Die Siedler - Aufbruch der Kulturen05.09.2008, Marcel Kleffmann
Die Siedler - Aufbruch der Kulturen

Im Test:

Träger, Straßen, Wuseln - das sind drei Worte, die man sofort mit Die Siedler 2 in Verbindung bringt. Da sich der zweite Teil großer Beliebtheit erfreut, erschien vor zwei Jahren das Remake "Die Siedler 2 - Die nächste Generation", das jedoch mit spürbaren Neuerungen geizte. Mit "Aufbruch der Kulturen" wollen die Funatics das altbekannte Regelwerk entschlacken und zugleich sinnvoll erweitern. Ist es gelungen?

Traditionelles Regelwerk

Ubisoft und Blue Byte unterteilen Die Siedler-Reihe fortan in zwei Editionen: Tradition und Evolution. Die Evolutionsreihe soll mit neueren Elementen aufwarten - wie etwa bei Die Siedler: Das Erbe der Könige oder Die Siedler: Aufstieg eines Königreichs . Die Traditionsedition hingegen besinnt sich auf das beliebte Regelwerk von Die Siedler II. Und da "Aufbruch der Kulturen" unter diesem Logo daherkommt, basiert das grundlegende Wirtschaftssystem auf den alten Vorgaben:

 Gesiedelt werden darf nach altem Vorbild, gemäß dem Siedler 2-Regelwerk.
Ihr müsst also Straßen anlegen, Fahnen setzen und die niedlichen Träger sorgen für den Warentransport. An dieser Stelle werde ich das alte System nicht weiter vorstellen, sondern vielmehr auf die Veränderungen bzw. Neuerungen eingehen. Kennt ihr das Aufbausystem nicht, empfiehlt sich ein Blick auf den Test zu Die Siedler II - Die nächste Generation werfen.

Kleinere Änderungen

Abgesehen davon, dass man Wege über flache Gewässer ziehen kann und die Träger den Transport dann mit einem Floß bewerkstelligen, wurde die Anzahl der Werkzeuge auf ein "Standard-Werkzeug" reduziert, was alle Arbeiter vom  Bergmann über den Holzfäller bis zum Bauarbeiter benötigen - eine durchaus sinnvolle Vereinfachung. Der Geologe braucht nun eine Unterkunft und daher müsst ihr mit wenigen Holzbrettern ein Zelt für ihn aufschlagen und dieses Gebäude möglichst nah an der zu untersuchenden Bergkette

Mit dem Floß kann ein "Träger" den Warentransport über flache Gewässer sicherstellen. Bauarbeiter und andere Siedler schwimmen zum anderen Ufer.
platzieren. Anschließend wird er automatisch auf Mineraliensuche gehen. Finden wird er Eisenerz, Kohle, Granit, Gold, Edelsteine oder Salz; letzteres wird zum Beispiel für Bretzel, Ziegenkäse oder Pökelfleisch gebraucht. Generell ist die Nahrung für Bergleute gedacht, die sich je nach Volk und Minenart jeweils mit einem Nahrungsmittel zufrieden geben oder eine ganz spezielle Nahrungsversorgung verlangen. Auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad müssen die Bergwerke übrigens nicht mit Essbarem versorgt werden.

Opfer für das Volk

Mit der neuen Opferungsstätte könnt ihr Spezialfähigkeiten, Verstärkungszauber oder Buffs erforschen, bestellen und wirken. Einfache Opferungen sind sofort vorhanden, komplexe dürfen erst erforscht werden. Mit Opferungen könnt ihr beispielsweise die Produktion eurer Siedlung ankurbeln, die Landfläche kurzfristig erweitern um zum Beispiel einen See zu überwinden oder ihr bekommt kurzfristig Zugang zu einer Ressource, die nicht auf der Karte vorhanden ist, wie Fisch auf einer Karte ohne Seen. Auch ein Zwangsfrieden ist möglich. Geopfert werden bestimmte Rohstoffe und weil die 

Download: Deutsche Demo (800 MB)
Abklingzeit bzw. der Preis recht happig sind, sollten sie überlegt eingesetzt werden. Kontrolliert werden aktive Opferungen mit einem am oberen rechten Bildschirmrand platzierten Interface der Marke Ringmenü, was dort sehr deplaziert wirkt, da alle anderen Funktionalitäten unten angebracht sind.  

