Blood Bowl10.07.2009,
Blood Bowl

Im Test:

Mal ist der Kaffee zu heiß, mal ein WoW-Abo zu teuer: Immer wieder sorgen haarsträubende Anklageschriften für heitere Schlagzeilen. Es kommt jedoch selten vor, dass Kläger und Angeklagter anschließend gemeinsame Sache machen. Nachdem Games Workshop jedoch unverkennbare Gemeinsamkeiten zwischen dem witzigen Fantasy-Sport Chaos League und dem hauseigenen Brettspiel Blood Bowl (ab 13,90€ bei kaufen) entdeckte, geschah genau das: Die Briten verklagten Entwickler Cyanide, man einigte sich außergerichtlich - und plötzlich entwickelt Cyanide das offizielle PC-Spiel!

Der Sport der Linken

Die Ersten sind Cyanide nicht, denn es gab schon 1995 eine lizenzierte Umsetzung des Warhammer-Ablegers. Die hat mit der aktuellen Versoftung allerdings nicht viel gemein. Doch was ist Blood Bowl eigentlich? Es erinnert irgendwie an Rugby oder Football, wenn Goblins, Chaos, Menschen oder Echsen das eiförmige Leder in die gegnerische Zielzone tragen müssen... Der Eindruck täuscht keineswegs: Die Regeln sind zwar bedeutend einfacher und die erlaubten Mittel zum Teil völlig link, aber das ist eben die Brücke, mit der das Brettspiel den Bogen von Warhammer zum taktischen Mannschaftssport schlägt. Taktisch? Unbedingt! Das Herz dieses Brutal Sports sind Rundenkämpfe, die den Final Fantasy Tactics' dieser Welt nicht unähnlich sind. Mit einem erfrischenden Unterschied: Ein auf den Boden gezwungener Gegner steht meist in der folgenden Runde wieder auf. Geschickte Deckungsarbeit hat deshalb Vorrang vor dem schnellen Niederringen eines Kontrahenten - spannend!

Doch bevor die Mannschaft in der 16x25 Felder großen Arena steht, müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Will man z.B. wahlweise auch in Echtzeit antreten? Will man Aushilfsspieler für eine Partie anheuern? Will man den Schiri bestechen? Und will man die lizenzierten Regeln anwenden oder den Blitz-Modus verwenden? Nur der Blitz-Modus erlaubt dabei das Einschalten des Echtzeit-Ablaufs, das Variieren der Spielzeit sowie den Kauf von Extras

Alles erlaubt: In Blood Bowl funktioniert, was den Ball nach vorne bringt.
wie das Aufreiben der gegnerischen Zuschauer oder das Einnehmen leistungssteigernder Mittel. Auch die Karriere sowie einzelne oder eigenhändige zusammengestellte Turniere darf man mit oder ohne Blitz-Modus bestreiten, online gilt die Unterscheidung ebenfalls.

Der teure Transfermarkt

In der Karriere stehen natürlich noch ganz andere Entscheidungen auf der Tagesordnung, da die Spieler durch gelungene Aktionen Erfahrungspunkte sammeln, mit denen sie wiederum ihre Werte steigern oder besondere Fähigkeiten erlernen. Aus einem gewöhnlichen Feldspieler könnte somit ein schneller Werfer werden. Geschickter wäre es allerdings, die Fähigkeiten der schon beim Kauf spezialisierten Läufer, "Dampfwalzen" oder sicheren Fänger weiter auszubauen, damit man irgendwann besonders starke Spezialisten auf den Platz stellen kann. Die acht lizenzierten Völker legen dabei unterschiedliche Vorlieben an den Tag: Wo sich die Orks auf ihre solide Rüstung verlassen, sind die Skaven flink und weichen Angriffen geschickt aus. Sponsoren machen zusätzliche Mittel locker, um Nachwuchs zu kaufen, Bestechungen zu finanzieren oder kurzfristig einen teuren Starspieler zu engagieren. Ist ein Großteil der Mannschaft mal verletzt, kann das teure Anheuern von Ersatzspielern zudem die einzige Möglichkeit sein, den Kader zu füllen. Aber Sponsoren wollen Ergebnisse sehen: Nur wer dem Geldgeber zahlreiche Siege und ein Wachstum der Fanbasis verspricht, erhält entsprechende Unterstützung!

