Age of Empires: Definitive Edition19.02.2018, Jörg Luibl
Age of Empires: Definitive Edition

Im Test: Zurück in die Steinzeit

Im Juni 2017 hatte Microsoft die Definitive Edition von Age of Empires angekündigt. Die überarbeitete Version des Klassikers aus dem Jahr 1997 sollte eine neue Kulisse sowie Animationen, einen Mehrspieler-Modus über Xbox Live (Windows 10), neue Handlungsstränge und diverse Verbesserungen des Spielablaufs sowie der Benutzeroberfläche bieten. Wie spielt sich einer der Pioniere der historischen Echtzeit-Strategie nach zwanzig Jahren?

Viel Nostalgie, wenig Komfort

Ich habe Age of Empires damals verschlungen. Nicht nur aufgrund des historischen Szenarios, sondern weil man die Eroberungen so gemütlich mit Aufbau und Entwicklung vorbereiten konnte - die Ensemble Studios begründeten damit ihren Ruhm. Lange Zeit waren sie neben Blizzard der Inbegriff für hochwertige Echtzeit-Strategie, die Ende der 90er Jahre auch hinsichtlich der Verkaufszahlen boomte und in Age of Empires II ihren kreativen Höhepunkt erlebte. Kein Wunder also, dass Microsoft das erfolgreiche Studio 2001 kaufte. Zwar hielt die Zusammenarbeit über den dritten Teil sowie Age of Mythology bis Halo Wars, aber 2009 wurde das traditionsreiche Studio geschlossen.

Zu den Neuerungen gehört die Übersicht der Technologiebäume.
Tony Goodman, Bruce Shelley & Co waren an diesem Remake also nicht beteiligt. Und ich bin mir fast sicher, dass gerade diese Perfektionisten vieles anders gemacht hätten. Wenn ich auf einer der elf Karten wie Hochland, Inseln oder Mittelmeer spiele, fühle ich mich nicht nur historisch zurückversetzt in die Steinzeit, wo man mit einem von sechzehn Völkern starten darf, darunter Ägypter, Hethiter, Sumerer & Co. Nicht nur mittlerweile, sondern spätestens seit Anfang der 2000er, gibt es einfach Standards in der Echtzeit-Strategie, die ich bei aller nostalgischen Freude über diese Rückkehr schmerzlich vermisse - vor allem, weil ich bis vor kurzem noch Age of Kings gespielt habe, machen sich die Defizite seines Urahns überall bemerkbar. Wenn man dem Spieler schon die Wahl lässt, ob er dieses Age of Empires in der klassischen oder modernen Version erleben will, hätte man Letztere auch inhaltlich deutlich stärker verbessern müssen! Da kann man auch nicht mit Ausreden wie Werktreue, Balance oder eSports kommen, denn es geht um das bessere Spielgefühl.

Steinzeitarmee ohne Formationen

Dazu gehört nicht nur das Fehlen von Prioritäten oder gar gemischten Truppen in der Produktion (man kann nur einen Einheitentyp in einem Gebäude entwickeln), sondern auch Formationen: Da kann man die hoch entwickelten

Man kann in mehreren Stufen zoomen und 4K wird unterstützt.
Römer oder Assyrer spielen, aber muss sie ohne Linie, Keil, Schildkröte oder Ähnliches in groben Haufen in die Schlacht schicken. Wo spiel ich da noch Geschichte? Auf keinen Fall militärtaktisch und die Unterschiede zwischen den Völkern halten sich auch in Grenzen. Ja, die Minimap wurde um hilfreiche Anzeigen erweitert und man kann per Lassomethode und STRG auch Gruppen bilden, aber selbst damit herrscht zu viel Chaos in den Gefechten, zumal es weder ein optionales einheitliches Marschtempo noch eine Wegfindung gibt, die den Namen auch verdient - es ist ein Graus, dass immer wieder Einheiten irgendwo hängen bleiben! Auch das automatische Erkunden ist nicht möglich und es gibt nicht mal eine Glocke zur Schutzsuche im Dorf, so dass man sehr viel Babysitting vor, während und nach einer Schlacht betreiben muss. Dafür freut man sich über die neue Anzeige der Technologiebäume in vier Zeitaltern von der Altsteinzeit bis zur Eisenzeit, die einem eine bessere Übersicht zur Entwicklung geben.

