City of Heroes: Freedom18.02.2005, Marcel Kleffmann
City of Heroes: Freedom

Im Test:

Egal wohin man blickt: Burgen, Schwerter, Zwerge, Elfen und Ritter. Im Dickicht der Online-Rollenspiele gibt es genug klassische Fantasy-Welten - prominenteste Vertreter sind EverQuest 2 und World of WarCraft. Aber es gibt zum Glück auch ein Spiel in einem anderen Szenario, mit Superhelden in guter alter Comic-Tradition: City of Heroes!

Wir sind Helden

Ein blauer Klotz gleitet durch die Straßen, quietschbunte Strumpfhosenträger jagen Gangster und unglaublich rote Leute mit wehenden Capes laufen die Straßen entlang - nein, falsch geraten, es ist zum Glück weder Karneval noch Christopher Street Day. Aber es kommt noch bizarrer, denn ein gelber Blitz flitzt durch die Häuserschluchten von Paragon City. Ist das ein Vogel? Nein! Ist es ein Flugzeug? Nein! Was ist es denn? Es ist "Der Hesse"! Wer jetzt denkt, Hessen können doch gar nicht fliegen, liegt eigentlich richtig, aber nun ja, "Der Hesse" ist ein mächtiger Superheld, der finstere Gestalten verprügelt und für Recht und Ordnung in City of Heroes sorgt - wie Hunderte andere Helden auch.

Eure Superheldenkarriere startet ihr in der fiktiven Stadt Paragon City. Dort lauern an fast jeder Straßenecke Verbrecher, die den hilflosen Bürgern an den Kragen wollen. Neben Taschendieben, Drogendealern, fiesen Robotern, seltsamen Aliens, mutierten Zombies und Schlägertrupps gibt`s auch

Darf ich vorstellen: Der Hesse!
viele kriminelle Superhirne mit ultimativen Welteroberungsplänen. Aber bevor ihr euch ins schurkische Getümmel wagt, müsst ihr einen Helden erschaffen - und hier gibt es sehr viel Spielraum; vor allem optisch. Zunächst steht aber die Wahl einer Charakterklasse auf der To-do-Liste:

To-do-Liste Punkt #1: Archetyp auswählen

Zerstörer (Blaster): Dieser offensive Kämpfer kann im Nah- oder Fernkampf viel Schaden anrichten. Aber diese enorme Angriffsstärke hat ihren Preis, denn ein Zerstörer ist ziemlich verwundbar und hat, im Vergleich zu den anderen Klassen, nur verhältnismäßig wenig Hitpoints. Vergleichbare Comic-Helden: Spiderman, Cyclops, Pyro, Icemen, Catwoman.

Beherrscher (Controller): Ein Beherrscher ist schwach im Offensivangriff und seine Lebensenergie ist beschränkt. Allerdings kann ein Controller äußerst mächtige Fähigkeiten in Bezug auf die Gegner-Kontrolle und das Verhalten erlernen und Feinde somit aus dem Hintergrund schwächen. In einer Gruppe entfaltet der Beherrscher somit ein großes Potential, solange er oder sie von anderen "beschützt" wird. Vergleichbare Comic-Helden: Professor Charles Xavier, Magneto, Jean Grey.

Beim Aussehen könnt ihr eurer Phantasie freien Lauf lassen.
Beschützer (Defender): Beschützer sind eine durchschnittlich schlagkräftige Supporter-Klasse, deren Stärke erst in Teams offensichtlich wird, da sie andere Gruppen-Mitglieder heilen können. Des Weiteren können sie die Fähigkeiten ihrer Kollegen erhöhen (Buffen), während sie die Gegner schwächen (Debuffen).

Nahkämpfer (Scrapper): Ein Scrapper setzt komplett auf Nahkampf. Sie verfügen über eine gute Mischung aus Angriff und Verteidigung, haben allerdings keine Fernkampf-Attacken im Repertoire. Mit einem Nahkämpfer kann man gut in das Spiel einsteigen, obwohl sich im Nachhinein der Ausbau des Charakters als wenig flexibel entpuppt. Vergleichbare Comic-Helden: Hulk, Wolverine.

Brecher (Tanker): Solch ein Charakter sollte immer in der ersten Reihe des Kampfes stehen, denn ein Brecher kann verdammt viele Treffer einstecken, bevor er oder sie besiegt wird. Ein Tanker kann nicht nur viel Einstecken, sondern auch ordentlich austeilen. Hinter dem Scrapper ist der Brecher der stärkste Nahkämpfer. Vergleichbare Comic-Helden: Hellboy, Colossus.

