ArmA 2: Operation Arrowhead08.07.2010, Michael Krosta
ArmA 2: Operation Arrowhead

Im Test:

Die größten Feinde des Soldaten sind keine größenwahnsinnigen Diktatoren mit ihren Armeen. Es sind auch nicht die atomaren, biologischen oder chemische Waffen. Seit der Militär-Simulation ArmA und ihrem Nachfolger wissen wir: Der größte Feind des Soldaten ist der Bug! Denn hier kommt es auch ohne Gewalteinwirkungen zum vorzeitigen Ableben - und das oft ohne einen nachvollziehbaren Grund. Hat Bohemia Interactive für die Erweiterung "Operation Arrowhead" den unberechenbaren Feind endlich im Griff?

Mini-Krieg

Das Bug-verseuchte Tschernarussland aus ArmA II liegt hinter uns! Doch im fiktiven Takistan, dessen Geographie mit kargen Landschaften sowie unwegsamen Gebirgszügen an Afghanistan und Pakistan angelehnt ist, wartet schon der nächste Konflikt: Colonel Aziz ist dabei quasi das fiktive Gegenstück zu Saddam Hussein, denn das rohstoffreiche Land bedroht mit seinem gewaltigen Arsenal die Nachbarn und steht dabei im Verdacht, auch chemische Waffen zu entwickeln. Klar, dass die Vereinigten Staaten sich gedrängt fühlen, hier einzugreifen, doch auch UN-Truppen aus der Tschechischen Republik sowie die Bundeswehr treiben sich mit Sondereinsatzkräften in Takistan herum, um die USA auf ihrem Feldzug zu unterstützen. Ihnen gegenüber stehen die Männer der takistanischen Armee sowie die republikanische Miliz. Nicht zu vergessen das Volk, unter dem sich auch Guerilla-Kämpfer befinden, obwohl viele Bewohner den Alliierten freundlich gegenübertreten. Lange wird der

Mit der überarbeiteten Nacht- und Wärmesicht behält man auch im Dunkeln den Durchblick.
Militäreinsatz allerdings nicht dauern: Gerade mal sechs Missionen umfasst die Kampagne rund um die Task Force Knight mit ihren vier "Hauptdarstellern", die jegliches Profil und Persönlichkeit vermissen lassen. Gerade für ArmA-Veteranen wird hier zu wenig geboten, zumal einige Aufträge bereits nach kurzer Zeit erledigt werden können.

Hohe Komplexität

Auf der anderen Seite knabbert man teilweise auch über eine Stunde am Missionsziel, was zum einen am realistischen und damit langsamen Spieltempo, andererseits am extrem hohen Schwierigkeitsgrad liegt, der Militär-Fans entzücken, aber den Normal-Spieler trotz der Wahl zwischen vier Stufen und freier Speichermöglichkeit oft zu Frustanfällen treiben wird. Überhaupt ist die Lernkurve für Neulinge trotz des umfangreichen Trainingslagers mit seinen 15 Lektionen enorm steil - alleine die komplexe Steuerung mit ihren vielfältigen Optionen benötigt eine lange Einarbeitung: Es dauert einfach, bis man seine Fußtruppen, die zahlreichen Vehikel vom Jeep über Panzer bis hin zu Hubschraubern sowie die taktischen Möglichkeiten im Griff hat und das volle Potenzial der US Army ausschöpfen kann. Die Erweiterung bietet eine Vielzahl an neuen Einheiten und Waffen - allen voran die coolen Flug-Drohnen, die man aus sicherer Entfernung steuern kann, um mit ihrer Hilfe Ziele mit dem Laser zu markieren. In der Luft ist man außerdem nicht mehr so verwundbar wie früher, da man hier mit Düppel- bzw. Leuchtgeschossen Gegenmaßnahmen zu Raketenangriffen einleiten kann. Einen deutlich besseren Eindruck macht außerdem die Positionsangabe der Gegner: Auch wenn die englische Sprachausgabe überwiegend furchtbar klingt und teilweise sogar an eine automatische Bandansage erinnert, findet man die Feinde dank der Uhr sowie einem Radar im HUD im Zusammenhang mit den Funksprüchen deutlich einfacher als noch bei ArmA II. Schön: Will man die Kampagne nicht alleine bestreiten, darf man Takistan auch kooperativ via LAN oder online mit bis zu drei weiteren Mitstreitern befreien.

