Arx Fatalis05.07.2002, Paul Kautz
Arx Fatalis

Im Test:

Schummrige Höhlen, widerliches Getier, knackige Quests und jede Menge Magie: Arx Fatalis (ab 19,48€ bei kaufen) ist weit mehr als nur ein inoffizieller Ultima Underworld-Nachfolger. Das Werk des jungen französischen Entwicklers Arkane Studios hat es nach allerlei Publisher-Umwegen nun endlich zur Marktreife gebracht. Ob prächtige Kerkerstimmung herrscht oder nur ein laues Lüftchen durch die Tunnel weht, erfahrt Ihr in unserem Test.

Die Sonne verschwindet

Die Bewohner der Welt Arx haben es nicht leicht: Vor einigen Jahren begann plötzlich die Sonne zu verlöschen, woraufhin die Menschen ihre Fähigkeiten in der Beherrschung von Schaufel und Spitzhacke wiederentdeckten und, mit Trollen und Goblins verbündet, ihre Welt unterirdisch wieder errichteten. Während oben langsam die Eiszeit einbrach, konnte die Zivilisation in einer verlassenen Zwergenmine weiter existieren. Dort leben nun alle einigermaßen friedlich miteinander, doch wie so oft ist auch diese Ruhe nicht von Dauer: Seit neuestem erschüttern Erdbeben die wackeligen Stollengewölbe, Menschen werden entführt, unaussprechliche Rituale praktiziert. Die Kriegerrasse der unheimlichen Ylsiden taucht immer wieder auf, richtet ein Massaker an, und verschwindet danach spurlos. Und zu allem Überfluss kommt Ihr jetzt auch noch ins Spiel: Wie durch Zauberhand landet Ihr in einem Kerker der Goblins, ohne die geringste Ahnung, wer oder was Ihr seid, oder was Ihr hier verloren habt. Und wie das so oft mit ahnungslosen Helden ist: Nur Ihr allein könnt diese Welt noch retten...

__NEWCOL__Waffengeklirr und Hexerei

Ein Mitgefangener gibt Euch übergangsweise den Namen Am Shaegar, was so viel heißt wie »der keinen Namen hat« - besser als nichts. Vor das Heldendasein haben die Designer aber die Steuerung gesetzt: In Arx Fatalis habt Ihr neben der normalen Variante, in der Ihr Dinge benutzen und mit Personen reden könnt, auch noch zwei weitere Möglichkeiten. Im Kampfmodus schwingt Ihr Eure Waffen unterschiedlich stark, abhängig davon wie lange Ihr die Maus gedrückt haltet. Die Magie-Steuerung schließlich funktioniert ähnlich wie bei Black&White: Mehrere am Bildschirm gezogene Runenformen hinterlassen nicht nur schöne Partikeleffekte, sondern bewirken auch einen von 50 Sprüchen - Selbstheilung, Feuerwand, magische Aura, Dämonenbeschwörung und viele mehr. Welche Hexereien Ihr benutzen könnt, hängt in erster Linie von den vorhandenen Runen ab. Diese (insgesamt 20) Steine könnt Ihr kaufen, finden oder geschenkt bekommen; bestimmte Kombinationen ergeben dann einen Spruch, den Ihr schließlich in Eurem Magiebuch nachschlagen könnt. Drei davon dürfen auch zur schnellen Verwendung »gebookmarkt« werden. Das Magiesystem ist nicht sehr penibel, was die korrekte Ausführung angeht, und verhilft auch zeichnerisch unbegabten Spielern schnell zu Erfolgserlebnissen.

Zu den Waffen!

Der Einsatz von Magie kostet viel des knappen Manavorrats, deswegen ist im Kampf der kalte Stahl Argumentationsverstärker Nummer eins. Verteidigt Ihr Euch anfangs noch mit einem Knochen, könnt Ihr später unter mannigfaltigen Waffen wählen: Schwerter, Äxte, Keulen, Dolche, Pfeil und Bogen in vielerlei Ausführungen lassen die Qual der Wahl. Manche Gerätschaften können nur ab einem bestimmten Stärkegrad benutzt werden, ebenso Rüstungen (von Leder bis Vollstahl-Ummantelung) oder Schilde. Was Ihr an, beziehungsweise mit Euch tragt, hängt in erster Linie von der Größe Eures Geldbeutels ab: Eine Panzerrüstung kostet weit mehr als ein Lederhemdchen, ist aber auch wesentlich mehr wert. Auf Marktplätzen oder in Handelsstuben dürft Ihr aufgesammelte Waren (Waffen, Kleider, Edelsteine, Gold, etc.) auch zu Schleuderpreisen verkaufen, um Euren Goldvorrat aufzustocken.

