Stronghold18.10.2001, Jörg Luibl
Stronghold

Im Test:

Es ist so weit: Publisher Take 2 hat die Burgenbau-Saison eröffnet und entführt Euch mit Stronghold (ab 5,00€ bei kaufen) ins finstere Mittelalter. Das Aufbau-Strategiespiel der Firefly Studios richtet sich mit seinem interessanten Gameplay-Mix sowohl an Siedler- als auch an Age of Empires-Fans. Ob sich aus vielen bekannten Zutaten eine spielerische Delikatesse zaubern lässt, erfahrt Ihr in unserem Test!

Willkommen im Mittelalter!

Das mittelalterliche Szenario erinnert dank englischem Humor und Story angenehm an Robin Hood und alte Ritterfilme à la Ivanhoe. Schon das herrliche Intro versprüht den derb-witzigen Charme der Burgenzeit. Zur Story: Der rechtmäßige König fristet ein elendes Kerkerdasein und das Reich wird von vier tyrannischen Lords unterjocht. Als königstreuer Nachwuchs-Lord liegt es in Eurer Hand, die Usurpatoren von der Landkarte zu fegen - immerhin haben die Schurken auch Euren Vater auf dem Gewissen!

Aller Anfang ist schwer

Stronghold ist zwar eine Burgenbau-Simulation, aber Zu Beginn der Militärkampagne geht es lediglich darum, Wölfe zu jagen, eine bestimmte Menge Holz oder Nahrungsmittel zu beschaffen und Palisaden aus Holz zu errichten. Bevor Ihr eine Festung mit Wehrgängen und Türmen aus dem Boden stampfen könnt, müsst Ihr erst eine funktionierende Wirtschaft In Gang setzen. Wie bei Age of Empires gilt es, zunächst einen idealen Startplatz für Eure Halle zu suchen und wertvolle Rohstoffen zu bergen. Ihr steuert übrigens nur die militärischen Einheiten, die zivilen gehen automatisch ihrem Tagewerk nach - egal ob Holzfäller oder Jäger. Wer sich aber lieber sofort als Burgherr gegen riesige Belagerungs-Armeen zur Wehr setzen oder eine große Festung schleifen will, kann sich im Spielmenü ein passendes Szenario aussuchen und direkt zur Sache kommen.

Übung macht den Meister

Im weiteren Verlauf der 21 Kampagnen offenbart sich erst die ganze Komplexität Strongholds: Freut Euch auf eine Vielzahl an militärischen und zivilen Einheiten, zig Gebäude, Belagerungsmaschinen und knackige, aber immer faire Missionen. Die Militärkampagne führt Euch Schritt für Schritt immer tiefer in die Vielfalt des Einheiten- und Ressourcen-Managements und zeichnet sich durch einen dynamisch anwachsenden Schwierigkeitsgrad aus - erst in den letzten Missionen steht Euch die komplette Palette an Einheiten und Gebäuden zur Verfügung. Ihr könnt den dreistufigen Schwierigkeitsgrad übrigens vor oder während jeder Mission anpassen und die Spielgeschwindigkeit zwischen 10 und 90 regulieren. Sehr hilfreich sind auch die Hinweise, die Ihr Euch neben den Kampagnenzielen vor und während jeder Mission anzeigen lassen könnt.

Samariter oder Tyrann?

Das liegt an Euch, denn Ihr habt zahlreiche Einflussmöglichkeiten auf die Moral bzw. den "Angstfaktor" Eurer Bevölkerung: Angefangen bei Steuern, der Art und Höhe der Nahrungsrationen (je vielfältiger desto besser) über diverse Verschönerungen wie Maibaum und Festen wie den Jahrmarkt bis hin zu öffentlichen Motivationshilfen wie Galgen und Pranger, steht Euch der ganze mittelalterliche Freuden- und Schreckenskatalog zur Verfügung. Aber Vorsicht: Eure Beliebtheit entscheidet über Zuzug und Flucht von Dorfbewohnern. Zur Not könnt Ihr auch auf göttlichen Beistand pochen und mit Hilfe von Kirchen und Priestern auf der Beleibtheits-Skala wieder nach oben klettern. Jeder Eurer Bewohner hat übrigens einen eigenen Namen und immer einen passenden Spruch parat wie "Keine Steuern sind gute Steuern!".