Das Interface

Während alle wichtigen Buttons an der Minikarte bzw. dem Beobachtungsfenster untergebracht wurden - ein Online-Rollenspiel mit Interface-Mod-Funktionalität diente wohl als Vorlage - lassen sich die Transport- und Einlagerungs-Prioritäten einfacher Verwalten als beim Vorgänger bzw. dem Remake, vor allem wenn man mehrere Lagerhäuser in der Siedlung hat. Nicht missen möchte ich die Nachricht "Warenstau an einer Fahne", die explizit aufzeigt, wo es gerade im Transportkreislauf hakt. Etwas umständlich, aber funktional ist der Gebäudebau: Ihr lasst euch die verfügbaren Bauplätze anzeigen, klickt auf den gewünschten Standort und wählt mit Hilfe eines Kontextmenüs das Gebäude aus - ein Klick

Bei den Bajuwaren werden stark frequentierte Wege mit Steinen ausgebaut und ein Last-Ochse hilft beim Transport.
auf ein fertiges Bauwerk zeigt übrigens an, welche Rohstoffe gebraucht bzw. produziert werden und wie die Auslastung ist. Straßen- und Fahnenbau funktionieren mit einem direkten Baubefehl im Gelände, genau wie das bestätigungslastige Abreißen. Lobenswert ist ebenso die übersichtliche Rohstoffanzeige ganz oben, die farblich untermalt darstellt, woran es mangelt.

Drei Völker

Die Völker bei "Die Siedler II: Die nächste Generation" hatten keinerlei Unterschiede vorzuweisen; dies ist jetzt anders, denn die Bajuwaren (Bayern), Schotten und Ägypter sind sowohl optisch als auch spielerisch leicht verschieden. Die Ägypter können schnell und günstig eine funktionierende Wirtschaft als auch eine Streitmacht aufbauen. Sie haben als einzige Gerbereien sowie Käsereien, können dafür keinen Förster errichten und setzen auf Lehm anstatt Holz. Die Felder des Bauernhofes brauchen Wasser und als Alkohol-Ersatzstoff gibt es Milch, die Grundlage für Käse. Auf überlaufenen Wegen werden zwei Träger eingesetzt und im militärischen Bereich sind die Ägypter die Vertreter der Kategorie "Masse statt Klasse". In ihren Militärgebäuden halten sich am meisten Kämpfer auf, die allerdings vergleichsweise schwach sind; Nahkämpfer lassen sich nicht befördern.

Die Schotten sind zähe Kämpfer und in wirtschaftlichen Belangen schwerfällig, vor allem zu Beginn. Sie verfügen über Weber und Schäfer für die später notwendigen Kilts. Einen Jäger gibt es bei den Schotten nicht, dafür werden freilaufende Wildschafe eingefangen und neben der Wolle springt unter Salzeinfluss Pökelfleisch dabei raus. Bier meiden die Schotten und trinken lieber Whisky. Das große Manko der Kiltträger ist, dass ihre Wege selbst bei Überbelastung nicht ausgebaut werden, dafür sind ihre Zweihandschwert-Kämpfer ziemlich zäh, wobei die Kapazität der Militärgebäude die kleinste ist.

Das Katapult schießt automatisch auf gegnerische Militärgebäude.

Wie ihr euch sicherlich denken könnt, sind die Bajuwaren die goldene Mitte. Die Militärgebäude haben eine mittlere Kapazität und auf stark frequentierten Strecken werden in der "Schweinerey" gezüchtete Ochsen eingesetzt. Die Fleischerei produziert Bierschicken und anstelle von Brot gibt es Laugenbretzel. Mit den drei Völkern kommt also etwas Abwechslung in den Siedleralltag, schließlich spielt sich jedes Volk ein bisschen anders.

Militär

Je nach Volk sind die Soldaten unterschiedlich bewaffnet. Die Bajuwaren haben Hellebarden und Armbrüste, die Ägypter laufen mit Kurzschwertern und Bogenschützen auf und Langschwertkämpfer sowie Steinschleuderer gibt es bei den Schotten. Ausgebildet werden die Soldaten nicht mehr im Haupthaus, sondern in der Kaserne und dazu sind gewisse Waren nötig (z.B. Schwert, Münze, Kilt, Whisky). In der Kaserne findet nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Beförderung bzw. Verbesserung der Soldaten statt. Hierzu benötigt ihr Goldmünzen, die von der Kaserne automatisch angefordert werden. Jeder Soldat hat erstmalig individuelle Eigenschaftswerte wie Gesundheit (Lebenspunkte), Rüstung und Angriffsstärke.