Die Szenarien der Kampagne werden nur bieder inszeniert.
Ich finde es ja richtig, dass man im klassischen Modus das originale Spielerlebnis bekommt. Und in der modernen Variante erkennt man neben besseren Animationen in der Bewegung sowie Zerstörungsphasen bei Gebäuden auch zusätzliche Zoomstufen, so dass sich das Ganze auch in 4K durchaus sehen lassen kann. Dass die Performance dabei manchmal tatsächlich in die Knie und unter 30fps geht, klingt angesichts der "alten" Kulisse zwar wie Realsatire, ist aber der Tatsache geschuldet, dass man die originale Engine verwendet. Aber man hätte diesem Age of Empires zumindest einige Komfortfunktionen seines deutlich besseren Nachfolgers spendieren können! Zumal auch die Kampagne mit ihren zehn Szenarien und "neuen Erzählsträngen" zwar mit dem eingespielten orchestralen Soundtrack punkten kann und teilweise neu konzipierte Missionen bietet, aber trotzdem eher bieder als stimmungsvoll wirkt.

Es gibt keinerlei Komfortfunktionen, man muss viel Babysitting betreiben.
Sie wird mit ebenso kurzen wie oberflächlichen Texten eingeleitet, die eher funktional als edel präsentiert werden - das ganze Layout hat eher etwas Steriles als liebevoll Restauriertes an sich. Und warum hat man nicht wenigstens ein paar neue Filme für die Kampagne produziert, wenn man schon alle Videos des Originals samt Intro gestrichen hat? Hätte man angesichts dieses Titels nicht eine prächtige Bibliothek zum Nachschlagen einbauen können? Als Fan des Originals hätte ich mich auch über Hintergründe zur Entwicklung, Artworks & Co gefreut. Immerhin ist der Multiplayer über Xbox Live für bis zu acht Teilnehmer online oder im LAN gelungen, die im Vergleich zum Original spürbar verbesserte KI in fünf Stufen schon auf der dritten angenehm fordernd, weil sie früh attackiert und auch invasiert - nur mit dem Management der Rohstoffe hat sie so ihre Probleme. Außerdem darf man eigene Szenarien erstellen, die man mit der Community teilen kann.

Fazit

Wenn ich diese Neuauflage spiele, freue ich mich zwar angesichts des nostalgischen Flairs, das diese hübsch animierten Sprites selbst in 4K verströmen. Aber das verfliegt spätestens, wenn mal wieder irgendwo Einheiten hängen bleiben - die Wegfindung ist einfach schlecht. Die Szenarien der Kampagne sind zudem ebenso bieder wie das Layout mit seiner sterilen Schrift in den Menüs. Das hätte man viel edler designen können! Und wenn man schon zwei Spielmodi anbietet, also das Original und eine Modernisierung, sollte sich Letztere auch so anfühlen. Dabei ist mir die Kulisse samt ihrer sporadischen Ruckler (!) nicht so wichtig wie seit fast 20 Jahren etablierte Komfortfunktionen, die ich hier schmerzlich vermisse. Wenn ich meine Römer ohne Formationen, ohne Alarmglocke oder ohne einheitliches Marschtempo bei zickenden Laufwegen kommandiere, fühle ich mich wie der Baby sittende Anführer einer Steinzeitarmee. Und aus heutiger Sicht spielen sich Sumerer, Shang, Minoer & Co einfach viel zu ähnlich. Der Fluch dieses Spiels ist natürlich auch sein deutlich besserer, in allen Bereichen überlegener Nachfolger. Age of Empires 2: The Age of Kings als Definitive Edition hätte selbst heute noch richtig gutes Potenzial, weil es einen Höhepunkt des Genres markierte! Aber sein Urahn war eher ein Wegbereiter, der im Jahr 2018 spielerisch sehr limitiert daher kommt. Immerhin wird man im Multiplayer mit bis zu acht Leuten auch gegen den Computer solide unterhalten, zumal die KI zwar nicht immer klug, aber deutlich aggressiver agiert als 1997.

Pro

Klassiker der Echtzeit-Strategie...
hübsche Sprite-Kulisse mit Zoom und in 4K
neue Bewegungs- und Zerstörungsanimationen
16 Völker, 11 Karten, drei Spieltempi
neu aufgelegter orchestraler Soundtrack
fordernde KI in 5 Stufen
Multiplayer online oder LAN für acht Spieler
Editor für eigene Szenarien

Kontra

...fühlt sich an wie ein überholtes Relikt
schlecht designte Wegfindung
Völker spielen sich zu ähnlich
biedere Szenarien und Regie in Kampagne
Bildrate manchmal unter 30fps
keinerlei Filmszenen oder neue Videoschnipsel
keinerlei Komfortfunktionen (Formationen etc.)
KI mit einigen Aussetzern
steriles Layout von Menüs & Co

Wertung

PC

Wenn ich diese Neuauflage spiele, freue ich mich zwar angesichts des nostalgischen Flairs, aber das verfliegt spätestens, wenn sich die spielerischen Defizite zeigen.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.