Rohstoffe ohne Ende

Freunde der Wirtschaftskampagnen dürfen sich auf acht Rohstoffe (Getreide, Mehl, Hopfen, Bier, Steine, Eisen, Holz, Pech) und vier Nahrungsarten (Fleisch, Äpfel, Käse, Brot) freuen, die zusammen mit den Gebäuden eine sehr verzweigte Ökonomie ergeben. Und damit Ihr bei all der Vielfalt nicht die Übersicht verliert, könnt Ihr jedes Gebäude anklicken und so erfahren, welche Produkte nötig sind, wohin geliefert wird usw. - sehr hilfreich und einsteigerfreundlich. Aber leider fehlt eine immer sichtbare Übersichtsleiste für gesammelte Rohstoffe und Nahrung, so dass immer zwei umständliche Klicks notwendig sind, um auf dem Laufenden zu bleiben. Und dass man -wie z.B. bei den Siedlern- keine Prioritäten bei der Produktion setzen kann, ist gerade dann fatal, wenn der Feind die Zivilbevölkerung dezimiert hat und Ihr ein bestimmtes Produkt (z.B. als Tribut) herstellen müsst.

Wir wollen Euch kämpfen sehen!

Als Kommandant stehen Euch im Laufe des Spiels elf militärische Einheiten zur Verfügung, darunter Nahkämpfer (Lanzenträger, Pikeniere, Streitkolbenkämpfer, schwarze Mönche, Schwertkämpfer), Fernkämpfer (Bogenschützen, Armbrust), Ritter und diverse Unterstützungseinheiten (Tunnelbauer, Leiterträger, Baumeister). Nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip entscheidet sich, welche Einheit siegreich vom Feld geht. Allerdings steht Stronghold ganz im Zeichen der Langbögen: Habt Ihr genügend Bogenschützen hinter schützenden Mauern in Stellung gebracht, wird es jeder Belagerer schwer haben: die hübsch animierten Pfeile sirren in tödlichen Schwärmen durch die Luft und können auch eine große Übermacht aufreiben. Nur wenn schwer gepanzerte Ritter nahen, sollte man zu durchschlagenden Armbrustbolzen greifen.

Feind in Sicht!

Eigentlich müsste man ja Alarm schlagen, aber erstens kann man die Bevölkerung nicht per Glocke oder Fanfaren alarmieren und zweitens lässt die KI teilweise zu wünschen übrig: Katapulte beschießen Felswände, Speerkämpfer rennen wie ferngesteuert auf Eure Burg zu, suchen zwar gezielt nach Lücken, aber lassen sich mühelos von Bogenschützen aufs Korn nehmen - eigentlich reichen ein paar gute Schützen für eine zehnfache Übermacht. Hier kann die KI nicht mit der von Age of Empires mithalten. Und richtig ärgerlich wird es, wenn man irgendwo beim Palisadenbau eine Stelle übersehen hat - aufgrund der unübersichtlichen Perspektive ist das leider öfter der Fall; eine farbliche Kennzeichnung hätte hier Abhilfe schaffen können.

Insgesamt sind die Massenschlachten zwar optisch eindrucksvoll, insbesondere wenn der Feind seine Schlachtreihen mit Katapulten, Pikenieren, Leiterträgern und Rittern aufbaut, aber aufgrund fehlenden Formationen und der gegnerischen Hals-über-Kopf-Angriffe artet das Ganze schnell in einen unübersichtliches Scharmützel aus. Das größte Manko während der Kämpfe ist die Tatsache, dass Ihr die Bevölkerung nicht à la Age of Empires per Glocken- oder Alarmsignal in die schützende Burg beordern könnt - immerhin war das der eigentliche Sinn und Zweck dieser Schutzbauten! Bei Angriffen müsst Ihr tatenlos mit ansehen, wie Eure Zivilbevölkerung massakriert wird.

