Assassin's Creed 204.03.2010, Mathias Oertel
Assassin's Creed 2

Im Test:

Im November letzten Jahres sorgte Assassin's Creed 2 (ab 2,40€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) für heiße Diskussionen. Denn obwohl im Vergleich zum Vorgänger viele sinnvolle Änderungen eingebaut wurden, konnte uns Ezio nicht vollends überzeugen. Bei der jetzt erhältlichen PC-Fassung wird wieder heiß diskutiert. Allerdings stehen dieses Mal weder das Spiel noch die Verbesserungen zu den Konsolen-Fassungen  im Mittelpunkt, sondern die Premiere des neuen DRM-Systems von Ubisoft. Das ist schade, denn auf dem PC ist das Abenteuer empfehlenswerter als je zuvor.

Die D-Frage

Bevor ich mich auf die Assassin's Creed 2-Umsetzung konzentrieren kann, muss eine klitzekleine Angelegenheit aus dem Weg geräumt werden: Die DRM-Frage und ihr Einfluss auf die Wertung! Ich bin wahrlich nicht begeistert, nach Steam, dem EA Download-Manager, der Stardock Client-Software, diversen vermutlich zurückgebliebenen Fragmenten einiger Starforce-Versionen und nicht zu vergessen Games for Windows Live, einen weiteren diskussionwürdigen Vertreter zu installieren. Zudem einer, der mir vorschreibt, ständig online sein zu müssen! Ständig? Da machen wir doch die Probe aufs Exempel:

Der PC-Assassine als Komplettpaket: Die auf Konsolen bislang nur als kostenpflichtige Download-Inhalte zur Verfügung stehenden Episoden 12 und 13 werden auf Disc mitgeliefert.
Stecker kurzerhand entfernt und was passiert? Das Spiel stellt fest, das keine Internet-Anbindung mehr besteht, verweist darauf und kehrt auf den Desktop zurück. Mit dem automatisch herunter geladenen Day 1-Patch wird aber immerhin dafür gesorgt, dass man nicht mehr zum letzten Kontrollpunkt zurückgesetzt wird, sondern an der Stelle weitermachen kann, an der der Abbruch festgestellt wurde - wobei Ezio im Falle von bereits laufenden Missionen wieder an den Aufgabenstart gesetzt wird.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass aber ähnlich wie bei Steam nach einmaliger Aktivierung kein Datenträger im Laufwerk benötigt wird, um das Spiel zu spielen und dass man Ezios Abenteuer frei von jeglicher Begrenzung auf jedem Rechner installieren kann, mit dem man sich an seinem Ubi.com-Konto anmelden kann.

Ungeachtet der spielpolitischen Auswirkung und der persönlichen Vorlieben oder Abneigungen gegen DRM-Systeme im Allgemeinen und diese Schutzvorrichtung im Speziellen, teste ich natürlich nicht das DRM-System, sondern das Spiel an sich. Dementsprechend geht es bei der Wertungsfindung um die Inhalte und die technische Umsetzung. Ist der Online-Zwang zur Speicherung nervig? Zweifellos! Hätte dieses Problem evtl. à la Steam anders gelöst werden können? Sicherlich! Macht dies aber Assassin's Creed 2 (AC2) dadurch ggf. zu einem schlechteren (oder besseren) Spiel als bei den Konsolenkollegen, die auch Offline-Speicherung zulassen?

Nein!

Und da auf der Packung groß und deutlich steht, dass eine permanente Internet-Verbindung benötigt werde, um das Spiel zu spielen, weiß jeder von Anfang an, worauf er sich einlässt.

Nachdem das also geklärt ist, können wir uns dem Wichtigen zuwenden: Dem Spiel, das im Gegensatz zum Vorgänger nicht ganz so üppig mit zusätzlichen Inhalten versehen wurde, wenn man PC- und Konsolenvarianten gegenüberstellt. Und da davon auszugehen ist, dass viele der an AC2 Interessierten sich bereits mit den Tests der Konsolenversionen beschäftigt hat, gehe ich nachfolgend vorrangig auf die wesentlichen Änderungen der PC-Version ein und versuche dann der Vollständigkeit halber in den Basistext der Konsolenversionen überzuleiten, wo ggf. eher unauffällige Unterschiede besprochen werden.

Der Status quo

Während Teil 1 auf dem Rechenknecht als "Director's Cut" mit ein paar unverbrauchten Missionstypen den Kauf schmackhaft machen wollte, setzt AC2 auf ein Komplettpaket. So finden sich die auf PS3 und 360 nur als Download-Inhalt verfügbaren Erinnerungen 12 und 13 als Teil des Ganzen. Diese zusätzlichen Erinnerungen sorgen dafür, dass die ohnehin passable Spielzeit von gut 20  Stunden (wenn man nur der Hauptstory folgt) noch um etwa drei bis vier Stunden erhöht wird und vor allem im Fall von "Nummer 13" mit dem Nutzen von Schleich- oder Tarn-Mechaniken sowie einem gehobenen Schwierigkeitsgrad unterhält, die man über weite Teile des Hauptabenteuers vermisst.

Natürlich ist eine Kernfrage auch, inwieweit sich AC2 (wenn überhaupt) visuell von den Konsolenkollegen abheben kann? Und wie es kaum anders zu erwarten war, ist die Antwort stark abhängig von der verbauten Hardware. Hat man die "empfohlenen" Systemvoraussetzungen zur Verfügung, die mindestens Multicore-Prozessoren ab Core 2 Duo E6700 2,6 GHz oder Athlon 64 X2 6000+ vorschlagen und eine Grafikkarte ab GeForce 8800 GT bzw. Radeon HD 4700 sowie 2GB RAM verlangen oder überbietet sie gar, kann man sich auf einige Verbesserungen im Vergleich zu PS3 oder 360 freuen.

