Monaco: What's Yours is Mine26.04.2013, Benjamin Schmädig
Monaco: What's Yours is Mine

Im Test:

Wieso finde ich keine Worte? Ich sitze vor einer weißen Seite, eine passende Einleitung fällt mir nicht ein. "Eingängige Musik des Journey-Komponisten" kam mir blitzschnell in den Sinn – danach stockten die Finger. Ich muss mich wohl damit abfinden: Das scheinbar so sympathische Monaco hat bei mir nur eine emotionslose Leere hinterlassen. Dabei wurde das Independent-Spiel vor zwei Jahren sogar ausgezeichnet!

Ausgezeichnet exzellent

"Excellence in Design" hieß der Preis, den Entwickler Andy Schatz auf dem Independent Games Festival vor drei Jahren einheimste. Sein Name ist übrigens Programm: Ist es etwa nicht interessant, dass ausgerechnet ein Mann namens "Schatz" ein quirliges Spiel um Einbruch und Diebstahl strickt? Genau das hat er jedenfalls getan, wenn ich einen Ganoven aus der Vogelperspektive durch Lagerhallen, teure Villen und angesagte Clubs führe.

Maulwurf und Gentleman

Mein Ziel ist mal das Beschaffen verschiedener Gegenstände, mal die Befreiung eines Berufskollegen und damit mir das gelingt, schleiche ich natürlich an etlichen Wachen, verschlossenen Türen oder Laserschranken vorbei. Verschiedene Stockwerke, Luftschächte – das Papier vereint wichtige Bausteine waschechter Stealth-Action. Dabei bewege ich stets einen von acht Einbrechern, die allesamt eine besondere Fähigkeit besitzen: Die Späherin deckt die Position sämtlicher Gegner auf, der Cleaner kann ohne Hilfsmittel Wachen betäuben, der Maulwurf gräbt sich durch Wände und der Gentleman kann sich verkleiden, um direkt vor der Nase einer Patrouille spazieren zu gehen.

Mit Verspätung auf Xbox 360

Monaco erscheint nicht nur für PC, sondern wird auch auf Xbox Live Arcade veröffentlicht. Der Termin wurde allerdings aufgrund eines Programmfehlers kurzfristig verschoben. Einen neuen Termin wird es geben, sobald die neue Version von Microsoft  zertifiziert wurde.

Richtungstasten oder Analogstick sind genug: Damit bewegt sich mein Gauner in alle Himmelsrichtungen und indem ich direkt davor einfach weiter in die entsprechende Richtung drücke, knackt er oder sie Schlösser, schaltet die Stromversorgung aus oder zwängt sich durch ein Fenster auf die andere Seite. Den einzigen Knopf drücke ich, wenn ich einen Gegenstand benutzen will – eine Rauchbombe etwa, ein Maschinengewehr oder Sprengstoff. Nur ein solches Hilfsmittel können die Monaco-Schurken tragen.

Der Clou?

Der Clou ist das Sichtfeld meines Gangsters. Denn im Grunde bewege ich mich über eine graue Karte, auf der weiße Striche Wände markieren und wichtige Räume wie auf einer Planskizze beschriftet sind. Farbig und mit allen Details sehe ich nur die Bereiche, die mein

Wie farbenfrohe Lichtkegel durchdringt das Sichtfeld die grauweiße Umgebung.
Wie farbenfrohe Lichtkegel durchdringt das Sichtfeld die grauweiße Umgebung.
Einbrecher sehen kann. Als wäre er eine bunte Taschenlampe "leuchtet" er beim Gehen seine Umgebung aus. Und nur, wenn sich eine Wache in diesem Sichtfeld befindet, kann sie ihn auch sehen. Ich weiß also immer, wann ich versteckt schleiche und wo ich entdeckt werden kann.

Moment! Sagte ich Clou? Grafisch mag das stimmen und auch spielerisch ist die Idee sinnvoll – die praktische Umsetzung artet allerdings regelmäßig in ein heilloses Kuddelmuddel aus, das mir den Überblick raubt. Das Problem sind die zwei übereinander liegenden Darstellungen, die sich ständig anders überlagern. Wirklich jedes Detail – Wände, Wachen, Türen, Leitern, Schalter, Beute, Schächte, Hunde – sieht auf der Planskizze anders aus als in "Wirklichkeit". Sobald ich mich bewege, muss ich also ständig im Auge behalten, wie sich das Bild in etlichen Sichtkegeln verändert – ein Musterbeispiel für "Form über Inhalt".

Chaos hoch vier

Der zweite Clou soll das gemeinsame Klauen online oder vor einem Bildschirm sein: Bis zu vier Mitstreiter dürfen gemeinsam losziehen. Nett! Wenn aber vier Verbrecher in einem Haus mit zwei Dutzend alarmierten Wachen panisch durch enge Gänge wetzen, artet das große Ding in eine gigantische Chaosveranstaltung aus – was für ein spielerischer Unsinn!

