Abschlepp-Simulator11.12.2009, Mourad Zarrouk
Abschlepp-Simulator

Im Test:

Nvidia hat mit Ati zu kämpfen, Coca Cola mit Pepsi und McDonalds mit Burger King. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft und da verwundert es nicht, dass neben Astragon ein zweiter Simulations-Anbieter ein Stück vom Kuchen abbekommen möchte. Publisher UIG aus München veröffentlicht in schöner Regelmäßigkeit fast zeitgleich Pendants zu den Spielen der Gladbacher. Diesmal gibt’s zwei Abschlepper - wer gewinnt?

Anleitung? Nur was für Weicheier!

Astragons  Abschleppwagen-Simulator 2010 konnte letzte Woche nicht überzeugen. Der Druckfehler  "Abscheppwagen-Simulator 2010" auf der Seite der Verpackung setzte dem schlechten Spiel noch die unrühmliche Krone auf. Dementsprechend gespannt war ich, als mich die optische "Kopie" der Münchner erreichte. Auch die Verpackung des "Abschlepp Simulators" ziert ein knallgelber Abschleppwagen, nur handelt es sich um ein Originalfoto eines MAN TGM. Sollte trotz (noch) günstigerem Preis etwa eine Originallizenz mit an Bord sein? Zumindest wurde der Titel schon mal richtig geschrieben, also 1:0 für UIG.

Gestatten: Die wohl minimalistischste "Anleitung" der neueren Videospielgeschichte.
Nach dem Öffnen der Packung macht sich aber schon Ernüchterung breit: Offensichtlich sparen die Münchner eben auch an Buchstaben, nur eben nicht auf der Verpackung, sonder darin. War bei Astragons Simulator zumindest ein kleines Inlay-Blatt mit den nötigsten Infos zur Installation vorhanden (die Anleitung muss als PDF-Dokument ausgedruckt werden), so fehlt selbst das. Nur die bloße CD klemmt in der DVD-Hülle. Auch von einem PDF oder anderen Dokumentationen ist sowohl vor als auch nach der Installation nichts zu sehen. Sollte man etwa die Anleitung vergessen haben? Das wäre selbst in diesem Segment neu! Nach der Installation lande ich auf einem spartanischen Startbildschirm, wo ich  die Auflösung, den Detailgrad sowie Soundoptionen anpassen darf. Da auch dieses Spiel, wie die meisten dieses Typs, nicht besonders hardwarehungrig ist, möchte ich gerne die maximale Auflösung (1600x1200) bei 16:9 fahren, doch was ist das? Nachdem ich die Änderung der Auflösung bestätigt habe, wechselt der Bildschirm zu einer grauen Nebelwand und friert ein. Ärgerlich! Nach Neustart und zweitem Versuch dasselbe Resultat. Folglich "entscheide" ich mich notgedrungen für die nächst höhere Auflösung und wähle aus den drei Spielmodi zunächst "Freies Spiel".

Tutorial? Wer braucht denn so was?

Unterwegs zum "Kunden". Das Navi unten rechts hat übrigens keinerlei Funktion, die Mini-Map oben links dafür schon.
Casual oder Alltagssimulationsspieler müssen schon harte Hunde sein, zumindest in den Augen der Entwickler. Auch bei dieser Abschlepp-Sim glänzt das Tutorial  nämlich durch Abwesenheit. Begrüßt werde ich auf dem Parkplatz des Fuhrparks lediglich mit dem Hinweis "F1 für Hilfe" drücken zu können. Gesagt getan und da ist sie: Die vielleicht kürzeste Spielanleitung der neueren Videospielgeschichte - ein Screenshot mit den verfügbaren Tastaturbefehlen! An so etwas  kann ich mich, wenn überhaupt, dann nur aus seligen C-64 Zeiten erinnern. Nun gut, zunächst entnehme ich der "Anleitung" wie ich in die Cockpitsicht wechseln kann, denn damit steuert es sich im Allgemeinen  realistischer- und darum geht es ja schließlich in einer Simulation. Nachdem mir in Ermangelung einer Sprachausgabe erneut per Texteinblendung mitgeteilt wurde, dass es sich bei den roten Punkten um Falschparker handelt, die es abzuschleppen gilt, fahre ich den ersten "Tatort" an.

