Crazy Factory14.11.2001, Bodo Naser
Crazy Factory

Im Test:

Im fernen Nippon bietet der Sanitär-Fachhandel - ganz im Gegensatz zu eher spartanisch anmutenden, mitteleuropäischen Kloschüsseln - ausgefeilte High-End-WCs mit plüschbesetzter Brille, eingebautem Kleinst-Fernseher und automatischer Waschfunktion an. Die Japaner legen dabei nämlich größten Wert auf Komfort und Technik. Wer von Euch immer schon mal mit solchen Toiletten handeln wollte, der ist bei der neuen Wirtschaft-Simulation aus dem Hause Ubi Soft richtig. Wie Ihr es anstellen müsst, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden, und ob das Spiel überhaupt etwas taugt, das erfahrt Ihr in unserer Review.

Erfolgsgeschichte

Das Spiel beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die Karriere so manches Selfmade-Millionärs begonnen hat. Nach dem Studium bleibt Euch aufgrund der Akademiker-Schwemme nur eines übrig: Selbst ein Unternehmen zu gründen und auf diese Weise zu versuchen, Eure Brötchen zu verdienen. Doch Eure Fabrik ist eigentlich reif für die Abriss-Birne. Das Personal ist noch unfähiger, als Ihr selbst es seid. Und die Wasser-Klosetts, die Ihr herstellt, besitzen noch die Technologiestufe von Großmutters Bettpfanne. Aber egal, denn mit dem richtigen Marketing lässt sich ja bekanntlich selbst der Inhalt von Toiletten an den Mann bringen! Ein paar neue Werkbänke und eine Forscherin für das Labor und schon sind aus einfachen Klos wahre Renner geworden. Der ersten Million steht nun nichts mehr im Wege.

Paradies für Arbeiter

Im Hauptmenü gibt es die Wahl zwischen den verschiedenen Spiel-Modi, Kampagne oder freier Modus. Bei letzterem dürft Ihr Eure KI-Gegner frei bestimmen. Als kurze Einführung dient Euch ein ziemlich fades Tutorial. Der Start der Wirtschafts-Simulation Crazy Factory (ab 2,95€ bei kaufen) ist auch ansonsten kein Zuckerschlecken. Die Gebäude Eurer Firma gleichen eher einer Waffen-Fabrik nach einem feindlichen Bombenangriff, denn einem Musterbetrieb. An eine Sanierung ist aber vorerst nicht zu denken. Es gibt Wichtigeres: Das Herzstück Eurer Firma, die Fabrikation, muss zuerst auf Vordermann gebracht werden. Die Produktion Eurer WCs geschieht in Komponenten. Für jede Komponente (beim Klo: Sitz, Spülung und Zubehör) müsst Ihr daher eine eigene Maschine erwerben und einen - mehr oder minder - fähigen Arbeiter einstellen. Zu Beginn könnt Ihr Euch aber gerade mal einen Maschinenpark aus vorsowjetischer Zeit leisten. Die Überwachung der Arbeiter übernimmt ein Capo, der seinen eigenen Kontroll-Stand braucht. Neben den Klos könnt Ihr wahlweise auch hochwertige Rollschuhe oder Haushalts-Roboter fertigen, was zugleich den Schwierigkeitsgrad des Spiels bestimmt.

High-Tech-Klosetts

Nun könnte die Fabrikation eigentlich starten. Jedoch müsst Ihr erst noch die Komponenten entwickeln, um sie herstellen zu können. Dies übernimmt Eure Forschungs-Abteilung. Also müsst Ihr ein Labor einrichten und eine kompetente Forscherin einstellen. Diese entwickelt neue Teile für Euch, die dann in Richtung mehr Komfort oder bessere Technik weiter entwickelt werden können. Für die Neu-Entwicklungen könnt Ihr Patente erwerben, die Euch erstes Geld einbringen. Doch Vorsicht: Sobald Eure Konkurrenten die Erfindung ebenfalls machen, fällt das Patent.

Werbung mit Zeppelin

Habt Ihr Eure Produktion endlich angefahren - Ihr müsst dafür auf einen winzigen Schraubenschlüssel klicken - müsst Ihr die Toiletten auch Gewinn bringend verkaufen. Dafür stellt Ihr am besten einen professionellen Verkäufer ein. Dieser verhandelt nun auf Wunsch mit dem Zwischen-Händler, um die Ware für den End-Kunden billiger zu machen, was schließlich Euren Gewinn mehrt. Wer nun sein Produkt richtig präsentieren möchte, der sollte eine Werbe-Leiterin einstellen. Diese optimiert dann Eure Werbe-Aktivitäten. Sogar eine Werbung per Zeppelin oder - besonders gut zu sehen - auf dem Mond wird so möglich. Um auch finanziell auf der richtigen Seite zu sein, solltet Ihr später auch eine Buchhalterin einstellen. Diese hilft euch, Steuern zu sparen und sucht neue Geldgeber, wenn Euer Geld einmal knapp werden sollte.

Personalführung gefragt

Extrem wichtig bei Crazy Factory ist die richtige Verwaltung Eurer Arbeitskräfte. Dafür müsst Ihr zunächst eine Personal-Chefin einstellen. Nun dürft Ihr Eure Angestellten auf Weiterbildungs- oder Motivations-Seminare schicken. So könnt Ihr Kompetenz, Effizienz und Motivation steigern - sozusagen den "Dreiklang der Personalführung" im Spiel. Auch einzelne Abteilungen lassen sich gezielt motivieren. Als Headhunter fungiert die Personal-Chefin ebenfalls, denn sie erleichtert die Abwerbung fremder Arbeiter. Zusätzlich lässt sich die Motivation durch Maßnahmen in den Abteilungen steigern: Die richtige Lüftung in der Werk-Halle oder ein paar Schutzanzüge für das Labor wirken da wahre Wunder. Eine Erhöhung des Lohns tut es natürlich auch.

