Trine16.07.2009, Jörg Luibl
Trine

Im Test:

Drei Helden, ein Ziel: Das Königreich retten! Aber der Weg ins heroische Glück führt durch ein Sammelsurium an Fallen, ein Labyrinth an Plattformen und natürlich ein Heer an Monstern. Wer jetzt an ein Hack'n Slay denkt, liegt aber falsch: Das finnische Team von Frozenbyte (Shadowgrounds ) hat ein zauberhaftes Abenteuer mit Kampf, Akrobatik und vor allem viel Physik entwickelt. Geht die ansehnliche Mischung auch spielerisch auf?

Warten auf zwei Männer

Trine (ab 15,00€ bei kaufen) ist ein kleines Schmuckstück: Freut euch auf wunderschöne Level mit herrlichen Licht-, Spiegel- und Raucheffekten. 
Der Wind rauscht, die Heldin lauscht: Die Diebin hängt an ihrem Wurfhaken über einem tödlich dampfenden Sumpf und hört sich die hitzige Diskussion ein paar Meter weiter unten an. Dabei müsste sich das Trio eigentlich sputen, denn das Königreich wird von einer Untotenplage heimgesucht. Die einzige Hoffnung: Ein magisches Artefakt, dessen Teile die Helden finden müssen. Wenn die beiden Herrschaften sich nicht einig werden, wird sie da oben aber noch verhungern oder von Skeletten beschossen werden.

Pontius: Wie soll ich denn über diese stinkende Brühe kommen?

Amadeus: Könntest du nicht eine Kiste nehmen und in den Sumpf werfen?

Pontius: Hab ich schon versucht - klappt nicht. Sie löst sich auf. Ich will endlich rüber, da warten Skelette auf meinen Hammer! Los, bau endlich eine Treppe!

Amadeus: Hey, nicht so unverschämt, du Stahlklotz! Ich muss halt auf mein Mana achten - so viel hab ich nicht mehr. Also gut, ich bau sie dir: Hier, schwuppdiwupp eine Kiste, schwuppdiwupp die zweite Kiste oben drauf. Moment, noch etwas nachjustieren, damit du hoch klettern und von oben rüber springen kannst...

Das kooperative Trio

Kurze Zeit später ist das schlagfertige Trio wieder unterwegs: Amadeus der Magier, Zoya die Diebin und Pontius der mutige Kämpfer. Und das Beste ist: Jeder wird gerade von einem Redakteur verkörpert, die alle vor einem Rechner sitzen - man kann kooperativ zu dritt spielen! Und das sollte man, falls nicht auch im Duett, denn ganz alleine macht Trine nur halb so viel Spaß, da man dann zwar zwischen allen dreien wechseln kann, aber nur einen der Charaktere aktiv steuert. Leider, leider gibt es allerdings keine Online-Unterstützung, was natürlich ein Ärgernis ist. Zur gleichen Zeit ziehen also diese drei mit zwei sofort erkannten Xbox 360-Gamepads sowie Maus und Tastatur durch eine zauberhafte Fantasywelt, die in der höchsten Detailstufe fast wie gemalt aussieht - egal ob idyllisch leuchtende Wälder, schaurig illuminierte Höhlen oder finstere Verliese. Im folgenden Bild zeigt sich übrigens die Rätseldynamik. Der Zauberer muss durch das clevere Beschwören von Kisten die Radmechanik unterbrechen:

Man muss als Fantasyfan wirklich anerkennend nicken. Denn es ist, als hätten die begnadeten Brüder Hildebrandt mit ihrer märchenhaften Zeichenkunst das Spiel illustriert: Innerhalb der 2D-Abschnitte will man immer wieder stoppen, um sich staunend umzusehen. Da ragen riesige Eichen mit knorriger Rinde aus dem Boden, ein Bach plätschert kristallklar im Vordergrund und zwischen den Baumwipfeln knarzen hölzerne Hängebrücken. Diese Kulisse ist liebevoll und wundschön! Auch die Musik von Ari Pulkkinen, der aus der Demoszene kommt, kann sich hören lassen - manchmal ist sie vielleicht einen Tick zu lange zu lieblich und fröhlich.

Die Animationen der Helden sind ebenfalls vom Feinsten: Man schmunzelt, wenn der übergewichtige Kämpfer mit seinem Hammer zum Rundumschlag ausholt und dabei das Gleichgewicht verliert; man wird fast ein wenig an Altair erinnert, wenn die elegante Diebin in ihrem weißem Kapuzenumhang durch die Lüfte schwingt. Auch Kleinigkeiten wie das aktive Halten und Drehen des Schildes in Richtung der Gefahr oder das Durchziehen der Bogensehne können sich sehen lassen - hier waren Artdesigner und Animationskünstler mit Herzblut am Werk.