Gekämpft wird in Echtzeit: sind anfangs noch Ratten, doofe Goblins oder kleinere Spinnen Euer Kanonenfutter, bekommt Ihr es später mit wieselflinken Rattenmenschen, wahnsinnigen Priestern oder bärenstarken Golems zu tun. Getötete Gegner können und sollten sogar geplündert werden - meisten springen dabei Nahrung, Schlüssel, neue Waffen oder Zaubertränke raus. Letztere könnt Ihr Euch im späteren Verlauf des Spiels auch selbst mischen, und Euch so gegen Gift wappnen, oder Lebensenergie beziehungsweise Mana wieder auffüllen.__NEWCOL__

Gelagert werden alle Gegenstände in einem anfangs sehr knappen Inventar - erst im späteren Spielverlauf wird es erweitert, und ihr bekommt die Möglichkeit, Euer Hab und Gut sicher zu lagern.

Was bin ich?

Die Charakterentwicklung wird in Arx Fatalis groß geschrieben. Anfangs sucht Ihr Euer Alter Ego unter vier Gesichtformen aus und verteilt Attributspunkte: Neben globalen Werten wie Stärke oder Intelligenz gibt es noch eine Reihe Unterpunkte, um die Ihr Euch ebenfalls kümmern solltet: Geschick (um beispielsweise Schlösser zu knacken), sechster Sinn (um Fallen oder Geheimtüren besser zu erkennen) oder Magie. Im Laufe des Spiels gewinnt Ihr natürlich an Erfahrung, und dürft so in unregelmäßigen Abständen Eure Werte weiter verbessern. So entscheidet ganz allein Ihr darüber, ob Ihr lieber als tumber Rambo, vor Magie strotzender Hänfling oder irgendwas dazwischen durch die Gewölbe zieht. In jedem Fall haben Euch die Entwickler größtmögliche Freiheit gegeben: Die Reihenfolge der Quests ist nicht festgelegt, außerdem könnt Ihr die Aufgaben lösen, wie es Euch am ehesten liegt - freundlich, clever oder mit Gewalt. Entscheidet selbst, ob und wann Ihr bestimmte Gegenstände oder Personen findet, an einer Schatzsuche teilnehmt, Passwörter beschafft oder ein Geburtstagsgeschenk für einen einsamen Troll besorgt.

Der Bäcker im Helden

Falls Am Shaegar Hunger hat, könnt Ihr Fische oder Fleisch braten oder aus Mehl und Wasser Brot kneten, welches dann über dem Feuer knusprig gebacken wird. Ihr habt auch leichten Einfluss auf die Story: Helft Ihr dem Gefangenen oder dem König? Tötet Ihr die Erd- oder Wassermenschen? Jede dieser spielentscheidenden Gabelungen wird im automatisch geführten Tagebuch niedergeschrieben. Dummerweise quillt das Buch im Laufe der Zeit vor allerlei unnützen Informationen (wie bereits erledigten Quests oder den Tutorial-Anweisungen) über, so dass eifriges Blättern auf der Tagesordnung steht. Das gilt auch für die Massen an Büchern oder Aufzeichnungen, die Ihr immer wieder finden werdet. Diese führen, neben Zwischensequenzen aus der Engine, die Story spannend weiter, sind gut geschrieben und geben immer wieder den einen oder anderen Hinweis. Die bekommt Ihr auch von den überall herumlaufenden NPCs, mit denen Ihr automatisch ablaufende Gespräche führen könnt. Nicht zuletzt dürft Ihr Euch auch gelegentlich am Glückspiel versuchen, um nebenher etwas Kleingeld zu verdienen.

Willkommen in der Unterwelt

Arx Fatalis hat den Ruf, ein inoffizieller Ultima Underworld-Nachfolger zu sein, was nicht zuletzt daran liegt, dass einige der ehemaligen Looking Glass-Designer jetzt für Arkane arbeiten.__NEWCOL__

Diesem Ruf wird das Spiel auch vollkommen gerecht: Ihr befindet Euch die ganze Zeit unter der Erde und durchquert aus der Ego-Perspektive düstere Verliese, unheimliche Höhlen, prächtige Städte oder gefährliche Minen. Dabei ist praktisch kein Quadratzentimeter des Weges wirklich eben, überall liegen Steine oder wachsen Moose und Stalaktiten. Freund und Feind sehen durchgehend bemerkenswert aus: Wer beim Anblick einer schnell näher kommenden Riesenspinne cool bleibt, hat Nerven aus Stahl. Besonders die Gesichter der Menschen, Trolle oder Schlangenfrauen sehen sehr detailliert aus, dazu kommen noch sehr gute Animationen. Auch die Partikeleffekte können sich sehen lassen, ob knisterndes Feuer oder magisches Geschoss - wenn es funkt, dann funkt es sehr ansehnlich.

