Deponia30.01.2012, Bodo Naser
Deponia

Im Test:

Deponia (ab 0,85€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) wurde mit Vorschusslorbeeren geradezu überhäuft. Kein Wunder, denn Harvey aus gleichem Hause wurde unser PC-Spiel des Jahres 2011. Jetzt ist das poetisch angehauchte Comic-Adventure erschienen, das von einem Helden auf einem Schrottplatz erzählt. Kann das Point&Click überzeugen oder offenbart es auf längere Sicht Schwächen?  

Traum vom Elysium

Rufus will weg und dafür setzt der Querkopf Himmel und Erde in Bewegung.
Rufus will weg und dafür setzt der Querkopf Himmel und Erde in Bewegung.
Was wünscht sich ein Mensch, der sein ganzes Leben im Müll gehaust hat? Keine Ahnung, aber ganz bestimmt keine größere Müllpresse, eine praktische Schachtel Schrauben oder gar einen schöneren Seitenschneider! Trotz ansprechend gezeichneter Deponie möchte Rufus daher an einen Ort, der noch heil ist, wo es sauberes Wasser gibt und kein rostfarbener Schrott vor der Haustür liegt. Den übrigen Bewohnern des Planeten mag das vielleicht reichen, aber der tollpatschige Außenseiter möchte lieber ins Paradies, das sich Elysium nennt. Obwohl er noch nie dort war, ist er fest davon überzeugt, dass dort alle nett und die Frauen viel hübscher sind.

Rufus hat schon einige Reiseversuche unternommen, die allesamt kläglich scheiterten. Meist schusterte der Arme irgendeine seltsame Apparatur zusammen, landete dann in der Krankenstation und wurde mal wieder zum Gespött seiner Freunde. Jetzt hat er allerdings eine Kapsel zusammen gebastelt, die er mittels einer Rakete in die Nähe eines mysteriösen Raumobjekts schießen möchte. Dieser rustikale Organon-Kreuzer, der selbst auf einer Schiene fährt, soll ihn endlich ins Elysium bringen! Auch als seine kettenrauchende Ex-Freundin Toni und sein bebrillter Handlanger Wenzel ihn verspotten, gibt er nicht klein bei: Stattdessen packt er seine sieben Sachen für die Reise.

Hilfe zur Selbsthilfe

Bevor es losgeht muss man packen, Überflüssiges da lassen und anderes reparieren.
Bevor es los geht, muss man packen, Überflüssiges da lassen und anderes reparieren.
Vor dem Abschuss muss der Spieler Rufus tatkräftig unter die Arme greifen: Nachdem sein Koffer unter einigen Schwierigkeiten gepackt ist, wobei man witziger Weise sogar eine Sache zurücklassen muss, geht es ans Fluggerät. Klar, dass das noch repariert werden muss, obwohl Rufus hartnäckig behauptet, dass alles fertig sei. Aber der Koffer soll ja auch  noch in die Kapsel, weshalb man das Geschoss wieder umbauen muss. Natürlich herrscht schnell Platzmangel – wie soll man Batterie & Co noch verstauen? Am besten schaut man sich gut um und fragt bei den schrägen Anwohnern nach.

Bei der Suche nach dem richtigen Gegenstand hilft auch die Hot-Spot-Anzeige, denn bei all dem Schrott verliert man schon mal die Übersicht. Das Inventar ist hingegen komfortabel zu bedienen. Man kann auch I drücken, wie es Adventure-Veteranen vielleicht noch kennen. Regelmäßig muss man zwei Dinge für die Lösung kombinieren, was aber recht flott geht. Allerdings: Wer hier hängt, kann die Suche nicht überspringen wie bei den Minigames.  Schließlich bekommt man es  doch noch hin, dass Rufus die Lunte seiner Selbstbau-Rakete zündet. Dieser Fluchtversuch läuft natürlich nicht wie geplant…

