Ceville19.02.2009, Jan Wöbbeking
Ceville

Im Test:

Die dunkle Seite ist stark in mir, ich kann es spüren. Wozu Milde walten lassen, wenn man nervende Untertanen auch auf heimtückische Art ärgern kann? Nicht nur seiner herzensguten Gefährtin Lilly führt der grinsende Ex-Diktator Ceville (ab 0,39€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ein ums andere mal vor Augen, wie schön die Boshaftigkeit sein kann. Auch mich hat der kleine Fiesling nach und nach auf seine Seite gezogen.

Der ewige Kampf zwischen Böse und Böse

Ach Quatsch: Eigentlich habe ich mich schon in ihn verguckt, als er das erste mal in unnachahmlich graziler Art mit seinem kastenförmigen Körper durch den Palast watschelte. Damals, in den guten alten Zeiten, als er den undankbaren Pöbel noch mit der vollen Härte des Gesetzes - pardon - seines Gesetzes traf.

Die dämlichen Palastwachen führt ihr mehrmals mit Dialogen und Verkleidungen an der Nase herum.
Ab in den Steinbruch hieß die universelle Antwort auf alle Anfragen. Doch dann fiel ihm der noch fiesere Fiesling Basilius in den Rücken, um die Macht an sich zu reißen und das Königreich Faeryanis ins Unglück zu stürzen. Keine Frage, dass ich ihm mit Rat und Tat, mit Point und Klick zur Seite stehe, auf seiner Mission zur Wiedererlangung seiner rechtmäßig an sich gerissenen Alleinherrschaft. Immerhin springen im Erstlingswerk der Münchner Spieleschmiede Realmforge jede Menge zynischer Sprüche für mich heraus - und allerlei clever designte Kombinations-Rätsel, teils mit mehreren Charakteren.

Neben Ceville darf ich nämlich auch andere Neurotiker steuern. Dazu gehört der eben so trottelige wie selbstverliebte Paladin Ambrosius. Er möchte Ceville zur Strecke bringen, scheitert aber in der Regel daran, dass er sich 99% der Zeit über um seine wallende Haarpracht kümmert. Auch Lilly navigiert ihr durch die märchenhaften 3D-Kulissen. Die herzensgute Unschuld vom Lande schlägt sich auf die Seite des kleinen Tyrannen, um das größere Übel in Form von Basilius zu verhindern. Und irgendwie scheint sie im Laufe des Abenteuers Gefallen an den konsequent fiesen Kommentaren des putzigen Tyrannen zu finden. Sie wird zwar nicht müde, ihn immer wieder zurechtzuweisen, wenn Ceville neuen Charakteren auf Anhieb Beleidigungen an den Kopf knallt. Das letzte Wort überlässt sie aber stets dem kleinen Fiesling, der sein Handeln erstaunlich stringent begründet. Warum sollte man z.B. eine gute Fee befreien, wenn man gar nicht weiß, ob sie einem lebendig noch nützlich ist? Vor allem, da sie zur Erfüllung von Wünschen nicht beschaffbare Formulare mit kryptischen Bezeichnungen verlangt.

Lästige Demokratie...

Das Ziel ist klar: Die Gesandten aller Völker, wie der Raid-süchtigen Helden, der Dämonen, der hocheffizient wirtschaftenden Zwerge und der Geisterwesen müssen zur großen Versammlung in die Ratshalle kommen. Dort sollen sie für Gwendolyn und gegen Basilius abstimmen. 

Die geläuterten Schurken wie das Ex-Bossmonster, der röchelnde Schwarze Ritter und der Zombie-Pirat drücken die Schulbank in der Resozialisierungsgruppe der guten Fee.
Tun sie das nicht, bleibt Letzterer geschäftsführend im Amt und stürzt das Königreich in ein noch größeres Unglück als Ceville. Der hat seine Untertanen schließlich nicht aus finsteren Beweggründen, sondern lediglich aus Lust am Sadismus gequält.