Wind, Wald und Wölfe

Stronghold präsentiert sich in altbewährter Iso-Perspektive, wobei sich die Landkarte drehen lässt und zwei statische Perspektiven (nah, fern) zur Verfügung stehen - stufenloses Drehen und Zoomen ist nicht möglich. In Sachen Details und Animation gebührt den Entwicklern ein großes Lob: Die Bäume wiegen sich im Wind, Rehe pirschen anmutig über Wiesen und Wölfe räkeln sich im Unterholz - Bewegung wohin man schaut. Auch die Dorfbewohner, Bogenschützen und Ritter wirken dank bis zu 70.000 Animationsphasen und Echtzeit-Schatten äußerst lebendig, so dass Stronghold hier locker an der 2D-Konkurrenz vorbeiziehen kann. Nur die Lemming-artigen Bewegungen größerer Truppenverbände entlocken das ein oder andere Schmunzeln und machen die ansonsten realistisch anmutenden Kämpfe weniger ansehnlich. Leider kann die Landschaftsoptik nicht überzeugen: Die Bodentexturen wirken im Vergleich zu den liebevollen Animationen weniger detailliert und recht fade, zumal sie eckig gestaltet sind, was gerade bei Wasserläufen stört.

Sound und Handbuch

Die Sprachausgabe ist rundum gelungen und zählt zu den Highlights des Spiels: Die amüsanten und dank hübsch animierter Gesichter sehr stimmungsvollen Gespräche zwischen Euren Beratern, Sir Longarm und Lord Woolsack, verleihen den Missionen das nötige Flair. Auch die Soundeffekte der Angreifer und Katapulte gehören in die akustische Oberklasse. Das Handbuch ist zwar übersichtlich und gut lesbar, aber leider dem DVD-Format angepasst worden: Zu klein und lediglich in Schwarz-Weiß gehalten gehört es nicht gerade zu den Hinguckern.

Multiplayer

Was ist schöner, als seinen menschlichen Kontrahenten mit fiesen Fallen, Hinterhalten und jeder Menge heißem Öl zur Verzweiflung zu treiben? Stronghold hat neun vorgefertigte Szenarien parat, die Euch ein ideales Spielfeld für echtzeitstrategischen Aggressionsabbau liefern. Allerdings hätten ein paar mehr vorgefertigte Landschaftskarten-Karten nicht geschadet - der Editor lässt Euch zwar eigene kreieren, aber Ihr habt eben nicht die Wahl zwischen "waldiger Ebene" oder "Gebirgsregion", sondern müsst selbst die gesamte Flora und Fauna gestalten.

Fazit

Den Firefly Studios ist ein interessanter Mix aus Aufbau-, Wirtschafts- und Strategie-Elementen gelungen, der Genre-Fans nächtelang vor dem Bildschirm fesseln dürfte. Als Burgherr steht Euch dank der Einheiten- und Gebäudevielfalt eine beeindruckende Palette an Möglichkeiten offen. Aber trotz des motivierenden Gameplays, der schönen Animationen und der inszenierten Massenschlachten kann Stronghold nicht komplett begeistern. Warum nicht? Die Landschaftsgrafik wirkt fade, die KI lässt zu wünschen übrig und irgendwie mangelt es trotz der vielen Möglichkeiten am letzten Schliff: Siedler-Fans werden über fehlende Übersichtsleiste und Prioritäten-Festlegung im Wirtschaftsteil meckern und Age of Empires-Fans dürften vor allem die Alarmglocke und Formationen fehlen. Stronghold verwöhnt den Spielergaumen aufgrund des faszinierenden Komplett-Menüs, aber die einzelnen Gänge hätten etwas mehr Würze vertragen können.

Pro

viele Details
schöne Animationen
die nötige Prise Humor
komplexer Aufbaupart
sehr gute Sprachausgabe
historische Burgen integriert
stimmige Musikuntermalung
überzeugendes Mittelalter-Flair
detaillierter Burgenbau möglich
gutes Tutorial und viele Hilfetexte
einfach zu bedienender Karten-Editor
Wirtschafts- oder Kampfspiel möglich
dynamisch steigender Schwierigkeitsgrad
viele Spielmodi sorgen für Langzeitmotivation

Kontra

keine Formationen
durchschnittliche KI
fade Landschaftsgrafik
umständliche Steuerung
zu wenig Multiplayer-Maps
liebloses Schwarz-Weiß-Handbuch
kein Alarmsignal für die Bevölkerung
keine Prioritäten bei Produktion möglich
Übersichtsleiste (Rohstoffe, Nahrung) fehlt

Wertung

PC

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