Im krassen Gegensatz dazu stehen die hässlichen Waffentexturen und die horrenden Hardwareanforderungen. Besonders in der Stadt Arx bricht die Framerate unerwartet und gnadenlos ein. Auch das an sich hübsche Bump-Mapping ist wohl für eine kommende Rechnergeneration gedacht und heutzutage nur ein unbarmherziger Performancefresser. Freunde des Splatters kommen in Arx Fatalis übrigens nicht auf Ihre Kosten: Zwar spritzt das Blut in ordentlichen Mengen, aber die Körperteile bleiben da, wo sie hingehören.

Sprechen Sie Trollig?

Die Sprachausgabe ist ganz klar ein Highlight von Arx Fatalis: Die teils sehr bekannt klingenden Sprecher verstehen ihr Handwerk und unterstreichen die Atmosphäre des Spiels ganz hervorragend. Die restliche Akustik ist ebenfalls nicht zu verachten: Die gute Musik hält sich die meiste Zeit verborgen und erwacht nur sporadisch bei besonderen Vorkommnissen, wie einem Angriff oder einem Erfahrungsanstieg. Die Soundeffekte passen wie das Schwert in den Goblin, wirken gelegentlich aber etwas überzogen - wenn Am Shaegar etwa in voller Rüstung joggt, klingt es, als würde er ständig einen Besteckkasten mit sich herumtragen..__NEWCOL__

Leider vermiesen vielerlei Bugs und unnötige Ärgernisse das ungestörte Spielvergnügen: Einige davon wurden schon mit dem Patch 1.11 aus der Welt geschafft, andere existieren munter weiter: Hier und da verschwinden Objekte einfach, wenn Ihr sie auf den Boden legt. Das Physiksystem sorgt ab und zu dafür, dass weggeworfene Objekte in Tischen oder der Wand hängen bleiben. Aufgrund der elend langen Ladezeiten sollte man besser ein gutes Buch neben dem Computer liegen haben. Die automatische Übereinanderordnung von identischen Gegenständen funktioniert nicht immer zuverlässig. Wieso muss man ein mickriges Icon anklicken, das zudem im Kampfmodus nicht vorhanden ist, um einen Level zu verlassen? Und wieso lässt sich die Automap nicht beschriften?

Pro

  • gute Grafik
  • Handlungsfreiheit
  • sehr gute Sprachausgabe
  • gute Steuerung
  • interessantes Magiesystem
  • gute Story
  • herausfordernde Gegner
  • viele Quests
  • __NEWCOL__Kontra

  • lange Ladezeiten
  • viele Bugs
  • wechselhafte Framerate
  • Umgebungen insgesamt abwechslungsarm
  • Vergleichbar mit:

    <4PCODE cmd=DGFLink;name=Ultima 9;id=158>, <4PCODE cmd=DGFLink;name=Gothic;id=921>, <4PCODE cmd=DGFLink;name=Might & Magic IX;id=2246>

    Fazit


    Alte Ultima Underworld-Jünger dürfen zum Freudensprung ansetzen: Arx Fatalis ist ein würdiger inoffizieller Nachfolger der altehrwürdigen Saga. Grafik, Sound, Rätseldichte und vor allem Atmosphäre sind auf sehr hohem Level. Allerdings haben sich die Entwickler in Sachen Bug-Menge und nervende Kleinigkeiten wohl eher an Ultima 9 orientiert - ein wenig mehr Feinschliff hätte dem Spiel gut getan. Außerdem finde ich persönlich es schade, dass man nie an die frische Luft kommt - klar, das Ganze spielt unterirdisch, aber dadurch bleibt die Zahl der möglichen Locations begrenzt. Aber genug gemeckert: Die ehemals so sträflich vernachlässigte Fraktion der Rollenspieler hat derzeit keinen Grund das Haus zu verlassen; in den düsteren Gewölben von Arx ist es sowieso kühler. Hardcore-Würfler sollten jedoch beachten, dass Arx Fatalis nur als Rollenspiel light durchgeht. Mit regeldurchsetzten Schwergewichten à la Baldur`s Gate 2 kann es sich nicht messen.

    Wertung

    PC

    0
    Kommentare

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