Entsprechende Hardware vorausgesetzt, sieht Assassin's Creed 2 auf dem PC im Detail besser aus als auf Konsolen.
Dazu gehören z.B. eine erhöhte Sichtweite und verbesserte Gesichtstexturen bei den Hauptfiguren, die deutlich weicher und damit realistischer wirken als auf Konsolen. Bei den Statisten hingegen hat sich in diesem Aspekt nichts getan, obwohl gerade die sich am ehesten über Verbesserungen gefreut hätten, da sie bei direkter Gegenüberstellung mit den Protagonisten deutliche Defizite hinsichtlich Detailfreude und Texturqualität offenbaren.

Wer eine für Spiele optimierte Highend-Maschine sein Eigen nennt, kann mit dem "Multisampling" ein qualitativ hochwertiges Anti-Aliasing aktivieren, das allerdings enorm Perfomance schluckt. Gefühlt können die visuellen Vorteile zwar nicht die spontanen Geschwindigkeitseinbußen wettmachen, die sich beim Einschalten einstellen, doch ein potentes Mittel, um den PC abseits von 3DMark und Co auszureizen und die Prozessoren zum Glühen zu bringen, scheint hier gegeben zu sein. Allerdings ist AC2 auch am Rechenknecht nicht vor spät eingeladenen und dementsprechend unvermutet aufploppenden Hires-Texturen gefeit. Und auch die weichen Schatten von Gebäuden bequemen sich manchmal zu spät aus ihrem Versteck, um sich dann unvermutet ins Blickfeld zu schieben und den gelungenen visuellen Gesamteindruck zu trüben. Dafür allerdings gehören die Slowdowns bei hohem Personenaufkommen oder Tearing (beides Mankos der Konsolenvarianten) der Vergangenheit an.

Bei Rechnern, die sich eher dem empfohlenen Minimum nähern, das bei einem Core 2 Duo mit 1,8 GHz, 256 MB-Grafikkarte und 1,5 GB Arbeitsspeicher liegt, muss man nicht nur visuelle Qualitätsabstriche machen, sondern auch mit Tearing und Bildrateneinbrüchen leben.

Ein Blick zurück: Gold oder nicht?

Mit der Antwort auf diese Frage hatten Altair und ich bei seiner Premiere tagelang gerungen. Sicherlich hatte Assassin's Creed vor allem in der Schlussphase mit einem sich wiederholenden Missionsdesign zu kämpfen, das im PC-Director's Cut auch nicht durch die zusätzlichen Aufgabentypen aufgefangen werden konnte. Und das "Klettern auf Schienen", das kaum Herausforderungen bot, verlor ebenfalls auf Dauer an Reiz. Dem gegenüber standen  jedoch prächtig choreografierte Kämpfe sowie eine Atem beraubende Kulisse, die seinerzeit trotz einer gewissen Diskrepanz zwischen der glanzvollen Architektur und der im Vergleich dazu eher spröde wirkenden Bevölkerung begeistern konnte.

Dank verbesserter Grafikqualität wirken die Todessprünge noch spektakulärer.
Nicht zu vergessen die Geschichte, die einen Bogen zwischen der von der Hauptfigur Desmond Miles erlebten "virtuellen" Vergangenheit auf der einen sowie der düsteren Gegenwart auf der anderen Seite spannen konnte. Die Story wurde inklusive einem Hauch historischer Mystery sehr gut erzählt und konnte mich lange Zeit in einen Gewissenskonflikt ziehen: Ob die Meuchelmorde trotz des Assassinen-Credos "Nichts ist wahr! Alles ist erlaubt!" wirklich die beste Lösung für die Probleme sind? Assassins Creed lieferte ein erzählerisches und auch grafisches Erlebnis, das man in dieser Form noch nicht gesehen hatte. All das sorgte in seiner  letztlich trotz einiger spielerischer Defizite für den Gold-Award.

Dementsprechend hat der junge Italiener Ezio Auditore da Firenze, der die Nachfolge Altairs antritt, große Fußstapfen zu füllen. Das Team von Ubi Montreal muss beweisen, dass man sich die Kritik am Vorgänger zu Herzen genommen und daraus gelernt hat - das zu einfache Klettern, das redundante Missionsdesign, die kleinen KI-Schwächen und Logikmacken sowie die lieblos verteilten Sammelquests. Irgendwann klapperte man die Metropolen nur noch nach Schema F ab, denn auch das interessante Konzept der Menschenmenge wurde nicht kreativ genug eingesetzt. Wird diesmal alles spannender, fordernder und letztlich unterhaltsamer?

Altair vs. Ezio

Schon in der Einstiegsphase, in der man den jugendlichen Draufgänger und Frauenschwarm Ezio kennenlernt, werden vor allem die kleinen Änderungen des Kampfsystems deutlich.

Der Kern mit seinen einfachen über verschiedene, gut (Maus/Tastatur) bis optimal (360-Pad für Windows) funktionierenden Kontrolloptionen zu erreichenden Konter und Ausweichmöglichkeiten bleibt unangetastet; das gilt auch für die nach wie vor beeindruckende Choreografie der Auseinandersetzungen. Neu ist allerdings die Möglichkeit, die Gegner zu entwaffnen oder die Waffen bereits besiegter Feinde aufzunehmen und diese einzusetzen, wodurch die Kämpfe eine zusätzliche Dynamik und taktische Ebene gewinnen: Es ist z.B. nicht unmöglich, aber verdammt schwierig, einen vernünftigen Schwertangriff gegen einen Gegner zu landen, der mit seinem schweren Hammer einen effektiven Block setzt. Ganz zu schweigen von den Pikenieren, deren Reichweite schwer zu umgehen ist.

