Schiff-Simulator: Gold Edition11.08.2009, Mourad Zarrouk
Schiff-Simulator: Gold Edition

Im Test:

Wer erinnert sich noch an unsere Umfrage aus dem Frühsommer zum Thema Simulationen? Immerhin 30% aller Teilnehmer bekundeten Interesse und  fast 20% klickten sogar auf "Ja, das wäre klasse!". Als alter "Simulant" der ersten Stunde (Silent Service, Destroyer & Co.) und bekennender Fan des Genres erhielt ich folglich den Auftrag, einen recht aktuellen Vertreter dieser Gattung  unter die Lupe zu nehmen. Der Schiff-Simulator 2008 hat zwar bereits ein Jahr auf dem Buckel, erschien aber aktuell in der Gold-Edition (inkl. Add-on ). Außerdem sitzen wir in Hamburg. Also ab zum Hafen und in See gestochen!

Das Trockendock

Auf der Vorderseite der Packung findet sich zwar keine Jahreszahl, doch wer die  DVD-Box umdreht, erkennt anhand der Packshots und des Beschreibungstextes schnell, dass es sich um die 2008-er Edition inklusive des Add Ons "Neue Horizonte"  handelt. Der  Schiff-Simulator 2009 fällt also dieses Jahr "ins Wasser".

Mit dem Red-Jet im Hamburger Hafen: Rechts hinten lassen sich die Landungsbrücken ausmachen, links im Hintergrund die Schwimmdocks von Blohm & Voss.
 Hauptspiel und Add-on  wollen nacheinander installiert werden und auch die Seriennummern müssen einzeln vergeben werden, das ist recht umständlich. Positiv fällt dafür auf, dass das Spiel nach Installation des Add-on  komplett aktualisiert ist, was bei Sammlungen oder Zweitvermarktung noch längst keine Selbstverständlichkeit ist. Der integrierte 600-MB-Patch ergänzt das Spiel um zahlreiche wichtige Punkte wie verbesserte Wassereffekte, Mehrspielerunterstützung oder die Möglichkeit zwei Monitore einzusetzen.

Wie viel Schifffahrt steckt denn nun in der Simulation? Mit 24 ausschließlich motorbetriebenen Wasserfahrzeugen vom Jet-Ski bis zur Titanic und insgesamt acht Szenarien von Hamburg über New York bis Thailand wird dem virtuellen Skipper einiges geboten; außerdem warten Hochseeszenarien und Überseepassagen zwischen einzelnen Häfen auf Kapitänsanwärter-  und das sogar bei dynamischen Tag-/Nachtwechseln und Wettereffekten. Neben dem freien Spiel können 71 Missionen gespielt werden und auf der Homepage  des Entwicklers können weitere, von anderen Usern mit dem integrierten Missionseditor erstellte Szenarien heruntergeladen werden. Dort können sich Gleichgesinnte auch zu Mehrspielerpartien verabreden. Also ein gelungener Stapellauf?

Leinen los in Hamburg

Für meine Jungfernfahrt habe ich mich als Neu-Hamburger natürlich für eine große Hafenrundfahrt auf der Elbe entschieden. Im schicken Red-Jet-Katamaran lege ich von den zwar etwas steril, aber durchaus realistisch nachempfundenen Landungsbrücken ab. In Ermangelung eines Tutorials erweist sich das Ganze zunächst als etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit der ausgedruckten Spielanleitung (die liegt nämlich nur als PDF-Dokument vor) komme ich als Simulationsfan einigermaßen schnell hinter die Steuerung.

Sogar die altehrwürdige Titanic ist mit von der Partie. Hier liegt das prachtvolle Schiff in Southampton am Pier.
Zunächst löse ich per Mausklick die Leinen von den Pollern, dann erhöhe ich langsam den Schub, wahlweise per Tastatur, Joypad oder mit der Maus über die eingeblendeten Armaturen. Genauso wird auch das Ruder gesteuert. Dann legt mein Red Jet auch schon ab. Kleine Randnotiz: Es liegt übrigens tatsächlich regelmäßig ein vergleichbarer Katamaran in Hamburg vor Anker: Der Holunder-Jet, er pendelt zwischen der Hansestadt und Helgoland.

