Warrior Kings02.04.2002, Jörg Luibl
Warrior Kings

Im Test:

Echtzeit-Strategen bekommen in diesem Jahr ordentlich Nachschub: Auch wenn die vermeintlich großen Titel wie Age of Mythology und WarCraft III noch auf sich warten lassen, sorgen bereits weniger PR-mächtige Spiele für Feldherren-Spaß - erst kürzlich konnte Warlords Battlecry 2 begeistern. Jetzt schickt Publisher Microids mit Warrior Kings (ab 9,99€ bei kaufen) ein episches Schwergewicht ins Rennen, das Euch in eine düstere Fantasywelt entführt. Genre-Abklatsch oder innovatives Schlacht-Erlebnis? Die Antwort gibt`s im Test!

Mittelalter meets Fantasy

Warrior Kings spielt in einer düsteren Fantasywelt, die sich hinsichtlich der Figuren, der Konflikte und Königreiche bewusst an das europäische Mittelalter und seine Legenden anlehnt: Ein Feldherr heißt z.B. Karlem Agnus, ein Königreich Angland und der Protagonist trägt den leicht veränderten, aber immer noch mythenschweren Namen Prinz Artos, in dessen Rolle Ihr schlüpft.

Rache ist süß

Als junger Prinz müsst Ihr mit ansehen, wie Euer Vater der Ketzerei beschuldigt und von den Schergen des Großinquisitors massakriert wird. Zunächst bleibt Euch nur die Flucht: Mit einigen Getreuen verlasst Ihr Eure Heimat und strandet am nördlichen Zipfel der vom Kleinkrieg diverser Lords gezeichneten Insel Angland. Hier müsst Ihr Euch festsetzen, um einen gigantischen Rachefeldzug gegen das Imperium des Einen Gottes zu führen...

Christ, Heide oder Atheist?

Aber bevor Ihr gegen die großen Feinde kämpft, dürft Ihr Euch mit einer Vielzahl an kleinen Baronen auseinandersetzen, Bündnisse schließen und vor allem eines: wichtige weltanschauliche Entscheidungen treffen. Während der Kampagne, die sich über 22 Missionen erstreckt, habt Ihr an bestimmten Stellen die Qual der Wahl zwischen drei Pfaden. Wollt Ihr die heidnischen Götter verehren und auf die Unterstützung von Dämonen bauen? Setzt Ihr lieber auf die modernen Geister der Renaissance und ihre Technik? Oder folgt Ihr gar dem intoleranten Imperium des Einen Gottes und seinen Kreuzrittern? In Multiplayer-Partien, an denen bis zu acht Spieler über LAN oder Internet teilnehmen können, starten übrigens alle neutral und entscheiden sich -wie in der Kampagne- erst während des Spiels für einen der drei Wege, wobei auch Mischformen möglich sind.

Defensiv, offensiv oder ökonomisch?

Jede Weltanschauung unterstützt eine bestimmte Spielweise: Die Heiden haben z.B. sehr günstige, aber schwach gerüstete Einheiten - dafür könnt Ihr auf Erdmagie, Talismane und die Beschwörung von beeindruckenden Dämonen setzen, was aggressiven Spielern entgegenkommt. Das Imperium bietet genau das Gegenteil: teure und sehr kampfstarke Einheiten vom Inquisitor bis zum Kreuzritter, die jedoch eher behäbig sind und sich deshalb für defensive Naturen eignen. Und als Vertreter der Renaissance stehen Euch vor allem wirtschaftliche und technologische Vorteile wie schweres Belagerungsgerät und Schwarzpulver zur Verfügung.

Gameplay-Mix alter Schule

Das vierteilige Video-Tutorial kann nicht gerade begeistern: Ihr werdet zum passiven Zuschauer verdammt und dürft die Texthinweise wegklicken, die Wirtschaft und Kampf erklären - zwar sehr anschaulich, aber etwas ausführlicher und interaktiver wäre das Ganze insbesondere Einsteigern entgegen gekommen. Schließlich erweist sich Warrior Kings gerade in Sachen Steuerung und Wirtschaftskreislauf als gewöhnungsbedürftig.

Das Gameplay erinnert sofort an Age of Kings (Alarmglocke, Mauern errichten etc.) bzw. Empire Earth: In einer komplett dreidimensionalen Landschaft müsst Ihr zunächst eine Infrastruktur aufbauen. Dabei kommt die Genre-typische Prozedur von Ressourcen sammeln (Holz, Stein/Gold, Nahrung), Gebäude errichten (insg. 66 - von der Kaserne, Ställen, Wachtürmen bis zur Burg) sowie Einheiten und Upgrades entwickeln zum Einsatz.