Vom Himmel gefallen

Ist Goal erst einmal wach, geht's ab nach Elysium. Davor liegt ein steiniger Weg.
Ist Goal erst einmal wach, geht's ab nach Elysium. Davor liegt jedoch ein steiniger Weg.
Einmal mehr landet der Held daher dort, wo er eigentlich nicht hin wollte. Auf dem Himmels-Kreuzer findet er ein rothaariges Mädchen namens Goal, das Rufus -wie könnte es anders sein- als Bewohnerin von Elysium ansieht und die er sogleich aus den Klauen der Organon befreien muss. Auch das schlägt fehl und der Pechvogel landet dort, wo er startete: in seinem Dorf Kuvaq. Zum Glück hat es auch die Orbit-Elfe dorthin verschlagen. Nur hat es die Schönheit härter getroffen, denn sie ist bewusstlos, was in diesem Fall richtig groggy bedeutet. Goal lässt sich nicht mal vom Quacksalber des Ortes aufwecken, der sämtliche Aufputschmittel an ihr ausprobiert, so dass sich Rufus etwas Kreatives einfallen lassen muss. Was weckt Leute für gewöhnlich auf?

Auch im Mittelteil des ersten Abschnitts entspinnt sich eine Suche nach der Lösung, die aber deutlich  komplexer ausfällt als zum Start. Diesmal muss der ganze Ort durchkämmt werden. Natürlich erfährt der Held nicht nur Unterstützung, da er einmal mehr zur Witzfigur mutiert. Besondere Häme muss er von Seiten Tonis aushalten, die sich sogar darüber mokiert, dass er immer noch da ist. Zudem wollen sich andere skurrile Typen die Frau vom Himmel unter den Nagel reißen – und diese führen nicht immer Gutes im Schilde. Im Laufe des Abenteuers wird immer deutlicher, dass Rufus etwas für die Gefallene empfindet und dass er sie zurückbringen möchte. Schon um Toni zu beweisen, dass es das Paradies wirklich gibt!

Probieren oder überspringen

Die Minispiele sorgen für Abwechslung im Suchalltag. Wer sie nicht mag, kann sie überspringen.
Die Minispiele sorgen für Abwechslung im Suchalltag. Wer sie nicht mag, kann sie überspringen.
Neben den etwas überstrapazierten „Einkaufszetteln“  ist auch mal das eine oder andere Minispiel zu lösen: So muss etwa die Kanone kalibriert werden, wofür es einen urigen Zielapparat gibt, bei dem man die richtigen Hebel drücken muss. Das wird dadurch erschwert, dass zwei Richtungen gesperrt sind.  Hört sich komplexer an, als es schließlich ist: Ein wenig rumprobieren, ein paar Neustarts und man hat das Ziel eingestellt. Die nicht all zu schweren Logikaufgaben sind dennoch eine willkommene Abwechslung zu den häufigen Inventaraufgaben. Wer diese Minigames nicht mag, kann sie übrigens per Knopfdruck überspringen.

Überhaupt verlangen die Rätsel nicht zu viel Um-die-Ecke-denken, da sie meist logisch und lösbar bleiben. Außerdem werden sie nicht künstlich geschreckt: Es kommt nicht vor, dass man 50 Sachen von 40 Leuten besorgen muss, die dann auch noch alle was erledigt haben wollen. Obwohl der feste Schwierigkeitsgrad im Laufe der Zeit ansteigt, bleiben Figuren als auch Aufgaben überschaubar, ohne zu leicht zu sein. So trifft das Adventure fast immer den angenehm schmalen Grat zwischen Rätselspaß und Frust. Lediglich beim Sprengen ist etwa der Sprung vom Hinweis zur Lösung nicht so klar, weil dieser unlogisch ist - solche Hänger sind jedoch selten.                      

Hinweise zum Hören  

Nach dem Erstkontakt entspinnt sich meist ein ergiebiges Gespräch.
Nach dem Erstkontakt entspinnt sich meist ein ergiebiges Gespräch.
Immer wieder muss man sich mit schrägen Leuten unterhalten, die manchen guten Tipp parat haben. Die Gespräche, bei denen man die Frage auswählen kann, sind eher Nachfragen als wirkliches Zwiegespräch, da man mal wieder inquisitorisch alles abhaken muss. Leider wird bereits Gefragtes nicht aus der nicht gerade übersichtlichen Liste gestrichen, so dass man manchmal nicht weiß, was noch offen ist. Eine echte Wahl besteht ohnehin nicht: Was man fragt, tut leider wenig zur Sache, da es keinen Unterschied macht. Es gibt keine Dialogrätsel und oder gar keine alternative Spielverläufe, auch wenn man an einer Stelle vielleicht das falsche Werkzeug dabei hat.

