Mount & Blade24.09.2008, Bodo Naser
Mount & Blade

Im Test:

Wie wäre es, mal einen Ritter zu spielen? Allerdings nicht wie bei Medieval 2: Total War aus der mittelalterlichen Strategieperspektive sondern auf dem Sattel in einem historisch inspirierten Rollenspiel. Mount & Blade kommt ohne das übliche Fantasy-Gedöns aus und setzt auf einen Hauch von Realismus. Neben edlen Recken kommen insbesondere Nomadenführer, Wikingerhäuptlinge, Viehtreiber und Pfeffersäcke auf ihre Kosten.

Wieso nicht schon eher?

Historische Rollenspiele bilden immer noch die Ausnahme, obwohl es eigentlich genug interessante Epochen gibt. Man denke nur an das alte Rom, die Zeit der großen Entdecker oder die Napoleonischen Kriege. Das Action-Rollenspiel Titan Quest kann

Einmal das Leben eines Rittersmannes nachspielen, könnt ihr hier. Komplett mit Schlachtgetümmel, Turnieren und Kriegszügen.  
man sicher nicht als sonderlich historisch bezeichnen, obwohl es in der antiken Sagenwelt spielt; auch in die Rolle von Piraten durftet ihr schon schlüpfen. Stattdessen streift ihr bei den meisten 3D-Rollenspielen immer noch durch Tolkien'sche oder ähnlich inspirierte Märchenländer, wie Oblivion, Fable oder Gothic zeigen. Fallout bildet da eine rühmliche Ausnahme, da es zumindest in der postatomaren Endzeit spielt. Aber ein Spiel im Mittelalter, das ganz ohne Elfen, Zwerge und Drachen auskommt? Das fehlt bislang.

Jegliche Abwechslung in Sachen Szenario ist daher zu begrüßen, weshalb auch Mount & Blade (ab 8,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) sofort einen Stein im Brett hat. Ein Spiel für Realisten, denn Fantasy-Monster, Geister und Magie sucht ihr vergebens, da ihr mir dem Eisenschwert in der Hand gegen Gesetzlose, Seeräuber und Raubritter kämpft. Die Quests beschäftigen sich nicht damit, wie ihr eine Zombieplage oder einen Nekromanten besiegt, sondern wie ihr ein Bauerndorf verteidigt. Wenn ihr aufsteigt, dann verbessert ihr nicht euer Talent fürs Zaubern sondern den Einsatz von Waffen, die Führung eurer Männer oder den Handel. Dabei kauft ihr keine magischen Tränke ein, sondern echte Waren wie Wolle, Fleisch oder Werkzeuge, die sich im nächsten Landstrich gewinnbringend verkaufen lassen.

Junker am Start

Es dauert schon ein Weilchen, bis ihr beim in Echtzeit laufenden Mount&Blade zum ersten Mal ausreiten dürft. Wie sich das gehört, müsst ihr zuerst euren Charakter erschaffen, dessen Bandbreite vom Banner tragenden Edelmann über einen

Jeder fängt mal klein an. Hier versucht sich der Held am Nomadenlook, der sicher nicht sonderlich beeindruckend aussieht. Aber es ist billig und hält Schläge ab.
findigen Kaufmann bis hin zum in Felle gehüllten Barbarenanführer gehen kann. Wie bei Morrowind werden euch zu Beginn einige Fragen gestellt, die eure Persönlichkeit in groben Zügen festlegen. Wie ist eure Herkunft? Seid ihr reich? Und warum wollt ihr berühmt werden? Die genaue Punkteverteilung obliegt dann euch, wobei ihr Statur, Aussehen, Fähigkeiten und Geld recht frei festlegt. Leider erzählt das Spiel weder eine durchgehende Geschichte noch gibt es eine Hauptquest wie bei storybasierten Rollenspielen üblich.

Alles fängt ganz klein damit an, dass ihr in einem recht friedlichen Fürstentum startet. Ein einzelner Mann mit Schindmäre, großen Ambitionen, billiger Ausrüstung und einem halbleeren Geldsäckel. Gleich zu Beginn bietet sich die Möglichkeit, eure Fähigkeiten im Kampf zu trainieren, was nicht schwer ist. Ihr könnt so ein paar Erfahrungspunkte extra erwerben und lernt über das voll spielbare Tutorial hinaus was übers Kämpfen. Besonders wichtig sind die Kampfestalente, die sich grob in Nah-, Fern-, Wurf- und Stangenwaffen wie Lanzen einteilen. Es wird immer das verbessert, was ihr auch einsetzt. Wenn ihr nie mit der Armbrust schießt, verbessert sich euer Wert auch nicht. Ihr könnt auch vom Pferderücken aus kämpfen, was ein Highlight des Spiels ist, insbesondere wenn ihr an einem Turnier teilnehmt.

