Elven Legacy17.04.2009, Marcel Kleffmann
Elven Legacy

Im Test:

Eigentlich hätte Elven Legacy (ab 0,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) auch gleich Fantasy Wars 2 heißen können: Erstens ist es der offizielle Nachfolger und zweitens gibt es ohnehin keine größeren Veränderungen am Spielablauf. Das haben scheinbar auch die Handbuch-Drucker gemerkt und Teile der Anleitung des Vorgängers gleich kopiert: So werden Menschen- und Ork-Kampagnen vorgestellt, die es gar nicht gibt, da sich jetzt alles um die Elfen dreht...

Austauschbare Story

Schon bei Fantasy Wars war die Hintergrundgeschichte eine der Schwachstellen - und das bleibt auch in Elven Legacy trotz aller guten PR-Vorsätze im Vorfeld so. In einer gänzlich austauschbaren Fantasywelt laufen Elfen einem gestohlenen Artefakt hinterher und versuchen den bösen Magier der Kategorie Dieb wieder einzufangen. Dabei durchqueren die Langohren von Menschen und Orks besiedelte Ländereien, wo es zu taktischen Schlachten auf Hexfeldkarten im Rundenmodus kommt.

Video: Spielszenen von der GDC 2009.Erzählt und weitergesponnen wird die Geschichte in dezent aufbereiteten Ingame-Zwischensequenzen mit ziemlich starr agierenden Hauptmarionetten, die den deutschen Text ungleich zu den Lippenbewegungen in englischer Sprache nachplappern. Nicht alle Dialoge werden mit hakeligen Kamerafahrtenpräsentiert, viele Gespräche verlaufen in schlichten eingedeutschten Textfenstern, die zumindest in englischer Sprache vorgetragenen werden.

Wenig Globales

Story, Szenario und Präsentation gehören also nicht zu den Stärken von Elven Legacy, dafür kann in den taktischen Gefechten ordentlich gepunktet werden - wie einst bei Fantasy Wars. Dies beginnt zunächst auf der Weltkarte: Hier arbeitet ihr die insgesamt zehn Missionen des Feldzuges ab und dürft an drei Stellen sogar zwischen zwei unterschiedlichen Einsätzen wählen, jedoch wäre mir ein linearer Feldzug lieber gewesen, der etwas mehr Umfang oder Abwechslung geboten hätte.

Dafür geht es gleich zur Sache: Auf großes Ressourcen- oder Stadt-Management wurde verzichtet, stattdessen dreht sich alles um eine überschaubare Armee rund um die beiden Helden Sagittel und Gylven. Sämtliche Einheiten könnt ihr von Mission zu Mission mitnehmen und zwischen den Aufträgen darf der Schlachtzug mit neuen Einheiten gegen Gold aufgestockt werden. "Alte Kompagnons" lassen sich praktischerweise auf jüngst freigeschaltete Kämpfer aufwerten. Gegen Gebühr werden aus schwachen Elfen-Rekruten so die stärkeren Elite-Jäger.

Hübsche Aussichten - vom Drachen mal abgesehen.

Taktische Stärke

Ist der Kampfschauplatz ausgewähnt, darf man sich für einen Schwierigkeitsgrad entscheiden, aber selbst auf "Einfach" kam ich als langjähriger Taktikspieler öfters in die Bredouille und musste ältere Spielstände (mehrfach) laden, um mit den Gegnern zu Rande zu kommen. Warum? Sie sind ständig in der Übermacht. Aber der Reihe nach: Zu Beginn einer Schlacht muss man Truppen an bestimmten Positionen aufstellen und selbst dort sollte man eine gewisse Reihenfolge einhalten, da es manchmal sofort zu Kampfhandlungen kommt. Es ist empfehlenswert, Nahkämpfer wie Flammenwächter oder Schwertkrieger in die erste Reihe zu stellen, die Fernkämpfer der Marke Bogenschützen dahinter zu platzieren und mittendrin die Helden (Fernkämpfer) zu parken. Etwaige Reiter könnten an der Flanke warten und mit dem Luftschiff oder Drachen wird der Luftraum kontrolliert, aufgeräumt bzw. aufgeklärt.    

