Kult: Heretic Kingdoms06.11.2004, Bodo Naser
Kult: Heretic Kingdoms

Im Test:

Kult klingt nach einem Epos, das man als actionorientierter Rollenspieler einfach haben muss. Bereits in unserer Vorschau zeigten wir uns allerdings skeptisch, obwohl die Macher mit der von Chris Bateman stammenden Story um eine weibliche Inquisitorin reizvolle Abenteuer versprachen. Ob die Fraktion der virtuellen Jäger und Sammler das ketzerische Fantasy-Abenteuer wirklich braucht?

Gott ist tot!

Paradox ist, dass in der Welt von Kult alle Kulte verboten sind. Und das hat auch seinen guten Grund, denn der letzte Gottkönig hat sich beim einfachen Volk nicht gerade beliebt gemacht. Der geisteskranke Theokrat missbrauchte die ihm verliehene Macht, um ungestraft zu morden. Nach seinem Sturz setzte sich daher die nicht ganz falsche Einsicht durch, dass Religion den Anfang allen Übels darstellt.

Immerhin - ohne Nachladen könnt ihr Gebäude betreten und mit den Leuten quatschen.
Die Menschen schworen zwar öffentlich ihrem Glauben ab, doch huldigen sie weiter im Verborgenen den alten Götzen. Einzig die Inquisition der Ketzer stemmt sich dagegen, indem sie alle Kulte bekämpft.

Handlung Nebensache

Ihr spielt eine häretische Inquisitorin, die sich auf die langwierige Suche nach "Gottschlächter" macht. Die magische Klinge ist aus jenem Kloster verschwunden, in dem man sie seit dem Niedergang des Theokraten verwahrte. Leider spielt die außergewöhnliche Geschichte ansonsten keine große Rolle, weil ihr die Hauptzeit mit dem Lösen kaum erwähnenswerter Nebenaufgaben beschäftigt seid, bei denen ihr immerhin auch böse handeln könnt. Die Story gewinnt so nur langsam an Fahrt: Ab und an bekommt ihr ein vertontes Storyhäppchen serviert, das mittels bleistiftartiger Zeichnungen erzählt wird.

Genretypisches Prinzip

Bei Kult gibt es nur einen weiblichen Charakter, den ihr im Laufe des Spiels in fünf Klassen wie Ritter, Magie oder Dieb verwandeln könnt. Der für Action-Rollenspiele nur zu typische Dreiklang aus Monsterkillen, Einkaufen und Aufsteigen wird eigentlich nur dadurch erschwert, dass euer Inventar viel zu klein ist. So ist es beispielsweise schon vom Abwurf eines einzigen Gegners überfüllt. Um nicht

Nest oder Dungeon? Aus dieser Übersichtskarte wählt ihr euer Reiseziel aus. 
ständig zwischen den wenigen Läden und den Jagdgründen hin- und herzurennen, könnt ihr eurer Heldin immerhin Taschen kaufen, die ein wenig mehr Platz bieten. Ein Stadtportal wie bei Diablo gibt es nicht. Die Werte für Magie, Geschick, Nah- und Fernkampf verbessert ihr mit Erfahrungspunkten.

Gutes oder böses Mädchen?

Grundsätzlich sind Gut-Böse-Entscheidungen natürlich zu begrüßen, da sie das Spiel in der Regel wiederspielbar machen. Aber was haben sie für einen Sinn, wenn sie gar keine Auswirkungen aufs Geschehen haben? Anders als bei Knights of the Old Republic spielt es in Kult keine Rolle, ob ihr die koboldartigen Sklaven nun befreit oder deren Zivilisation mit ein paar Schwerthieben oder Feuerkugeln auslöscht. Weder wirkt sich das negativ auf den Spielverlauf aus noch verändert sich das Wesen eurer Heldin. Abgesehen von diesen Entscheidungen sind die faden Multiple-Choice-Dialoge im Spiel alles andere als interaktiv.

       

Endlose Kämpfe

Die 2D-Schauplätze sind kaum zu überblicken, da es noch nicht einmal eine Übersichtskarte gibt. So schlittert ihr in den Verliesen, Dörfern und Wäldern fast zwangsläufig von einem Duell ins nächste, da ihr den Monstern kaum ausweichen könnt. Die Gegner sind schlecht ausbalanciert, da es viele gibt, die ihr locker mit einem Hieb umhaut und wenige, auf denen ihr ewig rumhackt. Darüber hinaus sind sie schwer zu treffen, da ihr per Maus ungenau zielt. Besonders merkt ihr das beim Bogenschießen, das

In den wenigen Läden könnt ihr endlich euer winziges Inventar erleichtern.
praktisch einem Glücksspiel gleichkommt. Kein Wunder daher, dass sich der Lebensbalken öfters gen null neigt. Durch Kräuter, die nie ausgehen, heilt ihr die Heldin, was bei langen Kämpfen zu einem Stakkato auf der Tastatur führt. Die Ausdauer schrumpft immer mehr, was eine Rast nötig macht.