Performance-Probleme

Machten im Hauptspiel noch fiese Bugs in Skripten das Abschließen mancher Missionen unmöglich, hinterlässt die Erweiterung zumindest in diesem Bereich einen deutlich besseren Eindruck: Ein Skriptfehler ist während

Mit Abstürzen muss man auch hier leben.
des Tests kein einziges Mal aufgetreten. Trotzdem ist man auch mit der Operation Arrowhead noch weit davon entfernt, einige altbekannte Probleme der Vorgänger zu beheben: Die Performance schwankt selbst auf leistungsfähigen Systemen stark und das Geschehen verkommt selbst bei niedrigeren Detaileinstellungen zu einer nahezu unspielbaren Ruckelorgie. Hat man das Glück eines potenten PCs, bekommt man jedoch eine offene Spielwelt mit hervorragend modellierten Einheiten, tollen Lichteffekten sowie einem dynamischen Wettersystem zu sehen, die in der oberen Liga mitspielt. Allerdings kam es im Testbetrieb immer wieder zu Grafikfehlern: Gerade beim Einsatz der Beobachtungs-Drone verschwinden beim Zoom immer wieder komplette Gebäude und Dörfer. Auch wurde ich Zeuge von Mobiliar, das über den Häusern in der Luft schwebte. Die vielen Pop-ups trüben ebenfalls die vielen positiven Ansätze und Eindrücke der gewaltigen Sandkasten-Spielwelt. Ärgerlich sind zudem die vielen Abstürze, mit denen ich vor allem in der Anfangsphase des Tests zu kämpfen hatte und die auffällig oft mit nicht nachvollziehbaren Speicherproblemen ("Out of memory") begründet werden. Erst als ich die Grafikdetails deutlich reduziert hatte, ging es meist ohne Abstürze weiter. 

  

KI-Aussetzer

 Zu einer Militärsimulation gehört mehr als nur die authentische Nachbildung von militärischen Einheiten und Vehikeln sowie ein fordernder Schwierigkeitsgrad. Nein, auch die künstliche Intelligenz 

Man hat in der Kampagne die meiste Zeit das Gefühl, der Teil einer groß angelegten Militär-Aktion zu sein.
der Kameraden und Gegner muss dem Anspruch gerecht werden, möglichst lebensnah zu agieren. Hier versagt die Erweiterung genau so wie das Hauptspiel: Angefangen bei der misslungenen Wegfindung über fehlende Aktionsbereitschaft der Kameraden bis hin zu gedanklich offensichtlich völlig verpeilten Gegnern ist die KI über weite Strecken eine Katastrophe. Vor allem bei Feindbegegnungen innerhalb von Gebäuden leidet die takistanische Armee unter Wahrnehmungsstörungen und blickt mir teilweise sogar sekundenlang ins Gesicht, bis sie die Situation erfasst und angreift. Sammelt man seine Truppen, beobachtet man dagegen immer wieder, wie sich die eigenen Panzer gegenseitig über den Haufen fahren und ständig anrempeln. Mit einer Militär-Simulation hat ein solch fragwürdiges Verhalten nichts zu tun! Leider ist der Erfolg einer Mission oft vom Überleben dieser Dumpfbacken abhängig - hat man zu viele Verluste im Team, kann man die Mission eigentlich sofort neu starten, da man für spätere Aufträge die Männer oft noch braucht. Apropos Aufträge: Teilweise hat man die freie Wahl, ob man Nebenmissionen annehmen möchte. Bittet z.B. ein Einheimischer die Amerikaner um Hilfe gegen Miliz-Truppen, kann man die Anfrage ablehnen und weiterhin nur das Hauptziel verfolgen. Eine Entscheidung, die sich rächen könnte, denn irgendwann ist man vielleicht auf die Unterstützung des takistanischen Volkes angewiesen.

Mehr Inhalte

Abseits der kurzen Kampagne bietet Arrowhead neben dem bereits erwähnten Trainingslager weitere Spielmodi: So stehen insgesamt sieben Szenarien-Missionen zur Verfügung, die zwar allesamt recht kurz, aber dafür recht abwechslungsreich ausfallen. Wer sich z.B. ohne große Umwege als Hubschrauber-Pilot versuchen will, sucht sich hier einfach das entsprechende Szenario aus. Alternativ kann man auch der Waffenkammer einen Besuch abstatten, in der alle Einheiten des Spiels aufgeführt werden. Sind die Wunsch-Vehikel und Waffen bereits freigeschaltet, darf man sich auf einem Übungsgelände austoben sowie dynamische Mini-Missionen annehmen, bei denen man z.B. kleine Rennen absolviert oder unter Zeitdruck Kameraden mit dem Hubschrauber einsammeln muss. Eine Video-Vorschau

Vehikel kommen selbstverständlich auch in der Erweiterung zum Einsatz. 
zu sämtlichen Einheiten, Waffen und Vehikeln inklusive Informationen ist sogar ohne das vorherige Freischalten möglich. Die Physik der Vehikel als auch innerhalb der Spielwelt lässt jedoch oft zu wünschen übrig und ist nicht immer nachvollziehbar.