Aus der voreingestelltenund übersichtlichen Vogelperspektive sieht das ganze Szenario recht authentisch aus. Die Tatsache, dass Passanten (bis auf ein, zwei Alibi-Passagiere an Bord) gänzlich fehlen und Gebäude aus der Nähe wie Legohäuschen aufgesteckt wirken, trübt den zunächst positiven Gesamteindruck allerdings schon etwas. Je mehr ich mich aber vom Ufer entferne, desto realitätsnäher wirkt das Ganze dann wieder aus der Ferne. Wenn ich mit der Maus die Kamera um das Schiff kreisen lasse, im Hintergrund den alten Elbtunnel deutlich am rechten Elbufer ausmachen kann und das gigantische Blohm&Voss-Schwimmdock links entdecke, dann denke ich mir: "Kick an, mien Jung, wie to Huus". Doch bevor ich mich zu sehr von der Szenerie ablenken lasse, gilt es den regen Schiffsverkehr im Auge zu behalten - ich möchte das "realistische Schadensmodell" ja nicht gleich zu Beginn auf die Probe stellen. Meine Position, den Kurs sowie die abzufahrenden Wegpunkte erkenne ich deutlich grün umrandet auf der Karte oben rechts. Dabei ist es praktisch, dass der Maßstab der Karte und ihre Transparenz im Verhältnis zum Hintergrund beliebig angepasst werden können. Übrigens: Wer zwei Monitore verwendet, bildet die Karte mit all ihren Informationen zu Wassertiefen, Schiffsverkehr und Wegpunkten im Vollbild auf dem zweiten Monitor ab.

Einmal große Hafenrundfahrt, bitte

Weiter geht's stromaufwärts zum neuen Kreuzfahrt-Terminal. Nachdem ich den Red-Jet auf die richtige Fahrrinne gesteuert habe, finde ich Zeit, erstmals die Brückenansicht zu aktivieren. Plötzlich befinde ich mich im "Cockpit" eines modernen Katamaran-Schnellbootes. Alle wichtigen Anzeigen finde ich in Sichtweite: Radar, Karte, sowie alternativ per Maus zu verwendende Schubregler und das Steuer. Außerdem kann ich mich frei umsehen und mit dem Mausrad ein Fernglas aktivieren, dessen Vergrößerung sich stufenlos verändern lässt.

24 Schiffe sind steuerbar - eine Auswahl:

- ADF Vermaas (Containerschiff)

- Agile Solution (Frachtschiff)

- Freedom 90 (Hoovercraft)

- VLCC Latitude (Supertanker)

- RMS Titanic (Ozeanriese)

- Pride of Rotterdam (große Fähre)

- Red Eagle (kleine Fähre)

- Red Jet (Katamaran-Schnellfähre)

- Ocean Star (Kreuzfahrtschiff)

- Powerboat (Sport-Schnellboot)

- Fairmount Sherpa (Hochleistungsschlepper)

- Northern Star (Fischtrawler)

- Marbella Delight (Luxusyacht)

- Arie Visser (Seenotrettungskreuzer)

Habe ich da steuerbords nicht gerade das Musical-Theater "König der Löwen" erkannt? Am Kreuzfahrtterminal werde ich via Wegpunkt zum Wenden angehalten. Ok, schnell per Tastatur den Schub verringert und gleichzeitig das Ruder eingeschlagen und weiter geht's wieder stromabwärts, vorbei an der Elbphilharmonie, die man ebenfalls deutlich erkennen kann.

Jetzt ist eine gute Gelegenheit einmal den "Walkthrough" auszuprobieren. Die sich ständig wiederholende Hand voll zufälliger Funkschnipsel, mit denen man auf der Brücke traktiert wird,  fangen auch schon etwas an zu nerven. Warum hat man hier nicht situationsbedingten "passenden" Funkverkehr integriert? Wieso kann ich nicht per Mausklick eigene Funkanfragen senden, auf die dann auch die entsprechende Antwort kommt? Zurück zum Walkthrough: Die Entwickler ermöglichen es dem Spieler in dieser "Kameraansicht" auf fast allen Schiffen (bis auf die kleinen Boote, den Kran und die Bohrinsel) wortwörtlich "herumzulaufen". Das kann man sich dann so ein bisschen wie in einem Ego-Shooter vorstellen, nur eben ohne Knarre. Denn trotz aller aktuellen Ereignisse ist ein "Hansa Stavanger" - Szenario (noch) nicht integriert. Überhaupt geht alles recht zivil zu, bis auf ein Polizeiboot sucht man Feuerwehr- oder gar Militärschiffe vergebens. Am Ende jedes erfolgreich abgeschlossenen Einsatzes hat man die Möglichkeit, die Mission mit bis zu vier Sternen zu bewerten. Wenn man online geht, sollen die übermittelten Daten den Entwicklern dabei helfen, künftig bessere Missionen zu designen. Ich hätte es begrüßt, wenn man selbst mehr Feedback bekäme. Ein Einsatz kann nämlich nur gemeistert werden oder eben nicht. Immerhin: Bei Erfolg steigt man im jeweiligen Rang (Motorboot, Passagierschiff etc.) auf und darf sein Ranking innerhalb seines Profils bewundern. Das kann anfangs durchaus motivieren.

