Divinity 2: Ego Draconis03.08.2009, Bodo Naser
Divinity 2: Ego Draconis

Im Test:

Der Vorgänger Divine Divinity war nicht sonderlich einfallsreich, so dass wir von Divinity 2: Ego Draconis (ab 9,99€ bei kaufen) nicht gerade viel erwartet haben. Doch manchmal wird man eines Besseren belehrt, denn das umfangreiche 3D-Rollenspiel ist besser als gedacht. Es weckt in seinen Glanzmomenten sogar Erinnerungen an Gothic, Oblivion und Co.

Der Drache in dir

Seit Terry Prachetts Scheibenwelt-Romanen wissen wir: Ein Drache ist ein Untier, das man sich im wesentlichen einbildet. Jeder stellt sich seinen persönlichen Drachen vor, 

Bis man selbst als Schuppentier durch die Lüfte düsen kann, dauert es ne Weile. Die Mühe lohnt sich aber. 
mit dem man sogar durch die Luft düsen kann - vorausgesetzt man glaubt daran. Ansonsten droht der jähe Absturz. Bei Divinity 2 geht's hingegen eher düster zur Sache, denn der Held hat keine Halluzinationen, sondern mutiert schrittweise zum Lindwurm. Denn wer möchte nicht einmal Feuer spucken können? Allerdings ist der Weg lang und steinig, denn man ist anfänglich ein Drachentöter, der das geschundene Land von den Horden des Schwarzen Rings befreien soll. Diese Drachenjäger sind die einzigen, die sich Damian entgegenstellen - der menschlichen Wiedergeburt des Herrn der Finsternis. Ab einer gewissen Stufe kann man sich in ein mächtiges Urzeitgeschöpf verwandeln, das sich luftige Duelle mit dessen Dämonen liefert.

Anders als in vergleichbaren Fantasy-Gefilden sorgt die Drachenmagie in Rivellon nicht nur für Verwüstung sondern auch für aufkeimende Hoffnung. Das merkt auch der Spieler von der ersten Minute an, wenn er erfährt, dass er zu den Guten gehört. Zumindest vorerst, denn düstere Verlockungen lauern bekanntlich an jeder Straßenkreuzung. Passanten beglückwünschen den angehenden Helden und nur wenige verspotten ihn - wohl klammheimliche Anhänger Damians. Obwohl man sich zunächst noch nicht in einen Feuerspeier verwandeln kann, ist man dennoch eine Respektsperson, Wachposten lassen einen durch und bisweilen kann man sogar Befehle erteilen. Doch dann kommt es zur Katastrophe: Die Drachentöter werden in eine Falle gelockt und vernichtet. Fortan ist man der einzige Verbleibende seiner Zunft. Klar, dass man nun Rache für seine toten Kollegen nehmen soll.

Turm zu vermieten

Allerdings ist man zu Beginn ein Frischling, der erst rausfinden muss, wie der Hase läuft. Man spielt einen niederen Söldner, der die Bauern vor wilden Tieren beschützt und schon damit seine liebe Mühe hat. Selbst ein altersschwacher Goblin kann

Lord Lovis Refugium ist ein lohnendes Ziel, das aber nur eine kampfintensive Etappe markiert.
einen anfangs verletzten, denn nur im Tutorial sind die einäugigen Gesellen harmlos. Später wird man dann Horden von ihnen metzeln, ebenso wie Skelette, Mutanten oder Räuber. Doch zu Beginn ist man froh, wenn man sich nicht zu weit vom schützenden Dorf entfernt, in dem das Soloabenteuer startet. Obwohl der Einstieg leicht fällt, ist es einem nicht recht geheuer, dass alle einen für einen echten Drachenritter halten. Man hat noch nichts getan und ist schon der Hoffnungsträger im Trümmertal, das von einem riesigen Turm dominiert wird, der an eine kleinere Version von Saurons Behausung erinnert.

Dies war einst Lord Lovis luftiges Refugium, der lange das Sagen im von vielen Wasserläufen durchzogenen Gebirgstal hatte. Ein mythischer Ritter, der eine eiserne Herrschaft etablierte, das Gesindel fern hielt und so für Ordnung im Tal sorgte. Doch dann traf ihn der Fluch eines übermächtigen Widersachers, der ihn in ewige Verdammnis warf. Sein Reich zerfiel und Unholde überschwemmten das Land. Erst nach einigen Erfolgen wagt sich der Spieler überhaupt in die Nähe des riesigen Turmes. Ein Priester des neuen Kultes gibt einem den wahnwitzigen Auftrag, ein Artefakt im Turm zu suchen. Aber wie reinkommen, denn die Tore sind scharf bewacht? Wer nur in deren Dunstkreis kommt, wird mit einem Hagel aus Giftpfeilen und Zaubern eingedeckt. Überall Untote soweit das Auge reicht und dennoch führt kein Weg am Turm vorbei.