Und so kämpft und klettert man sich durch die ersten Szenen, lernt das architektonisch bildhübsche Florenz kennen und muss schließlich mit ansehen, dass der schon länger schwelende Groll zwischen Ezios Familie und den nach Macht strebenden Pezis in einer Gefangennahme seines Vaters und der Brüder sowie deren Hinrichtung gipfelt. Dass dies  eine perfekte Motivation für Rache ist, steht außer Frage. Dennoch bleibt die Figur des Ezio in dieser Hinsicht erstaunlich blass: Er bekommt von seinem 

Ezios Talent als Meuchelmörder ist unbestritten. Seine Beweggründe sind aber häufig zu undurchschaubar oder gar unglaubwürdig.
Vater den Schlüssel zu einer Truhe, in der die Assassinen-Utensilienauf ihren Einsatz warten, zieht sie an und auf einmal wird aus Ezio, dem jugendlichen Draufgänger Ezio, der unüberwindliche Meuchelmörder. Zu schnell, zu hastig, zu unreflektiert.

Während Altair im Vorgänger bereits als Attentäter eingeführt wurde, dann aber durch seine Zweifel an Tiefe gewann, ist der Wandel Ezios zu unscheinbar. In einem Moment ist er der nette Junge von nebenan, im nächsten der eiskalte Killer, der im Gegensatz zu Altair nicht über seine Taten zu reflektieren kann oder will. Ein paar Sequenzen später werden die Figur Ezios sowie sein Verhalten zwar deutlicher und nachvollziehbarer, doch Zweifel an seiner Motivation bleiben. Denn spätestens, wenn alle Pezis ausgelöscht sind und er der eigentlichen Verschwörung dahinter noch nicht auf die Spur gekommen ist, fragt man sich, wieso er weiter Rache üben möchte? Wiederum etwas später wird zwar auch dies erklärt, doch Ezio ist als Figur nie ganz so greifbar wie sein Urahn im Geiste. Das sind erzählerische Schönheitsfehler in einer insgesamt guten Inszenierung, die vor allem mit ihren hochklassig besetzten deutschen Sprechern von Anfang bis Ende punktet.

Desmond vs. Desmond

Ein Hauptpunkt, der bei mir die Faszination des Vorgängers ausmachte, wird in AC2 übrigens bis auf wenige Ausnahmen außer Acht gelassen: Die Gegenwart Desmonds. Der erzählerische Überbau, der beim Spieler vor dem Schirm immer wieder für ein Nachdenken sorgte, wird hier nahezu komplett ignoriert. Ironischerweise waren im ersten Teil und sind auch hier die erzählerisch stärksten Momente gerade jene, in denen beide Ebenen, also die virtuelle Vergangenheit und die von Desmond erlebte Realität, vermischt werden. Was aber hier viel zu selten passiert!

    

Und Ezio alleine kann in der Vergangenheit diese erzählerische Last nicht tragen. Hier merkt man AC2 an, dass es "nur" der mittlere Teil der geplanten Trilogie ist. Man erfährt so viel, wie nötig ist, um etwaige Fragen aus dem Vorgänger zumindest im Ansatz zu beantworten, aber nicht genug, um vollends zufrieden zu stellen. Zudem bleibt für Spieler, die den Vorgänger nicht kennen, zu viel unbeantwortet: Was ist der Animus? Was sollen die ganzen futuristischen Zeichen in der altertümlichen Spielwelt? Hier lässt Ubisoft alle Neu-Assassinen im Regen stehen. Und oben drauf gibt es einen Haufen neuer Fragen sowie einen weiteren Cliffhanger, der mich zwar höllisch neugierig auf Teil 3 macht, aber im Gegensatz zum Vorgänger noch unzufriedener zurücklässt.

Assassinen unter sich

Stellt man die Fähigkeiten Ezios und Altairs gegenüber, hat der Meuchelmörder der Renaissance klar die Nase vorn: Nicht nur, dass er im Kampf die gleichen Konter- und Ausweichmöglichkeiten oder Wurfmesser zur Verfügung hat und er in den

Pediküre gefällig? Ezio kann seine Gegner entwaffnen und die Klingen gegen sie einsetzen.
Kanälen Venedigs auch schwimmend entkommen kann. Er kann im z.B. auch seinen Gegner entwaffnen, dessen Waffe selbst schwingen, ihn im Nahkampf packen und ihm weitere Schläge und Tritte verpassen, während Altair seinen Feind nur von sich wegstoßen konnte.

Außerdem kann er mit Rauchbomben seine Feinde verwirren und so eine ungefährlichere Flucht vorbereiten. Er hat zudem die Möglichkeit, eine Klinge mit Gift zu versehen und einen Feind auf diese Art und Weise auszuschalten. Er kann sogar eine Art Schusswaffe benutzen, deren Zielvorrichtung allerdings enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Und er kann jetzt tatsächlich in der Menge untertauchen: Jedes Mal, wenn er sich unbemerkt unter eine Gruppe von mindestens vier Passanten mischt, wird Ezio für die Wachen nicht mehr erkennbar. Optisch wird dies durch ein futuristisches  Muster unter den Füßen der Gruppe sowie eine Graufärbung von Ezio und den Zivilisten kenntlich gemacht.

