Men of War22.05.2009, Marcel Kleffmann
Men of War

Im Test:

Arghhhh! Ich kann den virtuell verwursteten Zweiten Weltkrieg nicht mehr sehen! Kein Gelände ist so dermaßen ausgebombt wie das zwischen Normandie und Stalingrad. Doch gelegentlich robben positive Überraschungen aus den Schützengräben hervor und hierzu gehört auch "Men of War (ab 0,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen)" als Quasi-Gegenstück zu Company of Heroes - realistisch, hart und schwer...

Taktik und Realismus

Irgendwie kommt mir das basisbaufreie Echtzeit-Taktikspiel "Men of War" wie der krasse Gegensatz zu "Company of Heroes" vor: Präsentation und Kulisse sind bei Relics Weltkriegsspiel im Vergleich zu "Men of War" besser gelungen, genauso wie Einstieg, Zugänglichkeit sowie der Action-Faktor in den Schlachten. Doch in Sachen Realismus, Taktiktiefe, Schwierigkeitsgrad und Mikro-Management wird "Company of Heroes" von den "Männern des Kriegs" in den Schatten gestellt. Daher richtet sich "Men of War" an eine andere Zielgruppe in der

Mächtig viel Zerstörung: Ganze Gebäude können in Schutt und Asche gelegt werden und bei Explosionen werden Trümmer durch die Luft gepfeffert.Strategiefachschaft und zwar an taktikhungrige Haudegen mit Hang zum Realismus und dem Willen eine Mission mehrfach anzugehen, denn jede schief gelaufene Kleinigkeit kann bei dem Schwierigkeitsgrad zur Niederlage führen...

Drei Feldzüge

Doch langsam: Als Nachfolger von Faces of War beziehungsweise im Fahrwasser von Soldiers: Heroes of World War 2  müsst ihr als Kommandant gegen übermächtige Gegnerbastionen bestehen und dies in drei Kampagnen. Den Kern bildet der lange sowjetische Feldzug, der zum Glück weniger bekannte Schauplätze thematisiert und zwei befreundete Soldaten tief ins Hinterland führt, wo es zehn Missionen zu absolvieren gilt. Zwei knapp halb so lange Kampagnen mit Alliierten (US) und Deutschen führen in Richtung Nordafrika. Verbunden werden die Einsätze durch kleine Geschichten von der Front, die in extrem verwaschenen oder übertrieben weich gezeichneten Zwischensequenzen fortgeführt werden und weder sonderlich spektakulär noch in irgendeiner Form ergreifend sind. Warum hat man die Videos nicht gleich in der Spielengine realisiert? Da außerdem die Qualität der deutschen Sprachausgabe von 

Download: Englische Demo (248 MB)

Download: Patch 1.11.3 (97,8 MB)

Weitere VideosPerson zu Person stark schwankt, nicht zu den Lippenbewegungen der Protagonisten passt und die Figuren über keinerlei Mimik verfügen, hinkt die Präsentation mehrere Jahre zurück. Der schlechte und rabiate Schnitt in den Cutscenes unterstreicht diesen Eindruck.

Besser als die Storypräsentation ist das Design der Missionen, das sich zugleich von "Faces of War" abhebt, weil die Einsätze nicht mehr auf so viel Action und Krachbumm getrimmt sind. Zwar gibt es einige Aufgaben, in denen es mächtig zur Sache geht und an allen Ecken und Enden Artillerie oder Panzer ganze Häuserreihen ausradieren, aber danach folgen ruhigere Missionen zur "Entspannung", stellenweise mit Schleichaspekt à la

Die Physik-Engine berechnet die Flugbahnen der Geschosse individuell und Querschläger oder überraschend durch die Luft sausende Trümmerteile werden zu weiteren Gefahrenquellen.
Commandos. Für letztere bietet sich förmlich das "Unit Direct Control"-Feature an, mit dem ihr eure Einheiten aus der Third-Person-Perspektive eigenhändig steuern und die Waffen/Fertigkeiten manuell auslösen könnt. Sogar die Sichtlinien der Gegner lassen sich einblenden. In hektischen Schlachten mit mehreren Brennpunkten ist das "Unit Direct Control"-Feature nicht sonderlich nützlich, in "Schleichmissionen", mit präzise platzierten Schüssen aus der Deckung heraus, schon.