     

To-do-Liste Punkt #2: Fähigkeiten-Training

Habt ihr euch für eine Klasse entschieden, müsst ihr nur noch eure Abstammung festlegen. Also definieren, wo genau eure Superkräfte herkommen - Mutation? Evolution? Magie? Oder Technik? Diese Wahl beeinflusst, welches Quest ihr von welcher Person bekommt. Anschließend wählt ihr eure individuellen Kräfte-Sets: Jedes dieser Sets beinhaltet eine Vielzahl an ausbaufähigen Fertigkeiten für

Im Atlas Park lernt ihr die Geschichte von Paragon City kennen
den angehenden Superhelden. So könnt ihr mit dem Zerstörer die Bedienung eines Multifunktionsgewehres erlernen oder bei den anderen Charakteren den Kampf mit Elementarzaubern (Feuer, Eis, etc.) veredeln oder euch auf Schläge und Tritte spezialisieren. Ansehnliche Aktionen wie "Flammenschild", "Eisschuss" oder "mit brennenden Fäusten zuschlagen" gehören sowieso dazu.

Diese Fähigkeiten könnt ihr bei Level-Ups erweitern und somit den Helden schrittweise verbessern, bis ihr u.a. durch die Stadt schweben oder gar fliegen könnt. Dieser Ausbau ist -wie bei vielen anderen MMORPGs- der größte Motivationsfaktor. Man ertappt sich immer wieder, dass man noch eine Aufgabe lösen will, um eine weitere Fähigkeit zu ergattern, die dann selbstverständlich wieder in Aktion getestet werden muss.

To-do-Liste Punkt #3: Verbessern

Sehr gelungen ist das Verbesserungssystem. In den Kämpfen sammelt ihr so genannte "Verbesserungen", die ihr in eure Fähigkeiten einbetten könnt - ähnlich dem Sockel-System aus Diablo 2. Ihr könnt z.B. eine "Schaden +5-Verbesserung" in das "Flammenschwert" investieren und schon ist der nächste Schlag bedeutend kräftiger. Einmal eingebaut, sind diese Updates sogar wieder entfernbar. Bei manchen Level-Ups könnt ihr außerdem die Slot-Anzahl der Skills erhöhen und so mehr Verbesserungen einbauen. Schritt für Schritt entwickelt ihr also eure eigenen Lieblingsaktionen -  und es gibt verdammt viele Upgrade-Möglichkeiten (Schaden, Geschwindigkeit, Ausdauer-Reduktion, besseres Heilen, Verwirrung, etc.).

Überall in der Stadt lauern Gangster und terrorisieren die friedliebenden Bewohner.
To-do-Liste Punkt #4: Auffälliges Outfit besorgen

Sind die Superkräfte starklar, geht`s an die visuelle Gestaltung der Figur. Und hier gibt es unzählige Outfits und Kleidungsdetails, die jedes andere Online-Rollenspiel in den Schatten stellen: Wollt ihr als "schneidiger roter Rächer", "Leder-Domina mit hohen Stiefeln" oder "fetter gelber Klotz" durch die Welt laufen - alles steht euch offen, in den knalligsten Farben und Outfits. Hier könnt ihr eurer Kreativität freien Lauf lassen, besonders wenn ihr ab Level 20 ein Cape bekommt. Der Umfang der Helden-Erstellung entspricht in etwa dem bei EverQuest 2 und schlägt World of Warcraft um Längen.

Ist der Superhelden-Ausweis ausgestellt, werdet ihr in ein nettes Tutorial entlassen. Danach müsst ihr euch im Rathaus registrieren und prompt geht der Kampf gegen die Verbrecher in der gigantischen, aber ziemlich grauen Stadt los: Paragon City ist in 16 thematische Abschnitte unterteilt, die mit zwei praktischen Schwebebahnen verbunden sind. Frei zugänglich sind zu Beginn nicht alle Bereiche, da euch die nötige Sicherheitsstufe fehlt. Anstatt eines "Charakter-Levels" wird hier der Begriff "Sicherheitsstufe" verwendet.

  

To-do-Liste Punkt #5: Sicherheitsstufe erhöhen

Eine neue Sicherheitsstufe erreicht ihr, wenn der Held an Erfahrung gewinnt und dies erfordert logischerweise glorreiche Taten. Entweder könnt ihr frei in der Stadt herumlaufen und Kriminelle zur Rechenschaft ziehen oder ihr besorgt euch Quests von NPCs. Meist verteilen die Auftraggeber sogar

Mit dem Feuer-Elementarkräften setzen wir den Feinden zu.
mehrere Missionen hintereinander - es kann sogar soweit kommen, dass ihr per Handy die Aufträge erhaltet. Sind alle Aufgaben bei einer Person erledigt, steigt euer Bekanntheitsgrad und ihr werdet weiterempfohlen. Je mehr ihr als Superheld aktiv seid, desto größer wird euer "Einfluss" und für diesen könnt ihr euch bei "Händlern" mit Inspirationen eindecken - im Vergleich zu anderen MMORPGs entpuppt sich der Einfluss als Zahlungsmittel (für Verbesserungen) und die Inspirationen sind so etwas wie magische Tränke.

