Praetorians28.02.2003, Jörg Luibl
Praetorians

Im Test:

Barbaren, Ägypter, Römer - Eidos will Euch mit Praetorians (ab 7,64€ bei kaufen) auf längst vergessene Schlachtfelder führen. Vom Axtschwinger über Streitwagen bis hin zum Katapult kommt die gesamte antike Kriegsmaschinerie zum Einsatz. Ob die Pyro Studios schmackhafte Echtzeit-Taktik auf hohem Niveau auftischen, verrät unser Test!

Für Caesar, Rom und Ruhm!

In der Haut eines römischen Feldherren dürft Ihr 24 Missionen lang die Finessen der antiken Kampftaktik gegen die Feinde Roms ausspielen. Ein vierteiliges Tutorial weist Euch in alle wichtigen Steuerungs- und Spielgeheimnisse ein, bevor ein hervorragend animierter Film die erste Aufgabe in Gallien einleitet: In den gallischen Wäldern wird eine römische Eskorte von wilden Kriegern aufgerieben. Schade, dass die Story später nur in Spielgrafik weitergeführt wird. Die ist zwar auch ansehnlich, aber lange nicht so packend.

Kampftaktik für Feinschmecker

Im Kern geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzubauen, den Feind auszukundschaften und strategisch wichtige Siedlungen einzunehmen, die neue Rekruten bringen. Kampf ohne Schnickschnack, aber dafür mit Finesse, denn Einheitentyp und Terrain spielen eine große Rolle.

Insbesondere im Einzelspielermodus kommen Taktiker auf ihre Kosten. Die Missionen sind hervorragend designt und verlangen kluge und geplante Vorgehensweisen: Mal müsst Ihr Brücken bauen, um einen Fluss zu überqueren, mal Gesandte lebend in eine Siedlung eskortieren oder Räuberbanden ausheben. Dabei ist das gezielte Besetzen strategisch wichtiger Orte wie Siedlungen, Hügel und Furten extrem wichtig.

__NEWCOL__Gut gespäht ist halb gewonnen

Wer in Tank Rush-Manier mit seinen Truppen über die Karte hetzt, wird sehr früh sein Waterloo erleben. Nur, wer die beiden Spähereinheiten Wolf und Falke richtig einsetzt, kann tödlichen Hinterhalten entgehen, die in Praetorians schnell eine ganze Armee ins Jenseits befördern.

Während der Falke die Karte von oben erkundet, kann der Wolf sogar in dichtes Unterholz eindringen, um versteckte Bogenschützen auszumachen. Sehr bequem ist auch die automatische Scoutfunktion, die mühsame Klicks erspart.

So lassen sich die nächsten Züge optimal planen und böse Überraschungen vermeiden. Ebenso hilfreich sind Heiler und Druide, in deren Radius verletzte Einheiten genesen und natürlich die Feldherren, die z.B. verlorene Ausdauer wieder regenerieren und die Kampfkraft erhöhen.

Anfänger sollten auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade spielen, denn die Missionsziele sind sehr fordernd. Es gibt z.B. haarige Zwei-Fronten-Kriege, die eine gute Koordinierung der verstreuten Truppen verlangen. Oder spannende Verteidigungsaufträge, wo Ihr eine bestimmte Zeit gegen Wellen von heranstürmenden Barbaren eine Festung halten müsst. In Sachen Missionsdesign haben die Pyro Studios wirklich klasse Arbeit geleistet.

Hinterhalt und Höhenvorteil

Sehr gelungen ist die taktische Einbindung der Landschaft: Zum einen sind bestimmte Regionen für manche Einheiten nicht passierbar, wie z.B. Wald für Reiter oder Flüsse für Legionäre. Wälder und dicht bewachsene Felder lassen sich zudem ideal als Verstecke nutzen, denn die eigene Infanterie geht dort in Lauerstellung. Vor allem im bewegten hüfthoen Gras ist das effektiv und sieht klasse aus.

Warum man allerdings die Bogenschützen im dichten Wald einsetzen kann, ist mir schleierhaft - in diesem Punkt bleibt der Realismus leider auf der Strecke. Dafür spielt die Höhe eine entscheidende und nachvollziehbare Rolle, denn auf Hügeln haben Bogenschützen eine weitere Sicht und Reichweite. Überhaupt ist Pfeilbeschuss in Praetorians weitaus effektiver als in anderen Spielen. Gut positionierte Bogenschützen können problemlos mehrere Infanterie-Kompanien im Tal aufreiben.

Edle Bedienung, einfache Steuerung

Die antik durchgestylte Benutzeroberfläche ist sehr übersichtlich und bietet alle wichtigen Infos, ohne überfrachtet zu sein. Mit wenigen Klicks habt Ihr die Befehle schnell im Griff. Einige Buttons bringen Euch zudem direkt zum Kampf, dem nächsten Späher oder Dorf.