Zu allem Überfluss kompensiert Monaco eine schwache Verbindung so schlecht, dass man beim interkontinentalen Diebstahl häufig in eine Laserschranke läuft, obwohl man davor

In hektischen Situationen zeigt die schicke Darstellung allerdings nur noch chaotisches Durcheinander.
In hektischen Situationen zeigt die schicke Darstellung allerdings chaotisches Durcheinander.
stehen blieb. Manches Ereignis wird auch so spät übertragen, dass man z.B. auf einen Schuss gar nicht reagieren kann. Gerade beim Onlinediebstahl fehlt außerdem ein gutes audiovisuelles Feedback, das z.B. ein neues Missionsziel klar erkennbar hervorhebt.

Warum nicht langsam? Ganz einfach: Die Missionszeit wird in weltweite Ranglisten eingetragen. Ruhiges, planvolles Vorgehen soll es in Monaco also gar nicht geben. Trotzdem hätte ich wenigstens vor einem Bruch den Grundriss studiert und würde im Einsatz gerne vorausschauend handeln, anstatt zu probieren. Manchmal weiß ich ja nicht einmal, in welcher groben Richtung mein Ziel überhaupt liegt. Trotz Arcadecharakter hätte ich mich außerdem über Wachen gefreut, die nicht unmittelbar vor einer Rauchbombe kehrtmachen, weil es offenbar definitiv absolut nirgendwo irgendetwas zu sehen gibt…

Eine Gaudi?

Nein, von echter Stealth-Action ist Monaco weit entfernt. Es fehlen Planung und oft auch Möglichkeiten, das Chaos nach dem Entdecktwerden zu vermeiden. Ist die Gaunermär also als Arcadespaß eine Gaudi? Tatsächlich: Weil ich jeden Einbruch beliebig oft wiederholen darf, kannte ich einige Karten irgendwann so gut, dass ich in einen flotten Fluss aus

Austin Wintory (Journey) hat für Monaco Klaviermusik komponiert, die an Jahrzehnte alte Gaunerfilme erinnert. Wer den Soundtrack kaufen oder komplett probehören möchte, kann dies auf Bandcamp tun.
Schleichen und Action kam. Dann erschieße ich schnell eine Wache, verkrieche mich im Gebüsch und ziehe nach Abklingen des Alarms weiter. Beim Heimlichtun klimpert das Klavier, im panischen Chaos stolpert es buchstäblich voran. Und so lange ich eine Verkleidung trage, erkennen mich die Wachen nicht sofort.

Ja, die oberflächliche Geheimniskrämerei funktioniert. Sie begeistert mich in keiner Weise, aber sie geht auf. Zumal der Stealth-Speedrun dort interessant ist, wo mir gefundene Münzen Zeit gutschreiben. Mit einer bestimmten Anzahl Münzen füllt sich außerdem der spärliche Munitionsvorrat meiner Schrotflinte um jeweils einen Schuss auf, erhalte ich eine neue Rauchbombe oder kann meinen Gangster einmal mehr heilen. Im Idealfall sammele ich also im Eiltempo sämtliche Münzen, bevor ich den nächsten Abschnitt betrete. Oder ist der direkte Weg manchmal doch der schnellere?

Fazit

"Du schlägst einen Durchbruch, du den Wächter KO, du infizierst die Computer mit einem Virus und ich knacke schnell alle Schlösser." Mit vier Online- oder Offlinekumpels kommt diebische Freude auf, wenn ein Plan funktioniert! Dafür wurde dieses Independent-Spiel 2012 immerhin ausgezeichnet und auch für Solisten funktionieren mit Schleichen, Ablenken und Verstecken wichtige Elemente der Stealth-Action. Schade nur, dass sich alles um den Onlinewettstreit dreht: Rasante Schnelldurchläufe sind das A und O,  das bloße Erreichen des Ziels ist zu selten eine Herausforderung. Und weil die chaotische Darstellung in brenzligen Situationen jede Übersicht über den Haufen wirft, endet der Stealth-Speedrun viel zu häufig in einem wirren Durcheinander – hier geht Form leider über Inhalt. Taktische Planung gibt es nicht, stures Ausprobieren führt irgendwann zum Erfolg. Ständige Wiederholung ist das einzige Mittel, dem Chaos Herr zu werden. So gut das Prinzip vor drei Jahren gewesen sein mag: Die Ausführung belässt es bei einer spielerisch unausgereiften Konzeptstudie.

Pro

rasanter Wettlauf um Beute und Taschengeld
bis zu viert on- und offline spielbar
unkomplizierte Steuerung
eingängige Musik des Journey-Komponisten
weltweite Ranglisten
freischalten schwerer, alternativer Levels

Kontra

ausnehmend unübersichtliche Darstellung des Sichtfelds
keine Übersichtskarte, keine sinnvolle Planung
Wettlauf gegen die Zeit unterbindet cleveres Vorgehen
unzureichende akustische oder visuelle Signale bei wichtigen Ereignissen
unplausibles Verhalten der Wachen zugunsten der Arcade-Rasanz
undurchschaubares Chaos in Onlinemissionen
Onlinespiel erkennt Eingaben zu spät & stellt Ereignisse zu spät dar
keine spritzige Geschichte

Wertung

PC

Schnelle Stealth-Action, die zu viert Laune macht - der aber Spieltiefe und Übersicht fehlen.

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