Shadow Harvest15.04.2011, Michael Krosta
Shadow Harvest

Im Test:

Mit Shadow Harvest (ab 5,99€ bei kaufen): Phantom Ops versucht sich das deutsche Entwicklerstudio Black Lion an einer spannenden Mischung aus Action- und Schleicheinsätzen. Können Altmeister wie Sam Fisher, Cate Archer oder Marcus Fenix noch etwas von dem neuen Duo lernen oder gibt es eine teutonische Lachnummer?

Zurück in die Hölle

In Somalia haben die USA nicht gerade die besten Erfahrungen gemacht: Unvergessen die Schlacht von Mogadischu aus dem Jahr 1993, die Ridley Scott in seinem Actionfilm Black Hawk Down verarbeitete. In der Zukunft sieht es für den afrikanischen Staat nicht viel besser aus - zumindest, wenn man der fiktiven Hintergrundgeschichte von Shadow Harvest Glauben schenkt, die im Jahr 2025 angesiedelt ist. Unter der Herrschaft des Diktators Karim Kimosein wird nicht nur die zunehmende Piraterie ein immer größeres Problem. Viel mehr fragt sich die Weltgemeinschaft, wie er trotz Embargos seine Truppen mit modernsten Hightech-Waffen ausrüsten kann. Alvarez und Lee sollen deshalb nicht nur das skrupellose Staatsoberhaupt ausschalten, sondern die Lieferungen zurückverfolgen. Dabei führen ihre gemeinsamen Nachforschungen zu einer geheimnisvollen Verschwörung, deren Aufdeckung sich über insgesamt zwölf Kapitel erstreckt. Neben Somalia stehen außerdem noch Besuche in Dubai und Havanna auf der Agenda.

Nicht konkurrenzfähig

Schon beim schwach inszenierten Intro mit B-Movie-Flair wird deutlich, dass man den Action-Größen wie Battlefield , Crysis 2 oder Call of Duty technisch nicht das Wasser reichen kann, obwohl man den Spielablauf hier nicht aus der Ego-, sondern einer Schulteransicht wie bei Uncharted oder Splinter Cell erlebt. Ist man selbst auf den Straßen von Mogadischu unterwegs, wird es nicht besser: Zu trist wirken die langweiligen Kulissen mit ihren Copy & Paste-Gebäuden und groben Texturen, zu hölzern die Animationen der beiden Protagonisten und ihrer Feinde, zu stark die Kanten, die trotz Anti-Aliasing-Option immer noch zum Vorschein kommen. Effekte wie Feuer, Rauch und Explosionen wirken ebenfalls antiquiert - Physik und Zerstörung sind außerdem kaum vorhanden. Kurzum: Shadow Harvest wirkt hoffnungslos veraltet.

Ballern & Schleichen

Doch auch inhaltlich gibt man sich alles andere als modern: Regeneratives Heilsystem? Gib's hier nicht - stattdessen muss man fleißig Heilpakete suchen, sich auf Knopfdruck verarzten und immer seine Gesundheitsanzeige im Auge behalten. Minispiele beim Hacken von Türen oder dem Anbringen von Sprengstoff? Fehlanzeige, denn es muss nur eine Taste festgehalten werden. Zumindest spendiert man ein Deckungssystem: Läuft man auf eine Wand oder ein anderes Objekt zu, gehen die Figuren automatisch dahinter in Position. Dabei kann man sich bewegen und problemlos um Ecken oder obere

Der Elite-Soldat Alvaraz lässt es gerne ordentlich krachen.
Ränder spähen, was bei den Stealth-Missionen mit Myra Lee allerdings oft lächerlich wirkt. Selbst wenn man deutlich aus der Deckung hervor schaut, können mich die Gegner nicht sehen, obwohl ich ihnen direkt in die Augen schaue.

Doch die KI zählt ohnehin nicht zu den Stärken: Wenn ich von hinten an Gegner heran schleiche, ihnen in den Rücken schieße und sie danach einfach regungslos in ihrer Position verharren, ist das das schon ein starkes Stück. Einen ähnlich katastrophalen Eindruck hinterlassen sie als Zweier-Team, denn wenn ich einen von ihnen ausschalte, scheint das sein Partner gar nicht zu registrieren, obwohl er direkt neben ihm steht. Cleveres Flankieren oder Positionswechsel gehören ebenfalls zu den Lektionen, die man in der Shadow Harvest-Akademie offensichtlich nie gelernt hat, denn ein kurzes Ausweichen nach rechts oder links von der aktuellen Position ist schon das höchste der Gefühle, was man hier an KI-Verhalten zu sehen bekommt. Einzig bei Ablenkungsmanövern, bei denen man in Stealth-Abschnitten durch ein Geschoss Aufmerksamkeit erregt, lässt zumindest einen Hauch von Reaktionsfähigkeit der Feinde erkennen. An manchen Stellen machen es sich die Entwickler übrigens besonders einfach und sorgen mit dem verpönten Respawn-Trick für einen unendlichen Nachschub an Schergen.    