Richtig reinknien

Dieses Beispiel zeigt, wie die Aufgaben bei Divinity 2 einen motivieren. Zuerst erfährt man fast beiläufig von einem Gesprächspartner im Multiple-Choice-Dialog von einem Problem, das zu lösen ist. Bisweilen sind Questgeber allerdings

Der Zauberlehrling braucht Nachhilfe in Form eines Artefakts, das ihm auf die Sprünge hilft. Dann klappt's mit der Kreatur.
etwas versteckt, weshalb man immer alles genau anschauen sollte. Ähnlich wie bei Gothic dauert es, bis man überhaupt zur Lösung schreitet. Man braucht Geduld wie im richtigen Leben und macht derweil halt etwas anderes. Es ist nicht wie z.B. in Oblivion gleich klar, wo man hin muss und man kann auch nicht per Abkürzung direkt an den Ort des Geschehens gelangen. Vielmehr muss man sich regelrecht durcharbeiten - und das kann dauern. Stapel von Büchern wollen auf der Suche nach Tipps durchforstet, teils knackige Rätsel geknackt und Horden von Feinden gemetzelt werden, um die Belohnung zu kassieren, die man selbst wählen kann. Auf einer ganz anderen Mission kann man schließlich vielleicht den entscheidenden Hinweis finden, der zum Ziel führt.

Man spricht beispielsweise mit einem Nekromantenlehrling, dessen Höhle hinter einem Lager der Kobolde liegt, darüber, dass es bei ihm mit dem Beschwören der Toten nicht klappt. Er schafft es einfach nicht, die Kreaturen an sich zu binden, weshalb sie immer wie von Sinnen weglaufen. Der Spieler soll ihm helfen, wobei er mit einer Kreatur lockt, die einen fortan begleitet. Dafür braucht man einen besonderen Totenschädel, den man aus einer verschlossenen Kiste zieht. Allerdings ist es den Kameraden von der Stadtwache gar nicht recht, dass man sich mit einem Totenbeschwörer einlässt. Das passe nicht zum Ruf eines Drachentöters. Egal, schließlich ist man nicht mehr allein. Ans Herz wächst einem das Vieh aus Leichenteilen aber nicht richtig, obwohl es sich wie ein Schoßhündchen gebärdet und gut mitkämpft.

                             

Welt für Abenteurer

Wenn man unterwegs ist, merkt man erst, wie groß das Tal ist. Die Nebenarme erstrecken sich ähnlich weit wie in der Barriere aus Gothic 1, obwohl alles noch größer wirkt. Und das ist längst noch nicht alles. Bis auf ein paar Begrenzungen ist

Die abwechslungfsreiche Umgebung harrt der Erkundung, auch wenn die manchmal schwimmend erfolgt.
alles zugänglich, man kann ans andere Ufer schwimmen und überall gibt es was zu entdecken, wobei Zufälle die Erkundung prägen. Hier findet man einen seltsamen Grabstein im dichten Gras, dort eine Wahrsagerin auf einer Lichtung und hinter einem Hügel ist eine verlassene Mine. Was hat es mit all dem auf sich? Vieles ist mit einem Rätsel verbunden, das es zu lösen gilt. Nicht selten gibt es sogar mehrere Lösungswege, wie etwa bei der Zitadelle, die nicht nur einen Eingang hat. Leicht ist freilich keiner der Pfade, aber immerhin sind Stürze ungefährlich, selbst wenn sie von einer Bergkuppe erfolgen. Das ist vielleicht nicht sehr realistisch, eröffnet aber auch völlig neue Wege.

Zudem locken viele Schleichwege, die einen ganz woanders hinführen als gedacht. Man steigt in eine Klappe, durchquert einen Dungeon und landet mitten im Lager der Goblins, die sich über eine Portion Frischfleisch freuen. Die Reisen werden durch ein System aus Portalen verkürzt. Aber wer will, kann auch alles ablaufen, ohne magischen Schnickschnack in Anspruch zu nehmen. Lediglich die Bergeshöhen sind tabu. Einmal getötete Feinde kehren wie bei Gothic nicht mehr zurück, was Feinden des Respawning gefallen dürfte. So kann man es genießen, dass man alles aufgeräumt hat und die Welt nicht mehr vor Unholden wimmelt wie am Anfang, als man vor Tagen ankam. Kein Wunder, dass das Spiel für forsches Vorgehen Erfolge verteilt.