Viele Waffen, mächtige Klingen

Man hat also deutlich mehr Möglichkeiten, seine Tötungsmissionen zu lösen und unerkannt zu entkommen. Doch unter dem Strich spielt sich Ezio trotz aller Erweiterungen und zusätzlicher Optionen gar nicht so anders wie ich es erwartet hätte und wie es sich anhören mag. Was vor allem einer bislang noch nicht erwähnten Ergänzung seines Arsenals zuzuschreiben ist: Der Doppelklinge. Denn anstatt wie sein mordender Kollege zur Zeit der Kreuzzüge eine Klinge im Ärmel zu haben, verfügt er über zwei, deren Möglichkeiten immer wieder für hoch befriedigende Momente sorgen. Wenn sich Ezio unbemerkt an zwei Wachen heranschleicht und einen links, einen rechts, dann beide fallen lassend die Soldaten aus dem Verkehr zieht, sieht das nicht nur gut aus - es sorgt auch für Genugtuung.

Gleiches gilt, wenn sich Ezio aus einigen Metern Höhe wie ein Adler auf seine nichts ahnenden Opfer stürzt und sie mit seiner Doppelklinge beinahe in den Boden spießt. Das Problem mit diesen Klingen: Sie sind zu mächtig. Was wiederum dazu führt, dass man fast immer nur mit ihnen unterwegs ist und die anderen angebotenen Möglichkeiten nur in Ausnahmefällen nutzt oder wenn man dazu vom Missionsdesign gezwungen wird. Bei Tötungen aus dem Schatten heraus ist ihre Effizienz klar, logisch und nachvollziehbar - und nicht zuletzt unheimlich befriedigend, wenn man feststellt, dass der Plan aufgegangen ist. Aber dass man mit den kleinen Doppelklingen im normalen Kampf mit entsprechendem Einsatz des Konterns ebenso tödlich ist, wirkt befremdlich und entwertet auch die neuen Möglichkeiten des Entwaffnens.

Die martialische Leichtigkeit

AC2 gerät trotz ebenso eleganter wie martialischer Tötungsmanöver niemals über den schmalen Grad der Gewalt zum Selbstweck hinaus. Ganz im Gegenteil: Als Teil einer pompösen Kampfchoreografie kann man die Grazie nicht genug bewundern, mit der Ezio dem schier übermächtigen Feind die Doppelaxt entreißt, sich schwungvoll um seine Achse dreht und dann die Schneide im Helm des Gegners versenkt. Aber Kenner des Vorgängers werden sich erinnern, dass bereits in Jerusalem aufwändig choreographiert gekämpft wurde. Dementsprechend wirkt das Kampfsystem eher wie eine Ergänzung denn wie eine Weiterentwicklung.

Und der Kampf scheint insgesamt auch gegen zahlenmäßig überlegene Gegner deutlich einfacher - vor allem auch dann, wenn Kumpanen an Ezios Seite kämpfen, die Feinde ablenken, so dass man diesen dann gemütlich von hinten mit einem Treffer das Lebenslicht ausbläst, bevor man zum nächsten Opfer weiter zieht, das sich natürlich nicht um einen kümmert.

Szenen wie die Kutschen-Verfolgung sollen für Abwechslung sorgen, lassen aber viel Potenzial auf der Strecke liegen...
Die Tode, die ich über die gesamte Kampagne einstecken musste, resultierten nicht in einem einzigen Fall aus Kampfverlusten, sondern aus Falscheinschätzungen beim Abspringen von zu hohen Gebäuden. Und das war im Vorgänger noch anders - dort hat auch das normale Gefecht ab und an zu Altairs Ableben geführt.

Schauplatz vs. Spielplatz

Die größte Designänderung findet sich im Missionsdesign: Die Zeit, in denen man sechs von zehn meist eintönigen Aufgaben lösen musste, bevor man sich an sein Attentatsziel heranwagen durfte, ist glücklicherweise vorbei. Stattdessen reist Ezio in etwas weniger engem Korsett weitestgehend linear von Florenz durch die italienische Provinz über das imposante Venedig bis nach Rom. Das bedeutet aber nicht, dass man abseits seines Rachefeldzuges nichts mehr zu tun hat. Aber anstatt dem Spieler ein Areal zum Austoben zu geben wie z.B. in Just Cause, nutzt man die offene Welt hier, um den Meuchelmördereien ein ansprechendes Ambiente zu verpassen - hier stellt man sich gerne mal auf ein Dach und schaut einfach nur zu, wie das Leben pulsiert.

Dieses Ambiente hätte allerdings noch glaubwürdiger gewirkt, wenn auch die Bevölkerung einen Verhaltensfortschritt gemacht hätte. Dass Händler und Passanten ihrem Tag- oder Nachtwerk nachgehen und die Straßen füllen, kennt man bereits aus dem Vorgänger. Und auch viele Reaktionen, wie das Zurückweichen der Zivilisten, nachdem sie einen bei einer verbotenen Tat wie z.B. dem neuerdings möglichen Ausrauben der besiegten Gegner beobachtet haben, sind keine neuen Verhaltensmuster. 

   

Es bleibt aber auch bei alten Inkonsequenzen wie dem nur kurzzeitig irritierten Innehalten, wenn Passanten über eine Leiche stolpern oder ihnen eine von Ezio vom Dach geworfene Wache vor die Füße fällt. Ich bezweifle, dass die Tötungsrate im Venedig der Renaissance tatsächlich derart hoch war, dass die von Ezio dem Leben entrissenen Wachen und selbst Zivilisten tatsächlich so teilnahmslos zur Kenntnis genommen wurden. Ebenfalls interessant sind die Passanten, die so fasziniert von ihrem Dasein sind, dass sie nicht merken, wenn sie seit fünf Minuten in die Mauer laufen und Ezio dabei wie auf einem Drogentrip von der Seite anstarren.

