Age of Mythology13.11.2002, Jörg Luibl
Age of Mythology

Im Test:

Drei Jahre nach dem bahnbrechenden Erfolg von "Age of Kings" setzen die Ensemble Studios mit "Age of Mythology (ab 30,39€ bei kaufen)" ihre Strategie-Reihe fort. Das Team hat nicht nur die historischen Pfade verlassen, um das Spiel mit Göttern, Zaubern und mythischen Kreaturen zu würzen, sondern auch erstmals die dritte Dimension beschritten. Ob die epischen Schlachten an das Suchtpotenzial des Vorgängers anknüpfen können, erfahrt Ihr im Test!

Göttliche Schlachten

Zyklopen schleudern Kriegselefanten durch die Luft, Feuerriesen brennen Häuser nieder, Meteoriten lassen die Erde zittern - willkommen in Age of Mythology. Bruce Shelley hat Wort gehalten und entführt Echtzeit-Strategen auf höchstem Grafik-Niveau in die fabelhafte Welt der Mythen.

Schon das hervorragende Intro stimmt auf die kommenden Schlachten ein, gegen die Hastings, Agincourt & Co wie langweilige Sandkasten-Gefechte wirken. Wenn Minotauren in Kolonne marschieren und Medusen Stein und Schrecken verbreiten, wird jedes Scharmützel zum kleinen Highlight.

Prächtige dritte Dimension

Die neue Engine zaubert die ansehnlichste 3D-Kulisse auf den Bildschirm, die das Genre derzeit zu bieten hat: Traumhafte Landschaften mit weichen Höhenzügen, azurblaues Wasser mit fast realistisch wirkender Brandung, lebensechte Tiere und architektonisch überzeugende Gebäude. Hinzu kommen herrliche Licht- und Partikeleffekte, die Feuer, Nebel und Rauch fast spürbar machen. Bisher hätte ich diese Schärfe und Detailfülle nur isometrischen 2D-Spielen zugetraut. __NEWCOL__Das ganze Spiel versprüht vom brachialen Intro über die edlen Menüs bis hin zum Schlachtgetümmel den Charme eines nahezu perfekten Designs - ähnlich durchgestylt wirkte bisher nur WarCraftIII. Man wünscht sich angesichts der fabelhaften Kreaturen sehnlichst eine nähere Zoomstufe, um Helden und Monster in voller Pracht zu sehen.

Dichtende Zyklopen, gemeine Zwerge

In der 32 Missionen starken Kampagne spielt Ihr nacheinander die Griechen, die Ägypter und schließlich die Wikinger. Einzelspieler dürfen sich auf eine spannende Rahmenerzählung freuen, die gekonnt antike, ägyptische und nordische Mythen zu einer epischen Story verknüpft - natürlich mit viel fiktivem Beiwerk. Auf der Jagd nach Poseidons Dreizack könnt Ihr mit Held Arkantos am Trojanischen Krieg teilnehmen, uralte Pyramiden erforschen und im eisigen Norden Ragnarök aufhalten.

Euer Gegenspieler ist kein 08/15-Bösewicht, sondern ein dichtender Zyklop, der der Feder Homers entsprungen sein könnte. Das Ganze ist mit schauspielerisch überzeugend gesprochenen Dialogen und dramatischen Wendungen gespickt, die von selbstlosem Heldenmut bis hin zum gemeinen Verrat reichen. Vier Schwierigkeitsgrade bieten für jeden Spielertypen das passende Niveau. Einsteiger finden im vorbildlichen Tutorial das nötige Training.

Alte Spielstruktur, alte Stärken

Das Missionsdesign besticht durch abwechslungsreiche Aufträge, die immer wieder andere Taktiken erfordern: Häfen müssen verteidigt, Festungen zerstört, Späher unbedingt aufgehalten oder Rohstoffe abgeerntet werden. Hinzu kommen Schleich- und Befreiungsmissionen, die den Alltag des Feldherrn auflockern.

Die Spielstruktur wird allerdings aufgrund der vier Zeitalter und des üblichen Dreigestirns Rohstoffe ernten, Gebäude bauen und Armee ausbilden keinen Innovationspreis gewinnen. Zumal selbst die mythischen Zusätze, wie die neue Ressource "Gunst", nicht das Aha-Gefühl eindämmen, das jeden Age of Kings-Spieler nach wenigen Minuten beschleichen wird: die Alarmglocke, die Holzfäller, die Türme - jeder Klick kommt einem bekannt vor.

Age of Mythology ist wie eine alte Freundin, die man nach drei Jahren wiedertrifft. Allerdings eine, die sich trotz aller Vertrautheit in vielen Bereichen äußerst attraktiv entwickelt hat - nicht nur was das Äußere angeht, sondern auch in Sachen Spielcharakter.

__NEWCOL__Neue Elemente, neue Stärken

Echtzeit-Strategen werden durch neue Elemente verzückt, die das Spiel abwechslungsreicher und taktisch interessanter machen. Zunächst wurde das bekannte Schere-Stein-Papier-Prinzip erweitert: Es gelten nicht nur alte Weisheiten wie Pikeniere vernichten Reiter und Bogenschützen dezimieren Infanterie.

Hinzu gekommen sind Helden wie Achilles oder die nordischen Hersen, die wiederum bevorzugt gegen mythische Kreaturen wie Riesen oder Medusen ins Feld ziehen. Diese Monster sorgen hingegen unter normalen Kriegern ohne heldenhafte Unterstützung für Angst und Schrecken.