Und dann geht es endlich los: Auf dem Rasen, im Vorhof einer Burg oder in einem der anderen drei Stadien darf man zunächst zwischen vorgegebenen Aufstellungen wählen oder die eigene Taktik vorbereiten und das Muster für später abspeichern. Die fünf Kulissen unterscheiden sich spielerisch dabei in keiner Weise, verzichten auf moderne Licht- und Schattenspiele und bestehen aus wenig griffigen Materialien. Dafür hinterlassen sie aber selbst auf älteren Rechnern einen flotten Eindruck. Dass die Warhammer-Figuren recht hölzern um den Ball kämpfen, fällt unter diesen Voraussetzungen kaum auf - die versucht witzigen Bemerkungen des Kommentoren-Duos sowie die in Anbetracht des brutalen Spektakels viel zu müden Geräusche trüben die Stimmung allerdings spürbar. Selbst ein harter KO, der nicht umsonst in Zeitlupe wiederholt wird, klingt wie eine lasche Ohrfeige.

Unglückliches Würfelglück

Schade: Es ist selten genug, dass sich ein Entwickler heute noch an Brutal Sports herantraut - also die Regeln einer bekannten Sportart so abwandelt, dass neben dem Punkten vor allem die karikierte Gewalt im Mittelpunkt steht. Mögen die Speedballs dieser Welt in Frieden ruhen! Umso bedauerlicher ist es, dass der eine Neuzugang fast schon wie ein müder Stummfilm anmutet. Aber es ist nicht einmal die audiovisuelle Wucht, die diesem Blood Bowl fehlt; es ist vor allem der spielerische Frust, der dem Spiel weh tut. Denn während der vom PC gesteuerte Kontrahent das Leder-Ei gekonnt durch die gegnerischen Reihen manövriert, kriegen die eigenen Kameraden den Ball nicht zu fassen, stolpern oder vermasseln selbst den Abwurf. Sinnvolles Taktieren ist deshalb kaum möglich.

Es liegt nicht daran, dass jede Handlung, wie im Warhammer-Universum üblich, durch Würfeln auf die Probe gestellt wird. Das Problem ist, dass der Computer selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad mit höherer Wahrscheinlichkeit Glück hat als sein menschlicher Gegenüber! Und das gilt für alle Aktionen; vom Zweikampf über das Ausweichen eines gestellten Beins bis zum Fangen und Werfen.

Doch selbst darin liegt nicht das größte Problem. Der Knackpunkt ist die Tatsache, dass jede (!) misslungene Aktion umgehend zu einem Turnover, also zum Ende des Zuges führt. Weil der Großteil aller Spieler aber schon bei einer normalen Bewegung einen Sturz verhindern muss (jeder auf einem angrenzenden Feld stehende Gegner behindert einen Läufer), gelingt es selten, überhaupt die gesamte Mannschaft zu bewegen. Dabei hat ein Spieler nach seiner Bewegung ja noch nicht einmal die eigentliche Aktion ausgeführt - die dann erneut mit zu hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls schief gehen wird! Das mag auch im Original so sein; es schadet der taktischen Dynamik. Denn eine clevere Planung kann man damit getrost vergessen. Stattdessen setzt man die wenigen Sportler, die sich frei bewegen können und tastet sich anschließend mit übervorsichtigen Aktionen voran. Da hilft es auch nicht, dass der Gegner

Ob diese Aufstellung erfolgreich sein kann?
völlig vorhersehbar taktiert und keine nennenswerten Finessen beherrscht: Wer will bei diesem Unglücksfaktor schon ein spannendes Spiel riskieren?

Sportliche Logiklöcher

Seltsam: In Echtzeit sieht zumindest die Sache mit dem Glück ganz anders aus! Plötzlich weichen die Spieler ihren Kontrahenten aus, heben den Ball gleich beim ersten Versuch auf - die Dynamik stimmt. Und trotzdem kommt selbst dann keine Freude auf. Woran liegt's? Immerhin läuft das Spiel so langsam ab, so dass man nie den Überblick verliert. Man hat allerdings trotz jederzeit einschaltbarer Super-Zeitlupe nie die volle Kontrolle über sein Team. Während man nämlich stets nur einem Spieler einen Befehl erteilen darf (von sich aus verweilen die "Profis" meist wie angewurzelt am Platz), sieht man bei der erneuten Wahl derselben Figur nicht, welcher Anweisung er gerade folgt. Und so erteilt man alle paar Sekunden sämtlichen Spielern neue Befehle, um keinen Flüchtigkeitsfehler zu begehen. Clevere Manöver kann man dabei aber nicht austüfteln, u.a. deshalb, weil die besonderen Fähigkeiten wie Ausweichen, Blocken oder Werfen, ausschließlich passive Verbesserungen sind. Man klickt, wählt Gegner oder Ball und geht zum nächsten Spieler - der Spielspaß versinkt so binnen weniger Minuten im "Nirwarna".