Jedem eine kleine Armee

Alleine loszuziehen wäre aussichtslos, weshalb ihr euch einen kleinen Trupp Männer zusammenstellen solltet. Frische Soldaten könnt ihr in den Dörfern der Grafschaft ausheben; gute Kämpfer und Helden trefft ihr in der Schänke. Je nach

Ohne Mampf kein Kampf! Eure Soldaten wollen auch was zu essen und bezahlt werden, ansonsten sinkt ihre Moral. Und damit die Bewegungsenergie.
Königreich wechselt das, weshalb ihr bald eine bunte Truppe beieinander habt. Es gibt Knappen, Steppenkämpfer oder gar Nordmänner, für die ihr nicht nur einmal Gold berappt, denn die Armee bekommt jede Woche Sold. Die Männer beginnen wie ihr unbeleckt, werden aber im Laufe der Zeit immer besser. Ihr könnt sie befördern, wann ihr wollt, und sogar mit ihnen plaudern, um ihre Werte anschauen. Um ihre Moral zu steigern, müsst ihr für Essen sorgen, das möglichst abwechslungsreich sein sollte. Von Brot allein wird keiner satt und eine Armee mit Moral ist auf der Straße schneller.

Eines müsst ihr bei euren Mannen nicht machen: Sie mit Waffen und Rüstung ausrüsten, da das automatisch geschieht; lediglich die Gefährten lassen sich ausrüsten. Anders bei euch selbst, denn ihr solltet regelmäßig Neues ausprobieren. Da gibt es je nach Geschmack Beinschienen, Schilde, Kettenhemden, Lederpanzer, eiserne Harnische, Topf- und Wikingerhelme von ganz billig und kaum haltbar bis ganz teuer und ewig haltbar. Mittelalterliche Waffen gibt es mannigfaltig zum Werfen, Schlagen, Zustoßen, Hacken und Abschießen. Pferde gibt's in jeder erdenklichen Art, Geschwindig- und Wendigkeit. Die Preise sind gesalzen, weshalb Bescheidenheit eine eurer Tugenden sein sollt. Aber das sind Ritter ja von Natur aus.

Mittendrin im Getümmel

Sitzt ihr dann mal im Sattel, wird's interessant, denn die Kämpfe sind zwar nicht sonderlich taktisch ausgefuchst, aber dennoch spannend. Ihr und eure Knappen stürmt durch die grob dargestellte 3D-Landschaft, was alles in Schulter-

Immer wieder gibt es Situationen, wo ihr unvermutet kämpfen müsst. Wie hier allein gegen mehrere Feinde in der Arena. Auf dem Schlachtfeld helfen euch dann eure Recken.  
Perspektive zu sehen ist, als ob ihr wirklich mitreiten würdet. Leider führt ihr einen wilden Haufen, da ihr die Formation nicht festlegen könnt. Stattdessen gibt es nur fünf Befehle fürs Nötigste. Bewaffnet seid ihr mit Schwert, Lanze, Schild oder Bogen, was ihr per Maus wechseln könnt. Wahlweise könnt ihr auch absteigen und eure Fußkämpfer unterstützen. Ihr könnt die Axt schwingen, mit dem Speer stoßen und es gibt einen Aufprallschaden des Pferdes. Bei vollem Galopp mit dem Schlachtross kann das enorm sein, aber eigene Truppen könnt ihr zum Glück nicht verletzen.

Die Kämpfe sind trotz einfacher Bedienung durchaus realistisch, da es nicht einfach ist, den Gegner zu treffen, der sich geschickt anstellt. Eure Recken verfolgen den Feind ganz von selbst, was sogar im dichten Nebel klappt. Bisweilen umkreist ihr den Feind wie beim Ringelreihen oder versucht über Berg und Tal an ihm dran zu bleiben fast wie beim Luftkampf. Vielleicht gelingt es sogar irgendwann, ihn vom Pferd zu stoßen. Am Boden ist er meist schnell besiegt. Besonders interessant wird es immer dann, wenn ihr auf ebenbürtige Panzerreiter trefft. Hier zahlt es sich dann aus, wenn euer Gaul ebenso schnell wie wendig ist. Wenn ihr das Ross des Gegners trefft, wird es langsamer. Gewinnt ihr die Schlacht, jubeln eure Truppen befreit auf und ihr könnt Beute einsacken und Gefangene nehmen.