Die Kampfgetümmel ist durchweg gut animiert, aber unter dem Strich nicht nur dank der übermächtigen Doppelklinge zu leicht zu bewältigen.
In jedem Fall kratzen diese immer wiederkehrenden Verhaltensmankos am Gesamteindruck, der nach wie vor gut ist, aber so viel mehr hätte sein können, wie z.B. die Momente während des Karnevals deutlich machen: Gaukler auf den Straßen, Feuerschlucker und überall maskierte und verkleidete Passanten transportieren die lockere Stimmung nahezu mühelos. Grundlegende Änderungen der Reaktionen auf Tote dürfen natürlich auch hier nicht erwartet werden, aber mit den kleinen Überraschungen während des Karnevals können einige der unglaubwürdigen Verhaltensweisen übertüncht werden.

Viel drum, wenig dran

Dass man sich weg vom Abenteuerspielplatz hin zu vor allem architektonisch spektakulären Schauplätzen entwickelt hat, bedeutet nicht, dass es abseits der gut 20 Stunden in Anspruch nehmenden Hauptstory nichts zu tun gibt. Ganz im Gegenteil: Die meisten der im Vorgänger noch zwingend benötigten Nebenmissionen wie Rennen, Auftragsmorde usw. sind jetzt optional verfügbar, um sich entweder die Zeit zu vertreiben oder aber den Inhalt seiner Geldbörse aufzustocken.

Nicht nur das: Die Sammelaufgaben, die im Vorgänger sehr unglaubwürdig wirkten (sammle 100 Flaggen hier, sammle 100 Flaggen da), wurden besser in die Geschichte integriert und sind motivierender.

So gibt es z.B. immer wieder so genannte Glyphen zu finden, die zwar für den Hauptstrang der Geschichte nicht wichtig sind, die aber eine Verbindung zur Gegenwart Desmonds bzw. dem Relikt herstellen, dem sowohl die Assassinen als auch die Templer auf der Spur sind. Gleichzeitig werden sie genutzt, um die Action mit nicht gerade fordernden, aber interessanten Rätseln aufzulockern. Mal müssen Gemälde richtig zusammengesetzt werden, ein anderes Mal Gemeinsamkeiten entdeckt und dann wiederum quasi mit Infrarot durchleuchtet werden, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Unter Tage nichts Neues

Aber ausgerechnet eine der größten Neuerungen schafft es nicht, Faszination zu entfachen: Insgesamt sechs außerhalb der Hauptstory liegende Gewölbe gibt es zu erforschen, die teils unter-, teils oberirdische, mitunter auch mit Wachen und Schaltern gefüllte Räumlichkeiten offenbaren. Klingt auf Anhieb gar nicht mal so schlecht. Doch da es sich in der Umsetzung letztlich nur um eine weitere Variation alter Elemente handelt, die man auch in den "regulären" Städten erleben kann und zudem die Illusion einer "Welt" unter den Städten überhaupt nicht entsteht, wirken diese "Dungeons" vollkommen aufgesetzt.

Man hätte hier die Möglichkeit gehabt, z.B. alternative Fluchtrouten anzubieten, die wirkungsvoller, aber z.B. mit Fallen auch ungleich gefährlicher hätten sein können als die Flucht über die Straßen und Dächer. Stattdessen bekommt man das gleiche Klettern und das gleiche Kämpfen wie "draußen" - einzig die Schalter, die eine Tür öffnen, die man erreichen muss, bevor das Zeitlimit abläuft, sind anders. Ubisoft scheitert daran, eine glaubwürdige Unterwelt mit eigenen Gesetzen zu inszenieren oder hier ein frisches Spielgefühl anzubieten, das akrobatischer, geheimnisvoller oder gefährlicher ist.

Renaissance Manager

Auch die offensichtlich aus GTA Vice City entliehene Möglichkeit, sich als Geschäftsmann zu verdingen, kann nur anfänglich überraschen. Es entfacht natürlich einen gewissen Reiz, die Wirtschaft eines kleinen Provinzdorfes anzukurbeln, indem man einen Architekten mit Verbesserungen der Infrastruktur sowie dem Ausbau der vorhandenen Geschäfte beauftragt. Zumal man auch direkt daraus Profit schlägt: Einerseits, indem die Geschäfte einem je nach Ausbaustand Rabatte gewähren.

Wenn man mit Leonardo da Vincis Fluggerät unterwegs ist, kann man die Sichtweite und Architektur aus einer neuen Perspektive genießen.
Andererseits, da der Tourismus durch die Verbesserungen angekurbelt wird und man daran partizipiert. Auch die Gemälde, die man überall kaufen kann und die in der als zentraler Treffpunkt dienenden Villa aufgehängt werden, sorgen dafür, dass der Wert der Stadt und damit die Einnahmen steigen.

Das Problem: Geld hat irgendwann keine Bedeutung mehr. Wieso sollte Ezio die zahlreich in den Städten verteilten Schatzkistchen ausräumen, wenn er mit einem Besuch in der Villa und dem Leeren seiner Schatulle ungleich schneller reich werden kann? Zumal man das Geld ohnehin meist nur nutzt, um seinen Medizin- oder Giftvorrat aufzustocken. Zwar wird einem auch geraten, sich neue Waffen mit verbesserten Eigenschaften oder eine bessere Rüstung zu kaufen. Da die Kämpfe aber auch mit den Standardklingen zu bewältigen sind und ggf. nur etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen als mit einer stärkeren Waffe, wird das Potenzial auch hier nicht ausgeschöpft.

Wie übrigens auch in den Nebenmissionen, die mehr als nur ein unterhaltsamer Zeitvertreib hätten sein können: So etwa, wenn man nach einem erledigten Attentat von seinem Auftraggeber nicht nur einen Batzen Geld, sondern z.B. einen Plan bekäme, auf dem man postierte Wachen sieht, so dass man ihnen im Vorfeld aus dem Weg gehen könnte. So bieten die verschiedenen Aufträge leider "nur" eine nette kleine Anekdote der Auftraggeber, die allerdings hilft, der italienischen Renaissance etwas Leben einzuhauchen.