Auf dem Weg dorthin touchiere ich ein Stopp-Schild, was mit einem Geräusch und einem Geldabzug von 35 Euro geahndet wird.  Endlich mal Sanktionen, das ist doch mal was! Bei meinem ersten "Kunden" angekommen, möchte ich mich an die Arbeit machen, doch mir wird kurzerhand mitgeteilt, das Auto sei zu schwer für mein Fahrzeug...aha?! Ergo: Es muss wohl auch die Möglichkeit geben, schwere LKW zu steuern? Abwarten. Zunächst gilt es ein geeignetes Opfer zu finden und dank der Tatsache, dass in der fiktiven Stadt offensichtlich mehr Autos falsch als korrekt parken, gelingt mir das recht schnell. Endlich darf ich mich ans Abschleppen wagen.        __NEWCOL__

Nachdem ich begriffen habe, dass der Kran erst mit der Eingabe -Taste aktiviert werden muss, geht es zu Werke. Ähnlich wie bei der Konkurrenz muss der Kranausleger per Befehl ausgefahren, in der Länge und Höhe sowie im Winkel angepasst werden, bis er genau über dem Dach des PKW liegt. Ein Druck auf die Eingabe-Taste vertäut das Vehikel wie von Geisterhand am Kran und es gilt Kommando rückwärts auf die Laderampe, wo das Auto ebenfalls gesichert wird. Aber Vorsicht: Beim Abschlepp-Simulator (ab 6,97€ bei kaufen) muss auch daran gedacht werden, die hydraulischen Standbeine rechts und links am LKW auszufahren, sonst kippt die Kiste um. Dann geht's zurück zum Betriebshof, wo der Falschparker auf bestimmten zugewiesenen Parkplätzen sauber abgestellt werden soll.

Ran an den Haken und rauf auf die Rampe. Der blaue "Pseudo-Mazda" ist aus dem Verkehr gezogen.
Immerhin: Beim Mitbewerber müssen die Autos nur irgendwo auf den Hof "geklatscht" werden. Anschließend werden die etwaigen Abzüge aufgrund von Kollisionen oder Schrammen mit den Einnahmen verrechnet und weiter geht's. Übrigens: Bei einem Umkipper oder schweren Frontal- oder auch Auffahrunfällen ist das Spiel zu Ende! Hart, aber immerhin konsequent. Später habe ich dann noch begriffen wie man vom leichten zum schweren LKW wechselt, nämlich einfach per Druck auf die Eingabe-Taste im Carport des Betriebsgeländes. Ein Blick auf die Homepage des Entwicklers klärte mich darüber auf, was es mit den anderen zwei "Spielmodi" auf sich hat. Bei "Spiel auf Zeit" müssen innerhalb einer halben Stunde einfach so viele PKW wie möglich abgeschleppt werden, die Rückfahrt zum Betriebshof entfällt dabei, denn die Autos werden kurzerhand von der Laderampe "gebeamt", sobald sie dort gesichert wurden. Danach winkt ein Eintrag in der Highscore-Liste, Hurra! Beim Modus "Reiniger" variiert schlichtweg die Menge an Falschparkern von "Level" zu "Level", man muss schlimmstenfalls eine Zeit lang nach Kunden suchen.

Wer ist der Abschlepp-"König"?