Auch im Kampf bleibt zunächst alles beim Alten: Nach dem bekannten Schere-Stein-Papier-Prinzip gibt es für jeden der fünf Truppentypen (schwere & leichte Infantrie, schwere & leichte Kavallerie, Belagerungseinheiten) die passende Antwort: Die langsamen Lanzenträger machen den schweren Panzerreitern den Garaus, die leichten und mit Bögen bewaffneten Fußtruppen lassen aufgrund ihrer Reichweite die leichte Kavallerie alt aussehen und diese wiederum kann den schwerfälligen Lanzenträgern ordentlich zusetzen.

Kampfkultur neuer Schule

Aber neben der Truppengattung entscheiden noch drei weitere Elemente über Sieg und Niederlage: die Landschaft, die Formation und die Angriffsrichtung. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenztiteln hat das Gelände enorme Auswirkungen. Hoch postierte Bogenschützen lassen ihre Pfeilsalven nicht nur weiter, sondern auch vernichtender auf die Gegner regnen. Und wenn schwere Kavallerie im Galopp durch Sumpf und Morast donnert, ist es aus mit der Durchschlagskraft.

Hinzu kommen die Formationen (Linie, Keil, Kreis, Säule), die nicht nur optische Fassade sind, sondern die Kampfkraft direkt beeinflussen: Igelt sich die schwere Infantrie in der Kreisformation ein, steigt die Verteidigungskraft. Galoppiert die Kavallerie im Keil, steigen die Angriffswerte, die wiederum bei einer Attacke auf die ungeschützte Flanke oder den Rücken des Gegners noch verheerender sind.

Dadurch sind zum einen keine einfachen Massenangriffe à la Command&Conquer möglich, zum anderen kann eine kleine, gut postierte Kriegerschar einen zahlenmäßig weit überlegenen Feind besiegen - schöne Sache! Ein kleines realistisches Schmankerl ist außerdem die simulierte Furcht: Wenn Ihr Eure berittenen Krieger in einem Sturmangriff auf dicht gestaffelte Lanzenträger jagt, werden die Pferde scheuen und sich zurückziehen.

Aber bei all dem lobenswerten Realismus, gibt es auch kleine, nervige Inkonsequenzen: Pfeile jagen z.B. unabgelenkt durch Bäume und Bogenschützen nehmen Gegner ins Visier, die eigentlich gar nicht sichtbar sind, weil sie hinter einem Berg stehen. Und warum verschwinden plötzlich einquartierte Einheiten? Leider zeigten sich auch bei der Wegfindung noch kleine Schwächen und auch so mancher Befehl wurde einfach ignoriert - hier sollte schnell ein Patch Abhilfe schaffen.

Steuerungslust und -frust

Zwar lässt sich die Kamera relativ einfach per Mausrad in der Höhe stufenlos (quasi von der Ameisen- in die Vogelperspektive) justieren und per Druck aufs Mausrad drehen. Und auch die Truppensteuerung setzt auf Genre-typische Einfachheit. Nur leider hapert es manchmal noch an der Wegfindung und an schmalen Passagen lösen sich Formationen schnell in heilloses Durcheinander auf. Und weil Ihr oft auf riesigen Karten operieren und zwischen Einheiten hin- und herschalten müsst, vermisst man schmerzlich die Schnellsprung-Funktion, die Euch z.B. per Doppelklick sofort zum Ziel bringt. Im Gegensatz dazu dürft Ihr lästige Kamerafahrten beobachten, die unnötig Zeit kosten. Angriffe an zwei Fronten zu führen ist somit fast unmöglich. Auch eine übersichtlichere Steuerung über die interaktive Mini-Map hätte mehr Koordination ermöglicht.

Motivierende Details

Schon mit der epischen Story haben die Entwickler ihren Schwerpunkt auf atmosphärisch dichte und erzählerische Echtzeit-Strategie gelegt. Das wird durch die vielen Quests, die Ihr in fremden Dörfern bekommt noch verstärkt. Mal müsst Ihr Räuber vertreiben, mal einen entführten Sohn befreien oder einfach für Nachschub sorgen. Habt Ihr einen Auftrag erledigt, unterwirft sich meist das ganze Dorf Eurer Herrschaft. Ein schönes Feature ist auch die dynamische Verbesserung der Kampfkraft: Wenn Ihr z.B. Speerkämpfer am Trainings-Dummy üben lasst, steigt deren Angriffswert (das Gleiche gilt natürlich für die Teilnahme an Schlachten), so dass diese mit der Zeit anstatt 30 satte 41 Attacke-Punkte besitzen. Aufgepeppt werden die Echtzeit-Schlachten noch durche eine Vielzahl an Fantasykreaturen wie Dämonen und Succubi sowie diverse Zauber (Fluch, Berserkerwut, Gestaltwandlung etc.), die nur Helden zur Verfügung stehen. Hier hält ein wenig WarCraft III-Flair Einzug - wenn auch wesentlich weniger spektakulär und farbenfroh.