Die knobellastige Reise führt mich in unterschiedliche Winkel des Herrschaftsgebietes, wie die Stadt, eine sonnige Insel, das Zwergenbergwerk und einen Friedhof. Die gute Fee hatte den feuerroten, lispelnden Dämon im Resozialisierungskurs in ein echtes Weichei verwandelt. Doch solch ekelhaftes Gutmenschentum stellt kein Problem für Ceville dar: Ein paar Rätsel später steht der Fürst der Finsternis wieder dort, wo er hingehört: Im Reich des Todes, also auf dem Friedhof. Damit er seinem alten Geschäftsmodell des Helden anlockens und Schätze hortens als klassisches Bossmonster nachgehen kann, muss ich ihm ein standesgemäßes Dungeon vermitteln.

              

Warum liegt denn hier Stroh?

Das Spiel ist bis zum Rand vollgestopft mit Anspielungen auf alle möglichen Spiele und Filme aus dem Fantasy-Bereich und anderer Genres. Die Finanzwelt wird ebenfalls durch den Kakao gezogen:

Natürlich darf auch eine tropische Strandbar nicht fehlen.
Wenn die raffgierigen Zwerge den Wald der Hippie-Elfen abholzen, sind daran natürlich die Investoren schuld. Auch Youtube-Insider wie »Warum liegt denn hier Stroh?« tauchen auf. Die Kommentare haben zwar meist keinen Einfluss auf die Handlung, sorgen aber für jede Menge Situationskomik.

Doch Ceville hat mehr zu bieten als alberne Sprüche: Ein ganzer Wust an teils miteinander verknüpften Kopfnüssen ist dafür verantwortlich, dass man viele unterhaltsame Stunden im Königreich verbringt. Mal bin ich alleine unterwegs, mal müssen sich z.B. Ceville und Lilly aushelfen, indem ich zwischen ihnen hin und her schalte und Gegenstände austausche wie in dtps Undercover: Doppeltes Spiel. Bisweilen teilt sich sogar der Bildschirm wie in Gangsterfilmen und ich darf das Duo unter Zeitdruck zusammenarbeiten lassen. Ceville lockt beispielsweise die Schauspielrin H-Lo mit dem Spotlight zur Falltür und Lilly drückt auf's Knöpfchen. Manchmal hat sogar euer Verhalten an der Maus Einfluss auf die Rätsel. Mehr möchte ich dazu nicht verraten, um euch nicht den Spaß zu verderben.

Benutze alles mit allem?

Damit man in den hübsch gestalteten Kulissen keine winzigen Gegenstände übersieht, zeigt ein sinnvolles Hilfe-System an, welche Dinge sich betrachten lassen und welche Kombinationen sinnvoll sind. Auch davon abgesehen haben

War auch schon mal loyaler: Cevilles neuer Gegenspieler Basilius.
die Entwickler mitgedacht. Habe ich einen entscheidenden Gegenstand eingesackt  und stehe am richtigen Ort, werden offensichtliche Aktionen oft automatisch von den Charakteren erledigt.

Andererseits wirkt das Spiel so, als hätte es noch ein, zwei Monate Feintuning gebraucht: Häufig aktiviert der Mauszeiger nicht das, was ich will. Vor allem, wenn ich kleine Gegenstände treffen wollte, musste ich den Zeiger erst einmal eine Weile hin und her bewegen. Außerdem sorgt die Kameraperspektive ab und an dafür, dass man wichtige Gegenstände übersieht. Nachdem z.B. die Gute Fee im Gefängnis auf der Bank eingeschlummert ist, musste ich Ceville erst einmal im richtigen Winkel vor den Gitterstäben platzieren, damit die Kamera mir ihren Zauberstab zeigte.

Technische Nicklichkeiten

Ihr solltet also jeden Schauplatz aus allen Perspektiven betrachten und nahe liegende Lösungen mehrmals ausprobieren. Statt verzweifelt nach alternativen Lösungswegen zu suchen, müsst ihr die Dinge oft nur in der richtigen Reihenfolge angehen. Auch die Vertonung wirkt noch ein wenig fehlerhaft.