Feinde satt

Die Kämpfe orientieren sich eher am Action-Rollenspiel und weniger an Gothic. Sie sind meist hart, aber eine richtige Taktik

Fast überall lauern gefährliche Monster und Gestalten, die niedergekämpft werden müssen.
braucht man eigentlich kaum. Als Krieger schlägt man auf den nächstbesten Gegner ein, worauf der nach einigen Hieben den Geist aufgibt. Hat man noch genug Lebenskraft, knöpft man sich den Nächsten vor. Ansonsten heißt es - Tränke schlucken oder warten, bis man geheilt ist. Ein magischer Gürtel beschleunigt die Heilung zum Glück etwas, sonst dauert es schon etwas, bis die grob 297 Punkte wieder drauf sind. Trifft man auf Schützen, Heiler oder Magier hüpft man am besten auf sie zu und macht Rollen in der Luft, was einfacher ist, als es klingt. Sie verschießen nämlich Geschosse, denen es auszuweichen gilt, soweit das möglich ist, sind aber auch meist schneller tot als die stabileren Nahkämpfer.

Während die Gegner jeder für sich kaum Gefahr verströmen, können sie in größeren Gruppen eine enorme Bedrohung für das eigene Leben darstellen. Das erinnert ebenfalls an Gothic und zum Glück verzichtete man hier darauf, die Gegner wie bei Oblivion an die Stufe des Spielers anzupassen. Es kommen die typischen Fantasymonster vor, die aber etwas anders aussehen. So haben die Goblins ein Auge in der Mitte - man fragt sich, wie sie damit überhaupt zielen können. Egal,  Kobolde treten meist im Clan an, den man dann ausrotten muss. Die meisten Gegner haben menschliche Ausmaße, übergroße Gegner wie Trolle sind jedenfalls selten. Härter als die üblichen Verdächtigen sind Anführer, Offiziere oder Häuptlinge, die man niederringen muss. Zum Glück lassen sich jederzeit Tränke schlucken, die einen heilen, die Kraft verbessern oder Mana auffüllen. Letzteres braucht man für Spezialattacken und Zauber, die den Feind zusätzlich schädigen.

Fantasy-Waffen

Die Waffen sind durchweg mittelalterlich, wobei sie sich vom Aussehen

Der Held schleppt das übliche Fantasy-Arsenal mit sich rum, obwohl die Traglast begrenzt ist.
her an das seit Jahren übliche Fantasy-Design halten, das nicht ohne angebaute Schnörkel, Klauen und Gravuren auskommt. So realistisch wie bei Mount & Blade ist die Bewaffnung also nicht, die aus Ein- und Zweihandwaffen besteht. Es gibt Schwerter, Äxte und Bögen. Geschützt wird der Ritter von Rüstungen, Helmen und Schilden, der ebenfalls eher fantasievoll denn besonders realistisch anmuten. Die Waffen haben ihren Grundwert, wobei bei außergewöhnlicheren Gegenständen ein magischer Schaden hinzukommt. Die Waffen sind wartungsfrei und müssen nicht repariert werden, so dass der Schmied nicht viel zu tun hat, als einem Eisenkram zu verkaufen. Man muss allerdings eine bestimmte Stufe erreicht haben, um eine bessere Axt zu verwenden.

Besondere Waffen haben weitere Verzauberungs-Effekte. Mit ihnen kann man z.B. den Feinden Magie entziehen, sie zusätzlich vergiften oder verbrennen. Wer mit einer magischen Axt zuschlägt, verursacht zunächst den normalen Schaden, wozu eine magische Entladung hinzukommt, wenn die Prüfung gelingt. Diese Magie kann nach Belieben aufgebaut werden, was aber komplizierter als bei Diablo funktioniert. Man braucht den richtigen Mann, Geld und Edelmetalle. Es reicht also nicht, dass man wie beim Action-Rollenspiel aus dem Hause Blizzard einfach einen anderen magischen Edelstein einsetzt. Immerhin kann man die Waffen hinterher auch wieder entzaubern, wenn's nicht gefällt. 

               

Charakterentwicklung

Die Entwicklung des Helden ist einfach gehalten: Es gibt eine Hand voll Werte wie Lebenskraft, Geschicklichkeit oder Intelligenz, die man beeinflussen kann. Bei jedem Levelaufstieg kommen fünf Punkte hinzu, die man frei verteilen kann. Ein Krieger sollte freilich in erster Linie stark sein und lange durchhalten, aber es kann auch nichts schaden, wenn er nicht der Dümmste ist und sich zu bewegen weiß, zumal ein Kämpfer auch Mana für seine Spezialangriffe braucht. So wird man auch belohnt, wenn man die für seinen Charakter untypischen Werte nicht gänzlich vernachlässigt.