An allen Ecken und Enden aufpassen

Eine geschickt geplante Aufstellung ist die halbe Miete, nicht nur zum Schutz der hinteren Reihen: Manche Einheiten üben in ihrer Nähe eine verstärkende Präsenz aus und wird beispielsweise ein Nahkämpfer angegriffen, schlägt er nicht alleine zurück, sondern die angrenzenden Bogenschützen antworten

In der Nahansicht sieht man, dass die Truppen aus vielen Einzeleinheiten bestehen.
gemeinsam mit einem Pfeilhagel. Solch eine Planung der Aufstellung ist einfacher gesagt als getan, denn pro Hexfeld (Sechseck auf der Karte) ist nur eine Einheit erlaubt und deswegen müsst ihr vorab abschätzen, wer wo angreifen soll, wer sich wohin sinnvoll bewegen kann und wo der Gegner lauern könnte.

Gezogen wird rundenweise, wobei sich jede Einheit einmal bewegen (außer sie hat die mächtige Fertigkeit "segmentierte Bewegung") und im Prinzip einmal angreifen kann - also ganz im Gegensatz zu Heroes of Might and Magic oder Kings Bounty laufen die Gefechte einzeln Einheit gegen Einheit ab und verschiedene Armeeteile lassen sich nicht kombinieren. Darüber hinaus darf der Geländetyp nicht außer Acht gelassen werden: Einheiten im Bergland erhalten einen großen Verteidigungsbonus, während Truppen, die gerade eine Flussfurt durchqueren, ein dankbares Ziel mit Bonusschaden abgeben.

Verluste solltet man tunlichst vermeiden, da die Recken mit der Zeit an Erfahrung gewinnen, Stufenaufstiege verzeichnen sowie individuelle Spezialfähigkeiten erhalten und immer mächtiger werden. Da man Kämpfer von Mission zu Mission mitnehmen kann, solltet man auf die erfahrenen Recken setzen und diese nicht verheizen. Es formiert sich mit der Zeit eine feste Kerntruppe, die im Notfall durch Bonuseinheiten verstärkt werden kann. Wie in Fantasy Wars können "normale" Einheiten bis auf Stufe 5 aufsteigen und Helden bis 10. Da gerade die Positionierung der Truppen im Gelände so wichtig ist, lassen sich zusätzliche Fertigkeiten wie Tarnung, schnelle Bewegung über Flüsse oder besserer Schutz im Wald bei Level-Ups auswählen, was die taktischen Möglichkeiten trotz der sehr überschaubaren Truppenanzahl ordentlich in die Höhe treibt.

Diese garstigen Gegner bewachen das Missionsziel (siehe Pfeil).

Wenig Einsatzvielfalt und die Überraschungen

Obwohl die Missionsziele in der Kampagne so formuliert sind, dass sie Abwechslung suggerieren, müsst ihr meist einen Bereich auf der Karte  erreichen und euch bis dahin durchkämpfen - egal, ob ihr ein Dorf erreichen, die Besatzung eines abgestürzten Luftschiffes befreien oder mit der Hilfe eines "freiwillig mitgenommenen" Ork-Schamanen verschlossene Tore zum Hinterland öffnen sollt.

Die Platzierung der Gegner und gewisse (per Trigger ausgelöste) Hinterhalte sorgen für Überraschungen und da der Computergegner sogar auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe vermeintliche Schwachstellen erbarmungslos nutzt, kann es in vielen Einsätzen zu wahren Laden/Speichern-Orgien kommen. Hierzu fällt mir wieder die Mission mit dem Ork-Schamanen ein, der die Tore öffnen sollte: Die derzeit erreichbare Karte war von Gegnern geputzt, meine fast vollständig regenerierte Armee stand vorbereitet in den Startlöchern und dann öffnete der Ork die markierte Tür. Überraschung! Es öffnete sich nicht das erwartete Tor an der Markierung, sondern drei andere Pforten gingen auf und aus diesen ergossen sich Ork-Fontänen und zermalmten innerhalb einer Runde meinen Helden, was mit dem "Game Over" quittiert wurde.

Orks kesseln die Armee ein. Vor dem Angriff wird übrigens angezeigt, mit welchem Ergebnis zu rechnen ist.
Großartig! Beim nächsten Versuch habe ich mich in eines der just geöffneten Lager vorgearbeitet und im sofortigen Gegenangriff versucht, was die Entwickler offenbar im Sinn haben, denn es gibt sogar Belohungen, wenn die Missionen innerhalb einer bestimmten Zeit geschafft werden.