         

Eine Seefahrt ist (leider) nicht immer lustig

 

Die Seefahrt besteht aber bekanntlich aus etwas mehr als Hafenrundfahrten in heimischen Gewässern. Da gilt es ganze Kreuzfahrtschiffe der Gegenwart zu manövrieren, mit  Bugstrahlmotoren und so genanntem Azimuth-Antrieb (d.h. Schub und Rotation werden gleichzeitig gesteuert). Da kann die altehrwürdige Titanic von  England über den Atlantik nach New York navigiert werden, sofern man nicht vorher einen Eisberg rammt, oder man schleppt Öltanker an ihre Anlegestellen.

Abgesehen von den "actionorientierten" Einsätzen, wo beispielsweise mit Schnellbooten über Rampen gebrettert werden soll, oder unter Zeitdruck Ertrinkende gerettet werden müssen, überkommt einen auch schnell das, was bei einem Computerspiel möglichst nie auftreten sollte: Langeweile! Mitunter gähnende Langeweile. Warum?

Imposant: Das moderne Kreuzfahrtschiff "Ocean Star" passiert die Golden-Gate-Bridge
Weil die obligatorische "Zeitmaschine" fehlt. Schon Silent Service konnte vor 24 Jahren damit aufwarten: Dank der Zeitrafferfunktion war der Klassiker schon damals alles andere, nur nicht langweilig. Aktuelle Titel wie Silent Hunter 4 ermöglichen das "Vorspulen" der Zeit um das Viertausendfache, wenn gerade nichts los ist. Da kann man zusehen, wie die Sonne aufgeht und selbige wieder über der U-Boot-Kanzel im Meer versinkt und schwupp ist man im neuen Einsatzgebiet - nicht so beim Schiff-Simulator. Warum denn bloß? Etwa weil die Simulation dann nicht mehr realistisch wäre, weil man schließlich in der Realität auch nicht "vorspulen" kann? Wenngleich man sich offensichtlich redliche Mühe gegeben hat, Schiffe, Wetter und Steuerung realistisch zu gestalten, so ist man von einer authentischen Simulation im Stil der MS-Simulatoren "Train" oder "Flight" noch weit entfernt. Da hätte dieses immens wichtige Detail nun wirklich nicht geschadet. Geringe Abhilfe schafft die Tatsache, dass man beliebig speichern kann und man beispielsweise in der Titanic Mission natürlich nicht wirklich wochenlang von Liverpool nach New York tuckert, sondern nacheinander drei Szenarien absolviert und quasi in einer Art Staffellauf vom einen in das nächste "verfrachtet" wird. Dennoch dauert der Trip Stunden, in denen teilweise rein gar nichts passiert!

Nur die Simulation, einer Simulation?

Zugegeben: Wenn ich mit einem kleinen Motorboot eine Jacht abschleppen soll, muss es auch eine kleine Ewigkeit dauern, bis beide Boote endlich Fahrt aufgenommen haben, das ist ja auch realistisch. Auch die Tatsache, dass ein Containerriese praktisch den halben Unterlauf der Elbe zum "Bremsen" benötigt, bis er aus voller Fahrt zum Stillstand kommt, wurde durchaus korrekt umgesetzt. Doch dann trüben Aussetzer wie von Rampen unrealistisch abhebende Speedboote oder aus unerfindlichen Gründen beim Manövrieren einer Bohrinsel weit auseinander driftende Schlepper das Vertrauen in die Spielphysik doch merklich. Schlussendlich ist die Steuerung im Allgemeinen einfach etwas zu anspruchslos und trivial für eine wirklich glaubhafte Simulation. Bei den Referenztiteln ist z.B. kaum eine Taste frei, viele sind sogar doppelt belegt und so wird mir stets vermittelt Teil eines großen Ganzen zu sein.Hier werden nur wenige Tasten genutzt und auch wenn ich persönlich noch keine Kanalfähre gesteuert habe, so würde ich mich wundern, wenn dies mit zwei, drei Handgriffen zu machen wäre. Es ist nicht an einer Sache festzumachen, 

Unterwegs mit dem Hoovercraft im thailländischen Urlaubsparadies: Im Hintergrund die "Phi-Phi" Inseln.
woran es genau liegt, doch beim Schiff-Simulator habe ich nicht wirklich das Gefühl, Kapitän auf meinem Schiff zu sein. Ich bin eher Statist, denn Protagonist.