Neben dieser taktischen Komplexität auf dem Schlachtfeld, wurde eine strategische Komponente beim Aufstieg in ein neues Zeitalter hinzugefügt: Schon die drei Hauptgötter haben alle eine spezielle Ausrichtung und verleihen unterschiedliche Boni. Wer auf Loki setzt, wird mit vielen mythische Einheiten belohnt; die ägyptische Isis fördert Eure Wirtschaft und Unterwelt-Grieche Hades stärkt die Fußsoldaten und Gebäude. Und durch die Wahl der passenden Untergötter lassen sich diese Stärken gezielt fördern, oder durch andere ergänzen.

Diese Spezialisierungen der Götter bieten sowohl defensiven als auch offensiven Naturen genug Varianten. Letztere werden sich vor allem über die Wikinger freuen, die sich wie kein anderes Volk zum frühen Sturmangriff eignen. Allerdings kann ein geübter Ägypter oder Grieche mit frühem Turmbau auch diese Berserker aufhalten - wenn er weiß, welche Götter er verehren sollte.

Und schließlich darf man die göttlichen Zauber nicht vergessen, die so manche verloren geglaubte Partie retten können: Ein plötzlicher Wintereinbruch, ein Meteoriten-Hagel, magische Rüstungen oder ein Blitz aus heiterem Himmel können ebenos nützlich sein wie eine Heuschreckenplage, eine Armee aus Toten oder ein erzwungener Waffenstillstand.

Bleiben noch Kleinigkeiten, die ebenfalls den Spielspaß fördern: Reliquien verleihen spezielle Boni wie schnellere Kavallerie oder stabilere Bauten. Außerdem gibt es jetzt neutrale Siedlungen auf der Karte, die man schnell besetzen sollte, weil sie strategisch wichtig sind und die Bevölkerungszahl beträchtlich erhöhen.

Gegen Freunde oder die KI

Gerade Online-Spieler werden sich lange Zeit mit den vielen Kombinations- und Spielmöglichkeiten austoben können, denn jedes Volk spielt sich anders. Vor allem die neue Ressource "Gunst", die für mythische Kreaturen wichtig ist, offenbart die Unterschiede: __NEWCOL__Griechen beten einfach im Tempel, Ägypter müssen Monumente bauen und die Wikinger können ihren Götterglauben nur im Kampf bezeugen.

Auch Einzelspiele gegen den Computer sind aufgrund der guten KI immer eine Herausforderung. Über 20 Kartentypen laden in zwei Größen zu Gefechten in vier Schwierigkeitsgraden ein. Ihr könnt gegen bis zu elf KI-Generäle antreten, die bereits auf der normalen Stufe hartnäckig und klug kämpfen. Die Spieltypen bieten eher Standardkost: Entweder erobert Ihr alles oder startet mit einer großen Menge an Rohstoffen, die schnelle Aufrüstung ermöglichen. Etwas Neues bringt die "Blitzpartie", die Euch in fünffacher Geschwindigkeit aufeinander hetzt.

Ein bisschen Schwund…

…ist immer - auch dieses Schmuckstück ist nicht ohne Fehl und Tadel: Können die epischen Melodien mit ihren mal unaufdringlichen, mal dramatischen Tönen noch überzeugen, hat man bei den Sounds etwas wenig Herzblut investiert. Vor allem die Befehlsannahme wiederholt sich zu schnell.

Schade ist auch, dass die Kundschafter nicht automatisiert die Karte erforschen, wie es bei Empire Earth oder Rise of Nations üblich ist. Und schließlich wurde im Multiplayer-Modus auf den Spieltyp "Königsmord" verzichtet, der in Age of Kings für spannende Duelle sorgte.

Fazit

Nach drei Jahren Entwicklungszeit präsentieren die Ensemble Studios erneut Echtzeit-Strategie für Feinschmecker. Die neue Grafik-Engine zaubert eine absolut beeindruckende Kulisse auf den Monitor, die die Konkurrenz alt aussehen lässt. Age of Mythology löst zwar auf den ersten Blick aufgrund der spielerischen Ähnlichkeiten zu Age of Kings keine neue Euphorie aus. Aber unter der vertrauten Oberfläche schlummern taktische Vielfalt, strategische Tiefe und neue Überraschungsmomente, die jeden Genre-Fan begeistern werden. Hinzu kommt, dass auch der neueste Streich von Bruce Shelley und seinem Team zu den wenigen Titeln gehört, die ein nahezu perfektes Spielerlebnis bieten. Einzelkämpfer dürfen sich in eine epische Kampagne stürzen, die dramaturgisch gekonnt drei Mythen verknüpft und spielerisch altbekannte Klasse zeigt. Richtig jubeln dürfen alle Online-Feldherren, denn kein anderes Spiel bietet so viele unterschiedliche, gemeine und imposante Taktiken. Für mich ist Age of Mythology das Strategiespiel des Jahres, weil es den goldenen Mittelweg zwischen der schnellen Dynamik eines WarCraft III und der spielerischen Tiefe von Medieval beschreitet.

Pro

<li>tolles Intro</li><li>epische Story</li><li>mächtiger Editor</li><li>sehr gute Spielwelt</li><li>schöne Animationen</li><li>spannende Kampagne</li><li>mehr taktische Vielfalt</li><li>einwandfreie Bedienung</li><li>neue strategische Ausrichtung</li><li>beeindruckende mythische Wesen</li><li>abwechslungsreiche göttliche Mächte</li><li>hervorragende Licht-, Partikel- & Zaubereffekte</li>

Kontra

<li>kein neues Spielgefühl</li><li>etwas eintönige Sounds</li><li>kein Königsmord im Multiplayer</li><li>keine automatisierten Kundschafter</li>

Wertung

PC

Zeus wäre stolz auf dieses Spiel: göttliche Grafik trifft auf göttlich fiese Taktiken!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.