                    

Aller Ehren wert

Aber auch außerhalb des Schlachtfeldes bietet das Spiel einige interessante Möglichkeiten. So könnt ihr euch zum Vasall des Königs hocharbeiten, der dann irgendwann Städte, Dörfer und Burgen als Lehen bekommt, die ihr dann sogar ausbauen

Was hat dieses Dorf zu bieten? Wie stehen die Bauern zu euch? Welche Aufträge hat der Bürgermeister für euch? Welche Waren gibt es ztu kaufen? 
könnt. Dafür könnt ihr als bezahlter Landsknecht im Dienste eines lokalen Herrschers kämpfen, für den ihr in den Kampf zieht. Gelegenheit gibt es genug: So führt Swadien gerade Krieg gegen die Nord. Fühlt ihr euch stark genug, könnt ihr sogar gezielt andere Fürsten ausschalten, um an deren Stelle zu treten. Mehr darüber erfahrt ihr stilecht im Wirthaus in der Stadt, wo ihr geheime Unterredungen führt. Ihr könnt ihr auch eure Gefangenen gegen Lösegeld verkaufen, wofür es einen Vermittler gibt. Es gibt immer wieder Dinge, die einen überraschen. Insbesondere die Gespräche fördern da stets Neues zu Tage.

Alles beruht darauf, dass ihr euch erst einen guten Ruf erarbeiten müsst. Das fängt ganz klein an, wenn ihr den Bauerndörfern helft. Es gibt Quests, wo ihr Kühe kaufen, Getreide für Hungernde holen oder einen flüchtigen Beutelschneider einfangen müsst. Zwar könnt ihr Rindviecher beim Ortsvorsteher erwerben, aber es ist fast unmöglich, das Vieh zum Ziel zu treiben, da sie schlicht nicht auf euch hören. Sie laufen in irgendeine Richtung. Tipps gibt es keine, so dass unklar ist, ob noch was fehlt oder ob es ein Bug ist. Jedenfalls steigt der Ruf auch durch gewonnene Kämpfe gegen ehrenwerte Gegner, die ebenbürtig sein sollten. Wenn euer großer Haufen von Veteranen ein paar einzelne Gesetzlose plättet, ist das jedenfalls wenig ehrenhaft.

Trockenfisch, Wolle und Vieh

Geld ist auch der Schmierstoff der mittelalterlichen Wirtschaft. An größere Summen kommt ihr nur mit dem Handel von

Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd? Nicht ganz, aber teuer sind die guten Rösser schon. Überhaupt braucht ihr viel Geld für alles.  
Waren, der immer dann lukrativ ist, wenn er über größere Stecken erfolgt. Ihr könnt beispielsweise preiswert Trockenfisch an der Küste kaufen, um ihn dann landeinwärts gegen Felle einzutauschen, mit denen ihr dann zurückkehrt. In den Bergen gibt es Eisen und in manchen Städten ist die Wolle wieder spottbillig. Was manche Handelsware anbetrifft, sind sogar die Dörfer am billigsten, auch wenn sie immer nur wenige Stück anbieten. Unbegrenzt könnt ihr ohnehin nicht mitnehmen, da das Inventar endlich ist, das sich aber aufstocken lässt. Vieh könnt ihr schlachten, um so an Frischfleisch zu kommen, denn es verdirbt schnell.

Obwohl der Handel bei Leibe nicht so kompliziert ist, macht es dennoch Spaß, die besten Routen auszukundschaften. Hat euer Charakter Kenntnisse im Handel, tut er sich leichter, sich die Preise der Waren zu merken. Leider ist die Wirtschaft nur leidlich dynamisch, denn wenn ihr viel von einer Ware verkauft, geht der Preis gerade mal ein wenig in die Knie. Ansonsten ist alles ziemlich berechenbar, was natürlich auch dafür sorgt, dass sich euer Geldbeutel stetig füllt. Fiese Naturen könnten auch auf die Idee kommen, die reichen Karawanen auszurauben, die ihr immer trefft und die allerdings bewacht sind. Aber ein ehrenhafter Ritter macht doch so was nicht, denn das gefällt den Burgfräulein sicher nicht.