Hilfreich ist auch die kleine Karte, die Euch über Truppenbewegungen und Kämpfe farblich informiert; außerdem lassen sich hier direkt Befehle erteilen - sehr schön. __NEWCOL__In Sachen Steuerung präsentieren die Pyro Studios bekannten Genre-Komfort: Gruppenbildung per STRG-Taste, Lassomethode per Maus, Wegpunkte und Hotkeys machen das Feldherren-Leben leichter. Die Kompanien lassen sich zudem einfach ausrichten und schnell anwählen.

Rhythmische Marschgymnastik

Insbesondere die marschierenden Legionäre sind eine Augenweide, wenn sie z.B. wie mit dem Zirkel gezogen im Gleichschritt um Kurven schwenken, oder per Klick die Ausrichtung ändern. Die Ägypter lassen es da schon lockerer angehen und kennen keine strenge Formation. Per Doppelklick gehen Eure Kohorten zum Laufschritt über, verlieren dabei allerdings Ausdauer.

Doch nicht alles läuft so diszipliniert ab: Wenn sich eine Armee aus verschiedenen Einheiten in Bewegung setzt, überholen die Schnelleren alle anderen, so dass die Ordnung flöten geht - hier hätte es ein Befehls-Feature geben müssen, das zum gleichmäßigen Marsch zwingt. Auch die Wegfindung hat manchmal ihre Tücken, ist aber im Großen und Ganzen angenehm.

Etwas hakelig kann die Positionierung der eigenen Armee werden. Zwar lassen sich per Mausrad bestimmte Stellungen wählen, aber meist scheitert die Traumaufstellung an engen Pässen oder Schluchten. Außerdem vermisst man gezielte Formationsbefehle wie Keil, Sichel oder Kreis, die völlig fehlen - es gibt manchmal nur eine Aufstellungsmöglichkeit. Dabei hätten sich gerade die Römer für ausgefeilte Manöver geeignet.

Einheiten für jeden Geschmack

Auf dem Schlachtfeld bietet dann jeder Truppentyp andere Stärken und Schwächen. Natürlich gilt auch hier das Schere-Stein-Papier-Prinzip, wonach Speerkämpfer gegen Reiterei, Kavallerie gegen Bogenschützen und diese wiederum gegen Fußtruppen besonders effektiv sind. Aber die alten Weisheiten werden von Spezialfähigkeiten ergänzt, die die Unterschiede noch wichtiger machen:

Nur die Legionäre können z.B. die berühmte Schildkrötenformation bilden, die Pfeile wie Zahnstocher abprallen lässt; dafür sind sie so sehr langsam. Außerdem können sie bei Bedarf noch vor dem Nahkampf ihre kurzen Wurfspeere gegen den Feind schleudern - all diese Aktionen werden per Button-Klick ausgelöst.

Genau so wie die Schutzformation der Lanzenträger, die eine Art Frontal-Igel gegen Reiterei bilden, die Weitschuss-Stellung der Bogenschützen oder das Schussmanöver der Parther.

Die Umschalttaste öffnet übrigens für jede Einheit ein Statistikfenster, das über deren Zustand, die Erfahrungspunkte und bereits getöteten Feinde informiert. Sammelt Ihr im Kampf genügend Ehrenpunkte, könnt Ihr bessere Einheiten rekrutieren. __NEWCOL__Je nach Volk kommen andere Elitekrieger zum Einsatz: Gladiatoren attackieren mit Netzen, Berserker befördern mit einem Streich mehrere Feinde ins Jenseits, nubische Bogenschützen vergiften und Streitwagen rasen erbarmungslos durch Fußtruppen.

Leider ist dieser Einheitenbaum sehr überschaubar und bietet keine Spezialisierungen: Ihr könnt weder bessere Belagerungsgeräte erforschen noch Einheiten aufwerten oder besser ausrüsten.

So hat man sehr schnell die Eigenheiten der einzelnen Völker aufgedeckt und auf lange Sicht wenig Spielraum. Ein Wermutsropfen ist auch, dass alle drei Völker fast dieselben Standardeinheiten und exakt die gleichen Belagerungsgeräte - Katapult, Rammbock, Sturmleitern, Balliste und Belagerungsturm - aufweisen. Die Unterschiede sind z.B. in C&C:Generals oder Age of Mythology deutlicher.

Multiplayer

Nach der Kampagne habt Ihr die Möglichkeit, freie Gefechte gegen den Computer zu führen. Die KI zeigt sich auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade bereits sehr fordernd - Bogenschützen weichen zurück, die Wälder werden für Hinterhalte genutzt etc. Habt Ihr die Kniffe der KI gemeistert, könnt Ihr schließlich mit bis zu acht Freunden über LAN bzw. Internet spielen.

Leider ist hier die Luft schnell raus, denn trotz der mehr als ein Dutzend Karten gibt es nur einen Spielmodus: zerstöre alles. Außerdem hat man sehr zügig die Spezialeinheiten der drei Völker zur Verfügung; gezielte magische oder technologische Entwicklungen à la Age of Mythology oder C&C:Generals sind nicht möglich, so dass sich das Experimentieren nur auf die Wahl der Kampfeinheiten beschränkt.

