Heroes of Newerth09.06.2010, Marcel Kleffmann
Heroes of Newerth

Im Test:

Demigod, League of Legends, Avalon Heroes - und wie sie alle heißen. Es sprießen immer mehr Spiele basierend auf Defense of the Ancients (DotA) aus dem Boden und so kurios die Genretitel wie "Multiplayer Online Battle Arena" oder "RTS Arena" auch klingen - das Grundkonzept ist immer gleich: Zwei Teams voller Helden kämpfen um die Kartenkontrolle. Nicht anders ist es bei Heroes of Newerth von S2 Games (Savage). Kein Wunder, da sich diese DotA-Adaption am dichtesten an die Vorlage hält. Ein gutes Omen?

Spielprinzip: DotA pur

Heroes of Newerth ist nichts anderes und möchte auch nichts anderes sein als eine technisch weiter entwickelte Fassung der beliebten WarCraft III-Custom Map "Defense of the Ancients", die ihrerseits wiederum auf "Aeon of Strife" basiert. Ganz nach dem Vorbild treten zwei Teams "Legion" und "Hellbourne" mit je fünf Spielern in Multiplayer-Schlachten gegeneinander an, um die gegnerische Basis auszuradieren. Jeder Mitspieler kontrolliert 

Trailer: Heroes of Newerth hält sich sehr streng an die Vorlage.dazu aus klassischer Echtzeit-Strategie-Perspektive einen Helden, der in der Partie an Erfahrung gewinnt, neue Fertigkeiten erlangt und dessen Kampf-/Überlebenskraft mit Gegenständen verbessert werden kann. Darüber hinaus erhalten die beiden Fraktionen Unterstützung durch computergesteuerte Einheiten (Creeps), die in regelmäßigen Intervallen in der eigenen Basis erscheinen und automatisiert entlang der meist drei Hauptwege (Lanes) in Richtung Feindbasis stürmen.

Von Creeps und Todesstößen

Fortan sieht es so aus, dass ihr euren Helden über die Karte dirigiert, versucht möglichst viele Creeps und später neutrale Kreaturen sowie gegnerische Helden über den Jordan zu schicken. Anfänglich müsst ihr vorsichtig taktieren, denn die Helden sind ohne Spezialfertigkeiten und Ausrüstung ein leichtes Ziel, selbst für die normalen Creeps, die praktischerweise immer in kleinen Paketen marschieren. So sind die ersten Minuten vom langsamen Herantesten geprägt. Der Held darf auf keinen Fall sterben, sonst bekommt der Killer eine beachtliche Gold-Belohnung, die das Kräfteverhältnis gewaltig beeinflussen kann. Überleben ist das Ziel und daher solltet ihr euch keinesfalls von gegnerischen Creeps plus Helden in Bedrängnis bringen lassen und euch wenn möglich hinter euren Creeps in "Schutz" begeben - sogar als Nahkämpfer ist dies empfehlenswert, als Fernkämpfer sollte es sich von selbst verstehen.

Der Devourer (Stufe 9) als Nahkämpfer versucht die mittlere Lane zu sichern.
 Dennoch müsst ihr den Kampf suchen, da ihr Erfahrungspunkte für Siege gegen Creeps, neutrale Kreaturen und Helden bekommt, wenn ihr der Nähe der erledigten Viecher seid. Mit Gold werdet ihr nur dann belohnt, wenn ihr tatsächlich den Todesstoß erzielt und das ist gelegentlich etwas haarig, wenn mehrere Creeps wild angreifen, gegnerische Helden durch die Gegend wuseln und ihr unbedingt den Todesstoß wollt. Etwas zwiespältig und hinterhältig finde ich hingegen, dass ihr angeschlagene eigene Creeps töten könnt, damit diese nicht vom Gegner erledigt werden; was die Gold-Balance kippen lässt. Ihr macht ihnen den Gold-Obolus also abspenstig (genannt "Denies") - ein umständlicher manueller Angriffsbefehl ist dazu Pflicht.

