheiten bereit stellen. Sogar die Glaubenstärke wird angezeigt. Im Laufe der Karriere erhaltet ihr Punkte für bestandene Missionen, die ihr auf Fähigkeiten wie Seneschall, Glaube oder Waffenmeister verteilen könnt, die euch Vorteile im Kampf bringen. Echtes Rollenspielfeeling ist das aber nicht, gerade auch weil einfache Truppen solche kaufen dürfen, die eure Bogenschützen etwa zu Meistern machen.

Mangelnde Balance

Ansonsten gilt das genretypische Schein-Schere-Prinzip, wonach jede Einheit ihren Meister findet. Ritter müssen Speerkämpfer fürchten, da sie ihnen das Leben schwer machen. Die leichte Infanterie wird von Reitern wirksam bekämpft und Bogenschützen sollten den Nahkampf meiden, alles wie gehabt. Nur die schwere Infanterie ist übermächtig, da sie ohne eigene Verluste jeden plättet. Selbst im Wald, wo sie laut Beschreibung schlecht sein sollte, hat sie keine Probleme. Das hebelt das ganze Spiel aus, da schwere Truppen fast unbesiegbar sind, insbesondere für die Seldschuken, die fast nur leichte Truppen haben. Da hilft es auch nicht dass die Truppen erschöpft werden, was allerdings viel zu lange dauert. Obwohl ihr die Truppen durch die Hitze der Türkei hetzt, geraten sie kaum außer Atem.

Die Einheiten entsprechen kaum dem, was vor 1100 in die Schlacht geschickt wurde. Die Ritter, die mehr nach beeindruckender Rüstung und fetter Bewaffnung denn nach zeitgenössischen Vorbildern ausgesucht wurden, sehen eher

Die heutige Türkei ist im Spiel zerklüftet und erstaunlich bewaldet. Ausnahmsweise könnt ihr Steine den Hügel hinab rollen lassen, um die Feinde zu treffen. 
nach 15. Jahrhundert oder noch später aus. Der Teppich von Bayeux, auf dem wie in einem Comic die Eroberung von England durch die Normannen 1066 zu sehen ist, vermittelt einen Eindruck davon, wie die Ritter damals aussahen. Recht schlicht: Kettenhemd, Helm mit Nasenschutz und tropfenförmiger Schild. Davon ist bei Crusaders nichts zu sehen. Hier gibt es getriebene Panzerplatten und Topfhelme, die frühestens aus dem 13. Jahrhundert stammen.

Wenig beeindruckende Schlachten

Die Landschaft protzt zwar mit angeblichen Effekten wie Ragdoll, die sich aber im Spiel kaum bemerkbar machen. Die 3D-Schlachtfelder sehen schon irgendwie realistisch aus oder zumindest auch nicht unrealistischer als bei Rome mit seinen Riesenbäumen, aber die Kämpfe und Ritter sind kein Augenschmaus. Gerade einmal aus der Nähe sehen die Kämpfer nach etwas aus, aus der Entfernung bleiben sie schemenhaft. Zudem ist alles wenig abwechslungsreich gestaltet, so dass es keine große Veränderung der Szenerie wie bei Total War gibt, wo die Schlachtenkarten immer der Weltkarten entsprechen. Die Schlachtkarte lässt sich nur mit Mühe zoomen, da die Steuerung mit Mausrädchen kaum reagiert. Dennoch ist die Umgebung kaum beeindruckend, auch weil Städte oder Festungen die Ausnahme bilden. Orte sind oft winzig und es gibt keinen Straßenkampf. Türme oder Pässe erobert ihr einfach, indem ihr sie ein kurze Zeit haltet. Zwar dürft ihr mal Steine herabrollen, um einen Hinterhalt zu legen, aber eine richtige Interaktion mit dem Gelände fehlt.

    

Fazit

Crusaders macht einen auf Medieval 2: Total War, kommt aber nicht mal ansatzweise an dieses historische Schwergewicht heran. Obwohl es mit dem Ersten Kreuzzug ein relativ unverbrauchtes Szenario besitzt, gibt es eigentlich nichts, was Hobby-Strategen daran groß erfreuen könnte. Schnell stellt sich das Gefühl ein, dass sich die Schlachten alle irgendwie ähneln. Ihr hetzt mit eurer Armee durch die hügelige und bewaldete 3D-Gegend und besiegt alle Feinde, die ihr findet. Statt taktisch anspruchsvoller Schlachten gibt es die üblichen Echtzeit-Aufträge, die meist wenig mit dem historischen Verlauf der Kämpfe zu tun haben. Zudem sind eure schwer gepanzerten Truppen derart überlegen, dass sie selbst auf höherem Schwierigkeit nahezu unbesiegbar sind. Hinzu kommt, dass ihre Kondition nie in die Knie geht, selbst wenn ihr sie ständig rennen lasst. Die Sarazenen spielen ohnehin nur eine Statistenrolle, da es keinen Feldzug aus ihrer Perspektive gibt - schade. Auch der Rollenspielansatz geht in die Hose, da ihr Heer und Generäle zwar verwalten könnt, sich aber auch hier keine großen Möglichkeiten auftun. Ein paar Fähigkeiten zu kaufen ist hier schon das höchste der heroischen Gefühle. Optisch geben die Schlachten nicht viel her, da die Schlachten trotz grafischer Spielereien deutlich weniger wuchtig inszeniert sind als bei Medieval 2. Obwohl die mittelalterlichren Truppen einen auf fette Rüstung machen, sind gerade sie recht unansehnlich geraten - vor allem aus der Fernsicht, die man aufgrund der besseren Übersicht meist aktiviert. Die Macher haben sich auch nicht darum gekümmert, wie die Soldaten und Ritter gegen Ende des 11. Jahrhunderts tatsächlich aussahen. Das verstärkt den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit noch. Wieso sollte man also Crusaders kaufen, wenn es das in allen Belangen bessere Total War gibt? Selbst 13th Century ist sogar noch empfehlenswerter.

Pro

spielt im Ersten Kreuzzug
Heer selbst verwalten
taktische Schlachten
Stein-Schere-Prinzip

Kontra

Gefühl der Beliebigkeit
sich ähnelnde Schlachten
keine große Taktik vonnöten
unausgeglichene Stärke
Soldaten ignorieren Befehle
kein historischer Verlauf
Ausdauer spielt kaum eine Rolle

Wertung

PC

Trotz unverbrauchtem Szenario will kein echtes Kreuzzugsfeeling aufkommen.

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