Sicherheits-Fragen

Im hart umkämpften Wettbewerb des Klo-Marktes kann es natürlich vorkommen, dass ein Konkurrent zu unfairen Mitteln ergreift, um Euch Schaden zuzufügen. Werks-Spionage und Sabotage sind bei Crazy Factory leider an der Tagesordnung. Daher ist die Sicherheit in Eurem Betrieb sehr wichtig. Ein gut ausgebildeter Wachmann und die geeigneten Sicherheits-Einrichtung (z.B. Überwachungs-Kameras) sollten Abhilfe schaffen. Sabotierte Maschinen reparieren die Arbeiter selbst - leider nur nachdem Ihr sie dazu angewiesen habt. Das Wieder-Anfahren Eurer Produktion jedes Mal nach einer Sabotage ist auch viel zu umständlich. Man fragt sich, warum das nicht automatisch geschehen kann. Sollte es aber zum Datenklau gekommen sein, dann wird Euer Staranwalt tätig: Dieser verklagt Spione auf Schadensersatz, was Geld in Eure Kassen spült. Auch um Eure Konkurrenten anzuschwärzen (z.B. bei Steuer-Behörden) ist der Rechtsverdreher bestens geeignet.

Konkurrenz ausschalten

Das Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, gilt auch bei Crazy Factory. Denn wenn Ihr sabotiert oder ausspioniert werdet, so solltet Ihr Eurem eigenen Spion Geld geben, um Eure Gegner ebenfalls zu schädigen. "Alle Räder stehen nämlich still, wenn sein sabotierender Arm es will!" Hierzu müsst Ihr aber durch Eure Buchhalterin einen Schmiergeldfonds anlegen lassen. Wer will schon legale Mittel für so etwas aufwenden!? Schließlich könnt Ihr sogar die Mafia anheuern, die dann die Mitarbeiter des Gegners einschüchtert. Eine derart verunsicherte Belegschaft arbeitet natürlich nicht mehr optimal.

Hektische Betriebsamkeit

Wer ein angegriffenes Nervenkostüm besitzt, sollte um Crazy Factory besser einen großen Bogen machen. Das Spiel ist nichts für Erholungs-Suchende. Es bietet vielmehr Hektik pur. Hinter der lustigen Comic-Fassade steckt nämlich eine ziemlich anspruchsvolle Wirtschafts-Simulation, die keine Management-Fehler verzeiht. Schnell seid Ihr Bankrott gegangen. Die umständliche Steuerung tut ein Übriges dazu. Und das unübersichtliche Interface mit seinen vielen Statistiken und Aufstellungen fördert auch nicht gerade den Überblick. So sind virtuelle Magengeschwüre eigentlich vorprogrammiert.

Comic-Stil

Die bunte, comichafte Grafik des Spiels ist sicher nicht jedermanns Sache. Zu schrill erscheint sie im Vergleich zum eher trockenen Inhalt. Eindeutig gelungen sind aber die humorvollen, animierten Filmchen, die nach jeder Mission laufen. Über den Sound des Spiels sollte man besser den Mantel des Schweigens hüllen. Nur soviel dazu: Die Musik nervt schnell und die Geräusche sind laut und furchtbar schrill. Nur der lustige Song über Startup-Unternehmen zu Beginn kann da wirklich erheitern.

Multiplayer

Unter "Online-Spiel" könnt Ihr im Hauptmenü des Spiels auch eine Mehrspieler-Partie ausgewählen. Per LAN oder über Internet dürft Ihr gegen bis zu acht menschliche Gegner antreten, die dann hoffentlich für mehr Abwechslung im Spielverlauf sorgen als die KI. Die Starbedingungen können dabei frei verändert werden.

Pro:

  • teils witzige Einfälle
  • Grafik im Comic-Stil
  • humorvolle Zwischensequenzen
  • lustiger Auftakt-Song
  • Contra:

  • trockener Inhalt
  • hektischer Spiel-Ablauf
  • umständliche Steuerung
  • unübersichtliches Interface
  • keine dynamische Kampagne
  • nervige Musik
  • schrille Geräusche
  • Vergleichbar mit:

    Startopia, Start-Up-Manager, Software-Tycoon

    Fazit

    Crazy Factory sieht vielleicht auf den ersten Blick witzig aus. Das Spiel ist aber bei näherem Hinsehen eine hektische Wirtschafts-Simulation mit eher trockenem Spiel-Inhalt. Die umständliche Bedienung scheint dabei gewollt vom französischen Entwickler-Team Monte Cristo. Auf diese Weise soll Betriebsamkeit simuliert werden: Ihr sollt Euch wohl darüber aufregen, dass Ihr beispielweise schon wieder vergessen habt, das eben sabotierte Kontroll-Pult reparieren zu lassen. So könnt Ihr die Produktion freilich nicht anfahren, was Euch massive Verluste bringt. Das ist laut Entwickler eben alles mit einem Augenzwinkern zu sehen. Hach, wie lustig - da haben wir schon besser gelacht!

    Wertung

    PC

    0
    Kommentare

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