Welt zu erkunden

Auch wenn sich Orte und Festungen gleichen und Grafikfanatiker nicht in Entzücken versetzen, wird man doch ins Geschehen des fiktiven Mittelalters mit all seinen erfunden 

Eine Stadt an der Küste, in der es so ziemlich alles zu kaufen gibt. Obwohl die Karte nicht schön ist, weckt sie doch Entdeckerdrang.
Fürstentümern reingezogen. Man will nur noch diese eine Gegend erforschen, um die Preise zu studieren. Welche Soldaten gibt es dort? Was haben die Bauern für Sorgen? Hat der Ortsvorsteher einen spannenden Auftrag für euch? Das liegt sicher auch daran, dass ihre euch mit fast jedem unterhalten könnt, den ihr auf der Straße trefft, die immer überschaubar bleibt. Manche haben sogar mehr zu sagen als der einfache Bauer. Erstaunlich, dass man die detailarme Weltkarte doch erforschen will, um einfach alles zu kennen. Welches Königreich wollt ihr unterstützen?

Obwohl es landschaftlich nicht so schön ist, sind doch die Rüstungen und Waffen gelungen. Ihr bestimmt frei, wie euer Kämpe aussehen soll: Ein edler Ritter ganz in Eisen mit Topfhelm, V-Schild und Turnierlanze, ein Nomade, der an Mongolen erinnert, mit Pfeil, Jagdbogen und Fellstiefel oder doch lieber ein Wikinger mit Streitaxt, Brillenhelm und Rundschild. Sogar beim Kämpfen ist eure Rüstung und Bewaffnung zu sehen. Obschon die Spielwelt fiktiv ist, lehnt sie sich doch an die Historie an. Anders als zuletzt bei Crusaders erweckt hier vieles wirklich den Eindruck des Mittelalters. Freilich seid ihr nicht daran gebunden, denn ihr könnt wild mischen, wie ihr das möchtet. Dann tragt ihr eben eine Art Räuberzivil, was aber niemand zu stören scheint - nicht einmal die feinen Edelleute auf ihren Burgen, bei denen ihr vorsprecht; dennoch wollen sie euch bisweilen nicht kennen.

        

Fazit

Überraschung: Mount & Blade ist besser als ich zunächst dachte! Dass das intelligente Rollenspiel im Vorfeld derart stiefmütterlich behandelt wurde, ist eigentlich schade. Umso mehr freut es mich, dass es sich nun als waschechter Geheimtipp entpuppt. Das lag sicher auch daran, dass es an allem fehlt, was andere Spiele im Überfluss besitzen: Pathetische Story, roter Faden durchs Spiel, filmischer Anstrich und tolle Grafik. Diesen fehlenden Oberflächlichkeiten setzt es innere Werte und Freiheit entgegen, die das spielend wieder wett machen. Ihr startet als einfacher Ritter ohne Land und könnt euch bis zum Vasall des Königs hocharbeiten, was eigentlich nie langweilig wird. Wie ihr dort hinkommt, bleibt weitgehend euch überlassen: Wollt ihr Handel treiben, was sehr lukrativ ist? Oder doch lieber als Söldner im Dienste des Fürsten verdingen? Als Turniersieger Geld, Ruhm und Ehre einheimsen? Oder lieber ein Räuber sein, der Karawanen und Dörfer überfällt? Die waghalsigen 3D-Schlachten, bei denen ihr im Sattel mitreitet, vermitteln ein gutes Mittendringefühl und führen dazu, dass euch Schweißperlen auf der Stirn stehen. Wilde Verfolgungsritte entspinnen sich über Stock und Stein und ihr seid richtig froh, wenn schließlich alle Feinde ins Reich der Ahnen abgeritten sind. Leider könnt ihr kaum Einfluss darauf nehmen, was eure mittelalterlichen Soldaten im Getümmel so treiben, da ihr die Taktik bis auf Basisbefehle nicht festlegen könnt. Dafür könnt ihr euch eure Armee so zusammenstellen, wie ihr das möchtet, da es viele verschiedene Kämpfer und zig authentische Waffen und Rüstungen gibt. Schließlich steigt euer Charakter auf, wobei ihr die Punkte verteilt. Soll er eher kräftiger oder doch schlauer werden? Ein besserer Reiter vielleicht, ein größerer Anführer oder ein Verhandlungstalent? Dieses herrlich freie Spiel schafft es ohne große Lizenz oder Storyschwulst, mich deutlich länger zu fesseln als ein klassisches Rollenspiel à la Drakensang mit all seinen Beschränkungen. Bitte mehr davon!

Pro

Rollenspiel mit Rittern
viele Möglichkeiten
Neues zu entdecken
selbst kämpfen
Kampf zu Pferde
zum Vasall aufsteigen
Handel treiben
Turniere und Wettkämpfe

Kontra

keine durchgehende Story
keine Hauptquest
Kämpfe kaum taktisch
nur wenig Befehle im Kampf

Wertung

PC

Endlich ein Rollenspiel, das ganz ohne Fantasy auskommt. Mittendrin-Gefühl kommt bei den Schlachten auf.

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