Die Kunst einer guten Simulation liegt darin, mir möglichst glaubhaft zu suggerieren der Boss zu sein und wirklich das sprichwörtliche Ruder in der Hand zu halten, also wirklich alle Fäden zu ziehen. Dieser Funke wollte nie wirklich überspringen. Da wurde ich als U-Boot-Kommandant, Pilot, Rennfahrer oder auch Lokomotivführer schon weitaus authentischer in das entsprechende Szenario hineinversetzt. Insofern unterfordert man echte Simulationsfans, überfordert Einsteiger dann aber, was deren Gedulds-, bzw. Leidensfähigkeit angeht. Für einen gelungenen Einstieg in die Welt der Simulationen hätte zumindest eine Zeitrafferfunktion integriert werden müssen.

     

Fazit

Auf der Habenseite gibt es die schönen, teilweise riesigen und auch sehr unterschiedlichen Schiffe. Außerdem hübsche Szenarien wie die Golden-Gate-Bridge und Alcatraz in der Frisco-Bay, oder Miss Liberty und die korrekte Skyline in New York. Wenn ein Auftrag erfolgreich absolviert wurde, kommt auch Genugtuung auf, doch mit echter Freude erfüllt mich das schon deswegen nicht, weil ja sonst niemand da ist, die Freude zu teilen. Brücke, Schiffe und Häfen wirken schrecklich leblos und steril. Keine Besatzung, keine Passagiere weit und breit, stattdessen gespenstische Leere und abseits der Brücke auch Stille. Genauso muss sich Will Smith in "I Am Legend" gefühlt haben! Aber der größte Kritikpunkt ist und bleibt die fehlende Zeitbeschleunigung. Was hat das holländische Team von VSTEP bloß geritten, darauf zu verzichten? Erbarmungslos nagt die Langeweile an meinen Nerven, während ich mit einem guten Dutzend Knoten über die See schippere - mein nächster Wegpunkt noch in schier unerreichbarer Ferne! Man ertappt sich dabei, Konstruktionen zu ersinnen wie sich Tastatur oder Pad präparieren lassen, damit der Kahn doch bitte selbsttätig Kurs hält und weiter tuckert. Hätte man nicht zumindest für die modernen Schiffstypen einen Autopilot spendieren können? Fehlanzeige! Was man findet, sind trotz Patch häufige Clippingfehler, bei denen einem schon mal der eine oder andere unfreiwillige Blick ins Innenleben des Schiffes oder unter Kiel "spendiert" wird. Bei aller Kritik bekommt man einen über weite Strecken soliden Exkurs in die Welt der Schifffahrt, der zwischendurch Spaß machen kann, dem aber langfristig nur Kapitäne mit konfuzianischer Geduld etwas abgewinnen dürften. Schade, denn mit etwas mehr Leben an Bord, einer glaubwürdigeren Steuerung und vor allem inklusive einer komfortablen Zeitrafferfunktion, wäre mehr drin gewesen!

Pro

über 70 Einzelmissionen
realistische Häfen
auf den ersten Blick durchaus ansehnliche Grafik …
24 Schiffstypen
Umherlaufen auf fast allen Schiffen möglich
Missions-Editor wird mitgeliefert
glaubwürdige Wettereffekte

Kontra

- keine Zeitbeschleunigung möglich (!)- kein Autopilot- …die aus der Nähe an Glanz verliert- Clippingfehler, trotz Patch - kein Tutorial- sterile Spielumgebung, ohne Besatzung oder Passagiere- ganz dünne Soundkulisse- Funk wiederholt sich schnell- teilweise Physik-Aussetzer

Wertung

PC

Für Anfänger ein passabler Einstieg, Kenner werden hingegen unterfordert und beiden wird einfach zu viel Geduld abverlangt. Kein Schiffbruch, aber alles andere als ein glorreicher Stapellauf!

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