Im Test:
Inzest in den Schattenlanden
Wenn man sich Calandra ansieht, zeigt sich die ganze Misere pubertären Storytellings. Der billige Effekt steht einfach immer im Vordergrund. Wie kann man eine Frauenfigur so schlecht, so primitiv designen? Nichts gegen Erotik oder Sex in Rollenspielen – man denke an The Witcher 2 oder Mass Effect 3. Aber hier kann man nur mit dem Kopf schütteln. Man muss mal auf ihre Kleidung achten, denn die Artdesigner haben sich ein besonders kreatives Schnittmuster ausgedacht: Calandra zeigt nicht nur ihre prallen Titten, sie hat auch extra Teile des Stoffes dafür zur Seite geblättert – schließlich will sie in all den Gefechten in Brusthöhe besonders verwundbar sein. Oder sie will all die Kannibalen, Untoten und Hexer geil machen, die im Laufe des linearen Abenteuers in ihre Richtung schlurfen.
Das könnte angesichts der nekromantischen Story in den finsteren Schattenlanden sogar im Bereich des erzählerisch Möglichen liegen – schließlich werden hier auch Huren in Untote verwandelt. Cairon und Calandra? Das hört sich nicht nur kitschig an, das ist es auch. Die Geschichte um das inzestuöse Geschwisterpaar, das mit der Vermischung seines Blutes ein Unheil beschwört, wird so plump erzählt, dass man locker eine Fantasy-Serie für RTL2 daraus machen könnte. Eigentlich stehen die Schattenlande für die unheimliche Seite der Fantasywelt Aventurien, für den düsteren Osten mit seinen Vampiren, Werwölfen und Dämonen – nicht umsonst erinnert die Region Warunkai auch lautlich an die europäische Walachai.
Fantasy auf RTL2-Niveau
Die Story kommt so schnell zur Sache, dass es weder Geheimnisse noch Fragen zu geben scheint – die wilde Fahrt geht einfach ab. Das Verhältnis zwischen Schwester und Bruder ist kaum bekannt, schon liegen sie sich knutschend in den Armen. Die Gefahr der Vermischung des Blutes wird gerade beschworen, schon zeigt Cairon dämonische Züge. Was so klar scheint, wirft mit der Zeit durchaus Fragen auf: Was genau ist mit den Geschwistern passiert? Sind sie jetzt auf Ewigkeit verflucht? Ist es der Trieb oder etwas anderes, das sie zusammentreibt? Immerhin kann man in den Dialogen etwas mehr über die Fraktionen und Motive erfahren, wenn man „Mehr Informationen“ als Frage anklickt. Wer sich in der Welt des Schwarzen Auges nicht so gut auskennt, kann zudem Hintergründe nachschlagen. Aber wie lieblos werden da kurze Texte zu Völkern, Regionen, Rechten, Mythen und Göttern präsentiert? Es gibt keinerlei Zeichnungen und selbst die Monster werden mit kleinen Beschreibungen abgespeist. Dabei sind es nur so wenige!
Freie Charakterentwicklung
Die gut geplante Karriere des Charakters kann selbst bei einfachen Aktionen entscheidend sein, denn man darf Pflanzen nur aufsammeln oder Bücher nur lesen, wenn man sich kundig gemacht, sprich: Aktionspunkte so lange vergeben hat, bis man einen Rang aufsteigt. Das zwingt zu einer gewissen Spezialisierung, denn das gilt auch für das Brauen von Tränken, Knacken von Schlössern oder Entschärfen von Fallen. Dort gibt es übrigens kein Minsipiel oder eine prozentuale Chance über einen Würfelwert, was für etwas Spannung sorgen würde. Hier muss man mit Statik leben: Die Truhe ist mit Rang 5 gesichert? Da hilft auch kein Glück! Dieses Entweder-oder gilt auch für die kommunikativen Talente: Wer in Gesprächen überzeugen, lügen oder verhandeln will,
Die Frage der Entscheidungen
Gibt man eine Urkunde zurück oder nicht? Tötet man ein Monster oder lässt man Gnade walten? Übergibt man ein Bordell den Wachen oder der Diebesgilde? Je nachdem wie man sich entscheidet, gibt es eine andere erzählerische Zusammenfassung sowie anschließend Reaktionen in der Spielwelt. Da wird man von den einen freundlich als Held begrüßt, von den anderen misstrauisch betrachtet oder angepöbelt. Außerdem kann man sich über die Wahl der Aufträge z.B. den Wachen oder der Diebesgilde anschließen. Und das ist noch das Beste, was man von der Regie sagen – dass sich die eigenen Taten durchaus auswirken. Dabei gelingt es der Story zwar, den Spannungsbogen mit der Zeit etwas zu straffen, aber man muss sich immer wieder zusammenreißen, sich immer wieder durch die unbelebten
Man vermisst einfach eine atmende Spielwelt. Mehr als zwei Jahre nach The Witcher 2, das mit der ersten Siedlung Flotsam für Leben sorgte, muss man sich in der Stadt Warunk die Augen reiben. Kein Gedrängel, kein Gefeilsche in den Gassen: Die Städte wirken nicht nur grafisch steril mit ihren platten Texturen. Man kann immer nur bestimmte Schlüsselpersonen wie Händler oder Questgeber ansprechen. Die langweilen dann mit simplen Hol- und Bringaufgaben à la „Verarzte drei Kranke“. Von einem geregelten Tagesablauf der Bewohner ist keine Spur, man kann kaum Gebäude betreten und viel zu schnell begegnet man Klonfiguren mit Klonsprüchen. Die Überleitungen zu Konflikten und Kämpfen aus einem normalen Spaziergang heraus sind dann mitunter schrecklich abrupt. Und wie reagieren Bewohner auf blutige Gefechte? Gar nicht!
