GREED: Black Border11.12.2009, Mathias Oertel
GREED: Black Border

Im Test:

Space Siege? Da war doch was? Ach ja, richtig: Der vollkommen missglückte Versuch von Chris Taylor (Total Annihilation, Supreme Commander), das Hack & Slay-Prinzip von Diablo oder Dungeon Siege in den Weltraum zu verlegen. Oder lassen sich ein futuristisches Szenario und alt bekannte Spielmechanik generell nicht gut vermischen? Greed, der neue Titel der Avencast-Macher, möchte das Gegenteil beweisen.

Es geht auch anders

Stundenlang habe ich mit meinem Plasmagewehr Gegner auf Gegner ausgeschaltet. Es waren Hunderte: Roboter, die mit Sägen bewaffnet heran rauschten oder sich mit Plasma-Geschossen vergeblich gegen ihre Verschrottung gewehrt haben. Es kamen auch Horden von Untoten oder insektoide Konservendosen, die mich mit Projektilwaffen in die Enge treiben wollten. Ich habe Schalterrätsel gelöst, mich in kleinen Geschicklichkeitstests bewiesen und mich riesigen Bossen stellen müssen.

In der Anfangsphase überzeugt Greed nicht nur durch die stimmungsvolle Kulisse, sondern auch durch zahlreiche gute Ideen wie Rätsel oder Geschicklichkeitsübungen.
Nein: Greed wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein Action-Rollenspiel von der Stange. Die Zusammenarbeit von Headup Games mit dem österreichischen Team von Clockstone ist ambitioniert. Man merkt der Spielwelt von Greed an, dass sie mit einem Auge für Details entwickelt wurde.

Man spürt, dass man hier mehr als nur Kloppmist-Einerlei auf die Beine stellen wollte - und greift dabei auf viele Tugenden zurück, die Clockstone bereits im sehr konsolig anmutenden Avencast begündete.

Deshalb spielt Greed seine Stärken vor allem dann aus, wenn es sich eben nicht wie der x-te Kloppmist anfühlt, sei er nun in der Antike, einer Fantasywelt, im Zweiten Weltkrieg oder eben der Zukunft angesiedelt.

Rätsel und Arcade-Bosse

Denn gerade auf dem PC bilden Rätsel im Action-Rollenspiel immer noch die Ausnahme. Natürlich darf man hier keine Knobeleinlagen  à la Professor Layton erwarten, doch vor allem in der Anfangsphase sorgen die kleinen Kopfnüsse für willkommene Abwechslung. Sicher: Ich kann mir auch durch Probieren aller 125 verfügbaren Kombinationen für das Schloss den Zugang zum nächsten Trakt verschaffen. Doch wenn ich vorher die Computer-Terminals untersuche, bekomme ich Hinweise, die die Code-Eingabe erleichtern.

Und auch die Geschicklichkeitsprüfungen, wenn man mit seiner Figur z.B. Laserschranken oder sich drehenden Sägeblättern ausweichen muss, sind konzeptionell gelungen. Sie machen sich zwar durch die mitunter ruckhaft reagierende Steuerung unnötig das Leben schwer, so dass man immer wieder einen Schritt zu weit geht und dann die Lebensenergie schneller schwindet als einem lieb sein kann.

Auch wenn man nicht frei speichern kann, kommt dank der gut verteilten Speicherpunkte kaum Frust auf. Und das, obwohl der am Ende von Kapitel 1 wartende Bosskampf für ein Hack&Slay ungewöhnlich fordernd ist sowie ungewöhnlich lang dauert. Mit variablen Angriffsschemata erinnert der Kampf gegen den riesigen Roboter auch eher an einschlägige Arcade-Kost denn an das, was in der Redaktion gerne als Kloppmist bezeichnet wird.

Der erste Boss erinnert an klassische Arcade-Shooter.
Sprich: Das Team, das bereits mit Avencast erfolgreich Schritte aus dem Einheitsbrei-Hack&Slay unternommen hatte, schien auch hier die richtige Formel gefunden zu haben.

Starker Anfang, starkes Nachlassen

Nach dem gelungenen ersten Kapitel, in dem Greed bereits alles aufbietet, was es inhaltlich auf dem Kasten hat, setzt allerdings Ernüchterung ein. Denn nahezu alle Elemente, die in den ersten Stunden für Überraschung und Abwechslung gesorgt haben, verabschieden sich nach und nach: Die Rätsel werden massiv zurück gestuft, die Geschicklichkeitsprüfungen auf ein Minimum reduziert, die Umgebungsinteraktion merklich verringert und die Bosskämpfe sind weniger spannend, sondern nur noch zeitintensiv.