Ein hartes Gefecht

Ansonsten dürft ihr in den Missionen eine ganz ordentliche Vielfalt an mehrstufigen, sich weiterentwickelnden und kartenvergrößernden Zielen lösen. Zum Beispiel müsst ihr Minen und Panzerfallen aus dem Weg schaffen, Transporte stoppen, Untergrundattacken mit wenigen Männern starten, Stellungen halten/angreifen/verteidigen und währenddessen allerlei feindliche Truppen ausschalten oder zurückschlagen; manchmal unter Zeitdruck. Veranschlagen könnt ihr für eine Mission zwischen 30 Minuten oder gerne mal ein bis zwei Stunden und das unter anderem, weil oft mehrere Anläufe nötig sind, um die bewusst schweren Einsätze zu schaffen. Unfair sind die Aufgaben größtenteils nicht, dafür sehr fordernd, Fehler werden unerbittlich bestraft und die Kampftaktiken müssen ständig an die Veränderungen auf dem Schlachtfeld angepasst werden. Glücklicherweise darf jederzeit gespeichert werden. Außerordentlich toll ist, dass jede Mission im Mehrspieler-Modus kooperativ gespielt werden kann, was den Schwierigkeitsgrad leicht senkt, da sich die gemeinsam agierenden Spieler absprechen und besser koordinieren können.   

Mikro-Management

Das mit Mini-Buttons vollgestopfte Benutzerinterface am unteren Bildschirmrand ist eure Truppenkommandozentrale, in der ihr Aggressivität, Bewegungsart, Feuermodus sowie Formation der Einheiten an eure taktischen Wünsche anpasst - wobei im oberflächlichen Tutorial glatt vergessen wird, ein Großteil dieser Funktionen auch nur zu erwähnen. So erschließt ihr die meisten Steuerungsmöglichkeiten per Learning-by-Doing oder Handbuchstudium, insbesondere das Entschärfen der Minen dürfte die erste Hürde darstellen. Weil Munitions- und Granatenvorräte ebenso begrenzt sind wie der Treibstoff der Panzer können ausgeschaltete Gegner nach nützlichen Dingen durchsucht werden. Mikro-Management bei jedem Soldaten heißt das Zauberwort.

Der Realismus

Wie schon angedeutet, spielt der Realismusgrad in einer eigenen Liga und das nicht nur weil es unterschiedliche Munitionstypen gibt oder Infanteristen sogar das dicke MG-Geschütz aus einem defekten Panzern bergen können: Jeder Soldat steckt nur wenige Schüsse weg, Artillerie löscht ganze Armeen binnen Sekunden aus und Panzer sind von Vorne so gut wie unangreifbar. Durch Flammenwerfer oder geschickte Attacken von Hinten sind die Blechdosen zu knacken, sofern die Stahlkolosse die anrückenden Gegner nicht bemerken und ihr überhaupt nahe genug herankommt. Selten war es so schwer, aber im Nachhinein auch so befriedend einen Panzer mit der Infanterie auseinander zunehmen. Die verletzlichen Soldaten in Deckung zu halten und von sicherer Passage zu Passage zu geleiten, ist sowieso unumgänglich, denn kopf- und taktiklose Vorstöße werden mit Verlusten bestraft. Diese wirken gleich doppeltschwer, da es keine Kaserne oder Fahrzeugfabriken gibt, in denen ihr neue Einheiten rekrutieren bzw. bauen könnt. Ihr seid darauf angewiesen eure Anfangstruppen möglichst lange am Leben zu halten und auf Verstärkung zu hoffen...