Gekämpft wird passiv wie im Vorgänger: Der Angriffsbefehl wird über ein Menü am gegnerischen Gebäude ausgelöst. Hier lässt sich festlegen, mit wie vielen Soldaten attackiert werden soll und im Laufe des Kampfes ist dieser Wert nicht mehr veränderbar. Der Angriffsbefehl lässt sich auch auf gegnerische Gebäude auf einer anderen Insel anwenden. In diesem Fall werden sich die Soldaten zu einem Schiff begeben und zum Schauplatz chauffiert. Darüber hinaus stehen Katapulte zur Verfügung,

Premiere: Die Soldaten haben Kampfwerte.
die automatisch auf feindliche Militärgebäude schießen, sofern sie in Reichweite sind und mit Steinen befüllt wurden. Alles in allem ist das Kampfsystem nicht allzu komplex, aber im Vergleich zu "Die Siedler II" sind Verbesserungen zu erkennen, insbesondere weil Kampfwerte vorhanden und die Ergebnisse dadurch nachvollziehbarer sind. Dennoch gibt es einen großen Makel: Fern- und Nahkämpfer können nie gemischt in einer Festung platziert werden.

Kampagne, Endlosspiel & Pausen

Neben dem altbekannten Endlosspiel mit hauptsächlich symmetrisch gestalteten Karten gibt es eine Kampagne mit elf Missionen. Die fortlaufende Siedelei wird von einer Geschichte vorangetrieben, weil die Götter - allen voran Olympus -  unzufrieden mit den Menschen sind. Kurzerhand stellen sie den Sterblichen mehrere Aufgaben, die sie bewältigen müssen um nicht von der Erde gespült zu werden. Die Story mit den göttlichen Prüfungen und ein bisschen Verrat in den eigenen Reihen ist etwas unterhaltsamer als die "Geschichte" des Vorgängers, wo man von Portal zu Portal reisen musste, trotzdem ist die Präsentation gelinde gesagt schwach: Bei einem Flug über die Karte erblickt ihr Dialoge zwischen spärlich animierten und lippenamputierten Göttern und Engeln im Siedler-Look, die sich vor dem Karten-Hintergrund um die eigenen Achse drehen - selten haben animierte "Einheiten-Portraits" so mau ausgesehen. Dabei erzählen die guten Sprecher mit bemüht klischeehaften Namen und Texten "die Story".

Ohne Brunnen kommt die Last-Ochsen-Produktion nicht in Schwung.
Eine gute Präsentation sieht anders aus, vor allem weil ein Großteil der Zwischensequenzen nicht nur nervig wirkt, sondern penetrant und unvermittelt den Spielfluss unterbricht. Will man gerade die Erzproduktion in die Wege leiten, schwupps, Zwischensequenz, blablablubb, schwupps, wo war ich noch? Ähnliches gilt für unkommentierte Flüge über die Karte zur Veranschaulichung von Missionszielen. Sprachausgabe und eine Art Erzähler hätten sich fast angeboten - wäre jedenfalls wichtiger gewesen als die normalen Story-Cutscenes. Würden die Zwischensequenzen zumindest die typischen und allgegenwärtigen Siedler-Spielpausen (warten auf Ressourcen, dem wuseligen Treiben zuschauen, Aquarium-Effekt) unterbrechen, aber nein, die Videos sind so unglücklich platziert, dass sie in Aktionsphasen fallen und umso mehr stören.

Das Design der Missionen ist hingegen ordentlich, wenn man vom Story-Rahmen mal absieht - 60 mal Bier brauen und fünf Kasernen zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele zu bauen, ist etwas haarsträubend. Ansonsten müssen vorwiegend wirtschaftliche Ziele erreicht werden und zwischendurch darf gekämpft werden, was überraschenderweise fordernder ist als erwartet, da manche Computergegner aggressiv voranstürmen, selbst wenn es nur "Strauchdiebe" sind. Zudem ist es für Neulinge schwer ins Spiel zu finden, da es kein Tutorial gibt und sollte man das eigenwillige Wirtschaftssystem nicht aus dem Vorgänger kennen, möchte ich über die Lernkurve gar nicht nachdenken. Die vorhandenen Hilfetexte reichen nicht aus.