Kein abstruser Charakter, sondern ein Fehler: Die Charaktere laufen häufig in ihr Gegenüber hinein oder sogar hindurch
Die Synchronisation mit bekannten Sprechern wie denen von Doug aus King of Queens und Angelina Jolie wirkt bis auf ein paar Betonungsfehler sehr gelungen. Bisweilen spulen die Charaktere aber mehrere Dialoge gleichzeitig ab. Das daraus resultierende Durcheinander klingt dann ähnlich verständlich wie eine hitzige Debatte bei Anne Will. Das ist zwar nicht weiter tragisch, sorgt aber ebenso für unfreilwillige Schmunzler wie die Tatsache, dass die Charaktere oft munter in ihr Gegenüber hinein oder durch es hindurch laufen.

Auch die Bildrate hätte bei hohen Einstellungen einen Deut flüssiger ausfallen können. Die Welt ist zwar hübsch in Szene gesetzt, aber trotzdem sollte ein potenter PC sie locker ruckelfrei darstellen können. Immerhin dürft ihr auf älteren Rechnern die Auflösung herunterschrauben. Der unauffällige Soundtrack passt übrigens zum Geschehen, hält sich aber eher dezent im Hintergrund.        

Fazit

Böse sein macht Spaß! Endlich kann ich wieder nach Herzenslust den egozentrischen Fiesling raushängen lassen - und Ceville gibt mir mit seinen zynischen Kommentaren die perfekte Rechtfertigung dafür. Schon nach kurzer Zeit ein genau so breites Grinsen im Gesicht wie der herrlich fiese Tyrann. Ganz so abgedreht und feinsinnig wie in Edna sind die Dialoge nicht, sorgen aber trotzdem für unzählige Lacher. Die alberne Geschichte plätschert gemütlich vor sich hin, doch bei diesem Konzept ist das Nebensache: Das Spiel setzt den Fokus klar auf die gelungene Situationskomik, welche im klassischen Stil von Terry Pratchett und Douglas Adams aktuelle Themen überspitzt in die Fantasy-Welt überträgt. Eine weitere Stärke sind die vielen clever ausgetüftelten Rätsel, die ihr mal alleine, mal im Team angeht. Der Schwierigkeitsgrad steigt angenehm linear an. Alles mit allem kombinieren ist hier nicht drin und auch übertrieben abstruse Rätsel tauchen nicht auf. Die dynamische Hilfe sorgt ebenfalls für angenehmes Knobeln. Trotzdem werdet ihr ziemlich lange damit beschäftigt sein, die zahlreichen Kopfnüsse zu knacken. Schade, dass vor dem Release nicht noch etwas mehr an dem Spiel gefeilt wurde. Kleine technische Nicklichkeiten und durch eine ungünstige Kamera verdeckte Gegenstände können mitunter für Frust sorgen. Wenn ihr unsere Komplettlösung im 4P-Spieletipps-Bereich zur Hilfe nehmt, stellen aber auch sie kein Problem dar. Wenn ihr eine Vorliebe für skurrile Fantasy-Figuren, alberne Gags und wohldurchdachte Kopfnüsse habt, solltet ihr euch Ceville auf keinen Fall entgehen lassen!

Pro

<P>+&nbsp;albernes Charakter-Design mit liebenswerten Fieslingen+&nbsp;selbstironische Fantasy-Welt+&nbsp;hübsch gestaltete 3D-Kulissen+&nbsp;viele Seitenhiebe auf Spiele, Filme und Zeitgeschehen+&nbsp;viele clever entworfene Rätsel+&nbsp;Denksportaufgaben mal über einen, mal über mehrere Bereiche+&nbsp;Kombinationsrätsel mit&nbsp;verschiedenen Charakteren+&nbsp;gelungener Anstieg des Schwierigkeitsgrades von einsteigerfreundlich bis knackig+&nbsp;keine irrwitzig unlogischen Kopfnüsse+&nbsp;Hilfe-System zeigt sinnvolle Kombinationen an+&nbsp;gute Synchronisation</P>

Kontra

<P>
selten aber ärgerlich: ungünstige Kamerawinkel verdecken wichtige Dinge
Cursor aktiviert nicht immer das, was man anklickt
Charaktere laufen munter durch andere hindurch
Figuren reden manchmal wild durcheinander</P>

Wertung

PC

Fiese Kommentare und interessante Rätsel: Die Abenteuer des Ex-Tyrannen Ceville sorgen für jede Menge Rätselspaß.

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