Passive Zauber

Während des Schlafens am Lagerfeuer oder im Bett könnt ihr auch neue Zauber aktivieren. Beginnende Charaktere können nämlich nur über magische Gegenstände zaubern, deren Zweck sich euch aber erst im Laufe der Zeit erschließt. Hierbei helfen euch die Essenzen, welche die getöteten Gespenster der Parallelwelt hinterlassen. Wollt ihr Feuerbälle verschießen, so müsst ihr erst mal einen Fokus enträtseln. Auch in Waffen, Rüstungen und Edelsteinen steckt Magie. Ihr müsst den Gegenstand natürlich tragen, damit der passive Zauber wirkt. Von sich aus kann eure Heldin jedenfalls nicht zaubern.

Welt der Geister

Per Tastendruck gelangt eure Figur in die Welt der Schatten, in der eigene Gesetze gelten. Frodo Beutlin, der den Einen Ring anzieht, lässt grüßen! Die Schattenwelt kommt immer wieder in Rollenspielen vor, zuletzt in Beyond Divinity . Sie ist daher wahrlich nichts Neues. Als Fluchtmöglichkeit eignet sich diese aber nur bedingt, da dort fiese Geister lauern. Sogar eigene Quests gibt es, bei der ihr etwa spionierende Werwölfe verfolgen müsst. Letztlich ist sie aber auch sie ohne Zweck, da ihr

Nur von ganz weit weg wirkt die schlampig gezeichnete 2D-Welt idyllisch.
nicht gezwungen seid, dorthin zu wechseln. Das Spiel könnt ihr über weite Strecken ohne die blaue Schattenwelt bestreiten.

Unschöne 2D-Grafik

Eigentlich ist die gute alte Zeit der isometrischen 2D-Darstellung spätestens mit Neverwinter Nights vorbei. Dennoch verfügt das von heroischer Musik untermalte Kult über eine solche Grafik, die noch nicht einmal besonders schön ist. Entfernt erinnert die Optik an Sacred , erreicht aber nicht dessen ernorme Detailfülle. Effekte wie Regen oder Tag- und Nachtwechsel überzeugen hingegen kaum. Die gezeichneten Hintergründe sind farblich nicht besonders abwechslungsreich und manch ein Detail sieht gar unförmig und falsch proportioniert aus. Filmische Zwischensequenzen sucht der Hobby-Abenteurer ebenfalls vergebens, es gibt nur gezeichnete Einzelbilder.

    

Fazit

Kult versucht, in die Fußstapfen von bekannten Spielen wie Diablo oder Sacred zu treten, seine hässlichen Füße sind aber viel zu klein. Womit kann es ohnehin gelangweilte Action-Rollenspieler, die schon allerhand erlebt haben, eigentlich überzeugen? Viel fällt einem da nicht ein: Zum einen wäre da vielleicht die außergewöhnliche Story, die wirklich eine bessere Umsetzung verdient hätte. Man wagt gar nicht daran zu denken, was routinierte Fantasy-Schmieden daraus gemacht hätten. Zum anderen gibt es die blaue Parallelwelt, in der ihr gegen wimmernde Gespenster kämpfen könnt. Schließlich gibt es die Gut-Böse-Entscheidungen, die allerdings ohne Auswirkung bleiben. Ansonsten handelt es sich leider um ein gerade noch durchschnittliches Action-Rollenspiel, das ganz dem typischen Gameplay verhaftet ist, wenig Spaß macht und auch nicht berauschend aussieht. Den Kult könnt ihr euch daher getrost sparen!

Pro

ungewöhnliche Story
typisches Action-Rollenspiel
fünf Klassen spielbar
über 100 verschiedene Zauber
Gut-Böse-Entscheidungen
Parallelwelt

Kontra

nur ein Charakter
ungenaue Steuerung
Gut-Böse ohne Auswirkung
viel "Beinarbeit"
schlecht ausbalancierte Kämpfe
kleines Inventar
Magie an Gegenstände gebunden
unübersichtliche Darstellung
belanglose Gespräche
altmodische 2D-Grafik
Dialoge nur gelegentlich vertont
kein Multiplayer

Wertung

PC

Recht lahmes Vergnügen, das nur eine kultige Story besitzt.

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