Geschosse können die Panzerungen sogar durchschlagen.
 Im Vergleich zu "Faces of War" sind eure Soldaten nicht mehr ganz so selbstständig, dass sie euch das Taktieren und Attackieren abnehmen. Nichtsdestotrotz vereinfachen die Truppen das Mikro-Management durch intelligente Eigenaktionen: Bei Beschuss gehen die Soldaten automatisch in Deckung, schmeißen sogar Granaten auf Panzer oder packen in einer ruhigen Minute das Medipack aus. Besonders in größeren Gefechten ist dieses Eigenleben Gold wert. Zwischendurch fällt auf, dass die prinzipiell gute Computerintelligenz mal die Nerven verliert und eure Mannen die sichere Deckung grundlos und ohne Befehle verlassen, um im Kugelhagel zu sterben. Danach hilft nur Neuladen. Ähnliche Ausfälle gibt es bei den KI-Gegnern zu beobachten, die bei Beschuss manchmal untätig bleiben stehen. Zudem scheint die komplett zerstörbare Umgebung die Wegfindung der Soldaten zu stören, da sie häufig Umwege anstatt des kürzesten Weges in Kauf nehmen und sich unnötig in Gefahr bringen.

Mehrspieler-Modus

Abseits der tollen Möglichkeit die Kampagnenmissionen gemeinsam zu lösen, dürfen im Multiplayer-Modus via LAN oder Online fünf weitere Spielmodi ausprobiert werden. Neben der Zerstörung von möglichst vielen gegnerischen Einheiten, einer Flaggen- und einer mehrstufigen Fronteroberung könnt ihr in einer Art "Capture the Flag"-Modus teamweise gegeneinander antreten.      

Fazit

Obwohl der Zweite Weltkrieg als Szenario mehr nervt als motiviert, muss ich bei Men of War eine Ausnahme machen. Das Echtzeit-Taktikspiel im Fahrwasser von Faces of War und Soldiers: Heroes of World War II besticht durch lange Missionen mit viel Abwechslung, intensiven Gefechten und einen Realismusfaktor, den man bei anderen Spielen vergebens sucht. Der Preis dafür ist ein knackiger Schwierigkeitsgrad, der taktische Fehler kaum verzeiht und mit der Übersicht ist es in den hektischen Gefechten so eine Sache - zum Glück sind eure Soldaten autark in der Lage zu überleben. Doch das "Hurra"-Erlebnis nach dem erfolgreichen Abschluss einer Mission ist hier umso intensiver, stellenweise freut man sich sogar, einen dicken Panzer ohne Verluste geknackt zu haben - das ist einmalig! Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt: Bei dem Einstieg haben die Entwickler von Best Way den umständlichen Learning-by-Doing-Weg gewählt und gelegentlich setzen Wegfindung sowie KI aus. Schlimmer wiegt, dass das Interface so umständlich ist, dass das Mikro-Management der Einheiten zu aufwändig wird. Außerdem hat die Storypräsentation in den Kampagnen mehrere Jahre verschlafen. Für knallharte Echtzeit-Taktiker ohne Faible für Basisbau, die gerne an langen Missionen sitzen und sich nicht von dem Schwierigkeitsgrad abschrecken lassen, ist Men of War aber das derzeitige Nonplusultra.

Pro

lange Missionen mit viel Abwechslung
große Taktiktiefe
intensive Gefechte
vielseitige Soldaten
besserer Einsatz der direkten Kontrollfunktion
fordernder Schwierigkeitsgrad
Deckung ist sinnvoll
Bonus-Missionen und Karten-Editor
Soldaten reagieren auch selbstständig
hoher Realismus: Munition, Sprit, Panzerungen, etc.
Schadenssystem
zerstörbare Umgebung
kooperativer Multiplayer-Modus

Kontra

viel Learning-by-Doing (rudimentäres Tutorial)
Storypräsentation
KI-Aussetzer
sehr knackiger Schwierigkeitsgrad
Mikro-Management-Stress bei vielen Einheiten
harter Einstieg, unzureichendes Tutorial
umständliches Interface
günstig wirkende Musik
hakende Wegfindung
schwankende Sprachausgabe

Wertung

PC

Schwere und lange Schlachten mit viel Taktik und Realismus für Profis. Einstieg und Präsentation hinken mehrere Jahre hinterher.

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