Kreative Spielmechanik

Der Kämpfer kann seinen Schild als Deckung gegen Pfeile und Feuer nutzen.
Schön und vor allem kreativ ist aber auch die Spielmechanik. Denn man begegnet immer wieder kleinen Hebel-, Plattform- und Physik-Rätseln, die sich mit Grips, Teamgeist und Timing lösen lassen. Zwar gilt es auch mal, aktiv mit dem Schwert oder dem Bogen zu kämpfen - und das nicht zu knapp gegen überaus gefährlich agierende, weil flink kletternde und Schilde nutzende Skelette. Selbst der Zauberer kann schwere Felsen oder seine selbst beschworenen Brücken nutzen, um sie von oben auf die Skelette krachen zu lassen. Aber im Vordergrund steht oftmals das geschickte Erkunden und akrobatische Durchqueren der Levels.

Mal muss man wie in einem Jump'n Run rechtzeitig über Abgründe springen oder Riesenäxten ausweichen, die plötzlich aus Wänden in den Weg jagen, mal muss man sich Brücken oder Treppen bauen, mal muss man Winden geschickt antreiben, mal muss man Gewichte einsetzen oder poröse Plattformen bis zum Einsturz beschweren, mal muss man kräftig schwingen oder tief tauchen, um ans Ziel zu gelangen. Das alles kennt man aus vielen kreativen Physikspielen der letzten Zeit, sei es LittleBigPlanet auf PlayStation 3 oder NyxQuest: Kindred Spirits auf Wii.

Einzigartig sind hier aber die kombinierten Aktionen: Denn der Krieger kann sich einen Felsen schnappen, auf den sich z.B. die Bogenschützin stellt, diesen kann er dann mit Wucht nach schräg oben werfen, so dass die Lady entweder von dort Pfeile abfeuert oder gar rechtzeitig auf eine erhöhte Stelle springt, indem sie gleichzeitig ihren Wurfhaken an eine Halterung jagt - sehr cool! Wenn das klappt fühlt sich das genau so klasse an wie das geschickte Levitieren des Zauberers: Der kann nämlich seine selbst beschworene Kiste auch dann in die Luft heben, wenn sich der tollpatschige Krieger darauf befindet - so kommt der Mann im Plattenpanzer unbeschadet auf die andere Seite oder in die Höhe, wenn der Zauberer denn die Plattform nicht vorher ungeschickt verwackelt.                

Fähigkeiten und Entwicklung

Und schön ist auch, dass sich die Charaktere entwickeln: Man kämpft oder findet verstreut grüne Erfahrungstränke, manchmal natürlich

Die Diebin kann sehr effizient aus der Distanz attackieren: Der Bogen macht's möglich.
extra knifflig positioniert, steigt irgendwann im Level auf und je nach Klasse gewinnt man weitere Fähigkeiten. Während die Diebin irgendwann nicht einen, sondern gleich zwei oder gar feurige Pfeile abschießen darf, gewinnt der Kämpfer nicht nur an Stärke, um schwere Felsen oder Kisten zu stemmen und anschließend mit Schmackes zu werfen, sondern auch noch kritische Treffer oder gar einen Hammer. Der kreative Star des Trios ist aber der Magier, denn er ist der Meister der Beschwörung und Bewegung: Kann er zu Beginn gerade mal eine Kiste beschwören, indem er à la Crayon Physics ganz simpel ein Quadrat per Maus oder Analogstick in die Luft zeichnet, sind es später schon zwei oder drei, die sich sogar stapeln lassen. Und irgendwann kann er über einen Strich auch eine Planke materialisieren, damit seine Freunde sicher über Abgründe oder Sümpfe kommen.

Es ist auch ein Hauch von Rollenspiel dabei, denn die Story wird von einem sehr guten englischen Sprecher überaus stimmungsvoll vorgelesen - sie ist aber nicht besonders interessant: Die Rettung des Königreichs durch drei zufällig zusammen gewürfelte Helden kann nicht gerade für Spannung sorgen.  Zwar versucht die Regie über ein paar gelungene automatische Kommentare den Charakter der Figuren heraus zu arbeiten, wie etwa die plumpe Tapferkeit des Kriegers oder den flunkernden Egoismus der Schatzsucherin, aber das wird nicht oft und markant genug inszeniert. Außerdem wird man nach einem gemeisterten Abschnitt manchmal relativ schroff in den nächsten katapultiert: Da steht man gerade noch im letzten Raum eines Levels vor einer Art Altar und schon wird wieder die vergilbte Karte eingeblendet, auf der es weiter geht. Was hatte man jetzt eigentlich entdeckt? Hier hätten schon kleine Zwischensequenzen wahre Wunder gewirkt, um das Gespielte und Erzählte besser zu verschmelzen.

Aber das sind Kleinigkeiten in der Präsentation, die den goldenen Zauber nicht trüben können. Dafür kann man auf seiner Reise auch einige Schatzkisten und die darin schlummernden Artefakte finden, ausrüsten und tauschen. Es gibt Amulette der Magie oder der Lebenskraft, es gibt verzauberte Ringe und Gift, mit dem man seine Pfeile oder die Klinge bestreichen kann. Besonders hilfreich ist die ewige Luft, denn damit kann man unbegrenzt lange tauchen, um versteckte Schätze oder Durchgänge zu finden, denn das Leveldesign fewinnt später angenehm verschachtelte, wenn auch nicht gerade komplexe Züge. Alle Gegenstände kann man jederzeit zwischen den drei Charakteren wechseln. Schade ist nur, dass das Inventar mit seinen klitzekleinen Icons und statischen Portraits im Vergleich zum herrlich animierten Abenteuer etwas zu steif wirkt.