Beiden Spielvarianten sind übrigens viele nicht nachvollziehbare Flugbahnen gleich, die scheinbar jeder Logik trotzen. Das macht es unmöglich, die Fantasy-Profis taktisch sinnvoll zu setzen, während sich der Ball gerade in der Luft befindet. Und da sich Cyanide an die Regeln des Brettspiels (Living Rulebook 5.0) halten musste, frage ich mich außerdem, weshalb eine rote Karte im Echteit-Modus nicht umgehend geahndet wird... Irgendwann war ich jedenfalls frustriert: Die taktisch einfache, aber unterhaltsame Brettvorlage wird von grundlegenden Fehlern zunichte gemacht; das können auch das witzige Bestechen, die randalierenden Fans oder heimlichen Drogentests ausgewählter Kontrahenten nicht rausreißen.

Unerwartet spannend

Doch dann habe ich die Online-Matches entdeckt - und plötzlich konnte der unterhaltsame Taktiksport doch noch seine Stärken ausspielen! Denn wer mit menschlichen Gegnern um das Leder ringt, der erlebt gleiche Chancen auf beiden Seiten. Der kann vor allem aber in verschieden langen, selbst erstellten Ligen mit unterschiedlich vielen Teilnehmern und ebenso frei bestimmtem Regelwerk teilnehmen! Der entwickelt sein (leider nicht importierbares) Team im Lauf einer solchen Meisterschaft wie in der Solo-Karriere weiter und streicht eine vom Gastgeber festgesetzte Siegesprämie ein. Die Menüs sind zwar auch hier unhandlich und unübersichtlich, aber das tut dem funktionierenden "Online-Brettspiel" dann keinen Abbruch mehr. Schade, dass die Solo-Partien nicht ebenso gut durchdacht wurden!

Fazit

Blood Bowl ist eines dieser Spiele, bei denen man "ganz nett" mit einem sehr langen "e" ausspricht. Es ist sympathisch, das Sub-Genre des Brutal Sports ist sowieso unterbesetzt und als Warhammer-Ableger kommt es noch dazu mit einem bekannten Namen daher. Es sieht hübsch, wenn auch nicht umwerfend aus und das Spielprinzip ist ebenso ungewöhnlich wie unterhaltsam. Aber als ich nach den ersten Stunden feststellen musste, dass das Spiel vollkommen ungeniert schummelt, verging mir der Spaß an der Taktik! Nichts gegen Rundenkämpfe - im Gegenteil. Aber hier fehlen taktische Möglichkeiten, der Gegner agiert viel zu einfallslos. Auf Dauer geht Blood Bowl deshalb schnell die Luft aus. Den Echtzeit-Modus kann man zudem knicken, da das unmotivierte Klick-Dich-Tot schon nach wenigen Minuten in ein ermüdendes Ball-Schubsen ausartet. Nur dem umfangreichen Online-Möglichkeiten im Einzel- oder Ligaspiel hat es Blood Bowl zu verdanken, dass ich letztendlich doch noch Spaß daran hatte, meine Waldelfen über den Rasen zu hetzen!

Pro

umfangreicher Online-Modus
Original-Modus oder Blitz mit zahlreichen Änderungen
eigene Aufstellungen können gespeichert werden
unterschiedliche Spielvarianten und Turnier-Baukasten
läuft auch auf älteren Rechnern...

Kontra

Rundenmodus bevorzugt den Gegner viel zu offensichtlich
kaum planbare Spielzüge
umständliche, nicht einstellbare Steuerung
Gegner kennt nur eine Taktik
 ... sieht dafür aber unspektakulär aus
kaum Musik, nur wenige unspektakuläre Geräusche
Echtzeitmodus ist taktisch und spielerisch banal
Steuerung in Echtzeit lässt tausend Wünsche offen
meist witzfreie, sich ständig wiederholende Kommentare
viele Klicks in unübersichtlichen Menüs

Wertung

PC

Stellenweise unterhaltsame, oft frustrierende Brutal Sports-Lizenz, die hauptsächlich online Spaß macht.

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