Die Online-3D-Lobby im Siedler-Look.

Online-Lobby, aber kein LAN-Modus

Mehrspieler-Partien werden neuerdings über eine Online-3D-Lobby abgewickelt, quasi ein Mini-Siedler-Dorf, in der sich der eigene Avatar im knuddeligen Siedler-Look frei bewegen kann. Hier kann man Mehrspieler-Partien betreten oder erstellen, chatten, die Freundesliste erweitern oder Post verschicken. Euer Avatar sammelt in den Partien Erfahrung sowie Geld und verändert seinen Look, was man beim Händler oder Schneider ebenfalls bewerkstelligen kann. Darüber hinaus lassen sich in den Wirtshäusern drei Minispiele starten (wohl zur Überbrückung von Wartezeiten): Würfeln, Texas Hold'em Poker oder Siedler-Bauernschach. Ein Mini-Mini-Mini-Online-Rollenspiel als Online-Lobby für ein Aufbaustrategiespiel ist trotzdem seltsam, jedoch niedlich anzusehen und stimmig. Fragt sich nur, warum man keine Netzwerk/LAN-Partien organisieren kann

Fazit

Im direkten Vergleich zum bloßen Remake "Die Siedler 2: Die nächste Generation" zeigt sich der "Aufbruch der Kulturen" leicht verbessert: Die drei Völker lassen nicht jede Partie gleich erscheinen und die Kampagne weiß mit mehr Abwechslung zu überzeugen – auch wenn die Story weder spannend noch unterhaltsam ist, die Präsentation wirklich schwach daherkommt und der Spielfluss zu oft unterbrochen wird. Dafür stimmt es im Kern des Spiels: Der Aufbau der Siedlung ist hübsch anzusehen, der Wuselfaktor ist außerordentlich hoch und der Feinschliff tut dem Wirtschaftssystem gut - wenn den Entwicklern nur etwas gegen den etwaigen Leerlauf einfallen würde, außer der Zeitbescheunigung. Das erweiterte Militär enttäuscht etwas: Zwar haben die Kämpfer jetzt Werte und es gibt mehr Einheiten, aber warum lassen sich keine Nah- und Fernkämpfer gemeinsam in eine Hütte stecken? Und zu der sonst so schnieken Online-3D-Lobby fallen mir nur zwei Dinge ein: Wann kommt Siedler Online (und vor allem warum) und weshalb fehlt der LAN-Modus? Unterm Strich schafft es das unkaputtbare Wirtschaftssystem mit seinen drei niedlichen Fraktionen nicht mehr die 80er-Hürde zu nehmen, dazu stört die Kampagne zu sehr und man hat zu schnell alles gesehen.

Pro

drei unterschiedliche Völker
Völker verwenden individuelle Waren
durchaus komplexes Wirtschaftssystem nach Siedler 2-Regelwerk
abwechslungsreiche Aufgaben in der Kampagne
sehr wuselig, Siedlung wirkt lebendig
komfortable Warenumverteilung bzw. Einlage-Priorität
hilfreiche Nachrichten, insbesondere "Stau an einer Fahne"
sinnvolle Reduzierung auf ein Universal-Werkzeug
Interface zeigt die Verfügbarkeit der Waren deutlich an
übersichtlichere Darstellung der Waren an Fahnen oder in Gebäuden, bzw. was gebraucht wird
zwei- und dreifache Zeitbeschleunigung
typische Dialekte der Völker (Klischees)
nette Online-3D-Lobby mit Minispielen

Kontra

Kampagnen-Geschichte
störende Spielpausen
Mischung aus vertonten und völlig stummen Zwischensequenzen
im Militärgebäude lassen sich Fern
und Nahkämpfer nicht mischen
kein Tutorial für Neulinge, Hilfetexte sind kaum hilfreich
man hat zu schnell alles gesehen
störende Zwischensequenzen und Hinweise im Vollbild
Aufgaben werden von Videos als erledigt angepriesen, obwohl sie es nicht sind (60 Biere brauen und schon bei 50 kommt die Zwischensequenz)
Charaktere in den Zwischensequenzen bewegen nicht die Lippen
keine Netzwerk/LAN-Funktionalität

Wertung

PC

Das tolle Wirtschaftssystem schafft es nicht die Story- und Militär-Schwächen auszubügeln.

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