Es gibt grundsätzlich drei Klassen: Krieger, Waldläufer und Magier, die aber nicht so festgelegt sind wie bei vergleichbaren Rollenspielen. Die Charakterentwicklung ist zwar nicht ganz so frei wie bei Gothic, aber jeder kann grundsätzlich die Spezialeigenschaften von allen Klassen ausbauen, wenn er das möchte. So kann ein Krieger auch Feuerbälle verschießen und ein Magier bis zu einem gewissen Maß kämpfen lernen. Unerlässlich ist es etwa, dass man Schlösser knacken kann, denn sonst bleiben die guten Kisten verschlossen. Dennoch bleiben die ganz schweren Waffen und Bögen bzw. die besseren Zauber für die Angehörigen der jeweiligen Klasse reserviert. Über die Fähigkeiten seiner Klasse, für die man sich anfänglich entscheidet, und die Drachenmagie, die man sich erarbeiten muss, verfügt ohnehin jeder.

Reale Umgebung

Die 3D-Welt ist mit all ihren Details glaubwürdig genug, 

Die Gebäude sehen etwas klobig aus. Dennoch gibt es auch was fürs Auge.  
dass man sie erkunden will. Bäume, Pfade und Wasserläufe sind durchaus realistisch dargestellt, auch wenn die Felsen oft etwas klotzig wirken. Das gilt auch für die Gebäude, deren mittelalterliche Architektur etwas klobig aussieht. Doch es gibt durchaus bauliche Highlights wie die Zitadelle, den Maxos-Tempel oder den Drachenturm, die einfach so aussehen, dass man wie Tourist Zweiblum am liebsten ein Foto schießen würde. Gänzlich unrealistisch sind aber wieder die Schwimmbewegungen des Helden. Dafür entschädigen überraschende Effekte wie Magie, Lichter oder Rauch, die überaus gelungen sind und für viel Atmosphäre sorgen.

Manche halten Divinity 2: Ego Draconis für einen ungeschliffenen Diamant. Dem ist nicht unbedingt zuzustimmen, obwohl manches einen noch etwas provisorischen Charakter hat. So gab es bislang oben beim Feindradar noch gar keine Unterlegung mit der Karte, was aber der erste Patch nachholt. Dennoch ist das eingängige Rollenspiel aus dem Hause Larian durchaus fertig, wie die professionelle Sprachausgabe bestätigt, die meist als letztes angefügt wird. So gibt es auch keine ausgestorbenen Gegenden wie einst bei Gothic 3, wo quasi nur die Mittelwelt fertig war. Dennoch fehlt es in dieser großen Welt immer am einen oder anderen Eckchen, so dass man sich zwischendurch schon mal fragt, was das nun war - unspielbar wird Divinity 2 dadurch aber nie.

     

Fazit

Wow - ich hätte nie gedacht, dass Divinity 2: Ego Draconis so viel Spaß machen würde. Das vergleichsweise einfache Spielprinzip entfaltet eine ungeheure Sogwirkung, die einen so richtig reinzieht. Man will einfach immer weiterspielen, um Schritt für Schritt ein großer Drachenritter zu werden, wofür man wahre Horden an Monstern niedermetzelt. Die actiongeladenen und harten Kämpfe könnten etwas mehr Taktik vertragen, was aber eine der wenigen Schwächen ist. Dafür gibt es eine frei zugängliche Fantasy-Welt, die mit Rätseln, Begegnungen und Entdeckungen geradezu gespickt ist. Für die einfallsreichen Quests braucht man wie fürs ganze Rollenspiel-Epos einen langen Atem, aber dafür führen bisweilen sogar mehrere Wege ans Ziel. Den vielschichtigen NPCs gerecht zu werden, ist oft gar nicht möglich, weshalb man auch Enttäuschungen erlebt. Die Story beginnt genretypisch mit dem Beitritt zu den Drachentötern, steigert sich aber im Verlauf immer mehr zu einem mythischen Kampf der Götter, angesichts dessen man sich bisweilen etwas verloren vorkommt. Aber schließlich mutiert man vom Niemand zum gefeierten Überhelden, der sich auch nicht vor Feinden wie Trollen, Dämonen oder Drachen fürchten muss. Je länger man spielt, desto interessanter wird die Geschichte, in deren Verlauf man auch manchen Spaßvogel, Durchgeknallten oder gefallenen Helden trifft. Divinity 2 ist mehr als vorzüglich geeignet, um die Wartezeit auf Dragon Age zu versüßen.

Pro

Drachensaga nachspielen
düsteres Szenario
viel zu entdecken
umfangreiche Quests
mehrere Lösungswege
clevere Rätsel
frei zugängliche Welt
viele Kämpfe
Kreatur mitnehmen und aufziehen

Kontra

kaum Taktik gefragt
etwas zu kampflastig
mitunter verwirrend
manches schwer zu finden
manches wirkt noch unfertig

Wertung

PC

Erstaunlich - ein Metzelspiel mit Tiefgang!

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