Außerdem vermisst man gerade in Mehrspielergefechten die Möglichkeit, Palisaden oder Mauern zu bauen - nur Türme kommen zum Einsatz. Die über ein Dutzend Maps hätten wenigstens vorgefertigte Festungen bieten müssen, um den Einsatz von Sturmleitern und Belagerungstürmen sinnvoll zu machen.

So verlieren die Multiplayer-Schlachten eine packende Note, die in der Solo-Kampagne für spannende Kämpfe gesorgt hat. Schade eigentlich, denn das Potenzial für gehobenen Mehrspielerspaß war sicher vorhanden.

Von Gallien bis Ägypten

Grafisch hinterlässt Praetorians einen klasse Eindruck: Die gestochen scharfen 3D-Landschaften überzeugen mit harmonischen Höhenzügen, bewegten Bäumen und schönen Bodentexturen. Es gibt je nach Region dichte Wälder, enge Schluchten und flache Ebenen mit hüfthohem Gras, das sich sanft im Wind wiegt.

__NEWCOL__Schöne Wettereffekte wie Schnee oder Regen sowie viele kleine Bewegungen sorgen für ein äußerst lebendiges Terrain - Hasen preschen aus dem Unterholz, Rotwild flüchtet und Vögel ziehen ihre Kreise am Himmel. Beim Marschieren wird Sand aufgewirbelt und auch sonst können sich die Partikeleffekte bei Katapult- oder Pfeilbeschuss sehen lassen. Zwar erreicht die Grafik im Detail nicht die Pracht von Age of Mythology, aber das Terrain besticht durch seine Natürlichkeit.

Für die optimale Übersicht kann man in den Optionen übrigens die Perspektive vergrößern. Außerdem lässt sich per Mausrad der Kamerawinkel von der Vogelperspektive in eine nähere Schrägsicht neigen. Und selbst hier zeigen sich immer noch passable Figuren, die allerdings nicht mehr mit Polygonen protzen.

Abgerundet wird das Ganze von schönen Marsch- und Angriffsanimationen, die leider im Kampfgetümmel fast einfrieren, so dass das Handgemenge recht statisch wirkt. Hier halten Euch nur sporadisch animierte Einzelkämpfe und Energiebalken auf dem Laufenden.

Epische Musikuntermalung

In Sachen Akustik ist Praetorians rundum gelungen: Die Soundeffekte im Kampf können sich hören lassen, ohne zu begeistern oder zu nerven. Dafür passen die heroisch-epischen Melodien optimal zum antiken Thema. Richtig klasse ist auch die Lokalisierung, die mit motivierten Sprechern und einem gut übersetzten Handbuch aufwarten kann.

Fazit


Die Würfel sind gefallen: Die Pyro Studios tischen mit Praetorians fordernde Echtzeit-Taktik in prächtiger 3D-Kulisse auf. Alles konzentriert sich auf das Schlachtfeld - ohne Ressourcen, ohne Basisbau. Damit spielt es sich aggressiver als Age of Mythology und ähnelt vom schnellen Spielfluss her eher WarCraft III oder C&C:Generals. Im Gegensatz dazu sind allerdings keine Spezialisierungen möglich, die z.B. gezielt Helden oder Einheiten aufwerten. So hat man trotz des lobenswerten Erfahrungspunkte-Systems zu schnell alle Geheimnisse der drei Völker Barbaren, Ägypter und Römer aufgedeckt und wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Vor allem im Multiplayer-Modus ist daher schnell die Luft raus, zumal es nur einen Spielmodus gibt - schade. Dafür sind die antiken Feldzüge gerade im Einzelspielermodus sehr motivierend, denn die Kampagne bietet spannende Herausforderungen: Noch nie waren Hinterhalte und Stellung so wichtig. Landschaft und Truppeneigenheiten wurden taktisch hervorragend eingebunden, so dass die einfache Tank Rush-Methode zum Scheitern verurteilt ist. Zwar ist nicht alles Gold, was glänzt, aber unterm Strich wurden die antiken Schlachten klasse inszeniert. Wer auf Ceasars Spuren wandeln will, liegt hier genau richtig!

Pro

<li>gute KI</li><li>drei Völker</li><li>antikes Flair</li><li>gute Spielbalance</li><li>klasse Lokalisierung</li><li>spannende Kampagne</li><li>sehr ansehnliche Grafik</li><li>viele taktische Finessen</li><li>schöne Scout-Funktion</li><li>spektakuläre Belagerungen</li><li>Landschaft strategisch wichtig</li><li>gutes Erfahrungspunktesystem</li><li>schönes Handbuch mit farbiger Faltkarte</li>

Kontra

<li>nur Spezialformationen</li><li>kein Mauer
und Wallbau</li><li>schwacher Multiplayer-Modus</li><li>unterschiedliche Einheitengeschwindigkeit</li><li>kein ausgefeilter Technologie
bzw. Einheitenbaum</li>

Wertung

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