Die Platinbremsen

Sowohl Physikrätsel als auch Kampf und Akrobatik zeichnen die Spieldynamik aus.
Die größten inhaltlichen Kritikpunkte betreffen die Steuerung und das Leveldesign. Erstere ist für den Krieger und Zauberer nahezu optimal, egal ob mit Gamepad oder Maus/Tastatur, aber die Diebin schwingt manchmal etwas zu nervös hin und her, zumal sie sich nicht intuitiv genug auf Plattformen ziehen kann. Der Wurfhaken ist zwar eine klasse Idee, aber sein Einsatz erfordert sowohl mit Maus/Tastatur als auch Gamepad sehr viel Geduld: Man muss schon ganz genau die Kanten von Planken anvisieren und mit sehr gutem Timing beim Hochziehen nach oben zu springen, um darauf zu landen - viel zu oft stürzt man dabei ab. Schade ist auch, dass sie damit nur nach schräg oben, aber nicht nach unten zielen kann.

Das Leveldesign leidet zudem auf lange Sicht unter einer gewissen Monotonie. Irgendwann hat man die Kniffe raus, stapelt die Kisten, beschwört Brücken, dreht Schalter und wird nicht mehr so fasziniert wie in den ersten Spielstunden. Das liegt nicht nur daran, dass die physikalischen Rätsel irgendwann ihr Potenzial ausgeschöpft haben, sondern auch daran, dass die anderen Reize wie die Bosskämpfe zu wenig Spannung vermitteln bzw. Taktik fordern; meist muss man die größeren Kreaturen nur oft genug treffen - da war mehr drin! Genau so wie bei der Kreaturenvielfalt: So grandios die meisten Animationen anzuschauen sind, so wenig Monster gibt es letztlich. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis mit den Spinnen und Fledermäusen endlich mal weitere Feinde abseits der Knochenmänner auftauchen. Die bestechen wiederum mit ihrer Unterschiedlichkeit: Kämpft man zu Beginn nur gegen einfache Keulenschwinger, sind es später clevere Schildträger, Bogenschützen und sogar Feuerspucker, die sich einem in den Weg stellen.    

Fazit

Zauberhaft! Und das sage ich als Fantasyfan selten, denn märchenhaftes Artdesign mit Magiern, Rittern und Monstern kann auch schnell in kunterbuntem Kitsch enden. Aber Frozenbyte versteht sein visuelles Handwerk: Ich habe selten so wunderschöne Levels gesehen - sie sind nicht nur herrlich illuminiert, sondern wirken auch bis ins kleinste Rädchen im Hintergrund noch ansehnlich. Viel wichtiger ist aber die kreative Spielmechanik: Ähnlich wie LittleBigPlanet auf PS3 oder kürzlich NyxQuest auf Wii entdeckt man eine Welt, indem man kämpft, springt, klettert und physikalische Rätsel löst. Diese Mischung geht hier so gut auf, dass die knapp acht Stunden fast wie im Flug vergehen. Das Faszinierende an Trine ist, dass man all das gleichzeitig mit drei ganz unterschiedlichen Charakteren erleben kann - so entstehen kreative Teamlösungen, die unheimlich motivierend sind. Schade ist nur, dass es keinen Online-Modus gibt, dass die Story etwas stiefmütterlich vor hin sich hin dümpelt, dass der Wurfhaken nicht intuitiv genug beim Hochziehen auf Plattformen umgesetzt wurde und dass sich das Leveldesign irgendwann doch abnutzt. Hätte es etwas mehr Abwechslung, eine weniger steife Präsentation und spannendere, also taktisch sowie physikalisch intelligentere Bosskämpfe gegeben, wäre auch Platin greifbar gewesen. Wer reinschnuppern möchte, kann zur Demo greifen!

Das Spiel ist auch für das PlayStation Network (Sommer) und später für Xbox Live geplant.

Pro

zauberhafte Kulissen
Kampf, Akrobatik und Rätsel
drei Figuren wählbar und jederzeit wechselbar
hervorragende Animationen
aufsteigen und Fähigkeiten entwickeln
sehr gut eingebundene Physik
faires Checkpunktesystem
knapp acht Stunden Spielzeit+ gute Musik von Ari Pulkkinen
kooperativ für bis zu drei Spieler an einem Bildschirm

Kontra

keine Online-Funktion
relativ schwache Bosskämpfe
wiederholungsanfälliges Leveldesign
nerviger Wurfhakeneinsatz
Story bleibt im Hintergrund

Wertung

PC

Zauberhaft, einfach zauberhaft! Ich habe selten so schön gekämpft, gerätselt und gesammelt.

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