Wechsel zwischen Attacke und Abwehr

Eine für DotA- und demnach auch für Heroes of Newerth typische Schlacht ist von einem ständigen Hin und Her geprägt. Zunächst greift man an, dann bricht der lebende "Schutzschild" durch die Creeps weg, es folgt der Rückzug bis Verstärkung oder ein anderes Teammitglied aufmarschiert. Hierbei müssen die Teams immer auf den Angriffsdruck der Feinde reagieren oder selbst mit mehreren Helden vorrücken - ohne Koordination im Team läuft gar nichts. Ein komplettes Durchschlagen/Rushen durch eine Lane wird übrigens von mehreren Verteidigungstürmen verhindert, die sich nicht wiederaufbauen lassen. Besonders in der Anfangsphase hauen die Türme die Lebenspunkte der Helden und Creeps schnell weg, doch je mehr Stufenaufstiege ihr erlangt, umso einfacher wird es die Bastionen wegzuputzen. Wann und wo angegriffen wird, sollte das Team bereits am Anfang klären, damit jede Lane verteidigt wird. Erst mit zunehmenden Stufen, besseren Spezialfertigkeiten und sinnvoller Ausrüstung verlagert sich das Geschehen von der Creepjagd auf die Heldenjagd.

Massig Helden

Etwas mehr als 60 Helden (plus künftige Erweiterungen) stehen zur Auswahl und jeder verfügt über vier Fähigkeiten, die meist separat aktiviert werden müssen und deren Einsatz Mana kostet (inklusive Abklingzeit) - manche Fertigkeiten helfen auch dauerhaft als passive Aura. Steigt der Held durch gewonnene Erfahrung eine Stufe auf, können diese Fertigkeiten schrittweise erlernt und bis jeweils auf Level 4 ausgebaut werden, nur die "ultimative Fähigkeit" ist dreistufig und meist äußerst effektiv bzw. teuer im Einsatz. Die Palette der Spezialfertigkeiten ist weit gefächert und umfasst Verlangsamung des Gegners, Flächeneffekte, Zauberunterbrechen, Betäuben, Anstürmen, etc.

Trotz schöner Animationen und guter Spezialeffekte ist die Grafik nicht auf der Höhe der Zeit, vor allem die Helden-Darstellung wirkt aufgrund weniger Polygone grob.

Da die Helden allesamt unterschiedliche Stärken, Schwächen und Spezialtalente haben, ist es unerlässlich, dass ihre Fertigkeiten im Team kombiniert werden (z.B. erst zum Schweigen bringen, dann betäuben und anschließend umhauen). Ohne Teamplay und möglichst koordiniertes Vorgehen ist man ohnehin aufgeschmissen und ohne ein bisschen Hintergrundwissen zu den Helden und ihren Fertigkeiten ist es sehr schwer auf den Schlachtfeldern zu bestehen, ohne ausgekontert zu werden. Generell orientiert sich ein Großteil der heroischen Streithähne inklusive der Talente an "Defense of the Ancients" und diese sind teilweise sogar 1:1 übernommen. Zumindest hat der Held ein Facelift verpasst bekommen.

Stärke, Intelligenz oder Beweglichkeit

Ergänzend unterscheiden sich die heldenhaften Kämpfer durch ihre primäre Ausrichtung auf eines der drei Hauptattribute, dessen Verbesserung den Angriffsschaden steigert. Helden, die sich auf Stärke fokussieren, verfügen häufig über mehr Lebenspunkte und sind meistens als Tank unterwegs. Protagonisten mit der Ausrichtung auf Intelligenz verfügen über viel Mana (Supporter) und Beweglichkeits-Helden zeichnen sich durch eine hohe Angriffsgeschwindigkeit aus (hoher Schaden im Endgame). Nichtsdestotrotz unterscheiden sich die Helden aufgrund der Fertigkeiten innerhalb dieser Dreiteilung enorm. Bei jedem Level-Up werden übrigens die Werte automatisch leicht erhöht und ihr habt nach dem Stufenaufstieg die Wahl, entweder eine neue Fertigkeit freizuschalten bzw. weiterzuentwickeln oder eine Bonuswertsteigung anstatt des Fähigkeitsupgrades durchzuführen. Die Stufenbeschränkung greift bei 25.

Gegenstände

Jeder Held kann bis zu sechs Gegenstände im Inventar tragen und einige weitere auf einer "Bank" verstauen. Diese Items können in einem verschachtelten Shop-Menü gegen Gold gekauft werden. Neben verbrauchbaren Dingen wie Tränken oder Heilungsrunen, die Bäume 

Die Standard-Fantasy-Atmosphäre ist bei Heroes of Newerth deutlich düsterer als bei der Vorlage.
verzehren und so die Karte langsam verändern, können allerlei Waffen oder Rüstungsgegenstände erstanden werden, welche die Werte verbessern oder gar zusätzliche Fertigkeiten versprechen wie kurze Zeit schneller laufen oder Kurzstrecken-Teleportation. Mehrere Items lassen sich außerdem (durch ein Rezept) zu einem neuen, stärkeren Gegenstand kombinieren.