Das ist sehr bedauerlich, denn gerade in der Anfangsphase definiert sich Greed vor allem durch die kreativen Elemente, die es von anderen Hack&Slays unterscheidet - egal ob futuristisch oder klassische Fantasy.

Und ohne diese Bestandteile ist die Ikarium-Jagd nicht mehr als ein weiteres durchschnittliches Action-Rollenspiel, das um die Fangunst buhlt. Noch dazu eines, bei dem der Sammelaspekt vernachlässigbar ist. Dass man nicht mit dem Gegenstands-Overkill eines Diablo, TitanQuest oder Sacred 2 mithalten kann (oder will), ist nicht per se negativ. Wenige wichtige Waffen oder Rüstungen statt haufenweise Müll, der nur das Inventar verstopft, sind ein interessantes Konzept.

     

Doch dann muss man das Gefühl haben, dass die paar Sachen, die man findet, die Figur wirklich vorwärts bringen und verbessern. Und auf dieser Ebene kann Greed nur eingeschränkt überzeugen: In späteren Abschnitten werden kaum noch interessante Gegenstände ausgeschüttet. Immerhin können Rüstungen und Waffen mit Upgrades versehen werden, die nach einem erfolgreichen Einbau allerdings nicht mehr ausgetauscht werden können.

Lichteffekte und Leveldesign in Greed sind ansehnlich.
Dass Gegenstände nur eine untergeordnete Rolle spielen, lässt sich auch daran erkennen, dass das Inventar so klein ausgefallen ist - was andererseits dadurch relativiert wird, dass man später kaum noch etwas findet, das man nutzen kann.

Viel Action, wenig Rollenspiel

Dass ein Hack & Slay -gleichgültig ob mit Schwertern und Bögen oder wie hier mit Plasmagewehren bzw. Flammenwerfer- meist nur die nötigsten Erzählstrukturen aufweist, ist nichts Neues. Und auch Greed bleibt in dieser Hinsicht an der Oberfläche: Es geht im Wesentlich um Ikarium, ein wertvolles Metallhybrid, das in der Zukunft nicht nur einen neuen Goldrausch auslöst, sondern auch einen das ganze All umfassenden Konflikt herauf beschwört, deren Leidtragender u.a. die Hauptfigur ist, die einer von drei Klassen angehört. Der Pyro-Kämpfer ist trotz Verwendung seines treuen Flammenwerfers am ehesten als Nahkampfklasse zu bezeichnen. Der Marine-Soldat ist ein ausgeglichener Kämpfer, dessen MG vorrangig in der Mitteldistanz die Feinde niedermäht. Und die Plasma-Ingenieurin schließlich erledigt die Feinde auf die Entfernung.

Das Problem: Trotz unterschiedlicher aktiver sowie passiver Fähigkeiten, die man bei jedem Stufenaufstieg wählen kann, spielen sich die Figuren allesamt sehr ähnlich.

Und die Action neigt bei längeren Spielesitzungen zur Eintönigkeit - u.a. auch, weil man mit Ausnahme der Bosse sehr schnell spitz kriegt, wie der allgemeine Greed-Hase läuft: Aufgrund des Fokus auf Projektilwaffen muss man immer wieder den Rückzug antreten, sich in eine bessere Position bringen und auch mal den Ausweichsprung aktivieren, der übrigens auch eine interessante Erweiterung des Hack&Slay-Einerleis darstellt.

So spielt sich Greed beinahe wie ein waschechtes Action-Spiel, dem eine kleine, aber feine Charakter-Entwicklung spendiert wurde. Doch um es mit traditionellen Iso- oder den klassischen Zweistick-Shootern aufnehmen zu können, fehlt wiederum die wichtige Dynamik.

Denn während man die Figur zwar fest am Boden "verankern" kann, um mit der Dauerfeuer-Maus die Schussrichtung frei festzulegen, kann man nicht gleichzeitig laufen und schießen, was dem Baller&Slay aber sehr gut getan hätte und es dadurch quasi zur isometrischen Variante von Borderlands (minus die Quadrillionen Waffen) hätte machen können.

Schicke Gefechte

Die Monsterhatz, die man per Lan oder Internet auch weitestgehend lagfrei zu dritt in Angriff nehmen kann, spielt ihre Stärken vor allem in der Technik aus, die auf einer weiter entwickelten Avencast-Engine basiert.