To-do-Liste Punkt #6: Welt retten

Schade ist allerdings, dass sämtliche Quests fast immer nach Schema F ablaufen: Erledige X-Gegner der Klasse Y, beseitige Z-Feinde der Klasse A, etc. Nur selten kommt etwas Abwechslung durch Bombenräumungen oder Ähnliches ins System. Dafür überzeugt hingegen das actionorientierte Kampfsystem: Die Fights laufen enorm flott ab und setzen eine hohe Interaktivität des Spielers voraus, denn in den Duellen müsst ihr immer wieder entscheiden, welche Helden-Kraft zum Einsatz kommt. Soll jetzt erst das Flammenschild aktiviert werden, der Schlag mit Eis-Power oder das Multifunktionsgewehr?

Genre-typisch könnt ihr euch zwar alleine durch die Welt schlagen, aber im Team läuft die Feindjagd wesentlich schneller und effektiver. Kein Wunder, da sich die einzelnen Klassen ja prima ergänzen. Ab Sicherheitsstufe 10 könnt ihr euch zu "Supergruppen" (vergleichbar mit Gilden) zusammenschließen. Sehr gut gelungen sind außerdem die Instanz-Einsätze (Dungeons), die individuell auf euren Charakter bzw. eure Gruppe zugeschnitten werden.

Die Tram-Bahn verbindet die Stadtteile.
PvP-Kämpfe sind in City of Heroes derzeit nicht möglich, aber das Feature-Update "Colosseum" wird erstmals Spieler gegen Spieler-Duelle inszenieren. Ausgebaut wird dieses System mit dem kommenden Add-On City of Villains.

Grau in Grau

Die Helden bringen ein wahres Farbenmeer in die Stadt, denn so ziemlich alle Landstriche in der City of Heroes sind in Grau und artverwandten Farben gehalten. Zwischendurch lockern grasgrüne Parks die Optik auf, aber weitere Lichtblicke sind selten. Außerdem kommt manchmal das Gefühl auf, an ein und der gleichen Straßenecke schon mal gewesen zu sein. Trotzdem leidet das Spiel, selbst auf der höchsten Detailstufe, an einer gewissen Armut an Polygonen - was wiederum den Hardwareanforderungen zu Gute kommt, die ganz deutlich unter denen von EverQuest 2 liegen. Besser als die Grafik ist der Sound, der mit seltener dynamischer Musik, dafür aber passenden Effekten überzeugt. Sprachausgabe gibt es leider gar nicht, dafür aber stilvolle Comic-Sprechblasen.

  

Fazit

Schnauze voll von mittelalterlichen Fantasy-Welten? Dann ab nach Paragon City! Hinter der grauen Fassade von City of Heroes verbirgt sich ein auf Action getrimmtes Online-Rollenspiel mit einmaligem Superhelden-Szenario. Schon mit der Erstellung des eigenen Helden beginnt die Faszination, denn man hat viel mehr Freiheiten bei der Gestaltung als z.B. bei World of WarCraft. Danach beginnt die motivierende Jagd nach Erfahrung, neuen Fähigkeiten, Einfluss und Ruhm. Hier fällt vor allem das auf Verbesserungen getrimmte und zugleich sehr flexible Skill-System positiv auf. Und die SChurken legen ein durchaus beeindruckendes Spektrum an Variationen an den Tag. PvP und spielbare Bösewichte gibt es zwar noch nicht, aber bis dahin können sich sowohl Solo-, als auch Gruppen-Abenteurer in der Stadt austoben und gute Taten vollbringen. Anzukreiden bleibt neben der fehlenden Sprachausgabe allerdings das sehr simple Questsystem - hier bieten World of WarCraft und Everquest II mehr. Unterm Strich ist City of Heroes jedoch eine lohnende Alternative!

Pro

cooles Superhelden-Szenario
lebendige, große Spielwelt
böse Buben ohne Ende
aufeinander abgestimmte Charakter-Klassen
viele abwechslungsreiche Fähigkeiten
tolles Skill-System mit den Verbesserungen
Charaktere können fliegen
schnelles, action-orientiertes Kampfsystem
auch solo gut spielbar
leichte Bedienung
große Gestaltungsmöglichkeiten des Helden
spektakuläre Spezial-Effekte
deutscher Support, gute Bildschirmtexte

Kontra

RPG-Elemente vergleichsweise schwach ausgeprägt
zu wenig Quests für die Helden
Schwierigkeitsgrad im Quest-System schwankt stark
Aufgaben laufen immer nach gleichem Schema ab
keine Sprachausgabe
Grau-in-Grau-Stadtgrafik

Wertung

PC

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