   

Klettern auf Schienen 2.0

Das Klettern im Vorgänger hinterließ ein zwiespältiges Gefühl. Auf der einen Seite war es ein erhebendes Gefühl, immer höhere Türme zu erklimmen, die Aussicht zu genießen oder bei den intensiven Fluchtversuchen geschickt wie eine Katze und ohne Unterbrechung von Vorsprung zu Vorsprung, von Dach zu Dach oder von Balken zu Balken zu hüpfen. Doch irgendwann wurde klar, dass die auf Automatismen und einfachste Bedienung zugeschnitte Sprung- und Klettermechanik sich dem cineastischen Erlebnis unterordnen musste, das man kreieren wollte, anstatt auf lange Sicht auch spielerische Höhepunkte zu setzen. Das machte die aus den Klettereien resultierende Aussicht nicht weniger spektakulär, aber ich wünschte mir schon im Vorgänger mehr Herausforderung.

Es ist sehr leicht, bis zum Absprungpunkt klettern. Assassin's Creed setzt nach wie vor auf Schienen-Kraxeln.
Die gibt es in AC2 - allerdings leider nicht so konsequent und weitreichend, wie ich es mir vorgestellt hatte. Denn im Wesentlichen klettert Ezio die italienische Architektur ebenso frisch, fromm, fröhlich und frei sowie mit minimalem Einsatz  empor. Es wird zwar eine  neue Mechanik eingeführt, die geringfügiges Timing erfordert, um höhere Sprünge von Stein zu Stein einzuleiten, die ab und an sogar eingesetzt werden muss, um weiterzukommen. Doch gibt es dadurch keine grundsätzliche Änderung des Spielgefühls.

Verpasste Akrobatik-Chancen

Dabei hätte es kaum aufwändige Mittel gebraucht, um sowohl Abwechslung als auch Herausforderung etwas zu steigern: Wie wäre es z.B. mit einer Ausdaueranzeige gewesen, die abnimmt, je länger man ununterbrochen den Fassadenkletterer mimt, so dass man unter Umständen abwägen muss, ob man jetzt die nächsten 15 Meter bis zum sicheren Mauersims auf sich nimmt oder vielleicht doch eine kleine Pause einlegt, damit man sich erholen kann? Der PS2-Klassiker Shadow of  the Colossus hat gezeigt, wie ein solches System aussehen kann und bewiesen, dass es funktioniert.

Zumal Ezio in einer Szene nach einer Verfolgungsjagd deutlich außer Atem ist und zeigt, dass er nicht übermenschlich ist. Auf der anderen Seite jedoch kann er einen gut 150 Meter hohen Turm in einem Rutsch erklimmen, ohne das geringste Zeichen von Erschöpfung zu zeigen! Auch das Fallen über mehrere Stockwerke hinunter, das man durch einen simplen Knopfdruck beenden kann, der Ezio an den nächsten verfügbaren Mauervorsprung klammert, ist aus frustminimierender Sicht nachvollziehbar, hätte aber durch Quicktime-Events aufgewertet werden können, die länger und schwieriger werden, je länger Ezio fällt.

Zurück zur Erschöpfungs-Idee: Die hätte sich auch wunderbar geeignet, um Fluchtsequenzen mit einer zusätzlichen taktischen Ebene zu versehen. Verausgabe ich mich jetzt, um den Fluchtweg über Dächer und mit Dauersprint zu wählen, was beides Energie kostet, oder nutze ich eine der anderen Untertauchtaktiken in der Menge? Doch zurück zur Realität: Das nahezu unveränderter Klettern ist nur ein weiterer Mosaikstein, der zeigt, dass die Risikobereitschaft des Teams nicht all zu weit reicht. Natürlich kann man argumentieren, dass mit dem Vorgänger im Allgemeinen ein enormes Risiko gegangen wurde, dessen Erfolg man jetzt nicht mit einer vermeintlich unnötigen Weiterentwicklung gefährden möchte. Doch als Spieler möchte ich nicht nur das Gleiche in Grün, sondern nach Möglichkeit mit neuen Herausforderungen und Optionen überrascht werden. Und dafür ist die nur minimal erweiterte Klettermechanik nach wie vor zu wenig und der zweitgrößte Schwachpunkt.

KI-Problematik

Das größte Problem jedoch, das mich immer wieder aus der sorgfältig aufgebauten Renaissance-Atmosphäre heraus reißt, sind nicht die bereits aus Teil 1 bekannten futuristischen Versatzstücke, die beim Untertauchen in der Masse grafisch nochmal betont werden. Es ist das Verhalten der Wachen: Auf der einen Seite machen sie verdammt viel gut. Sie stöbern

Die aufwändige Architektur vermittelt ein lebendiges Bild der Renaissance.
nach einem geglückten Fluchtversuch auch mal misstrauisch in dem Heuhaufen, in dem Ezio sich versteckt hält; sie verfolgen Ezio je nach Fahndungslevel so lange, bis die Sichtlinie längerfristig unterbrochen ist; sie lösen Gruppen auf, in denen sich Ezio versteckt halten könnte, um ihm so auf die Schliche zu kommen; sie sehen es gar nicht gerne, wenn man Fahndungsbriefe von der Wand reißt oder die Zivil-Bevölkerung grundlos anrempelt.