Obwohl vier Fertigkeiten pro Held auf dem Papier nicht nach sonderlich viel klingen, entfaltet sich mit zehn Spielern und den ganzen Gegenständen eine taktisch enorme Bandbreite, die sich keinesfalls vor dem Vorbild zu verstecken braucht - gleiches gilt in Sachen Balance. Wie bereits erwähnt, wäre es von Vorteil, dass ihr vor der Partie wisst, welche gefährlichen Aktionen der Gegner entfesseln kann und welche nützlichen Kombinationen sich beispielsweise ergeben. Ganz im Gegensatz zu der hohen taktischen Tiefe durch die enorme Heldenzahl gibt sich die Kartenpalette sehr mager, da es nur drei Schauplätze gibt und von denen wird im Prinzip eine gespielt. Zugleich ist das Kartendesign sehr an die DotA-Standardmap angelehnt und lässt Kreativität oder neue Ideen vermissen.

Harter Einstand

Heroes of Newerth ist keinesfalls einsteigerfreundlich. Es gibt zwar ein Singleplayer-Tutorial, aber das Lernprogramm erklärt bloß die rudimentären Grundlagen und damit sind die Einzelspieler-Modi abgehakt. Ein Gefecht-Modus gegen die Computerintelligenz fehlt genauso wie zuschaltbare Bots - gerade dies würde sich zum Training anbieten. So werden Neulinge nur sehr eingeschränkt auf die bevorstehenden Multiplayer-Duelle vorbereitet und um das Studium des Helden-Kompendiums kommt ihr nicht herum, wenn ihr erfolgreich spielen wollt.

Neutrale Kreaturen auf der Karte versprechen Bonus-XP und Gold, sofern ihr sie umgehauen bekommt oder überhaupt dafür Zeit habt.

Ansonsten hilft nur Üben, Üben, Üben und das kann in der sehr wettkampforientierten Community wirklich frustrierend sein. Nein. Sehr frustrierend! Sobald kleinste (aber für Neulinge wohl normale) Fehler gemacht werden (z.B. bei der Item- oder Fertigkeitenwahl), ist es nicht unüblich, dass sofort dreiste Beleidigungen via Voice-Chat oder als Textbotschaft gesendet oder Votekicks gestartet werden. Hier sollte man sich sehr schnell ein hartes Fell zulegen und trotz falscher Bescheidenheit tatsächlich als Anfänger in Partien reingehen, in denen "Noob" im Titel steht. Ich kann mich nicht zurückerinnern, jemals einer so dermaßen unfreundlichen Community begegnet zu sein, aber wenn man sich vor Augen führt, dass der frühe Fehler eines Spielers oder das schlichte Rumblödeln zu einer eindeutigen Niederlage führt, nun ja, vielleicht lässt es das harsche Verhalten der anderen Seite etwas verständlicher erscheinen, wenngleich der Sportsgeist etwas anderes gebietet. Und ja, solche unschönen Ereignisse sind weniger die Ausnahme, sondern die Regel - ebenfalls in als "for Noob only" gekennzeichneten Partien und wenn man mehr als reichlich DotA- oder BattleTanks-Erfahrung mitbringt.

Heroes of Newerth ist rundum ein eSport-Titel und aufgrund des taktischen Anspruchs auf DotA-Kenner zugeschnitten und nicht auf den Casual- oder Massenmarkt. Die lange Lernkurve, die harte Community und zahllose Fertigkeiten erfordern, dass ihr euch mit dem Spielsystem befasst und seine ganzen Angriffs-/Verteidigungs-Möglichkeiten verinnerlicht. Beißt ihr euch hingegen durch und findet Personen mit denen ihr gemeinsam Spielen wollt und Koordination sowie Kommunikation funktionieren, sind die Team-Partien aufgrund ihrer Dynamik und der vorbildlichen Balance ein enormer Spaßgarant - ganz wie beim Vorbild.

HoN vs. DotA vs. LoL vs. Demigod

Die Newerth-Helden halten sich erstaunlich stark an die Vorlage und entwickeln diese primär technisch weiter, worauf ich gleich eingehen werde. Das Spielprinzip wird nicht angerührt, es ist eher ein zeitgemäßes DotA für DotA-Fans. Weiterentwickelt wird das Konzept hingegen von Demigod und dem kostenlosen League of Legends. So protzt Demigod mit schicken Karten und guter Optik, ermöglicht Singleplayer-Schlachten, setzt auf zwei unterschiedliche Heldenklassen und bietet Fertigkeitsbäume zur Weiterentwicklung, allerdings bleiben Balance, Fertigkeiten- und Helden-Vielfalt hinter Heroes of Newerth zurück. 

