Outcry: Die Dämmerung27.04.2009, Bodo Naser
Outcry: Die Dämmerung

Im Test:

Outcry hat sich viel vorgenommen: Es möchte Myst-Ersatz, knackige Rätselbude und düsteres Adventure mit grenzwissenschaftlichem Hintergrund in einem sein. Traum und Realität sollen laut den russischen Machern ineinander übergehen. Doch wer verzweifelt etwas möchte, erreicht oft nur wenig.

Abgang nach Maß

Wieso verschwindet zu Beginn von Adventures eigentlich immer irgendjemand? Geschätzt sind es mehr als zwei Drittel aller virtuellen Abenteuer, die mit dem Abgang einer Person beginnen. Das scheint für bessere Spiele wie Perry Rhodan , Simon the Sorcerer 5 

Es beginnt genretypisch mit einer Nachricht, die vom Bruder stammt. Als man hinkommt, ist er unvermutet tot.  
oder Myst ebenso zu gelten wie für schlechtere, bei denen es sogar noch öfter vorkommt. Ich verstehe, dass das Suchen nach einer Person jede Menge Optionen sowie Fragen eröffnet: Wo ist sie hin? Wieso ist sie gegangen? Wurde sie entführt? Lebt sie noch? Aber könnte es nicht auch mal etwas anderes sein, wie das Auftauchen einer Person, seinerzeit gut umgesetzt in Paradise? Haben wir vor dem Verlust derart Angst, dass uns nur dieser richtig aufrüttelt? Stellen wir erst dann fest, dass wir jemanden mögen, wenn er uns fehlt?

Dementsprechend verschwindet natürlich auch jemand bei Outcry. Dieses Mal ist es der Bruder des Hauptcharakters, der nie zu sehen ist, da das gut und gerne mal acht Stunden dauernde Point&Click-Abenteuer in Egosicht abläuft. Genauer gesagt ist der Bruder plötzlich verstorben, wie einem eine verrückt wirkende Frau erzählt, die wohl die Hausmeisterin sein soll. Merkwürdig - hat er ihn doch gebeten, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen. Der Naturwissenschaftler habe eine bedeutende Erfindung gemacht, hieß es in seinem letzten Brief, den man zu Beginn des ersten von vier Kapiteln bekommt. Worum handelt es sich dabei und hat diese Erfindung ihn vielleicht umgebracht?

Statisches Halbdunkel

Der Anblick der Wohnung erinnert ein wenig an Penumbra , ohne allerdings dessen Dynamik zu erreichen. Ein Großteil liegt

Messi oder Erfinder? Die Wohnung sieht aus, als hätte seit 100 Jahren keiner mehr aufgeräumt.
im ewigen Halbschatten, da es nur spärliche Beleuchtung gibt, was natürlich an das innovative Erstlingswerk von Frictional Games erinnert. Allerdings ist die 2D-Umgebung mit ihren vorgegebenen Räumen nicht frei begehbar wie bei Penumbra, wo alles noch dreidimensional war. Bis auf die wackelige Kamera gibt es zudem kaum Bewegung in den Bildern. Auch auf Actionsequenzen jeglicher Form verzichtet Outcry - alles bleibt statisch, statt innovative Aufgaben fürs Köpfchen gibt es die üblichen Rätsel. Man trifft keine Menschenseele, weshalb man sich eher wie auf einem fremden Planeten vorkommt.

Doch die Umgebung bleibt nicht ohne Wirkung. Als man das erste Mal die bedrückende Zimmerflucht betritt, wird klar, dass der verschwundene Bruder depressiv gewesen sein muss. Anders kann es ihm nicht ergangen sein, denn die braunstichigen Räume sehen heruntergekommen aus und versetzen einen in Schwermut. Von fotorealistischer Optik, wie auf der Verpackung beschrieben, ist allerdings nichts zu merken. Stattdessen muten die Streifen im Bild unfreiwillig komisch an, die dafür sorgen sollen, dass alles antik wirkt. Vieles ist so übertrieben geraten, dass es sich ins Lächerliche verkehrt. Die russischen Macher haben es drauf angelegt, alles um jeden Preis auf düster zu trimmen. Davon abgesehen ist das Spiel aber nicht sonderlich gruselig.

Vertrackte Rätsel

Überall sind merkwürdige Apparaturen zu sehen, von denen einige wissenschaftlich, andere wiederum nach billiger Science-Fiction aussehen. Obwohl der Professor noch vor kurzem gearbeitet hat, ist nichts mehr in Betrieb, weshalb man sie in Gang setzen muss. Das ist leichter gesagt als getan, denn in dem Durcheinander kann man kaum etwas finden. Hier macht es sich leider negativ bemerkbar, dass es keine Hot-Spot-Anzeige gibt, da einige Teile schwer zu entdecken sind. Der Mauszeiger verändert sich zwar, aber er zeigt nur, wo überhaupt etwas los sein könnte. Die Laufwege sind oft umständlich, weshalb man auch hier einige wichtige Plätze übersieht.