Aber die Wachen sind auch so sehr in ihren Skripten gefangen, dass mitunter unsinniges Verhalten zu Tage tritt, Ein Beispiel: Ein Soldaten-Duo hält auf einem Turm Wache und läuft von A nach B nach C. An Punkt B hängt Ezio an der Außenseite des Turms und wartet darauf, eine seiner neuen Meuchel-Möglichkeiten einsetzen zu können. Der Moment naht: Die beiden kommen auf die Brüstung zu, sie drehen sich um und Ezio schlägt zu. Lautlos zieht er den auf eine seiner ausfahrbaren Klingen aufgespießten Wachmann über die Kante, ohne dass sein Kamerad es merkt. Das ist okay. Das kann passieren. Ezio ist ein Meister seiner Kunst. Nachdem Schütze Hirntot allerdings an Punkt C angekommen ist und sein Kamerad weit und breit nicht zu sehen ist, marschiert er einfach weiter. Er dreht seine Runde, als ob nichts passiert ist. Kein Zeichen der Verwunderung, keine Nachfrage, wo sein Kumpel stecken möge. Keine Reaktion. Nichts. Er marschiert weiter zu Punkt B, wo Ezio ihn auch von seiner Qual erlöst...

   

Noch ein Beispiel: Zwei Wachen stehen in einem Korridor. Eine schaut aus dem Fenster, eine hat den davor liegenden Flur im Auge. Ezio schleicht sich von hinten an die Flurwache heran und verabreicht ihm eine kleine Dosis Gift, bevor er unbemerkt hinter einem Mauervorsprung verschwindet und beobachtet, wie das Schicksal seinen Lauf nimmt. Die vergiftete Wache stöhnt und scheint zu halluzinieren: Sie zieht ihre Waffe und schlägt wie wild um sich. Sein Kollege reagiert und scheint verwundert. Zumindest fragt er, was denn los sei. Allerdings unternimmt er auch keinen Versuch, den nun auch ihn treffenden Schwertstreichen auszuweichen oder sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Nachdem sein Kumpel seinen letzten Atemzug getan hat, kniet er nieder und zeigt erste Anzeichen von Panik - schön! Und dann? Dann steht er wieder auf und dreht sich um, damit er weiter beobachten kann, was hinter dem Fenster passiert -

Dank grober KI-Aussetzer ist es häufig kein Probkem, die Wachen außer Gefecht zu setzen.
geduldig darauf wartend, dass Ezio ihm mit seiner Doppelklinge die Nieren perforiert. Noch offensichtlicher kann man es nicht machen, dass die vermeintlich intelligenten Verhaltens-Skripte trotz aller guten Ansätze auf den Straßen der italienischen Metropolen weit von dem entfernt sind, was vor gut elf Jahren mit Hideo Kojimas Geniestreich Metal Gear Solid Maßstäbe setzen sollte, die mit den Fortsetzungen größtenteils bis heute gelten. Und selbst das hauseigene Splinter Cell war schon viel weiter, was Figurenverhalten angeht...

Venedig vs. Jerusalem

Vor allem in einem Punkt erinnere ich mich gerne an die Ausflüge mit Altair in Jerusalem oder Akkon zur Zeit der Kreuzzüge: Prachtvolle Architektur. Angesichts der aufwändigen und facettenreichen Stadtviertel, die man durchstreifen oder erklimmen konnte, rückte die schwache Darstellung der Bevölkerung in den Hintergrund. Und mit AC2 hat sich das Team übertroffen: Läuft man durch Florenz, die kanaldurchsetzten Straßen von Venedig oder das überflutete Sumpfgebiet-Dorf Forlì, kann man gar nicht anders, als sich bewundernd und staunend umschauen. Ähnlich wie in Uncharted 2 finden sich überall kleine Texturdetails, die unter dem Strich eigentlich vollkommen irrelevant sind, aber umso deutlicher machen, mit wie viel Liebe die Designer hier zu Werke gingen.

Unbearbeitetes Holz hier, oxidierende Kupferdachplatten da, wunderschöne Reliefarbeiten, Deckenmalereien in den wenigen betretbaren Gebäuden: Daneben nimmt sich selbst der überzeugend animierte Ezio wie ein Statist aus. Die Hauptdarsteller sind die Städte, was sich nicht nur daran festmachen lässt, dass selbst die detaillierten Hauptfiguren mit ihrer Mimik schlichtweg eine Klasse schlechter aussehen als ihre Kollegen aus Uncharted 2. Ich habe mich immer wieder ertappt, wie ich mit Ezio um eine Ecke lief und erst einmal stehen blieb, um die Stadt auf mich wirken zu lassen. Und diese Wirkung ist nachhaltig.

Einen großen Anteil an dem Charakter und der Qualität der Städte hat natürlich auch die Akustik. Und die ist ebenfalls vom Allerfeinsten: Die Lokalisierung ist inhaltlich und technisch erstklassig, die Sprecher gut ausgewählt und auch wenn im Englischen die kleine, aber feine Anspielung auf einen anderen großen Videospielhelden witziger ist (Ezios Onkel stellt sich mit "It'sa me: Mario!" vor) als in der deutschen Variante, muss man in diesem Bereich Mankos mit der Lupe suchen. Dazu gehören z.B. die obligatorischen Wiederholungen, die sich bei der Zivilbevölkerung und den Stadtschreiern alsbald zu hören geben oder die Drohungen der Stadtwachen, die man irgendwann alle gehört hat. Dennoch: Wenn das Verhalten der

Die Welt von Assassin's Creed 2 ist auch auf dem PC eine Reise wert.
Bevölkerung ebenso lebendig wäre wie das, was sie von sich geben, hätte AC2 nicht nur eine überzeugende Architektur, sondern das derzeit glaubwürdigste Stadtleben zu bieten. Ein Sonderlob verdient auch die Musik: Klangvolle Kompositionen im Renaissance-Stil, die mal tragend, mal unauffällig die historischen Stadtwanderungen untermalen, geben den Städten Charakter. Die düster-traurigen, auf wenige Instrumente beschränkten Melodien im morastigen Forlì z.B. passen wunderbar zu den verschmutzten, abblätternden Fassaden.