Katastrophen-Physik-Walzer: Nichts gestellt und nichts hinzugefügt...der LKW zieht sich selbst den Hintern hoch!
Und? Wer macht nun das Rennen? Ein "Wirtschaftsteil" wird bei den Münchnern nichteinmal vorgegaukelt und das Anschließen eines Lenkrades bringt ebenso wenig wie ein Pad. Menschen oder andere Lebewesen (außer Bitmap - Pappbäume) sucht ihr hier genau so vergeblich wie bei Astragons "Simulation". Tag/Nachtwechsel, Wetter- oder Schadensmodell? Ebenfalls alles Fehlanzeige. Dafür gibt's auch hier schöne Physikaussetzer zu bemängeln. Da zieht der Kranausleger Fahrzeuge oder den eigenen LKW (!) schon mal an, als wäre er magnetisch, was dann ärgerlicherweise zu unverschuldetem Kontakt und Geldabzug führt. Und im Gegensatz zur "Sim" der Mönchengladbacher gibts hier gleich gar keine Seilwinde - auch nicht später im Spielverlauf. Trotzdem: Dieser Abschlepper "fühlt" sich irgendwie etwas echter an, der Abschleppvorgang an sich ist etwas glaubwürdiger inszeniert, nur darauf alleine kommt es allerdings nicht an. Die zwei (übrigens auch hier nicht lizenzierten LKW) steuern sich gleich träge und haben einen gefühlt kilometerlangen Bremsweg, was unrealistisch ist und häufig zu Unfällen führt, die normalerweise vermeidbar gewesen wären. Die Grafik ist, wie beim Mitbewerber, auf dem Stand der neunziger, nur beim Sound kann man wieder etwas punkten - da war weniger aber auch kaum mehr möglich.  Eine echte Kampagne oder gar eine Identifikation mit seinem Alter Ego ist bei beiden nicht an Bord. Es bleibt ein Kampf Not gegen Elend, der keinen "Sieger" verdient hat und nur Verlierer kennt: Die bedauernswerten Käufer! 

     

Fazit

Pest oder Cholera? Reine Geschmacksache. UIGs Abschlepper macht da ein bisschen weniger falsch, wo Astragons Sim vollkommen versagt (Sound, keinerlei Sanktionen bei Unfällen oder unsauberem Abschleppen) und umgekehrt (Astragon: etwas "sportlicheres" Fahrmodell, Seilwinde, Händler). Das Ganze bleibt bei beiden auf erschreckend niedrigem Niveau. In der Politik nennt man so etwas seit Schröder sowohl inhaltlich als auch technisch eine  "Kakophonie der Unzulänglichkeiten". Ich war zunächst in Versuchung UIGs Machwerk das eine Prozentchen mehr zuzugestehen. Doch als ich dann feststellen musste, wie sich mein LKW mit dem eigenen Kran rücklings nach oben hievte um quasi wie die Titanic mit dem Hintern nach oben auf Tauchstation zu gehen, musste ich das ganz klar revidieren. So was wäre ja lustig, wenn es nicht so traurig wäre, denn auch die "Simulation" der Münchner ist keine Freeware, sondern schlägt mit echten 15 Euros zu Buche. Ein Paradebeispiel dafür, dass Konkurrenz zwar das Geschäft beleben mag, die Spiele dadurch aber nicht zwangsläufig besser werden. Der gute Name "Simulation" wird jedenfalls auch hier mit Füßen getreten. In diesem Tsunami an Simulations-Simulanten geht bisher alles unter, was diesen Namen trägt. Hoffentlich geht es 2010 wieder qualitativ aufwärts, viel weiter abwärts ist kaum noch möglich.

Pro

keine hohen Systemanforderungen
"Cockpitansicht" möglich
Abschleppvorgang wird recht glaubwürdig inszeniert...
Karte innerhalb der Spielwelt
Sanktionen bei Kollisionen...

Kontra

- ständig wiederkehrender Spielablauf- kein Tutorial- ...wenn er nicht durch Physikmängel zur Lachnummer mutiert- kein Wirtschaftsteil- ...was aber zu sofortigem Spielabbruch führen kann- keine Verwendung von Pad/Joystick/Lenkrad möglich- sterile & unspektakuläre Kulisse- keine Sprachausgabe- keine Sanktionen bei Verkehrsdelikten- kein Schadensmodell- kein freies Speichern möglich- kein Wettermodell, weder dynamisch noch statisch- unrealistisch langer Bremsweg der LKW

Wertung

PC

Macht ein wenig besser als der Mitbewerber, aber auch vieles schlechter und spielt daher in derselben "Simulations"-Kreisklasse. Finger weg!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.