Online-Schlachten

Für die meisten ArmA-Fans ist die Kampagne nur eine Nebensache - für sie zählen in erster Linie die Mehrspielergefechte, an denen je nach Server- und Rechner-Power über 100 virtuelle Soldaten in Modi wie (Team-)Deathmatch oder kooperativen Missionen teilnehmen können. Insgesamt liefert die Erweiterung mit Takistan, Zargabad und der Wüste drei neue Karten mit stattlicher Größe, auf denen man in den Krieg ziehen kann. Dabei ist auch die Zuschaltung von KI-Truppen möglich, falls man nicht genügend Spieler zusammen bekommt. Empfehlenswert ist der Schritt aufgrund der genannten KI-Mängel allerdings nicht. Davon abgesehen kann man die Online-Schlachten den eigenen Wünschen anpassen und neben den Einheiten auch das Wetter bestimmen. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der mächtige Editor, mit dessen Hilfe sich im Handumdrehen neue Missionen basteln lassen. Zwar muss man sich auch hier erst in die Tools hinein arbeiten, doch wird man den Editor mit seinen vielfältigen Möglichkeiten danach nicht mehr missen wollen. Aufgrund der riesigen Community dürfte der Nachschub an neuen Inhalten also nicht so schnell abbrechen. Der Zugriff auf ArmA II-Inhalte bleibt allerdings all denen verwährt, die lediglich die Erweiterung besitzen, die sich aber problemlos in das Hauptspiel integrieren lässt. Erst mit dem Komplett-Paket kann man auf die ganze Breite an User-Inhalten zugreifen.  

Fazit

Zuerst die gute Nachricht: Bohemia leistet sich mit Operation Arrowhead deutlich weniger Bug-Schnitzer als im Hauptprogramm und hat trotz der kurzen Kampagne mit dem umfangreichen Trainingslager sowie Szenarien und vielen neuen Einheiten inhaltlich einiges zu bieten. Nicht zu vergessen der leistungsfähige Editor, mit dem auch die Community für reichlich Nachschub an der Missions-Front sorgen dürfte. Entsprechend wird auch hier der Mehrspielermodus mit seinen reichhaltigen Möglichkeiten wieder im Fokus der Militär-Fans stehen. Obwohl die Anzahl von drei Karten nicht besonders hoch erscheint, wird dieses Manko durch die schiere Größe der Gebiete relativ gut aufgefangen. Sobald es in den Mehrspielergefechten oder innerhalb der Kampagne gegen KI-Gegner geht oder man auf die Hilfe von künstlichen Kameraden angewiesen ist, zeigt auch die Erweiterung die altbekannten Schwächen: Wegfindung und Aufmerksamkeit der KI sind über weite Strecken eine Katastrophe, Story sowie Charaktere sind kaum der Rede wert und auch vor Abstürzen, Grafikfehlern sowie starken Performance-Schwankungen ist man bei der Operation Arrowhead ebenfalls nicht sicher. Was bleibt, ist eine enorm anspruchsvolle Militär-Simulation, die vor allem im Mehrspieler- und Communitybereich überzeugen kann. Spieler, die Popcorn-Action im Stil von Call of Duty erwarten, sollten dagegen einen ebenso großen Bogen um diese selbst laufende Erweiterung machen wie alle, die vornehmlich wegen der Kampagne die Operation Arrowhead in Angriff nehmen wollen.

Pro

umfangreiches Trainingslager
mächtiger Editor
hoher Realismusgrad
dynamischer Szenarien-Modus
riesiger Umfang an Waffen und Ausrüstung
große Anzahl an Vehikeln
LAN- & Online-Modus mit zig Optionen
Speichern jederzeit möglich
große Karten
verbesserte Positionsangabe von Feinden
Kampagne kooperativ spielbar

Kontra

KI-Probleme bei der Wegfindung
kurze Kampagne (sechs Missionen)
z.T. massive KI-Aussetzer (späte / keine Wahrnehmung)
z.T. frustrierend hoher Schwierigkeitsgrad
08/15-Story
vereinzelte Abstürze
starke Performance-Einbrüche
oft fragwürdige Physik
Grafikfehler (Kollisionsabfrage, Darstellung)

Wertung

PC

Weniger Bugs, solider Inhalt: Trotzdem ist auch Operation Arrowhead eher für Mehrspieler-Einsätze geeignet. Die Kampagne ist vergleichsweise enttäuschend.

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