Fiktion vs. Geschichte

Die Atmosphäre und der Reiz, der vom Italien der Renaissance ausgeht, wird auch durch einen kleinen Kunstgriff der Designer gebildet: Der überzeugenden Vermischung historisch überlieferter Fakten und Figuren wie z.B. Leonardo da Vinci, der sich als Erfinder und Freund der Familie in Ezios Dienste begibt, sowie fiktiver Elemente. Mit einem integrierten Lexikon, das zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Fakten parat hält und für alle Personengruppen und namhaften Individuen, die einem begegnen, Informationen aufbereitet, wird die Basis für diese interessante Mischung gelegt. Man begegnet den einflussreichen Medicis, macht sogar die Bekanntschaft eines gewissen Machiavelli, der das Assassinen-Credo Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt mitentwickelt haben könnte. Und spätestens wenn man mit Leonardos Flugmaschine das erste Mal über Venedig abstürzt und mit ihm Ursachenforschung betreibt, ist die Illusion perfekt, ist die schwierige Gratwanderung zwischen künstlerischer Freiheit und historischer Verpflichtung gelungen. Es hat sich damals nicht genau so ereignet? Egal: AC2 gaukelt es mir erfolgreich vor!   

Fazit

Assassin's Creed 2 wird vermutlich nicht als die gelungene PC-Umsetzung des letztes Jahr auf Konsolen erschienenen Abenteuers mit offener Welt in die Geschichte eingehen. Sondern vielmehr als der erste Titel, der Ubisofts neues DRM einsetzt, dessen spielepolitische Auswirkung diskussionswürdig ist, die aber keinen Einfluss auf die Wertung hat. Denn unter dem Strich ist der Rechenknecht-Assassine die Königsausgabe, die sich letztlich auch hauchdünn vor den Konsolen platzieren kann. Ezio und die Städte als geheime Hauptdarsteller sehen mit entsprechend verbauter Hardware besser aus und mit den integrierten Download-Inhalten der Konsolenvarianten wird man am PC zusätzlich für die längere Wartezeit entschädigt. Dennoch bleibt auch dem Rechner-Ezio unsere Gold-Weihe versagt, da er mit seinen PS3- oder 360-Cousins nicht nur die Fortschritte, sondern auch die Probleme in punkto Mechanik und Atmosphäre teilt. Das trockene, gegen Ende redundante Missionsdesign des Vorgängers wurde zwar komplett über Bord geworfen und durch eine gestraffte, weitestgehend lineare Kampagne ersetzt, die aus dem Italien der Renaissance keinen offenen Abenteuer-Spielplatz, sondern einen glanzvollen Schauplatz für einen Rachefeldzug macht. Aber trotz der überzeugenden Kulisse und vielen Verbesserungen ist all das nicht mehr so beeindruckend wie im Vorgänger. Und das hat viele inhaltliche Gründe: Das Figurenverhalten wurde zwar verbessert, setzt aber auf immer wiederkehrende Muster, die auf lange Sicht unglaubwürdig sind. Die neuen Katakomben sind im Kern nicht mehr als eine ungeschickt aufgestülpte Variation der bekannten Sprung- und Kampfelemente. Der erzählerische Bogen, der virtuelle Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft, wird viel zu selten gespannt, so dass die Story an Reiz verliert. Das Klettern wirkt immer noch zu leicht. Die coolen Doppelklingen sind viel zu mächtig und entwerten das restliche Waffenrepertoire. Dennoch kann man Ezio natürlich auch am PC empfehlen: Die Kämpfe, das Klettern und das Meucheln haben zwar einiges ihrer Erstfaszination verloren, machen aber Spaß. Es ist immer noch und immer wieder schön, einen Turm zu erklimmen und sich am überzeugenden Design der italienischen Renaissance zu erfreuen. Zu schade, dass die Städte im Zusammenspiel mit der Akustik bis auf wenige Ausnahmen mehr Charakter zeigen als die Figuren. Assassin's Creed II teilt das Schicksal vieler Filme, die als Mittelteil einer Trilogie erscheinen: Ambitioniert und unterhaltsam, aber letztlich nicht mehr als ein Übergang, der sich nicht all zu weit vom Vorgänger entfernt und gerade mal das Nötigste tut, um den hoffentlich dramatischen Höhepunkt vorzubereiten.

Pro

umfangreiche Spielwelt
vorbildliche Lokalisierung
überzeugende Architektur
sehr gut ausgewählte Sprecher
gestraffte Kampagne
viele neue Meuchel-Optionen
erweiterte Fluchtmöglichkeiten
Gift, Waffen, Rüstungen kaufen
stimmungsvoller Soundtrack
enorme Weitsicht
aufwändig choreografierte Kämpfe
zahlreiche optionale Missionen
guter Mix aus Fiktion und historischen Fakten
Download-Inhalte der Konsolen integriert

Kontra

Doppelklinge zu mächtig
"Katakomben" wirken nur aufgesetzt
nicht nachvollziehbare Charakter-Entwicklung
zu wenige erzählerische Verknüpfungen zur "Realität"
Geld spielt viel zu schnell keine Rolle mehr
teils herbe KI-Probleme
mitunter unglaubwürdiges Bevölkerungs-Verhalten
Klettern ohne jede Herausforderung
schwacher erzählerischer Überbau

Wertung

PC

Dank optimierter Kulisse und Integration der Download-Inhalte die Königsversion von Ezios Abenteuern. Allerdings gibt es weiterhin KI- und Atmosphäre-Defizite.

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