Die Macht der Unsichtbarkeit

Während sich die Einsätze mit Alvarez wie eine 08/15-Ballerei anfühlen, bei der man Munition und Waffen von Gegnern aufnehmen, sich aber nicht mal im schnellen Laufschritt fortbewegen kann, finden sich in den Schleich-Abschnitten mit Lee zumindest einige interessante Ansätze: Mittels einer biochemischen Reaktion in wenigen Spezial-Geschossen kann sie ihre Gegner nämlich nicht nur unschädlich, sondern auch unsichtbar machen. So spart man sich das lästige Verstecken der Leichen, das

Mit dem Stealth-Anzug kommt Frau nicht immer weiter. Zum Glück gibt es noch andere Möglichkeiten...
Kollege Sam Fisher oft unnötig aufgehalten hat. Blöd wird es nur, wenn die kostbare Munition zur Neige geht und man sichtbare Gegner zurücklassen muss, denn optional hat man hier keine Möglichkeit, sie manuell in eine dunkle Ecke zu verfrachten. Da die KI aber nicht besonders helle ist, spielt das ohnehin keine Rolle&

Genau wie bei den alten Splinter Cell-Teilen ist die Munition in den Stealth-Abschnitten auch hier knapp bemessen. Deshalb kann sich die agile Dame alternativ auch von hinten an Feinde heranschleichen und sie in den Schwitzkasten nehmen. Die lauten Kommentare der Opfer werden dabei zum Glück nicht von anderen Schergen gehört, auch wenn sie in unmittelbarer Nähe sind - etwas anderes hätte bei dieser grottenschlechten KI auch überrascht. Nicht-tödliche Gewalt sind für die Schleich-Agentin übrigens ein Fremdwort: Hat man einen der bösen Buben im Schwitzkasten, hat man nur die Wahl, ihm das Genick zu brechen oder Stahlkrallen in den Hals zu jagen, die gleichzeitig die "Unsichtbarkeits-Chemikalie" injizieren. Hightech-Systeme wie das aus MGS bekannte Soliton Radar System sucht man hier genauso vergeblich wie Anzeigen zur Geräuschkulisse oder Sichtbarkeit - Features, die Splinter Cell schon 2005 im Programm hatte und sich auch hier gut angeboten hätten. Als Ausgleich besitzt Lee einen Stealth-Anzug, der sie komplett unsichtbar machen kann. Dafür benötigt sie allerdings Energiezellen, die extrem schnell aufgebraucht sind - der Spaß ist also nur von kurzer

Die Baller-Abschnitte befinden sich auf einem 08/15-Niveau - Spannung kommt keine auf.
Dauer. Auch das Nachtsichtgerät ist energiehungrig und lässt sich daher nur begrenzt einsetzen. Ist die Batterie leer, lädt sie sich im Gegensatz zum Anzug aber wieder automatisch auf.

Fehleranfällig

Ungewöhnlich: Obwohl das Spiel in Deutschland entwickelt wurde, gibt es lediglich eine durchschnittliche englische Sprachausgabe, die mit Untertiteln versehen wird. Wer sich statt mit Maus und Tastatur lieber mit einem Controller ins Gefecht stürzen will, wird ebenfalls enttäuscht, denn Geräte wie das 360-Pad werden erst gar nicht erkannt. Und wie sieht der Mehrspielermodus aus? Bitte was? Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen, denn eine solche Option existiert nicht, obwohl sich zumindest ein kooperatives Vorgehen im Team angeboten hätte. Doch das lässt sich verschmerzen. Auch bei den vielen Fehlern der Kollisionsabfrage, bei denen Köpfe oder ganze Körper schon mal in Wänden enden, drückt man vielleicht mal ein Auge zu. Bei mir hört der Spaß allerdings auf, wenn das Spiel ständig beim Neuladen eines Checkpunktes oder Levels abstürzt und sich mit einer Fehlermeldung verabschiedet. Dass teilweise auch wichtige Trigger nicht ausgelöst werden, komplettiert nur den Eindruck, dass hier schlampig gearbeitet wurde. Ich hing z.B. einmal hinter einem Geschütz fest, das auf einem Humvee montiert wurde. Eigentlich folgt eine Railsequenz, wenn man die ersten Gegner zusammen mit seinem Team erledigt hat. Allerdings kam ich erst beim zweiten Anlauf in diesen Genuss, denn beim ersten Versuch, ballerte einer meiner Kameraden unentwegt auf ein Ziel, das entweder gar nicht da war oder sich nicht hat blicken lassen. Nach zehn Minuten wurde es mir dann zu doof und ich musste meinen letzten Checkpunkt neu laden.

Fazit

Es ist immer schön zu sehen, wenn neue Spiele nicht nur in den USA, Großbritannien, Japan oder den Ostblockstaaten entstehen, sondern sich auch bei uns in Deutschland heimische Entwickler zu einem Team formieren und neben Crytek dem Markenzeichen Made in Germany zu altem Glanz verhelfen wollen. Mit ihrer Premiere haben die Black Lion Studios sich und den Spielern allerdings keinen Gefallen getan: Shadow Harvest: Phantom Ops ist nichts weiter als eine technisch veraltete Mischung aus Action und Schleicher, der vor allem die katastrophale KI, aber auch die ständigen Abstürze zusetzen. Die wenigen interessanten Ansätze im Stealthbereich (z.B. das Unsichtbarmachen von Leichen) werden außerdem von den 08/15-Ballereinlagen pulverisiert. Doch selbst beim unauffälligen Vorgehen wird der Titel heute noch locker vom ersten Auftritt eines gewissen Sam Fisher (2002), Solid Snake (1998) oder dem Klassiker "No one Lives Forever" in die Tasche gesteckt. Shadow Harvest wirkt leider auf ganzer Linie billig, langweilig inszeniert und völlig überflüssig.

Pro

Stealth- und Actionabschnitte
frische Schleichansätze
Deckungssystem

Kontra

grottige KI
altbackene Technik
angestaubte Spielmechanik
keine Controller-Unterstützung
ständige Abstürze
Trigger werden z.T. nicht ausgelöst
keine deutsche Sprachausgabe
kein Mehrspielermodus
hölzerne Animationen
kaum Physik / Zerstörung
langweilige Inszenierung
unendlicher Gegner-Respawn an einigen Stellen

Wertung

PC

Überflüssige Mischung aus Stealth und Action mit unterirdischer KI und angestaubter Technik. Ich bleib lieber bei Sam, Solid und Cate...

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