Viel Schauplatz-Abwechslung gibt es nicht. Meist werdet ihr auf dieser Karte spielen.
Das kostenlose League of Legends ist wie Demigod etwas langsamer als Heroes of Newerth (von der Spielgeschwindigkeit her) und bringt u.a. mit Gebüschen als Versteckmöglichkeit neue taktische Elemente ins Spiel sowie zahlreiche Individualisierungen, da sich euer globaler Avatar stetig verbessert. Anfänger werden bei League of Legends und Demigod etwas besser an die Hand genommen, trotzdem ist es für Neulinge immer kniffelig, sich in DotA-Spiele einzufinden, vor allem wenn sie die Vorlage nicht kennen.

Technische Verbesserungen

Leaver, also Personen die eine Partie mittendrin verlassen, egal ob sie technische Probleme haben, rausgeekelt wurden oder keine Chance mehr sahen, waren und sind ein Graus für DotA-Spiele. Heroes of Newerth ermöglicht hier einen Reconnect, falls man durch einen technischen Fehler rausgeflogen ist. Durch ein integriertes und angeblich intelligentes Negativpunktesystem bekommen Personen für das vorsätzliche vorzeitige Verlassen von Partien sogar Minuspunkte verliehen und beim Erstellen eines eigenen Matches könnt ihr insofern belastete Spieler am Beitritt hindern. Außerdem gibt es zahllose weitere Features wie eine Lobby mit unzähligen Filtermöglichkeiten, eine Freundes- und Bannliste, eine permanente Statistik sowie ein spezielles Punktesystem. So bekommt jeder Spieler einen PSR-Wert (Player Skill Rating) nach seinen Leistungen verliehen und darauf funktioniert u.a. das automatische Matchmaking, jedoch sind die zusammen gewürfelten Konstellationen oft nicht ideal oder die Wartezeit lässt zu wünschen übrig.

Fazit

Heroes of Newerth ist DotA-pur für DotA-Kenner. Es ist vollkommen auf Multiplayer-Wettkämpfe ausgelegt und bietet mit zig Liga-, Mehrspieler- und Community-Funktionen einen großen Spielplatz für eSport-Fans. Doch der Weg zu erfolgreichen Team-Gefechten ist lang und steinig - vor allem, wenn man mit dem Spielprinzip nicht vertraut ist. Der Einstieg ist auch angesichts der sehr wettbewerbsorientierten Community kein Zuckerschlecken. Genauer gesagt: Dagegen sind die einschlägigen 4P-Forum-Trolle/Flamer/Plattformjünger ein Haufen toleranter und weichgespülter Vorwärtseinparker. Das Tutorial ist ein Tropfen auf dem heißen Stein und ein Singleplayer-Modus mit Bots zum Üben fehlt. Wenn man sich durchbeißt, entwickelt das Spiel dank seiner Komplexität und ausgesprochen guten Balance durchaus seine Reize. Das Genre wird hier jedoch nicht bereichert - in dieser Beziehung waren Demigod und League of Legends mutiger. Von Kartenvielfalt oder Abwechslung kann ebenfalls nicht die Rede sein. Die Schlachten sind hier zwar taktisch fordernder und rasanter, dafür ist der Einstieg die Hölle, die Kulisse insgesamt zu schwachbrüstig und das "Denying" gefällt mir gar nicht.

Pro

anspruchsvolle Teamschlachten
sehr viele Helden und Fertigkeiten
hohes eSport/Wettkampf-Potenzial
ausgesprochen gute Balance
durchdachtes Ingame-Interface
viele Statistiken und Einstellungsmöglichkeiten
Reconnect-Funktion und Schutz vor Leavern
Sprecher (Announcer)
hübsche Animationen; passender Comic-Stil
Replay-Funktion

Kontra

sehr schwerer Einstieg
fragwürdiges "Denying"
nur drei Karten, von denen im Prinzip nur eine gespielt wird
kaum Weiterentwicklung des Spielprinzips
keine KI-Maps (z.B. Training), keine Bots
unvollständig und schlecht übersetzte deutsche Version
schwache Texturen und wenig Polygone

Wertung

PC

Stagnierende eSport-Schlachten für hartgesottene DotA-Kenner mit großer Helden-Vielfalt, besserer Multiplayer-Technik und einer Community zum Abgewöhnen...

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