Egal ob man die von Sandstürmen durchpeitschten Wüstenabschnitte durchquert oder düstere, von Kristallen beleuchteten Höhlen durchforscht: Greed ist von Anfang bis Ende ansehnlich. Doch auch hier nutzt sich die Pracht auf Dauer  ab. Es stellt

Gelegentlich sollte man in Gefechten auch den strategischen Rückzug antreten oder das aktive Ausweichen nutzen, wenn man nach einem Ableben nicht am letzten passierten Speicherpunkt aufwachen möchte.
sich zunächst das Gefühl ein, dass die Raumschifferforschung der Anfangsphase mit ihren Unschärfe-, Rauch-, Partikel- oder Lichteffekten nicht nur viel fürs Auge, sondern auch eine stimmungsvolle Basis bietet.

Mit zunehmendem Spielverlauf bleibt die Kulisse zwar stets sauber sowie makellos, aber da die interessanten Elemente zurückgestuft werden, leidet auch das technische Umfeld, das plötzlich beinahe steril wirkt. Und dagegen helfen auch die sauberen Bewegungsphasen aller aktiven Figuren nicht, geschweige denn die Waffeneffekte, die vom röstenden Flammenmeer bis zum sich langsam in der Atmosphäre auflösenden Plasmastrahl alle Register ziehen.

Sprachausgabe und Musik können auch nur beim ersten Hören überzeugen. Zwar hat sich Headup Games die Dienste bekannter deutscher Synchronstimmen gesichert (u.a. die Sprecher von Spongebob Squarepants oder Drew Barrymore), die auch hochprofessionell arbeiten. Doch irgendetwas nagt dennoch an der Atmosphäre. Am ehesten festzumachen ist es an den zahlreichen Texten, die man trotz der prominenten Sprecherriege wälzen muss, weil sie nicht vertont wurden. Denn letztlich wirkt es so, als ob alle Sprachsamples zusammen genommen vielleicht gerade mal zehn bis 15 Minuten lang wären. Sprich: Es passiert akustisch abseits der auf Dauer eintönigen Waffengeräusche zu wenig, um die Atmosphäre verstärken zu können. Zumal auch die Musik zwar technisch einwandfrei ist, aber sich vergeblich bemüht, die durch die Kulisse entstehende Stimmung zu unterstützen. Denn um wirklich Einfluss ausüben zu können, hätten sich die häufig an Blade Runner erinnernden Melodien dynamisch an das Kampfgeschehen anpassen müssen, anstatt in einer Schleife zu laufen.

Fazit

Nach der Vorschau war ich noch vorsichtig optimistisch, dass es dem Team von Clockstone gelingen würde, nach Avencast eine weitere Überraschung im Hack & Slay zu landen. Doch auch wenn man es locker schafft, an Chris Taylors Weltraum-Desaster Space Siege vobeizuziehen und sogar Hoffnung schüren kann, dass Hack & Slay gepaart mit futuristischem Szenario funktionieren kann, bleibt letztlich ein schaler Geschmack zurück. Denn leider verschießt Greed sein Pulver in den ersten paar Stunden, in denen man sich neben Hunderten von Gegnern mit Rätseln, Geschicklichkeitstests sowie einem taktischen Bosskampf konfrontiert sieht. Danach werden alle interessanten inhaltlichen Elemente mehr und mehr zurückgestuft, so dass letztlich nur herkömmliche Action in den Mittelpunkt gerückt wird. Dass die drei Figuren sich trotz interessanter Fähigkeiten zu ähnlich spielen, sorgt ebenfalls für Ernüchterung. Zu viele Kleinigkeiten sorgen lassen Greed nach stimmungsvollem Einstieg in den grauen Durchschnitt abgleiten, bei dem sich weder die gelungene Kulisse noch der Drei-Spieler-Modus per LAN oder Internet als dauerhafte Rettungsanker anbieten können. Schade, hier war mehr drin.

Pro

gute deutsche Sprachausgabe...
großräumige Gebiete
Bosskämpfe...
übersichtliche Charakter-Entwicklung
Rätsel
Fallen
stimmungsvolle Lichteffekte
drei Figuren

Kontra

- ... die leider nicht sehr umfangreich ist
wenige Gegenstände- ... bei denen Taktik zunehmend unwichtig wird
sehr kleines Inventar
kein gleichzeitiges Laufen und Schießen
Charaktere spielen sich ähnlich
Rätsel & Fallen werden zu schnell reduziert

Wertung

PC

Nach gutem Anfang werden alle interessanten Elemente über Bord geworfen. Übrig bleibt ein schickes, aber unter dem Strich inkonsequentes Action-Rollenspiel mit SciFi-Szenario.

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