Vorsicht, gleich gibt es einen Überfall!
Schwaches Kampfsystem
Die Regie baut Gegner groß auf, nur damit sie danach wie Seifenblasen platzen – man macht sie spielend leicht fertig. Wer einigermaßen Hand und Auge koordinieren kann, wird hier selbst auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade nur müde gähnen. Man stirbt auf der normalen Stufe nur dann, wenn man sich wirklich Mühe gibt, nicht blind auf die Angriffstaste zu hämmern oder die Heiltränke über das Steuerkreuz nicht zu nehmen. Selbst wesentlich besser ausgerüstete Wachen werden wie Butter geschnitten, man haut
Probleme im Kampf entstehen nur aufgrund der Überzahl oder dann, wenn die zickige Kamera mal den Blick auf das Gefecht versperrt. Für künstlichen Anspruch sorgt zudem, dass man beim ewig gleichen Klingentanz auf einen kleinen Bereich beschränkt wird. Die Gefechte sind nicht nur deshalb langweilig, weil man meist in aller Ruhe wegrollen und mit immer gleicher Knopfdrückerei zum Erfolg kommen kann: Eiszauber auf den Boss, schwere Attacken folgen lassen, wegrollen, viel Kroppzeug verkloppen für Mana, dann wieder Eiszauber auf den Boss, schwere Attacken folgen lassen etc. Dieses Schema reicht je nach Feind mit variierter Magie für das komplette Abenteuer aus. Es kommt auch deshalb Langeweile auf, weil sich die Kamera immer automatisch auf den nächsten Gegner ausrichtet, der manchmal nichts Besseres zu tun hat, als einem mitten im Kampf den Rücken zuzukehren – richtig gehört: selbst Bosse drehen plötzlich ab. Kurzum: Die KI ist mangelhaft.
Fazit
Was für ein primitiver, unheimlich schlecht designter Murks! In Zeiten von The Witcher 2 und Dark Souls kann man das kaum ertragen. Ich habe nichts gegen eine Inzest-Story mit Bruder und Schwester plus etwas blutiger Nekromantie hier und Dämonen-Flair da. Aber was hilft das, wenn man sich angesichts der Dialoge und plumpen Inszenierung immer wieder fremdschämt? Die Schattenlande sind hier nur deshalb schrecklich, weil man sich so auch eine Fantasy-Serie bei RTL2 vorstellen könnte. Dass die Berliner technisch nicht auf der Höhe der Zeit sind, ist noch verschmerzbar. Schlimmer als steife Animationen, veraltete Mimik und sterile Kulissen ist vielmehr die leblose Spielwelt mit ihren Levelschläuchen und das komplett langweilige Kampfsystem: Wer soll denn damit Spaß haben? Die Bosse sind lächerlich, die Feind-KI ist dämlich, das Kontersystem ist ein Witz, die Kamera nervt und es gibt nur vier öde Zauber. Immerhin werden mittelmäßige Abenteuer wie Dragon Age 2, Risen 2 und selbst das ernüchternde Game of Thrones durch so eine 08/15-Fantasy aufgewertet.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Was für ein primitiver, unheimlich schlecht designter Murks! In Zeiten von The Witcher und Dark Souls kann man das kaum ertragen.
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