Ein zentraler Ort ist der Keller, wo man mittels einer Schalterreihe den Strom anstellen muss. Bevor das nicht geschieht, geht es nicht weiter. Zuvor hat der Forscher grob beschrieben, wie sie eingeschaltet wird. 

Bei der Apparaturen ist nicht nur Kopfarbeit gefragt sondern bisweilen auch Hinhören. Ansonsten steht man oft aufm Schlauch. 
Obwohl es lesenswerte Texte gibt, die sogar teils von einem professionellen Sprecher vorgelesen werden, fehlt es oft an Hinweisen. Woher soll man etwa wissen, dass man die Zahlen aufschreiben muss, um am Schluss die Maschine zu starten? Es gibt nicht den leisesten Hinweis, so dass man einmal mehr aufs Probieren angewiesen ist.

Woran der Forscher genau gearbeitet hat, muss man sich erst nach und nach zusammen reimen, denn es gibt allenfalls Andeutungen. Fast nebenbei erfährt man so etwas über Ultraschall, Pflanzenwirkstoffe und die Wirkung auf den Organismus. Bei Outcry spielt auch der Sound eine gewichtige Rolle bei der Lösung von Rätseln, wie man es u.a. auch von Myst kennt. Nicht nur bei der klassischen Musik, die im Hintergrund läuft, heißt es: hinhören. So muss man beim Einstellen von Reglern darauf achten, was sich für ein Ton durch die Stellung ergibt. Ertönen hier Misstöne, ist man auf der falschen Fährte. Klingt das Ganze gut, dann geht's weiter.

Kaum ein Weiterkommen

So schafft man es letztlich auch, die Maschine in Gang zu setzen. Ein wenig kommt man sich schon wie bei der Zeitmaschine

In Kapitel zwei bremst ein Bug den ambitionierten Abenteurer aus.   
von H.G. Wells vor, wenn man in der Apparatur Platz nimmt. Dabei weiß man noch nicht mal genau, wofür sie gut ist. Führt sie etwa in eine andere Dimension? Jetzt noch die Atemmaske aufgesetzt, die megawichtige Zahlenreihe von vorher eingestellt und schon geht es los. Als der Apparat endlich wieder zum stehen kommt, verlässt man die Maschine und ist etwas enttäuscht. Das Zimmer ist immer noch da, auch wenn es anders aussieht. Hinten fehlt ein Stück und man blickt auf eine surreal anmutende Umgebung. Wo ist man gelandet?

So beginnt das zweite Kapitel, das leider von einem fiesen Bug geplagt wird. Wer sich in den Raum in der Mitte begibt, hat ein Problem: Hier verlangsamt sich das Spiel dermaßen, dass ein Weiterspielen derzeit leider nicht mehr möglich ist. Um ein spielerisches Element handelt es sich dabei nicht, da es sich nicht umgehen lässt. Einzig das Hochstellen der Mausempfindlichkeit soll laut Fanforen etwas helfen, tut es aber nicht. Man bräuchte Stunden, um hier etwas zu treffen. Die Macher sollten hier einen Patch nachliefern, der das Megaruckeln entfernt, da man dringend ins Arbeitszimmer muss.

                   

Fazit

Atmosphärisch ist Outcry sogar in Ordnung, wenn man mal von der auf Vergänglichkeit getrimmten, menschenleeren Umgebung und einer gewissen Steifheit absieht. Die mysteriöse Story, die schwermütige Musik und die grenzwissenschaftlichen Texte machen neugierig, was wohl hinter dem Ganzen stecken könnte. Allerdings wird dieser anfängliche Entdeckerdrang immer wieder durch allerhand Widrigkeiten gebremst, die sicher nicht im Sinne der russischen Erfinder sind. Die Apparaturenrätsel sind konventionell, es fehlen aber Hinweise - und wenn welche da sind, dann verwirren sie nur. So steht man oft wie der Ochs vorm Berg, nur weil man nicht genau weiß, was zu tun ist. Zudem sind die wenigen Gegenstände kaum zu finden, da sie in dem Durcheinander versteckt sind. Man kommt oft gar nicht zu den Orten, weil man denkt, es führe kein Weg dorthin; hier hätte eine Hot-Spot-Anzeige Abhilfe schaffen können. Hat man es geschafft, kommt in Kapitel zwei der plötzliche Knockout, da ein Bug das Weiterspielen ausbremst. So werden wir wohl nie erfahren, was mit dem Wissenschaftler passiert ist. Da wäre mehr drin gewesen, da es haufenweise gute Ansätze gibt…

Pro

mysteriöse Suche
klassisches Adventure
naturwissenschaftliche Rätsel
grenzwissenschaftliche Anleihen

Kontra

Gegenstände schwer zu finden
Hinweise verwirren
menschenleere Umgebung
Bug verhindert Weiterspielen
linearer Ablauf

Wertung

PC

Story und Atmosphäre sprechen einen an, auch wenn es das Spiel letztlich nicht halten kann.

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