Anstatt in Ruhe zu taktieren, Feinde möglichst effektiv auszuschalten und die Karte nach weiterem Gold oder Artefakten abzusuchen, sollen die Einsätze in einem Runden-Limit geschafft werden, um die Medaillen "Gold" oder "Silber" und etwas Gold oder gar Bonusmissionen als Belohnung zu erhalten. Silber ist ohne Entdeckungstouren in den meisten Fälle durchaus machbar und für goldige Aussichten seid ihr gezwungen mit eurer Armee voranzupreschen, ohne Taktiküberlegungen geht jedoch nichts. Ein Medaillensystem basierend auf Effektivität im Kampf (wenig Verluste, etc.) wäre in meinen Augen wesentlich sinniger gewesen als auf Zeit. Zumindest kommt man mit der Bronze- Medaille weiter, aber ohne Bonus...

Sonstiges Schlachten

Abgesehen von dem Elfen-Feldzug, dem Herzstück des Spiels, gibt es sieben Einzel-Einsätze, in denen ihr auch mit Orks oder Menschen unterwegs seid (Fantasy Wars lässt grüßen). Jedoch fehlt bei den Solo-Szenarien logischerweise der Reiz die eigenen Truppen missionsübergreifend weiterentwickeln zu können. Last but not least gibt es einen Mehrspieler-Modus mit 16 Karten, spielbar im Hotseat (abwechselnd an einem Rechner), LAN oder Online. Hier treten die Spieler abwechselnd und mit dazugehörenden Wartezeiten gegeneinander an. 

Fazit

Obgleich einige Fortschritte zu Fantasy Wars zu erkennen sind, schafft es Elven Legacy nicht über das befriedigende Maß hinaus. Warum? Abgesehen von der Hintergrundgeschichte, die kaum belangloser sein könnte sowie der mittelprächtigen Präsentation, stößt mir die absurde Idee mit dem Bonussystem übel auf. Ich will in Ruhe taktieren und die Karte aufdecken, anstatt von Gegner zu Gegner zu huschen, um die dämlichen Gold/Silber-Belohnungen zu erhaschen. Doch zum Glück entschädigen die unheimlich spannenden und wahrhaft fordernden taktischen Duelle, bei denen ihr sowohl Gelände, Fähigkeiten als auch Überraschungen einplanen müsst. Richtig toll ist, dass ihr eure Einheiten von Mission zu Mission mitnehmen und stetig verbessern könnt, was letztendlich zu einer individuellen Kernarmee führt, die ich nicht für eine blöde Medaille aufs Spiel setzen möchte. Außerdem ist Elven Legacy selbst ohne Belohnungssystem kniffelig genug und keinesfalls Futter für Neulinge. Der Computergegner ist auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad kompromisslos und in den Missionen warten so manch böse Überraschungen, die fleißig Speichern/Laden erfordern, aber wenn diese Hürden genommen wurden, motivieren die Schlachten enorm. Tja, Freud und Frust liegen nahe zusammen. Schade, was hätte Elven Legacy mit etwas mehr Missionen, besserer Schwierigkeitsbalance und ohne Bonussystem für ein schönes Spiel werden können. So ist es vorrangig frustresistenten Taktikern mit Erfahrung zu empfehlen.

Pro

spannende taktische Duelle
Gelände spielt eine wichtige Rolle
Truppen gewinnen an Erfahrung
sinnvolle erlernbare Spezialfunktionen
Missionswahlmöglichkeiten in der Kampagne
Gegenstände für Helden und Einheiten
Einheiten können von Mission zu Mission mitgenommen werden
einfach zu bedienenden Armee-Management
knackig gute Computerintelligenz
Bonus-Missionen mit anderen Rassen
Einheiten müssen selbst aufgestellt werden
Hot-Seat Mehrspieler-Modus

Kontra

völlig absurdes Belohnungssystem
eintöniges Missionsdesign
knackiger Schwierigkeitsgrad mit viel Trial&Error
langweilige und ersetzbare Story
Präsentation der Geschichte ist genauso schnöde wie die Story
Karten könnten größer und  Kampagne länger sein
englische Sprachausgabe
Handbuch-Schnitzer

Wertung

PC

Die tollen, aber schweren taktischen Geplänkel werden von einem absurden Belohnungssystem und lahmer Story torpediert.

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