Alle Dialoge sind auf Deutsch vertont und können sich hören lassen. Nur ganz wenige Stimmen erinnern an den Hamburger Fischmarkt, was aber zum Glück nur für Neben- und nicht für die Hauptcharaktere gilt. So klingt der Sprengmeister eher nach Schlepper-Kapitän als Höhlentier, obgleich auf dem Planeten Deponia weit und breit kein Meer zu sehen ist. Unterm Strich sind die Dialoge qualitativ nicht besser oder schlechter als im Genre üblich, aber sie sind deutlich witziger. Eine Besonderheit ist übrigens eine Art deutscher Bänkelsang, in welchem der Held und seine Taten besungen werden, der leider nur zwischen den Kapiteln vorkommt.     

Humor in vielen Facetten

Überall seltsame Typen und Einfälle: Nanu, die tragen aber komische Hüte, die man sich merken sollte.
Überall seltsame Typen und Einfälle: Nanu, die tragen aber komische Hüte, die man sich merken sollte.
Deponia hat einen großen Vorteil gegenüber vergleichbaren Abenteuern: Es ist wirklich witzig. Die allermeiste Zeit schmunzelt man über gelungenen Humor, der sich aus abgefahrenen Ideen, durchgeknallten Typen oder vielen Seitenhieben speist. Allein die Vehemenz, mit der Rufus seiner Idee nachgeht, ist schon amüsant. Trotz ständiger Nackenschläge hört er einfach nicht auf, ans Gute zu glauben, was ihn sehr sympathisch macht. Dafür bekommt er natürlich sein Fett ab, auch wenn Deponia eine Ecke harmloser als Edna ist.

Diese feinen Geschichten am Rande sind sogar unterhaltsamer als die große Story, die sich grob um Goals Rückkehr nach Elysium dreht. Diese beginnt zwar ganz interessant, schleppt sich im Mittelteil etwas dahin und man fragt sich, wann es endlich weitergeht. Zudem muss man immer wieder in einem Kaff umherlaufen, das man schon auswendig kennt. Allerdings bewegt sich diese Kritik auf hohem Niveau, da andere Spiele das weit schlechter hinkriegen. Einzig eine Schnellreisefunktion wäre sinnvoll gewesen, mit der man auf einen Schlag am gewünschten Ort ist.

Fazit

Deponia ist ein urkomisches, liebevoll designtes Adventure! Die Story vom Underdog, der partout nicht aufgibt, weil er in eine bessere Welt möchte, lädt immer wieder zum Schmunzeln ein. Der tollpatschige Antiheld wird von seinen Mitbewohnern einfach nicht ernst genommen und böse veralbert – auch wenn der Humor zahmer ist als in Edna, wird er in den professionellen deutschen Dialogen sehr gut transportiert. Die lustige Geschichte hängt lediglich in der Mitte ein wenig durch. Auf der langen Reise trifft man aber immer wieder auf schräge Typen, die einen überraschen. Und man will natürlich wissen, ob es der Held ins Elysium schafft. Die Aufgaben erfordern Grips und Durchhaltevermögen, sind aber bis auf einige Ausnahmen angenehm logisch und lösbar. Nur die immer wiederkehrenden Suchlisten sind auf Dauer etwas eintönig. Zwar erreicht das Spiel nicht die Brillanz von Harvey’s neue Augen, aber Daedalic bereichert das Genre erneut um ein unterhaltsames Abenteuer.

Wertung

PC

Ein humorvolles Comic-Adventure, das von schrägen Typen auf einer fiktiven Deponie erzählt - dennoch kommt es nicht ganz an Edna ran.

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