Grafik - ein zweischneidiges Schwert

Optisch kann Warrior Kings nur auf den ersten Blick brillieren: Vor allem, wenn die Kamera die richtige Entfernung zum Schlachtfeld hat, überzeugt die komplett dreidimensional gestaltete Landschaft mit sanften Hügeln, Wäldchen und verschlungenen Schluchten, die selbst Black&White Konkurrenz machen. Für Leben sorgen gelegentliche Vogelschwärme und Schafherden. Richtig ansehnlich wird es dann, wenn die eigene Armee aufmarschiert: Die grimmigen Krieger, grobschlächtigen Fantasy-Kreaturen und hervorragend animierten Schlachtrosse sorgen für finstere Mittelalteratmosphäre. Auch die Hintergrundmusik kann mit ihren Fanfaren und dumpfen Trommelwirbeln zur episch-düsteren Atmosphäre beitragen.

Aber auf den zweiten Blick zeigen sich deutliche Schwächen: Sobald die Kamera dank stufenlosem Zoom näher an den Boden, die Bäume und die Figuren heranfährt, pixeln die Texturen dermaßen extrem auf, dass von Grafikpracht nichts mehr zu sehen ist. Auf diese klobige Nahansicht hätten die Entwickler verzichten können. Auch die verwaschenen Gebäude, das unspektakuläre Wasser und die grobe Benutzeroberfläche können nicht mit Battle Realms, Empire Earth oder WarCraft III mithalten. Ein weiterer Schwachpunkt ist der Hardwarehunger: Zwar bietet Warrior Kings aus einer mittleren Perspektive sehr ansehnliche 3D-Grafik mit vielen Einheiten, aber dafür müssen Prozessor, Arbeitsspeicher und Grafikkarte ordentlich schuften.

Pro:

  • nicht-lineare Story
  • sehr gute Animationen
  • stimmungsvolle Erzählung
  • überzeugende 3D-Landschaft
  • Einheiten gewinnen Erfahrung
  • abwechslungsreiche Missionen
  • drei Weltanschauungen wählbar
  • realistische Schlacht-Entwicklung
  • Gelände & Formationen taktisch wirksam
  • gelungener Mix aus Mittelalter & Fantasy
  • dynamisch steigender Schwierigkeitsgrad
  • Kontra:

  • lange Ladezeiten
  • klobige Nahansicht
  • sehr hardwarehungrig
  • passives Text-Tutorial
  • viele kleine Gameplay-Fehler
  • gewöhnungsbedürftige Kamera
  • größter Teil des Handbuchs auf CD
  • Vergleichbar mit:

    Age of Kings; Empire Earth; Shogun; Warlords Battelcry 2

    Fazit

    Man merkt den Entwicklern an, dass Realismus im Kampf und Atmosphäre ganz oben auf der Wunschliste standen: Das authentische Schlacht-Erlebnis von Warrior Kings lässt jeden Echtzeit-Strategen mit der Zunge schnalzen und die Konkurrenz alt aussehen - kein anderes Spiel bezieht Landschaft, Formation und Truppengattung so entscheidend ein. Ein weiteres Highlight ist die nicht-lineare Rahmenerzählung, die ein faszinierendes Alternativ-Mittelalter beschwört und die Schlachten von Prinz Artos zu einem epischen Erlebnis macht. Optisch bleibt das Erstlingswerk des Black Cactus-Teams allerdings ein zweischneidiges Schwert: Aus der richtigen Entfernung klasse, verschwimmt der Glanz bei näherem Heranzoomen schnell zum klobigen Pixelbrei. Leider hapert es auch auf der technischen Seite, denn die Ladezeiten und Hardwareanforderungen sind einfach zu hoch. Hinzu kommen viele kleine Gameplay-Fehler, die schnellstens per Patch behoben werden sollten. Aber trotz dieser kleinen Mängel sollte jeder Genre-Fan mit Hang zu planvoller Taktik sein Schlachtross satteln und zu den Fahnen rufen!

    Wertung

    PC

    0
    Kommentare

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